22 Auswertungskategorie: Systemblick

▼ 683 (fortgesetzt)

Eine systemische Weiterbildung will – das ist sicherlich wesentliches Charakteristikum dieses Ansatzes - ein Denken in und Schauen auf Systeme, Umwelten, Kopplungen und ihre Spielregeln anregen, so dass Zusammenhänge deutlich und ein Überblick möglich werden können. Eine systemische Fortbildung kann auf die Übertragung und Anwendung eines solchen System-Blicks auf Schule zielen (Kap.22.1). Auch können Entwicklungsprozesse des eigenen Schulhauses systemisch wahrgenommen und betrachtet werden (Kap.22.2). Und schließlich kann untersucht werden, ob bzw. inwieweit die Mitforscher ein Denken in bzw. eine Berücksichtigung von Systemen ganz grundsätzlich – im Sinne der Veränderung kognitiver Strukturen - erworben haben (Kap.22.3).

Die zentrale Untersuchungsfrage in diesem Zusammenhang lautet dementsprechend, ob die Mitforscher (anhand) von differenzierteren Systemkenntnissen berichten. Und konkreter: tun sie das auch im Zusammenhang mit dem Schulsystem im Allgemeinen? Zeigen sie vermehrte Kenntnisse über und/ oder berücksichtigen sie in ihren Überlegungen stärker das Systems des eigenen Schulhauses in seinen vielgestaltigen Facetten? Denken sie grundsätzlich vermehrt und/ oder bewusster in Systemen, Umwelten und Interdependenzen? Und gibt es erste Erkenntnisse, wie ein solches Denken und Schauen sich auswirkt?

22.1 systemischer Blick auf Schule

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Die systemische Sichtweise auf Schule zu übertragen, bedeutet, verstärkt das entsprechende System (deutsches Schulsystem, Schulhaus, Klasse, Kollegium usw.558) in seiner Qualität als eigenständiges System mit eigenen Regeln und Mustern wahrzunehmen. Wichtig ist zu untersuchen, ob bzw. inwieweit die Mitforscher entsprechende Sichtweisen anwenden bzw. von ihnen berichten.

Etliche Mitforscher verwenden den Systembegriff, und zwar flexibel für unterschiedliche Systemarten. Deutlich wird, dass sie bei Anwendung des Systemblicks gerade auch auf Zusammenhänge und ihre Position innerhalb dieser Bezüge achten.

- Ich glaube, ich war auch auf der Suche nach so was, wie jetzt [diese Fortbildung], ne? Eine andere Möglichkeit zu finden, wie kann man damit, mit diesen Schwierigkeiten umgehen und wie kann man das mal von einer anderen Perspektive betrachten und guckt wirklich mal ins System: Was geht? Was geht nicht? Unabhängig von der Persönlichkeit. [...] Ich kann jetzt wirklich besser auch mal ein ganzes System betrachten. Aber auch Familiensystem oder so. Also alle Systeme einfach. Dass der Fokus sich verändert hat, vergrößert hat, letztendlich. (K 52)

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- [...] wie es darum ging, dass ich dieses System wirklich vor Augen geführt bekommen habe, also dass ich es gesehen habe, wie es ist, und wo ich dann geguckt habe für mich: Wo stehe ich denn da überhaupt in diesem System? Was kann ich machen? Was habe ich bereits vorher gemacht? Ohne Hauptschulzweigleiterin. Was tue ich jetzt mehr? (E 46)

- Was will ich überhaupt in der Schule? Wo gibt es da eine Möglichkeit? Wo kann ich da ansetzen? Was brauche ich? Wer kann mir helfen? Also diese Fragen sind auf jeden Fall mehr da als vorher. (E 121)

- Und mir ist ganz stark bewusst geworden, dass Schule für mich als Gesamtsystem immer das Interessante ist. [...] Es gibt keinen Teil der Schule, für den ich mich verantwortlich fühlen möchte bzw. es gibt keinen Teil der Schule, für den ich mich nicht ein Stück weit verantwortlich fühle. (G 24)

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- HF: Das heißt, könnte man das so beschreiben: Das ist ein Weg, auf dem ich seit längerem bin, wo das letzte Jahr ein weiterer Meilenstein oder Abschnitt oder war? - K: Ja. Ja, mit Sicherheit auch ein ganz wichtiger, um einfach noch mal die, ja nicht nur die Theorie jetzt, aber einfach diese anderen Sichtweisen, also je nach Baustein, und zwar sowohl auf Eltern, auf Kinder bezogen, auf Schulorganisation bezogen, auf Kollegen bezogen, also eigentlich auf das gesamte System, in dem ich hier drin bin, bezogen. (HF-K / K 37)

- HF: [...] was wieder heißt, es ist ein Blick auf die Organisation, auf die Organisationskultur, was sich, letzte Frage dann, durch die Veranstaltung noch mal verstärkt hat, wenn ich das richtig verstanden habe? - G: Er ist ein bisschen schärfer geworden, würde ich sagen. Der Blick selber in seinen Ausmaßen hat sich nicht geändert, weil, ich habe erkannt, dass ich den Blick schon immer so gehabt habe. (HF-G / G 111)

- [Machtstrukturen in der Schule] Ja. Die hab ich erkannt. [Allgemeines Gelächter] Die sind ganz deutlich geworden. HF: Also deutlicher als vorher. - E: Ja. Auf jeden Fall. (E 123-124)

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- Aber ich glaube auch, dass ich dieses System Klasse in manchen Situationen außer Acht gelassen habe. Wer da welche Position hat. [...] Was ist denn das für ein System? Was passiert denn da, wer ist denn da drin und wer macht da was, ne? (E 78)

- Es ändert sich was am System. Wenn ich freundlicher bin, sind die automatisch auch freundlicher. (C 52)

- Das Seminar hat mir deutlich geholfen einen anderen Blick auf das System zu werfen. Und deswegen mich halt mehr rauszunehmen. (L 120)

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Außerdem werden Kontexte – auch hier wieder: verschiedenster Art – in den Blick genommen und für das eigene Vorgehen berücksichtigt. Hier kommen auch entlastende, entschuldende, akzeptierende Aspekte zum Tragen (vgl. Kap.20).

1. Kontextberücksichtigung allgemein:

- Also ich buche diese Schuld nicht mehr bei mir, sondern das ist dieses System. Und dieses System ist am Anfang sehr verunsichernd. Und wenn man Strukturen erkennt und weiß, das passiert jetzt aus den und den Gründen, die haben die und die Bedürfnisse, und die kannst du nicht erfüllen oder willst sie nicht mehr erfüllen oder brauchst sie nicht mehr erfüllen, hast du einen anderen Blick. (E 25)

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- [im Rückblick über den Aufstieg ins Schulleitungsteam: ] Also ich buche diese Schuld nicht mehr bei mir, sondern das ist dieses System. Und dieses System ist am Anfang sehr verunsichernd. Und wenn man Strukturen erkennt und weiß, das passiert jetzt aus den und den Gründen, die haben die und die Bedürfnisse, und die kannst du nicht erfüllen oder willst sie nicht mehr erfüllen oder brauchst sie nicht mehr erfüllen, hast du einen anderen Blick. (E 29)

- [...] dass wir so Dinge nicht schaffen können. Wenn wir nicht andere Möglichkeiten auch, andere Hilfsmittel bekommen, also sprich: mehr Personal, mehr Kollegen. (B 61)

- [ambivalent:] Also dieser Effekt, ich mache für die Schüler das, was in meinen Augen richtig ist. Die Rahmenbedingungen sorgen dafür, dass das nicht funktioniert, der Lehrgang wird weggestrichen und an der eigenen Schule haben wir noch die negativen Folgen, dass drei Klassen zu zwei zusammengelegt werden. Also so ein, ja, dass man eigentlich das Gefühl hat, man muss eigentlich strategischer handeln. Man muss eigentlich gucken: dürfen wir diese Schülerzahlen unterschreiten?, was vielleicht für den einzelnen Schüler dann wieder bedeutet, dass man ihm nicht unbedingt individuell die Förderung [...] zugesteht. [...] Also, man muss zumindest den Horizont ein Stück weit erweitern, um alle diese Möglichkeiten erst mal auch in Betracht zu ziehen. So zu handeln fällt mir nach wie vor sehr, sehr schwer. [...] - HF: Und die Frage ist, wie geht es Ihnen damit? – G: Also, so als Grundthema würde ich schon mal erst sagen: Schlecht! Das kann ich eigentlich in vielen Situationen, also mit dem Erkennen dieser Vernetzung, ich würde sagen, dass da Frustration eintritt. [...] Was letztendlich dann, gerade was jetzt Schüler angeht, aber doch wieder dazu führt, dass man natürlich mit entsprechenden Maßnahmen schon auch seinen Teil dazu beitragen kann, das wieder gerade zu biegen. [...] Also dieses Abwägen, mit mehr Wissen über die Vernetzung, das ist natürlich auch eine, eigentlich auch eine schöne Sache. Wenn man auch da wieder ein Stück Sicherheit gewinnt. (G 37, 38, HF-G 40, G 40, 42)

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2. einige spezifische Beispiele:

a. Kontext ‚Schule als Zwangsveranstaltung:’

- Es gab ja immer wieder diesen Schlagsatz: Schule ist eine Zwangsveranstaltung, der gestern ja auch von Kolleginnen schon fiel. Dieses Bewusstsein auch erst mal zu kriegen, in welcher Situation die Kinder im Endeffekt stecken. (L 41)

▼ 691 

- [Der Satz ‚Schule ist eine Zwangsveranstaltung’] hilft mir jetzt sehr, Schüler anzunehmen, die sich halt nicht dem so anpassen, wie ich das als Lehrer mir wünsche. (B 34)

- [über die Vision, in der Förderschule den Schülern keine Aufgaben mit nach Hause zu geben: ] [...Vision] die sich aus meinen Beratungserfahrungen gebildet hat und mit einem systemischen Blick ein Wunsch vielleicht verinnerlicht hat. Ja, weil ich in Beratungssituationen ja immer wieder auf dieses Thema zurückkommen muss, weil es zum Schulalltag, zur Schulorganisation dazu gehört, dass jemand seine Hausaufgaben macht, und dass sich daran unglaublich viel festmacht bei Schülern, die welches Problem auch immer haben. (L 46)

b. Kontext Gesellschaft, Kultusministerium und Schulhierarchie:

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- Ich denke, das ist jetzt insgesamt ein Entwicklungsprozess. Ich hab früher, obwohl ich selbst Mutter bin, Eltern anders erlebt. Ich hab Eltern als Feinde erlebt, Eltern als Feinde der Lehrer, und, oder mir persönlich, ja? Und dann, nachdem wir diese Einführungsveranstaltung hatten und es ging um Struktur, ist mir noch mal bewusst geworden, dass die Eltern nicht einfach so, wenn sie Probleme haben, wenn sie Widerspruch einlegen, so, etwas gegen einen persönlich haben, sondern dass das, im Grund genommen, ein politisches Problem ist, was also die ganze Gesellschaft betrifft, sprich: Arbeitslosigkeit, Druck der Eltern. Dann die Sache vom Kultusministerium, was da alles gefordert wird, geleistet wird usw., dass sich das fortsetzt bis in die Familie rein. Und ich kann das Ganze jetzt auch neutraler sehen. (C 3)

- Das ist eben so der Knackpunkt. Also ich denke eben, Schule, Schulhierarchie, ob es eine Hierarchie, also unsere Schulleitung, die kriegt ja wieder von oben die Anweisungen, ist ein sehr komplexes Feld. [...] Und da merke ich eben, dass ich Probleme kriege, weil mein eigenes Bild, so wie ich gerne Schüler unterrichten möchte, kriege ich selten, nee, kriege ich schon in der Klasse hin, aber es ist in diesem staatlichen Schulsystem nicht so möglich, wie ich es gerne hätte, weil wir zu viele Auflagen haben, weil wir zu viele Richtlinien haben, Einschränkungen haben. (C 7)

c. Verbindung der beiden Kontexte des Pädagogischen:

▼ 693 

- Also das sage ich auch den Schülern in den Beratungsgesprächen. [...] Warum hast du diesen Erziehungshilfebedarf? Den hast du, weil auch du, vielleicht auch deine Eltern oder andere Leute, sich so verhalten, dass du dich so verhältst, dass es Probleme gibt, dass du aneckst. Und du, es liegt jetzt an dir mit, das zu ändern, das kann ich nicht für dich machen. [...] Und ich sage aber auch, es an die Hand nehmen, weil, wenn ich es nicht an die Hand nehme, dann schafft er es nicht. (L 70-71)

d. zielgerichtete Kommunikation im Schulsystem

- [...] dieses strategische Reden, Diskutieren, wie auch immer. Wenn ich was erreichen möchte, wie kriege ich es am ehesten hin? Aber das habe ich [in der Eingangsreflexion] geschrieben, ich hätte gern eine Art [...] diplomatischer zu sein. So ganz kann ich es noch nicht, aber ich kann so versuchen auch, ja strategisch Leute einzuwickeln oder so. (C 39)

▼ 694 

Weiter berichten die Mitforscher im Zusammenhang mit dem Systemblick, dass sie mehr Struktur und Kla r heit gewonnen haben:

- HF: Wenn man Ihre Kinder fragte, was hat denn die Frau C in dem Jahr, die war jetzt auf Fortbildung, was vermutet ihr, hat die da gelernt? [...] – C: [...] Die hat eine Struktur gelernt, die bereitet den Unterricht ganz anders vor, hat immer einen roten Faden. [...] Die sieht alles, nimmt uns aber wahr in unserer Persönlichkeit; geht nicht über irgendwelche Dinge hinweg; spürt atmosphärisch, wenn was nicht stimmt und geht drauf ein, spricht das an, macht das transparent; geht mit Leuten vor die Tür, um die nicht bloßzustellen, nach Möglichkeit. (HF-C 60, C 61)

- Also ich denke schon, dass einfach die Beschäftigung mit diesen Themen, die wir ja jetzt das Jahr durch hatten, ja, dass ich durch diese Beschäftigung damit, vielleicht Dinge, die ich vorher nur erahnt habe, jetzt benennen kann, die Struktur besser sehe, diese ganzen Konflikte, Fallen, was auch immer, aber umfassend. (K 13)

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- Viele Dinge sind mir klar, die vorher, früher vielleicht gespürt habe, wo ich aber nie wusste, was ist denn das jetzt und wo ich also einfach häufig reingetappt bin. (K 4)

- [...] wobei, früher hab ich viel mehr Energie einsetzen müssen. Ich denke, das hängt schon damit zusammen, dass ich heute sehr viel klarer sagen kann: Das und das erwarte ich, das ist für mich dran, das ist wichtig. Ich glaube, das mein Einsatz früher in zeitlicher Hinsicht, in energetischer Hinsicht, sehr viel höher war. (K 35)

- Und dann sehe ich manches im Gespräch auch von Anderen irgendwo klarer und kann ganz deutlich sagen: Was du jetzt sagst, hat mit der Sache, an der wir jetzt hier arbeiten wollen, nichts zu tun. Das ist wichtig, ist aber eine andere Frage und hat hier nichts zu tun. Und da, solche Dinge bring ich jetzt deutlicher ein. (B 109)

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- Der Punkt ist ja also im Vorfeld zu gucken auf die Fallen, also auf die Einladungen. Mir vorher die eigene Position sehr klar machen, im Vorfeld, die aber auch formulieren und die Eltern fragen, worum es ihnen geht. Also einfach diese Klarheit auf allen Ebenen so gut das halt geht mit Leuten. (K 96)

- Es hat insgesamt die Wahrnehmung schon geschärft, was mich und mein Umfeld betrifft, und Positionierungen, Umgang mit anderen, [...] Beziehungsgestaltung. (C 164-165)

Die Vielzahl der Nennungen in diesem Bereich lässt erkennen, dass die besondere Berücksichtigung von Systemen, Kontexten und Regeln ein für die Mitforscher wichtiger Bereich ist, der zu mehr Klarheit führt bzw. geführt hat (vgl.a. Kap.23.2). Die flexible Verwendbarkeit der Systemidee ist offensichtlich gerade für Schule mit ihren vielfältigen und unterschiedlichen Kontexten ein gut handhabbares Modell, um für sich Orientierung zu finden und sich angemessen zu positionieren bzw. um Beziehung adäquat gestalten zu können.

22.2 Schulentwicklungsprozesse am eigenen Schulhaus

▼ 697 

In diesem Unterkapitel geht es um die Verbindung des Systemblicks mit dem eigenen Schulhaus. Ein systemischer Blick kann, so die Vermutung, zu einer verbesserten Kenntnis des Systems des eigenen Schulhauses führen. Bei Involviertheit in Schulentwicklungsprozesse kann dies gerade für engagierte schulische Pädagogen hilfreich sein (Kap.11). Es ist daher zu untersuchen, ob bzw. inwieweit die Mitforscher eine systemische Sicht von Schulentwicklung für die eigene Schule entwickelt haben (Kap. 22.2.1). Außerdem ist zu erforschen, ob bzw. inwieweit eine systemische Fortbildung von einzelnen Lehrern zu Auswirkungen auf das eigene Schulhaus führt (Kap. 22.2.2), wie es aufgrund des systemischen Interdependenzpostulats möglich oder zu vermuten ist. Schließlich soll nachgeprüft werden, ob bzw. inwieweit eine systemische Fortbildung aus Sicht des einzelnen Pädagogen Auswirkungen für die Passung von sich als Mitarbeiter und seinem Schulhaus als Organisation hat (Kap. 22.2.3).

22.2.1 systemische Sicht von Schulentwicklung für die eigene Schule

Ein wichtiger Aspekt der Relevanz des systemischen Ansatzes für schulpädagogische Felder, so lässt sich vermuten, kann v.a. für engagierte Lehrer in der Möglichkeit liegen, Schulentwicklungsprozesse professioneller in Augenschein zu nehmen. Zu diesem Thema gibt es ein paar Äußerungen, die Geschwindigkeit, Vorgehen und eigenen Anspruch im Zusammenhang mit Entwicklungsprozessen am eigenen Schulhaus betreffen.

- Das System Schule ist in meinen Augen nicht geeignet, um Dinge von heute auf morgen umzudrehen und umzukippen und zu verändern. Es muss ein langsamer Prozess sein, auf dem letztendlich auch ganz viele mitgenommen werden müssen. Diese Chance muss jeder haben, wenn man das nicht macht, wenn man Lehrer nicht mitnimmt, wenn man Eltern nicht mitnimmt, dann wird man keine Akzeptanz mehr haben. [...] Das ist bestätigt worden, auch gerade durch die letzten beiden [Seminar-]Blöcke. (G 54,56)

▼ 698 

- Aber ich denke auch, macht mir manchmal Probleme, wie das Kollegium insgesamt so mit Innovationen umgeht. Und da war die eine Sitzung, die wir hatten, auch aufschlussreich, ne? Wo Sie zum Beispiel gesagt haben, wenn man nicht - was haben Sie gesagt: zwei Drittel? - sicher ist, dass zwei Drittel mitzieht, dann soll man es sein lassen. [...] das heißt ja nicht, dass man das nicht darf oder nicht soll, aber man muss darauf achten, und ich denke, man sollte dann wirklich nicht insistieren, wenn....- HF: Wenn kein Bedarf geäußert wird. - B: Ja. Ja. Das ist mir deutlicher geworden auch, darauf in Zukunft mehr zu achten. (B 68, 70, HF-B / B 71)

- Was ich jetzt zu der Gruppe unserer Schule559 noch mal sagen möchte ist folgendes: Ich kann die Kritik der anderen verstehen. Die ist auch berechtigt. Ohne Zweifel. Ich würde es aber wünschen, dass es wieder so wäre, weil es uns als Gruppe und uns als Schule sehr gut getan hat, denn es ist was anderes, wenn ein oder zwei Leute eine solche Fortbildung machen. Die können nicht Multiplikator dessen sein, was man dort lernt. [...] Wir können uns gegenseitig viel besser unterstützen. Und so lässt es sich einfacher weitergeben, als wenn es nur zwei sind, oder vielleicht nur einer. (F 29, 31)

- Als greifbaren Fakt, um vielleicht eine Handlungsanleitung zu haben, fand ich den Zettel, weil ich natürlich auch grad in der Situation bin mit dem Trainingsraum an der Schule, wo ja gerade was installiert wird, den Zettel vom Samstag: Wen muss ich alles einbeziehen, um etwas in der Schule zu installieren? Das fand ich sehr hilfreich. Das ist so ein Grundmuster, an wen man alles denken muss, dass man gewisse Leute nicht außen vor lassen darf, weil die fühlen sich dann übergangen. Und an was ich alles denken muss, oder es ist auch einfach ein Handlungsrahmen. (L 77)

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- Ja, das ist eine Sache, mit der ich mich selbst noch nicht so befasst habe. [...] Ich selbst habe mich innerlich noch nicht groß mit dem Gedanken befasst, an dem System Schule etwas verändern zu wollen. Ich bin ja Teil einer Veränderung, weil es gibt auf einmal die Abteilung für Erziehungshilfe an der Gesamtschule, was ja eine Organisationsänderung ist. Und das erlebe ich in Folge von persönlichen Rückmeldungen als eine positive Sache, und bestärkt mich, darin weiter zu arbeiten, aber ich habe das ja nicht verändert, sondern es ist eine Organisationsänderung vom Schulamt aus für die Schule. - HF: Aber die Prozesse, die sich verändern, das geht ja weiter, das läuft ja weiter... - L: Sind mit meiner Person im Endeffekt verbunden, erst mal. (L 79-80)

Deutlich wird hier, dass Überlegungen zur Schulhausentwicklung vor allem von den Mitforschern (F, G, L) angestellt werden, die am eigenen Schulhaus in einem umfassenderen Transformationsprozess (Etablierung der ‚Trainingsraummethode’, vgl. Bründel/Simon 2003) einbezogen sind. Allerdings gibt es auch einige Einzelvertreter von Schulen, die das Thema ebenfalls aufgenommen haben. Auf alle Fälle kann festgehalten werden, dass auch für Nicht-Schulleitungsmitglieder das Thema der Schulentwicklung aus systemischer Sicht interessant und hilfreich ist. Die in den Belegen zum Vorschein kommende Skepsis und Vorsicht im Kontext von Schulentwicklungsprozessen muss nicht als Infragestellung des systemischen Ansatzes interpretiert werden, sie kann durchaus auch als Ausdruck systemisch-konstruktivistischer Kenntnisse und Blickweisen auf dem Gebiet der Schulentwicklung verstanden werden.

22.2.2 Auswirkungen der Fortbildung auf das eigene Schulhaus

Auch bei Einzelvertretern (d.h. Pädagogen, die als alleinige Mitarbeiter ihrer Schule an der Fortbildungsveranstaltung teilnahmen) kann aufgrund des Interdependenz-Postulats der Systemik vermutet werden, dass ihr geändertes Verhalten Einfluss auf Abläufe, Spielregeln und die Kultur des eigenen Schulhauses haben kann (vgl. Kap.8.1.1) Andererseits wird diese Möglichkeit der Systemveränderung gerade auch von systemischen Vertretern für den schulischen Bereich sehr kritisch gesehen, da Schule als ein konservatives, nur schwer veränderbares System gilt. Daher kann Äußerungen der Mitforscher auf diesem Gebiet mit Spannung entgegen gesehen werden. Zugleich obliegt dem Hauptforscher, sich zu entscheiden, welche Äußerungen er für ausreichend hält, um hier aufgeführt zu werden. Möglich wäre, bereits eine Äußerung wie: „Es ändert sich was am System. Wenn ich freundlicher bin, sind die automatisch auch freundlicher“ (C 52) anzuführen. Darauf verzichte ich im Folgenden, um mich auf deutlichere Entwicklungsprozesse zu beschränken.

▼ 700 

- Ja, das, was, glaube ich, für mich am fassbarsten und am konkretesten gewesen ist in diesem Jahr, [...] das ist die Methode der Fallberatung, denn das haben wir dann auch versucht bei uns im Kollegium zu etablieren. Das wurde noch mal mit unterstützt von einer Kollegin. [...] Wir haben´s dann beide sozusagen gemeinsam in unser Kollegium reingetragen. [...] Und es hat auch, glaube ich, zu der Erfahrung geführt bei der Kollegin, die ich mir gewünscht habe, nämlich, dass wenn man solche Gespräche strukturiert, und auch versucht, in zeitlichen Rahmen zu bringen, an die man sich hält, dass es dann effektiver ist, als wenn man einfach nur so mal über ein Problem redet, und nicht zu einem Punkt kommt, und es immer wieder von vorne beginnt. Das erlebe ich in unserem Kollegium als ganz besonders extrem. (A 1-2)

- Und Teambildung heißt halt natürlich schon ganz klar, ich will ein Stück weit Einfluss nehmen auf die Leute, die mit mir in der gleichen Klasse unterrichten, speziell in meiner Klasse. (G 77) [...] HF: Ich hab ja das System, ich hab verschiedene Leute und in dem Moment, wo Sie als Einzelner mit Anderen zusammen ein Team bilden, verändert sich ja was an der Struktur der Schule. Wo ich Sie vorhin so verstanden habe, dass Sie sagen: Ich bin da auch aktiv, so auf die Leute zuzugehen und dafür zu sorgen, so verbindend, dass das Team wirken kann? – G: Absolut, ja (HF-G / G 102)

zur Etablierung des Trainingsraumes an der eigenen Schule

▼ 701 

- HF: was für Auswirkungen gibt es auf das System Schule/Schulhaus? – F: [...] Eine positive Veränderung [...] sehe ich darin, dass wir den Trainingsraum installiert haben. (HF-F/ F 33)

- ich habe das auch von Anfang an so gesehen. Ich habe nicht nur den Trainingsraum gesehen mit seinem Effekt speziell für den Unterricht, sondern ich habe den Trainingsraum immer als Dreh- und Angelpunkt der Atmosphäre an der Schule empfunden. Also, die Kommunikation, die unter den Lehrkräften entsteht durch den Trainingsraum, ich wüsste keine Maßnahme, wie man die intensiver gestalten könnte. (G 110)

- Es ist ja erst angelaufen und, ja, wie wirkt sich das aus auf die anderen Kollegen? Ich denke, es ist für sie eine Entlastung, und sie erleben immer mehr mit, mit was für einer relativ einfachen Methode man ungestört unterrichten kann. Und man hilft auch, und das ist es ja, man verhilft den Schülern mehr zu diesem Bewusstsein zu kommen: Ich bin für das, was ich tue, eigenverantwortlich. [...] Und so denke ich, ist diese Veränderung des Systems [...] angelegt worden jetzt dadurch. (F 37)

▼ 702 

Auswirkungen auf andere Schulhäuser:

- Ich find diesen Satz560 ja eigentlich so einfach. Aber [...] vor dem Kurs [...] es war mir nicht so im Blick und ich hätte es nicht so äußern können. Und ich hab ihn schon oft geäußert, auch jetzt im Gespräch mit anderen, und spüre, dass die eine ähnliche Erfahrung machen, dass sie sagen: Das ist genial. Also eine Freundin an einer anderen Schule hat gesagt: Du, dieser Satz, der hängt mir jetzt auch immer nach. Ich denke, das hat offensichtlich eine enorme Wirkung. Entlastend und [...] auch wegbereitend. Also dass man sich das einfach, bevor man überhaupt eine Aufgabe nimmt, auch diese Frage bewusst stellt. (B 21)

Die Nennungen der Mitforscher beziehen v.a. auf das Trainingsraumkonzept, auf Fallberatung und Teambildung, also auf überwiegend innerschulische Kooperationsprozesse. Auch hier sind wieder die Nennungen der Mehrfach-Vertreter des gleichen Schulhauses zahlreicher. Interessant ist der Hinweis, dass über die Kommunikation zwischen einer Einzelvertreterin, die in der Seminarreihe dabei war, und einer anderen Pädagogin einer anderen Schule, sich in der Schule der letzteren ebenfalls Auswirkungen ergeben, wenngleich nicht so umfangreich wie in den zuerst genannten Beispielen.

22.2.3 Auswirkungen für die Passung von Mitarbeiter und Organisation

▼ 703 

Die zunehmende Gewinnung eines Blicks auf das System des eigenen Schulhauses, auf seine Strukturen und Spielregeln sowie auf die systemisch-konstruktivistische Theorie zur Schulentwicklung kann dazu führen, nicht nur Entwicklungschancen gezielt anzupeilen, sondern gerade auch Prozesse, die im eigenen Schulhaus vielleicht nicht so gut laufen, deutlicher zu sehen. Insofern kann vermutet werden, dass, vermehrt systemisch zu sehen, als ambivalent erfahren werden kann. Es kann ggf. zu mehr Unzufriedenheit über die Umstände im eigenen Schulhaus kommen und damit zu der Frage, wie man mit einer solchen Situation umgehen kann, darf, muss. Solche Fragen (und die darauf gegebenen Antworten) können zugleich eng mit Selbstklärung und Selbstvalidierung verknüpft sein. Tatsächlich berichten fünf der elf interviewten Mitforscher über Überlegungen der beruflichen Veränderung, die das eigene Schulhaus tangieren bis hin zum Schulwechsel oder zum Ausstieg aus der erweiterten Schulleitung.

- Was ganz klar für mich geworden ist in diesem Jahr, dass ich jetzt klar sagen kann: Ich will nicht mehr die Rolle als Hauptschulzweigleiterin weiter machen. Ich muss jetzt nur noch den Zeitpunkt abwarten, wo ich dann wirklich rausgehen kann, ohne dass die andern so ins Schleudern kommen. Ich denke, am Ende des Schuljahres wird es dann soweit sein, dass ich dann sage: Hier, ich geh raus. (E 43) [Diese Seminarteile zur Schulentwicklung] waren sehr wichtig. Also die waren eigentlich ausschlaggebend für mich, [...] wie es darum ging, dass ich dieses System wirklich vor Augen geführt bekommen habe. (E 46)

- Im Grunde genommen sehe ich im Moment zwei Wege: Entweder drin bleiben, meine Situation so gut wie möglich zu machen für die Schüler, oder eben aus dem System aussteigen. - HF: System wäre System Schulhaus oder? - C: [...] konkrete Schule im Moment. Das ist ja mehr so mein persönliches Problem. (C 10-11) [...] HF: das ist belastend auch, oder? – C: Nee, ist nicht belastender. Im Gegenteil, es ist, ich sehe eher Möglichkeiten, nicht auszusteigen. [...] Es ist klar, wesentlich klarer. (HF-C 17, C 17,18) [...] Ich weiß nach dem Seminar, ich muss nicht ewig an diesem Schulhof kleben. Ich habe für mich jetzt schon neue Perspektive, vielleicht doch raus, mich versetzen lassen. (C 168)

▼ 704 

- HF: Durch den Arbeitsplatzwechsel, den du jetzt gemacht hast, hast du einfach für Dich klarere Arbeitsstrukturen, so dass dieses Gefühl von: Ich mache nichts wirklich richtig, sich ein Stück weit reduziert hat, oder dabei ist zu reduzieren? - L: Ja. Und was total interessant ist: Ein Systemwechsel – mitzumachen. Von der Förderschule in die Gesamtschule zu gehen, diese Strukturen jetzt neu kennen zu lernen. Das ist für mich interessant und motivierend. (HF-L / L 112)

- [...] eine Funktionsstelle [...] . Eigentlich ist es ein Stück weit mein Ding. Mittlerweile bin ich aber davon eigentlich schon wieder weggekommen. Weil ähnlich, wie die Frau E das jetzt formuliert hat, habe ich keine Lust, meine Kraft, wie sagt man, aus dem Umgang mit Schülern rauszuziehen, aus dem alltäglichen Geschäft des Lehrers, und in etwas rein zu stecken, ja, was eigentlich sehr uneffektiv ist. Unter gewissen Bedingungen könnte ich mir sehr gut vorstellen, so was zu machen, aber die Bedingungen, glaube ich, sind heutzutage nicht zu realisieren. Und deswegen ist der Gedanke für mich eigentlich auch ganz weg gerückt. [...] Ja, aber ganz bewusst, und das auch gerade an den letzten Seminarblöcken, die wir jetzt gemacht haben, als es um diese ‚Organisationstruktur Schule’ ging, da hat sich das noch mal gefestigt, hat noch mal ein bisschen Klarheit bekommen. (G 27-28)

- Ich bin jetzt dabei, vielleicht wieder aus einer Arbeitsgruppe rauszugehen, die sehr anstrengend ist für mich. [...] Das nimmt mir sehr viel Zeit weg. Ich finde es zwar wichtig, aber das sind total viele Konferenzen, die manchmal wenig bringen, weil nur die Hälfte der Kollegen kommt, das ist freiwillig. (J 79)

▼ 705 

Im Verlauf der Seminarreihe haben einige Teilnehmer also zum Teil essentielle, das individuelle berufliche Selbstbild betreffende Überlegungen im Verhältnis zum eigenen Schulhaus angestellt und mitunter auch für das System erhebliche Folgen zeitigende Entscheidungen getroffen.561 Der Frage, ob bzw. inwieweit diese Überlegungen bzw. Entscheidungen mit einer eher grundsätzlich veränderten Sichtweise zu tun haben, ist das folgende Kapitel gewidmet.

22.3 systemisch-konstruktivistische Denkstruktur und Gesamtblick

Ein verstärktes Denken in Systemen und Umwelten (bei Heranziehen einer konstruktivistischen Epistemologie) müsste ein grundsätzlich anderes Wahrnehmen, Denken und Schauen mit sich bringen, dessen Existenz – zumindest in wesentlichen Teilen oder Ansätzen - am Ende einer einjährigen Fortbildung vermutet werden kann. In diesem Unterkapitel werden Belegstellen angeführt, die – nach der Wortwahl der Teilnehmer562 – sich auf Veränderungen in der Art ihres ‚Denkens’ und ‚Schauens’ beziehen. Es geht hier also um die Beschreibung einer grundsätzlichen Veränderung von Wahrnehmung. Damit befinden sich diese Zitate in einem Kernbereich dessen, was diese Seminarevaluation anhand von Interviews überprüfen will: den Wandel von Kognitionsstrukturen.563

Der veränderte Blick wird von einigen Teilnehmern explizit genannt. Die Veränderung wird dabei u.a. als intensiver Gesamtblick und als hinzugewonnene Perspektivenvielfalt beschrieben:

▼ 706 

- Ich habe einen anderen Blick auf die Schule bekommen. (J 94)

- Ich glaube, dass die Sache, die wir gerade besprochen haben, wie Haltung, Meinungen, Reflexion über sein eigenes Tun und Denken, wenn das in einem Gleichgewicht ist und wenn das durch so eine Veranstaltung bestätigt und gestärkt wird - das hilft ja auch sehr viel weiter -, dann hat man in dem Jahr gelernt, sich ein Fundament zu bilden für seine Arbeit. Und dieses Fundament-Bilden, das hat mir sehr weiter geholfen, also im Endeffekt ein Findungsprozess. Auch als Einstimmung auf meine Arbeit, die ich jetzt begonnen habe. Und ich gehe [...] als Beraterpersönlichkeit gestärkt aus dem Seminar raus. So kann ich unterschreiben, ich kann das jetzt nicht an einzelnen Veranstaltungspunkten festmachen, weil das einfach auch darum ging, einen anderen, systemischen Blick auf das System Schule zu lenken. (L 38)

- Die Positionierung, [...] die Fallen, [...] aber das hängt ja alles zusammen, diese eigene Klarheit, [...] also einfach diese Abgrenzung für mich selber. [...] Ich meine damit, dass ich dadurch, dass ich für mich einen anderen Blick gewonnen habe, dadurch klare Position beziehen kann. Also ich habe, glaube ich, schon immer in meinem Leben Stellung bezogen. [...] Aber ich denke, ich kann es heute mit einer anderen Klarheit. [...] Und überlege mir sehr genau, wann ich Verantwortung übernehme. Ja? Und habe gelernt eben dann auch mal einfach den Mund zu halten und gar nichts zu sagen. Und zu gucken, was passiert. Und dadurch, dass ich mich für mich selbst klarer positioniere, kann ich das halt auch. [...] Dadurch habe ich mehr Ressourcen. (K 42, 43,45-47)

▼ 707 

- HF: [...] und dann hatten Sie gesagt, das war das letzte, was ich mir hier notiert hab: ‚Es hat Spaß gemacht, viele Dinge immer wieder anders zu hinterfragen.’ - F: Ja, man bekommt einen weiteren Blick, Dinge zu betrachten. - HF: Mehr Perspektiven? - F: Ja klar. Auf jeden Fall. (HF-F 69 bis F 70)

Eine Mitforscherin berichtet von einem anderen Denken:

- Ich meine erkannt zu haben, dass mein Einsatz vorher, also mein Denken, ganz stark geprägt war, jetzt in Elterngesprächen: Da sind Eltern und ich muss ihnen zeigen - es geht jetzt nur um Problemfälle -, wie man vielleicht mit dem Kind besser umgehen kann oder wie man das Kind ändern kann. Und ich hab eigentlich einen doppelten Druck erfahren, einmal, dass ich ja auch an eigene Grenzen komme, dass ich ja auch nicht immer Lösungen weiß, und zum anderen, dass Eltern sich eben nicht so leicht manipulieren lassen. [...] Ich wusste vorher nicht, woran es liegt, dass es nicht gelingt. Also mein eigenes schon, meine Grenze erkannte ich schon, aber die beim Anderen nicht. Und das ist mir im Laufe des Lehrgangs in vielen Situationen immer klarer geworden. (B 2-3)

▼ 708 

- [...] hab ich eine Distanz gewonnen. Ich glaube, dass ich das jetzt damit umschreiben kann, dass ich ein, dass ich jetzt über Instrumente verfüge und über Denkweisen verfüge, die mir helfen, anders zu reagieren. (B 105)

- [...] das, was ich plötzlich so durch dieses systemische Denken sehen konnte, auch klar zu äußern. Weil das auch manchmal, es ist tatsächlich so eine Ebene, die sachlich ist, [...] sie kommt jedenfalls an, bei Anderen. Also man rückt ein Stück [ab], man kommt eher weg [von] jetzt: ‚das hat die XY gesagt und die musste auch schon wieder was sagen’, sondern die Sache steht mir im Raum. (B 110) [Und dann wirkt sich das so auf die Gruppe aus,] dass sie mitgeht, also dass sie zielgerichtet mitgeht. (B 112)

Die Äußerungen dieser insgesamt fünf Mitforscher belegen, dass zumindest einige Seminarteilnehmer (das entspricht der Hälfte der für diese Arbeit ausgewerteten Interviewte) zu Seminarende und in eigener Wortwahl sehr deutlich von einem veränderten Blick bzw. Denken sprechen. Der Zusammenhang, in dem diese Beschreibungen stehen (seien es konkrete Belegstellen, sei es der Kontext der in dieser Evaluation festgehaltenen Zitate überhaupt), erlaubt es, die Qualität der Veränderung als eine Verstärkung systemisch-konstruktivistischer Sicht- und Denkweisen zu beschreiben. Damit lässt sich hier vielleicht deutlicher als an anderen Beleg-Stellen konstatieren, dass mit einiger Plausibilität behauptet werden kann, dass die Weiterbildung kognitive Wahrnehmungs- und Sinnstrukturen im Sinne systemisch-konstruktivistischer Ideen verändert hat. Dies ist allerdings noch keine Bewertung dieser Veränderung (vgl. dazu das kommende Kapitel).

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Insgesamt lässt sich deutlich und teilweise von den Formulierungen her explizit nachweisen, dass viele Teilnehmer aus einer systemischen Sicht heraus Schulsysteme und Schulentwicklungsprozesse betrachten, beschreiben und analysieren (können). Die Qualität dieser Sichtweise – konstruktivistische (Er)kenntnis(gewinnung) anhand von Funktionen, musterhaften Spielregeln und Kommunikationsabläufen im jeweiligen System - wird von circa der Hälfte der interviewten Mitforscher ausdrücklich als unterschiedsbildend und (zumindest in dieser Qualität) neuartig eingestuft. Damit ist noch nicht geklärt, welche Qualität diese Veränderungen, abgesehen davon, dass sie neu sind, des Weiteren besitzen. Wie ist es, diese neuen Erfahrungen zu machen? In den folgenden Kapiteln wird nach (weiteren) Bewertungen durch die Mitforscher für diese Veränderungen gesucht. Dabei soll im Folgekapitel schwerpunktmäßig geprüft werden, ob bzw. inwieweit positive Gefühle (weiter) gewachsener Gelassenheit und Sicherheit von den Mitforschern konstatiert werden.


Fußnoten und Endnoten

558  Was ein System ist, entscheidet der Beobachter.

559  gemeint ist hier: die Gruppe der Vertreter einer Schule in der Fortbildung. Während ansonsten von den verschiedenen Schulen nur Einzellehrer vertreten waren, gab es von einer Schule mehrere Pädagogen in der Fortbildungsgruppe (vgl. Kap.4.11).

560  Hier ist einer der Sätze zum angemessenen Umgang mit Verantwortung gemeint (Kap. 9.11 Umgang mit Verantwortung), wahrscheinlich: Wer sie als erster nimmt, hat sie.

561  Insofern handelt es sich ggf. ebenfalls um Auswirkungen der Fortbildung auf das eigene Schulhaus, wie bereits das vorherige Kapitel überschrieben war.

562  In den Zitaten tauchen die Begriffe ‚Denken’ bzw. ‚Blick’ als Wortwahl der interviewten Mitforscher wörtlich auf.

563  Diese können nicht direkt nachgewiesen werden, über sie können aber die Experten für die eigenen Kognitionen (die jeweiligen Mitforscher) Auskunft geben (vgl. Kap.4).



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09.06.2008