20 Auswertungskategorie: engagierte Distanzierungsfähigkeit

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Professionelle Distanzierungsfähigkeit von engagierten Pädagogen556 bezieht sich v.a. auf zwei Aspekte immer wieder notwendiger Grenzsetzungen. Erstens die Fähigkeit, sich innerlich von Vorkommnissen im Job distanzieren zu können. Und zweitens das Geschick, in der Beziehungsgestaltung nach außen in flexibler und stimmiger Weise Grenzen (mit) setzen zu können. Grundsätzlich - und im pädagogischen Bereich noch verstärkt - haben Beziehung und Beziehungsgestaltung stets und unvermeidbar mit Autonomie, Abhängigkeit und Grenzsetzung zu tun. Grenzentscheidungen kann man als Pädagoge ‚nicht nicht treffen’. Der Umgang mit Grenzen (mit)gestaltet im (Umgang mit dem) Prozess des Erwachsenwerdens sowohl die Art wechselseitigen Bezogenseins als auch individuelle Verantwortung und persönliche Identität. Nähe und Distanz ermöglichen sich gegenseitig. Pädagogische Beziehung ist ein emotional erlebtes557 lebendiges Zusammenleben mit sich ständig verändernden Grenzsetzungen in Achtung vor dem anderen.

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Die in diesem Zusammenhang zu überprüfende These, geht davon aus, dass die Mitforscher zu Seminarende über mehr Distanzierungs- und Abgrenzungsmöglichkeiten verfügen oder diese bewusster einsetzen. Eine verbesserte Wahrung eigener Grenzen würde sich dann sowohl auf eine angemessenere innere Distanzierungsfähigkeit als auch auf eine ausdifferenziertere aktive Abgrenzung beziehen. Diesen beiden Themen sind die nachfolgenden Unterkapitel gewidmet.

20.1 innere Distanzierungsfähigkeit

Für dieses Kapitel ist nach Belegen zu suchen, ob bzw. inwieweit die Mitforscher darüber berichten, dass sie vermehrt oder bewusster über innere Distanzierungsmöglichkeiten verfügen. Auch die Fähigkeit, aus einer Außenperspektive oder über Metareflexionen zu einer bewussten Bestimmung eigener Funktionen und Aufgaben zu gelangen (also alltagssprachlich zu ‚Rollen’-Distanz), ist Teil einer solchen Distanzierungsfertigkeit. Das gilt auch für eine kontextbezogene und selbstreflexive Einschätzung des Spektrums eigener Handlungs- und Einflussmöglichkeiten. Hier gibt es wichtige Berührungspunkte mit dem Umgang mit Verantwortung und eigener Positionierung (Kap.18.1und 18.2). Nachstehend werden zunächst Belege zu einer allgemein gewachsenen Distanzierungsfähigkeit zusammengestellt, danach werden Zitate hinzugefügt, die sich auf Selbstwahrnehmungsprozesse und die Einnahme einer Außenperspektive beziehen.

Eine gewachsene Distanzierungsfähigkeit wird von etlichen Mitforschern beschrieben. Zunächst einige allgemeinere Äußerungen, die sich auf den (inneren) Umgang mit Schülern, Eltern, Kollegen und Schulleitung beziehen:

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- Ich kann vielleicht besser durchschauen, was passiert und lasse mich nicht so schnell selber da auch mit reinziehen. (A 8)

- So bin ich angelegt, das ist einfach in mir, stehe ich auch dazu, aber jetzt mit einer gesunden Distanz, und einer sich entwickelnden gesunden Distanz. (B 52) [...] hab ich eine Distanz gewonnen. Ich glaube, dass ich das jetzt damit umschreiben kann, [...] dass ich jetzt über Instrumente verfüge und über Denkweisen verfüge, die mir helfen, anders zu reagieren. (B 105)

- HF: [...] ‚Woran würden Sie erkennen in einem Jahr, dass die Fortbildungsreihe für Sie erfolgreich war? Wenn ich innerlich so unabhängig bin, dass mich oben genannte Dinge nicht mehr oder deutlich weniger kratzen. Das klingt fast so, als wäre das erreicht? Sie nicken? - K: Jo. (HF-K/ K 103)

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- Ich wäre vor einem Jahr sehr zerrissen gewesen, sehr emotional gewesen, hätte viele Gedanken wohl ähnlich gehabt, aber ich [...] spür, dass ich es eher auch ablegen kann. Also es ist nicht so dieses: Wooooh und ganz unten, sondern schon auch so ein: Schaun mer mal, wie man es angehen kann. (B 17) [...] Es war immer diese, diese persönliche Betroffenheit, über die ich mich dann oft selbst geärgert hab, die mich sehr gefangen genommen hat, und ich dann manchmal eine zeitlang nur in diese Richtung denken konnte. Und da hab ich eindeutig das Gefühl: Ich kann es so ein bisschen rationaler ordnen und auch mal ablegen. Es ist nicht weg, es ist nicht immer gelöst, aber es ist eher abgelegt. (B 31)

- Und das habe ich mit Hilfe dieser theoretischen Sachen, die wir hier gemacht haben, schon erkannt und das finde ich gut. Es hat mir, es hat mich viel beruhigt. Ja. - HF: Ja. Wo man sich selbst dann nicht über Gebühr in Frage stellen muss? - E: Ja, ja. [allgemeines Gemurmel und Lachen] Genau, das brauchte ich nicht in Frage zu stellen. Das ist einfach wesentlich angenehmer. (E 29-30)

- [Der Satz „Schule ist eine Zwangsveranstaltung“] hilft mir jetzt sehr, Schüler anzunehmen, die sich halt nicht dem so anpassen, wie ich das als Lehrer mir wünsche. [...] wie dieser Satz mit der Verantwortung kommt dann dieser Satz, es ist eine Zwangsveranstaltung: Ich will was von ihm und er hat oder sie hat auch das Recht zu zeigen, ich will das jetzt im Moment nicht. (B 34)

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- In ganz bestimmten Klassen habe ich durch die Fortbildung gelernt, in dieses System besser rein zu gucken, also gerade in Klassen mit Jungs, mit Jungs, die: Ach, ich bin doch der tolle Macho! oder so, da krieg ich heute noch so einen Kamm. Da geh ich mittlerweile viel distanzierter mit um, versuche, distanzierter mit umzugehen, weil ich einfach weiß: du bist hier in dieser Klasse, du spielst die und die Rolle und du musst die und die Rolle spielen, und wenn ich jetzt hinkomme und provoziere, dann tickert´s noch mehr. (E 19)

- Bei den Eltern ist es schon so, dass ich mich zurücklehne und nicht mehr mich so angreifen lasse, dass ich das so persönlich nehme, also dass ich dann sage: Okay, wo haben sie denn Probleme, Distanz einfach wahre und das hat mir schon geholfen. (E 1) [...] HF: Das heißt, das ist dann eine Prozessbegleitung für eine Entscheidungsfindung, wo die Verantwortung dann bei den Eltern liegt? - E: Genau. Richtig. Also da geh ich schon auf Distanz. (HF-E/ E 5)

- Muss ich nicht alles aushalten, sondern ich traue mich eher mich auch auszuklinken, ja. Ich lasse es nicht mehr so dicht an mich rankommen oder aber ich sehe es mit ein[em] Stück Abstand. Zum Beispiel denke ich mir: Warum macht der Kollege das jetzt so, hat der das so nötig oder. Darüber habe ich früher nicht so nachgedacht. (J 107)

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- HF: Also im Unterschied zu einem authentischen sofort Nachgeben und seine Wut rauslassen oder explodieren oder was auch immer. - C: Ja, genau, dass ich da halt auch mir eine Auszeit nehme, einfach aus dem Raum rausgehe, Luft hole, nach einer Stunde noch mal hingehe. Also da hatte ich auch schon Situationen, wo es wirklich ganz hart war, wo der Chef irgendwas sagte, wo ich eine Riesenwut bekam: Ich glaube, das ist ja wohl eine Unverschämtheit. Und dann aber plötzlich kam: ey, mach erst mal Unterricht, du kannst nachher immer noch hingehen. Und da hat sich rausgestellt: Es war gut, es war gut. (HF-C/ C 40)

Einhergehend mit dieser Distanzierungsfähigkeit wird auf eine differenziertere Selbs t wahrnehmungsfähigkeit hingewiesen:

- Selbstwahrnehmung [...] , die ist auf jeden Fall genauer geworden. (E 125)

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- Mehr Selbstdisziplin. Distanz kriegen, [...] ich denke einfach an Aufmerksamkeit und Bewusstheit. [...] Dass ich mich bewusster wahrnehme, bewusster in mir drinnen wahrnehme, und dann merke: Upps, jetzt ärgerst du dich, was machste damit. Dann kommt erst das andere. (C 42-43)

- Aber es hat bei mir einfach so ausgelöst, mich selber ein Stück zu beobachten, wie trete ich nicht nur inhaltlich auf, sondern auch äußerlich. [...] es ist jetzt nicht alles gut. So ist es nicht. [...] Aber ich, ja ich betrachte mich jetzt im Unterricht . (J 8, 13-14)

- Diese Wahrnehmung, dieses Bewusstsein: Was geht im Moment ab, wie fühle ich mich? Das ist in jedem Fall geschärft worden dadurch. (C 161)

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Auch auf die Kunstfertigkeit, zunehmend eine Außenperspektive einnehmen zu können, wird ausdrücklich und wiederholt verwiesen. Diese hängt eng mit der Fähigkeit, sich selber (wohlwollend) beobachten zu können (Beobachtung 2. Ordnung), zusammen:

- [...] und unter diesem Aspekt muss ich sagen, hat mir die Fortbildung sehr geholfen, meine Situation und die schulische Situation stärker von außen zu sehen. Das heißt, ich kann mich so ein Stück emotional ausbremsen und es gelingt mir häufiger, mich erst mal ein Stück nach außen zu stellen und drauf zu gucken. Das tut mir ganz gut. Ich bin emotional nicht mehr so stark in Dinge verflochten. (J 2)

- Wenn ich mich weiter zurücknehme, kann ich ja auch Dinge sachlicher sehen. Und das ist diese Außenperspektive, die ich zunehmend mehr einnehmen möchte. (F 94)

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- So ein Schlüsselerlebnis hatte ich auch im Verlaufe des Kurses, als wir [...] diese Familienkonstellation hatten, wo es jeder jedem recht machen wollte. Das ist im Ansatz auch eine Gefahr bei mir. [...]Aber mir wurde es dabei, beim Beobachten, ganz klar, dass es auch wirklich ganz viele Punkte gibt, wo es sich dann im Kreis dreht, und wo es einfach nötig ist, eine klare Position zu beziehen, auch wenn sie irgendeinem weh tut. Das war schön zu sehen an der Stelle. (B 44-45)

- Also von daher ist meine Position einfach ein Stück weit, ja ich sage mal, zurückgesetzter. Selbst mein Sitzplatz im Kollegium, im Lehrerzimmer ist mittlerweile ein anderer. Ich sitze außen, aber so, dass ich alle sehe, und ich denke, das spricht auch schon Bände. (G 22)

- HF: [...] Das könnte ja zum Beispiel auch heißen: [...] ich hab mehr Außenperspektive, gleichzeitig, dass ich mir immer so ein bisschen freundlich über die Schulter gucke, was grad passiert? - F: Das ist es. (HF-F/ F 62)

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- Aber trotzdem habe ich gemerkt, dass die Art und Weise, wie ich meine Argumente gebracht habe und bzw. auch die Momente, wo ich mich einfach dann rausgehalten habe, weil ich gemerkt habe, das geht in eine Richtung, wo jetzt die Leute auch einfach erst mal Zeit brauchen drüber nachzudenken, da merke ich einfach, da hat sich eine ganze Menge verändert. (G 91)

Eine Vielzahl an Nennungen im Bereich der inneren Distanzierungsfähigkeit weist darauf hin, dass es für plausibel gehalten werden kann, dass eine erhebliche Teilnehmeranzahl diese Fertigkeit während der Seminarreihe ausbauen konnte. Es wird hier ansatzweise bereits deutlich, dass gerade mit diesem Punkt entlastende Momente anklingen, die explizit in Kap.23 verfolgt werden sollen.

20.2 aktive Grenzsetzung

Eine innere Distanzierungsfähigkeit und die Gewandtheit, eine Außenperspektive einnehmen zu können, helfen auch, sich nach außen gegen andere aktiv, selbstbestimmt und kontextorientiert abgrenzen zu können. Für Pädagogen, die mitunter eine Neigung dazu haben, sich selber zu überfordern und ‚auszubeuten’, kann hier – so die Vermutung – eine wichtige Quelle für eine neue Sichtweise und für die eigene Gesundheitsprophylaxe liegen. Aus diesem Grunde ist dieses Unterkapitel auch mit ‚aktive Grenzsetzung’ überschrieben und nicht mit dem allgemeineren Titel ‚Grenzungsgestaltung nach außen’. Wichtig ist in diesem Zusammenhang nicht nur ein guter Kontakt mit sich selbst (vgl. Kap.21.1) sondern insb. auch die Kenntnis und Akzeptanz eigener sowie fremder Grenzen (vgl. Kap.23.1). Vor allem hat Abgrenzung bzw. Umgang mit angemessener Grenzsetzung mit Klarheit über Verantwortung (Kap.18.1) und über (die) eigene(n) Position(ierungen) zu tun (vgl. bereits die Äußerungen auf S.527 in Kap.18.2). An dieser Stelle der Dissertation sollen nun Bekundungen zu den Themen Abgrenzung im Allgemeinen sowie Inanspruchnahme von Raum und Zeit wiedergegeben werden, die als Ausdruck von eigener Klarheit im aktiven Umgang mit Grenzen verstanden werden (vgl. auch Kap.23.2).

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Gerade zum Stichpunkt Abgrenzung im Allgemeinen gibt es eine Vielzahl von Nennungen deutlicher Veränderungen.

- Eine Abgrenzung findet deutlicher statt. (G 8)

- Ich kann mich [...] stärker abgrenzen. (K 24)

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- Also auch das sehe ich inzwischen [...] sehr viel deutlicher[,] meine eigenen Grenzen, und versuche die auch früher zu wahren. (K 72)

- Ich weiß gar nicht, wie wir das alles hinkriegen sollen. Da muss man sich zum Teil auch wirklich wehren und muss sagen, man kann es nicht, ne? (B 65)

- Und dass ich mich da so reinziehen lasse als Helfer, dass diese Erwartungen mich erdrücken. [...] Das Seminar hat mir deutlich geholfen einen anderen Blick auf das System zu werfen. Und deswegen mich halt mehr rauszunehmen. (L 119-120)

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- Ich grenze das stärker ab. Also wenn ich jetzt nach Hause komme, dann [...] : Ich stelle erst mal die Schultasche weg und ziehe mir Hausschuhe an und, ja, gehe erst mal so durch das Haus oder irgendwie so was oder einmal durch den Garten, und dann [...]decke ich den Tisch, sage ich mal, ne? Und oftmals setze ich mich auch nicht gleich dann so nach dem Essen wieder [zur Arbeit] hin, sondern ich mache es abends um Fünf oder um Vier, wenn so ein Stück Abstand ist dazu, ja, dann geht es auch wieder besser. Und quäle mich nicht gleich wieder, indem ich es fertig haben will. (J 104)

- Bei Schülern, die sozial und emotional in einer Situation sind, die schwierig für die Schüler ist, ist mir gesagt worden, ich fange die irgendwo auf, bin aber dennoch klar. [...] Bei mir kommt kein Mitleid rüber, ja, weil es ihnen schlecht geht, sondern ich habe Verständnis, aber mache ihnen auch klar, dass es eine Richtung geben muss, wo ich sie bei unterstütze, aber dass sie da mitarbeiten müssen. (L 11)

- Dann müsste ich jetzt unter Umständen sagen: Dann ist das Gespräch zu Ende. Wenn wir zu keinem Verständnis kommen. Dann geht, dann ist es halt, dann, ja, es gibt auch da Grenzen. - HF: Man hat halt unterschiedliche Sichtweisen. - B: Ja. (B 86-87)

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- Es hat sich dahin gehend was geändert, dass ich die selber auch überlegen lasse mit ganz bestimmten Fragestellungen, aber dass ich trotz alledem mich auch abgrenzen kann und sagen kann: Nee, das ist nicht meine Aufgabe. Also Sie sind Elternteil und das müssen Sie machen, Sie können nicht von mir jetzt alles erwarten. Fertig! Da habe ich immer noch so das Gefühl gehabt: Ja, hm, hm, du musst doch, ne? So. [...] Du bist doch eine gute Lehrerin und überhaupt. [... ] Und willst ja auch geliebt werden, das hat ja auch immer was damit zu tun. Bist ja eine gute Lehrerin, die von allen geliebt wird. (E 83-85)

- Das Bedürfnis der Koordination ist da und wir koordinieren regelmäßig, aber es kommt oft wenig bei raus. [...] Da ist mir schon klarer geworden, dass irgend einer schon die Zielsetzung stärker übernehmen muss, und dass man manchmal einfach auch Grenzen zieht und sagt: Das bringt jetzt nicht mehr weiter, ich geh [...]: Jetzt an der Stelle ist dann auch Schluss, anstatt immer zu sitzen und hinterher nach Hause zu gehen und zu denken: Jetzt hat man ja so lange gesessen und doch wenig erreicht. (B 66)

- [ L will nach kalkuliertem hohen Einsatz an der neuen Schule wieder gezielt ‚runterfahren’: ] Und dann ist aber Schluss erst mal, also. Dann [nach zwei Wochen Herbstferien] bei Schulbeginn musst du dich ein bisschen mehr abgrenzen und das nicht so auf dich lasten, dann geht es dir nicht gut. Und auch nicht, sage ich mal, das Kollegium und die Leute verwöhnen, diesen Arbeitstakt immer zu haben, dass die Erwartungen schüren. (L 34)

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- Und mir ist das einfach deutlicher geworden hier in diesem Jahr: Ich muss öfters Nein sagen oder Stopp. Aber ich kann es noch nicht. Aber es wird immer deutlicher, dass ich bei ganz bestimmten Sachen sagen muss: Nein, oder mich halt wirklich hinsetzten und mit diesem angeleiteten Denken, mit den Fragebögen, wirklich so ein Prozess begleitend, mich vorbereite bzw. auch hinterfragen. - HF: So eine Selbst-Supervision quasi. - E: Richtig. (E 120-121)

Die Inanspruchnahme von Raum und Zeit für sich bzw. auch seinen eigenen Körper als Aspekte pädagogischer Präsenz (Kap.9.6.2) werden ebenfalls von den Mitforschern als eine wichtige Umgestaltung genannt.

- [ eigener Körper : ] diese Bewegungsübung mit Stock, ja, spüren, den Körper als Resonanz, diese Sachen, wo es um einen selbst ging: Das war auch eine große Sache, die hier weiter geholfen hat. (L 27)

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- [ Territorium : ] Ich komme da in die Klasse rein und ich denke da immer noch an dieses Bild: Wo ist mein Raum? [...] Wobei der Raum ist fließend. (C 59)

- Dann hab ich einmal gesagt, wenn ich so morgens komme und die Kinder so dicht kommen und dann haben Sie gesagt: sich Raum verschaffen. Ich mach es jetzt. Ich sage: Ich brauch jetzt erst mal Platz und ich muss ankommen. Ich lasse die Kinder oft..., Es gibt Kollegen, die sagen: Ihr bleibt draußen vor der Tür stehen. Und dann kommen die als Pulk rein. Das empfinde ich auch sehr schlimm. Und wenn ich komme und dann hab ich immer halt dann, ich sag dann: Ihr dürft mit rein kommen, aber lasst mich auch erst mal ankommen in der Klasse und an den Tisch. Und das funktioniert wirklich. [...] und jetzt, ich mach wirklich diese Bewegung: Ich brauche Platz, lasst, lasst mich erst mal ankommen. Und sie gehen dann auch zurück und ich, und, es ist ein Erziehungsprozess, aber es klappt und es schafft dann auch Raum, obwohl die Kinder da sind, hab ich auch erst mal meinen eigenen Raum anzukommen. (B 57-58)

- [ Zeit : ] Und mein Zeitmanagement: Dadurch, dass meine Selbstwahrnehmung genauer geworden ist, sagt mir mein Bauch öfter: Hoppla, wo bist du.

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- Ich bin ruhiger geworden. Ich bin wesentlich ruhiger geworden. [...] Es hatte was mit hier der Ausbildung zu tun. [...] Es hat aber auch etwas damit zu tun, dass ich mir mehr Zeit lasse. (E 75)

Für gestiegene Fähigkeiten äußerer Abgrenzung lassen sich eine reichhaltige Auswahl an Beispielen und Zeugnissen der Mitforscher dokumentieren. Eine Kopplung an Außenperspektive und Selbstwahrnehmung wird hierbei deutlich, mehr Abgeklärtheit lässt sich vermuten, muss aber erst noch explizit nachgewiesen werden (vgl. Kap.23).


Fußnoten und Endnoten

556  Wie weiter oben erläutert, gehe ich davon aus, dass Pädagogen, die in ihrer unterrichtsfreien Zeit eine Fortbildung über 120 Stunden belegen und diese auch selber bezahlen, eher engagierte Kollegen sind. Gerade für diese ist das Thema der eigenen Grenzsetzung vermutlich besonders bedeutsam.

557  Emotionen und Empfindungen als Zentrum des eigenen Identitätserlebens und als Ausdruck tieferliegender organismischer Weisheit bieten ein zentrales Orientierungsinstrument (Ciompi 1997, G.Schmidt 2004a). Gefühle können Hinweise dafür sein, Grenzsetzungen in Beziehungen zu verändern: für die Beziehungsgestaltung, für die eigene Gesundheitsvorsorge und nicht zuletzt auch für beruflichen Erfolg und Veränderung.



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09.06.2008