Literaturverzeichnis

Robert Mosell

Schottstr.17

35390 Gießen

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bobmosell@hotmail.com

Disputation zur Dissertation:

Das Veränderungspotenzial systemisch-konstruktivistischer Pädagogik für Lehrkräfte in der gegenwärtigen Schule

Konzeption, Durchführung und Auswertung eines Weiterbildungscurriculums für schulische Pädagogen in der Berufspraxis

Thesen

Die Ausgangslage:

1. Die neue Gesellschaft ist postmodern. Sie hat aber immer noch eine ‚moderne’ Schule.

Kennzeichen einer ‚Postmodernen’ Gesellschaft sind u.a. Subjektivierung, Relativismus, Betonung der personalen Kompetenzen, Flexibilisierung des Beziehungsgeschehens (vgl. Punkte 10 und 14 der Thesen). Dem entgegen gesetzt, ist ein ‚modernes’ Schulsystem an Macht und Kontrolle orientiert und vom Durchsetzungskontext bestimmt.

2. Zur Förderung der neuen ‚postmodernen’ Schule bietet sich der systemisch-konstruktivistische Ansatz (bzw. die systemische Pädagogik) an

wegen dessen zeitlicher und inhaltlicher Nähe zur postmodernen Gesellschaft und aufgrund seiner wachsenden Anerkennung in Theorie und Praxis.

3. Die Lehrer können mit diesem Ansatz – auch bereits im faktisch gegebenen schul-institutionellen Rahmen - in ihrer Berufspraxis gestärkt werden

unter besonderer Berücksichtigung der Thesen 10 bis 19.

4. Der Weg, die Lehrerkompetenz (in Kognitionen und Handeln) zu verändern, führt über die Weiterbildung.

5. Das Ziel der Dissertation ist es, die Veränderung der Lehrerkompetenz (von der ‚modernen’ zu einer ‚postmodernen’ Kompetenz) durch die Vermittlung des systemisch-konstruktivistischen Ansatzes in der Weiterbildung und durch deren Erprobung in der Schul-Praxis der Teilnehmer zu untersuchen.

Der Untersuchungsprozess:

6. Die Ausgestaltung und Reflexion des Vermittlungsprozesses werden durch den Leiter und die Teilnehmer gemeinsam vollzogen. Die Seminarteilnehmer werden in diesem Prozess zu aktiven Mitforschern, weil veränderte Konstrukte (die zu verändernden Kompetenzen) nicht unmittelbar einsichtig sind, sondern kommunikativ vermittelt werden müssen. Der Seminarleiter ist teilnehmender Beobachter des Prozesses und beeinflusst diesen. Er muss den Prozess als Organisator begleiten und ‚meta-reflektieren’, ohne Interpretationshoheit zu besitzen

7. Das Ergebnis erweist sich an der Kompetenzfrage am Ende des Kurses. Die Veränderungen in der Lehrerkompetenz und in der Schulpraxis der Teilnehmer werden durch einen Vergleich der Kognitionen und Handlungen, über die die Teilnehmer selber als unmittelbar Betroffene und Erlebende entscheiden und berichten, zu Beginn und am Ende der Seminarreihe überprüft.

8. Inhalt und Form der Weiterbildung und der Untersuchung der Lehrerkompetenz und Schulpraxis der Seminarteilnehmer greifen in kohärenter Weise auf systemisch-konstruktivistische Prämissen und Implikationen zurück.

9. Für den Nachweis der Ergebnisse werden der Untersuchung klare, überprüfbare Kriterien des systemisch-konstruktivistischen Ansatzes zugrunde gelegt. Der Generalisierungsgrad beschränkt sich auf eine Pilotstudie, die auf Plausibilität hin untersucht.

systemisch-konstruktivistische Pädagogik und Beratung:

10. Die idealtypischen Modelle ‚modernes’ und ‚postmodernes’ Gesellschaftssystem stützen sich auf in der Forschungsgemeinde etablierte Modelle entwicklungspsychologischer, systemisch-konstruktivistischer, ontologischer Entwicklung. Der Abgleich mit der Empirie zeigt auf, dass die Gesellschaft der Bundesrepublik die ‚Moderne’ verlassen hat, ihre Schule ist organisiert und arbeitet jedoch (noch) überwiegend nach Maßstäben der ‚Moderne’.

11. Aus systemisch-konstruktivistischer Sicht sind für pädagogische Prozesse v.a. stimmiges Beziehungsgeschehen, Kommunikation und Interaktion relevant. Eine instruktive Interaktion ist nicht möglich.

12. Der schul-institutionelle Rahmen und ‚gesellschaftliche Erzählungen’, die die Lehrerarbeit prägen und beeinflussen, sind angemessen zu berücksichtigen und zu reflektieren.

13. Die Übertragung der systemisch-konstruktivistischen Ideen (bzw. Theorie) auf die schulische Pädagogik verändert die Sicht auf die ‚traditionellen Erzählungen’ und eröffnet neue Chancen für pädagogisches Handeln. Eine Vielfalt von ‚Erzählungen’ unter Berücksichtigung insb. bisher eher ungewohnter postmoderner bzw. systemisch-konstruktivistischer Erzählperspektiven erweitert die Sicht auf die Rahmenbedingungen (Ressourcen, Muster, Umfelder), erhöht die Möglichkeiten pädagogisch zu handeln und verbessert die Chancen, die Pädagogik stimmig an gegenwärtige Herausforderungen anzupassen.

14. Zentrale Aspekte des systemisch-konstruktivistischen Ansatzes enthalten u.a. eine Relativierung (sowohl vom individuellen Einsichtsvermögen her wie unter dem Aspekt der Erklärungskapazität von Theorien) der Begriffe von Wahrheit, Wissen Lernen und Sprache. Die Relativierung macht insb. eine Präzisierung der Verantwortung des schulischen Pädagogen notwendig. Sie verlangt eine Ausdifferenzierung der Bedeutung der pädagogischen Beziehungsgestaltung und wertet letztere auf.

15. Der systemisch-konstruktivistische Ansatz hat wichtige neue Sichtweisen, Haltungen, Methoden und Instrumente anzubieten. Die konkreten pädagogischen Funktionen von Lehrern verändern, vervielfältigen und verkomplizieren sich, so dass der bewusste Umgang mit ihnen zunehmend wichtiger wird. Es geht v.a. um klare Positionierungen z.B. in den Kontexten von Durchsetzung und Angebot in schulischer Pädagogik, um die angemessene Berücksichtigung der Kontexte von Organisationskulturen, der Klasse als System, der familiären Hintergründe, um die Sichtung von und die Orientierung an Ressourcen in der Gestaltung der Beziehung mit Schülern, Eltern, Kollegen und dem Selbst.

16. Der Beratungsbedarf an, in und für Schule wächst angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen und (mit Abstrichen) angesichts schulinstitutioneller und staatlicher Reformbemühungen. Auch in diesem Zusammenhang bietet der systemisch-konstruktivistische Ansatz wichtige neue Sichtweisen, Haltungen, Methoden und Instrumente an.

17. Die konstruktivistische Pädagogik erwartet vom Lehrer die Kompetenz, sein Gegenüber zur Kooperation zu gewinnen. Autorität ist erheblich weniger an seine Positionsmacht geknüpft als früher. Zur Lehrerkompetenz gehören ein integrativer Umgang mit den Kontexten von Durchsetzung und Angebot und die Fähigkeit zur pädagogischen Präsenz. Aus Sicht der Schüler stellen sie ein zentrales kritisches Moment im Prozess der Beziehungsgestaltung und der Zuschreibung von Autorität dar.

18. In der systemisch-konstruktivistischen Sicht/Schulpraxis muss der Lehrers grundlegende Kenntnisse besitzen, um die Prozesse pädagogischer und beratender Begleitung und Prozesse der Schulorganisation angemessen mitgestalten zu können. Engagierte Lehrer sollten sich bewusst sein über die Grenzen ihrer Gestaltungsmacht in diesen Bereichen und zugleich darüber, dass die Prozesse zur Entwicklung der schulischen Organisation auf die Aktivitäten der an der Schule Beteiligten angewiesen sind.

19. ‚Systemisch-konstruktivistische Pädagogik’ lässt sich definieren als die Kunst einer Handlungswissenschaft, die reflexiv und beratend über Zusammenhänge ko-evolutionärer Bildung und Erziehung Menschen im Umgang mit Konstrukten unter besonderer Berücksichtigung von Ressourcen, Mustern und Umfeldern hin zu differenzierteren Formen der Selbstorganisation begleitet.

Curriculum und Thesen:

20. Ein Curriculum zur systemisch-konstruktivistischen Weiterbildung für Lehrer in der Berufspraxis sollte dementsprechend unter Berücksichtigung v.a. folgender Aspekte konzipiert und durchgeführt werden: systemisch-konstruktivistische Theorie in Verbindung bzw. Rückkopplung mit Praxis, Intervision; Bewusstsein für Umwelten, Verantwortung, Ressourcen, Funktionen, Gesprächsformen und Positionierungen; Fall- und Selbstreflexion sowie Beratung (und jeweils entsprechende Instrumente); Bewusstsein für Beziehungsgestaltung und Präsenz; Organisationskultur und Schulentwicklung. In seiner Form muss das Curriculum systemisch-konstruktivistischen Prämissen und Vorgehensweisen Rechnung tragen.

21. Auf dem Hintergrund der bisherigen thesenartigen Ausführungen (Thesen 1 bis 20) können und müssen Thesen zur Überprüfung der Ziele der wissenschaftlichen Untersuchung formuliert werden. Aus systemisch-konstruktivistischer Sicht steht zu vermuten, dass die Teilnehmer und Mitforscher einer Weiterbildung nach der Beendigung der Fortbildung berichten, dass sie

22. Auf dem Hintergrund des bisher Ausgeführten bieten sich insb. folgende Auswertungskategorien zur Überprüfung der Thesen (21 a-f) an: Beziehungsgestaltung, Kommunikationsfähigkeit und –methoden, engagierte Distanzierungsfähigkeit, Ressourcenzugang, Systemblick, Gelassenheitsgefühl.

23. Eine Gesamtwürdigung der Thesen Nr. 21 a-f ergibt, dass für die Thesen im Rahmen der hier durchgeführten Pilotstudie im Wesentlichen Plausibilität behauptet werden kann.


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09.06.2008