3 Zur öffentlichen Wahrnehmung und kritischen Resonanz

3.1 Zur Rezeption von Ausstellungen und ausstellenden Künstlern

3.1.1 Die Darstellung des Angermuseums in den regionalen Zeitungen

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Pierre Bourdieu: „Jede kulturelle Äußerung, Produktion oder Konsum, enthält eine Bestätigung ihres eigenen Anspruchs auf die Rechtsverbindlichkeit ihrer Ausdrucksform und bezieht damit Stellung im kulturellen Kräftefeld, sowohl durch die Position des sich äußernden Subjekts wie auch durch die Art der Legitimierung, auf die diese Äußerung sich beruft.“ (Bourdieu 1974, S. 103 f.)

Diese Rechtsverbindlichkeit gilt gleichzeitig für alle möglichen Diskurse zwischen den verschiedenen Partnern. Sie bedingen unter anderem, dass Ausdrucksformen zwischen allen Relationen als wahrhaftig angesehen werden müssen. Zu den wichtigen Beziehungen gehören dabei, in Anlehnung an die Konstanten Künstler, Kunstwerk und Rezipient: die Kommunikation zwischen Kunstwerk und Rezipient und in ihrer Sonderform, der Diskurs zwischen Kunstwerk und Kunstkritiker. Im Sinn einer aktuellen Medientheorie (Mersch 2003, S. 17f.) stehen sich dabei zwei Pole gegenüber, die in „diskursive, (sagende)“ und „aisthetische, (zeigende)“ Medien eingeteilt werden können. „Das spezifische Format diskursiver Medien beruht dabei auf der Differenz, dasFormat aisthetischer Medien auf Präsenz.“ (Ebenda, S. 17)

Beide Medientypen ergänzen einander, sind aber nicht austauschbar. Das bedeutet, dass diskursive Bereiche nicht in der Lage sind, aisthetische Medien, die durch die Modalität des Zeigens zu beschreiben sind, in Struktur (Syntax) und Sinn so zu erfassen, dass beide Pole ineinander aufgehen (Ebenda). Am Beispiel verdeutlicht, kann ein originäres Kunstwerk in seiner Rezeption eben nicht durch seine Beschreibung ersetzt werden. Neben dieser grundsätzlichen Differenz zwischen „aisthetischen“ und „diskursiven“ Medien zeichnen letztere sich dadurch aus, dass sie abhängig sind von umweltbedingten, politischen, gesellschaftlichen und sozialen Einflüssen. Aus dieser Tatsache ergibt sich, dass die Differenz zwischen den beschriebenen Polen desto größer sein wird, je stärker die umweltbedingten Einflüsse der „diskursiven“ Medien auf die „aisthetischen“ Medien sind.

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Demgemäß spiegelt sich auch der zunächst tolerante Umgang mit jeglichen Formen des künstlerischen Ausdrucks, der das Profil der Sonderausstellung in den ersten Jahren nach 1945 prägte, in der Berichterstattung, in Rezensionen und in kritischen Kommentaren der Erfurter Tagespresse wieder. Der Neuanfang des Museums wurde in den Zeitungen begleitet, man beklagte den Verlust der Expressionismus-Sammlung und wies auf Ausstellungstermine hin. Dieses mediale Interesse wurde durch die, in den ersten Jahren noch vorhandene Vielfalt der Printmedien erhöht. Der im November 1948 erschienene Artikel „Über die formalistische Richtung in der deutschen Malerei“ in der Zeitung „Tägliche Rundschau“ von Alexander Dymschitz (Vgl. Kapitel 2.1.1.) findet seine Resonanz auch in der Thüringer Medienlandschaft. Das Parteiorgan der SED, die Zeitung „Thüringer Volk“ (24. Januar 1949), prognostizierte anlässlich der Eröffnung der Dauerausstellung „Galerie der Gegenwart“ im Angermuseum ungegenständlich arbeitenden Künstlern keine Zukunft. Die politisch ungebundene „Abendpost“ scheint neben der „Thüringer Landeszeitung“ aus größerer Nähe über Ausstellungen des Angermuseums, Künstler und Entscheidungen der Museumsleitung zu berichten. Doch auch hier finden sich in einem Artikel vom 12. Januar 1949 zur Eröffnung dieser Dauerausstellung verhaltene Hinweise, die von veränderten politischen Strukturen, bezogen auf die Kulturpolitik des Landes, zeugen. Der Verfasser begründet dabei, dass die Museumsleitung aus der „Pflicht zur Objektivität“ heraus sämtliche Spielarten moderner Kunst zur Ausstellung bringen muss (Vgl. Kapitel 2.1.1.). Während die „Abendzeitung“ ihr Erscheinen 1951 einstellen musste, nahm die zunächst verhalten geäußerte Kritik an einigen Sonderausstellungen des Angermuseums im Verlauf der Jahre in der Zeitung „Thüringer Volk“, später „Das Volk“, zu.30

Am 12. November 1953 schrieb Karl Sippel in „Das Volk“ über die 1. Kunstausstellung des Bezirkes Erfurt, bei der 57 Künstlerinnen und Künstler vertreten waren: „(…) Und wenn die Kunst die ‚Widerspiegelun g des gesellschaftlichen Lebens‘ sein soll, so gewinnt man den Eindruck, daß sich das neue gesellschaftliche Leben in dieser Ausstellung nur recht wenig ‚widerspiegelt‘ . Schon allein die Tatsache, daß in letzter Zeit zahlre iche unserer bildenden Künstler in unseren volkseigenen Betrieben (…) zu Gast waren und Werke schufen, die aus dieser unmittelbaren Beziehung zu den Werktätigen und zur Produktion entstanden, beweist et was anderes. Warum werden uns diese Werke in der Ausstellung vorenthalten?

Statt diese Schwerpunkte des gesellschaftlichen und künstlerischen Wirkens im Bezirk zur Schau zu stellen, finden wir in der Ausstellung nicht einmal eine planvolle Übersicht über das durchaus vielseitige, aber oftmals eben doch mehr isolierte Schaffen unserer Künstler; und selbst diese Übersicht ist nicht umfassend. So wurden von den etwa 40 Skizzen und Werken, die beispielsweise in Sondershausen entsta nden, nur das Ölbild ‚Glück auf‘ von Heinz Scharr gezeigt, während die in vielen Fällen noch weiter ausgereiften übrigen Werke des gleichen Künstlers und seiner Kollegen Knöpfer und Paetz nicht in der Ausstellung hängen. (…) Kein Wunder, wenn sie uns gegenüber der vorjährigen enttäuschte. Warum? Weil die meisten Künstler bei ihren Werken nicht davon ausgingen, das Typische zu zeigen. Sie li eßen sich von ‚malerischen Ecken‘ (wie beispielsweise Gottfri ed Schlüters ‚Hofecke‘ ) oder von farbigen Effekten (Franz Markau ‚Familie‘ ) leiten. Gutes fachliches Können steht hier nicht immer im Einklang mit dem gewählten Motiv oder auch umgekehrt (wie bei der Radieru ng von Heinz Scharr ‚Bauernkrieg‘ ) : die künstlerische Lösung des gut gewählten Motivs ist nicht voll befriedigend (…).

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Es ist anzunehmen, dass die von Karl Sippel rezeptionsästhetisch vermissten Bilder, die sich thematisch mit Werktätigen und Werktätigkeit auseinandersetzten, aus künstlerischer Sicht schlicht von ungenügender Qualität waren und deshalb von der Jury nicht in die Bezirkskunstausstellung delegiert werden konnten. Es darf nicht vergessen werden, dass ein großer Teil der zeitgenössischen Künstler die Arbeitsmöglichkeiten im westlichen Teil des Landes entschieden bevorzugte und als talentierte Kunstschaffende im Osten Deutschlands einen bedeutenden Verlust an kultureller Präsenz zurückließen.

Die Sonderschau „Thüringer Künstler stellen aus“ ein Jahr zuvor, im Oktober 1952, wurde in der Erfurter Presse noch weitgehend positiv aufgenommen. Die „Thüringer Neuesten Nachrichten“ (7. April 1952) sprachen von einer „erlebnisstarken Schau“; die „Thüringische Landeszeitung“ nutzte am 11. April 1952 ähnliche Worte und das „Thüringer Tageblatt“ attestierte dem Angermuseum Ostern 1952 eine „außerordentlich wertvolle Sonderausstellung“. Sogar die Zeitung „Das Volk“ hielt diese Ausstellung und den dazu gehörigen Katalog für gelungen, fügte als Kritik allerdings hinzu:

(…) Warum aber wird der Besucher nicht gebeten, sich in ein Buch einzutragen und seine Meinung zu sagen, damit er bei Gelegenheit einmal besonders angesprochen werden kann? Waru m gelangt der vorbildliche Katalog mit seinen guten Abbildungen nicht unaufgefordert in die Betriebe, zu den Leitern der gesellschaftlichen Organisationen? Wir müssen auch in diesem Teil der kulturellen Arbeit zu einer operativen Tätigkeit kommen, damit wir erreichen, was für den Leiter der Verwaltung für Kunstangelegenheiten als Aufgabe in seinem Vorwort steht: ‚Es gilt, mit den Ausdrucksmitteln der Kunst die Arbeiter und werktätigen Bauern, das ganze deutsche Volk mit Optimismus und Zuversicht zu erfüllen. (Das Volk, 19. April 1952, Spannaus)

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Die Zeitung „Das Volk“ bezieht eine Position zur zeitgenössischen Kunst, der derjenigen Herbert Kunzes nicht abwehrend gegenüber gestanden haben muss. Auch für ihn war das Museum ein Ort, der allen Menschen gleichermaßen zugänglich sein sollte, wie sein Kampf um kostenlosen Eintritt an ausgewählten Tagen beweist (Vgl. Brief von Herbert Kunze an den Oberbürgermeister vom 16. November 1957, siehe Kapitel 3.2.1.). Im Verlauf der Wiederaufbaumaßnahmen nach dem Krieg stellte sich das Museum 1959 als ein „Museum für Kunst und Frühgeschichte“ vor. Im Erdgeschoss hatte man die Ur- und Frühgeschichte, die Plastik und Malerei des Mittelalters sowie die kunsthandwerklichen Bestände aus dem 14. bis 16. Jahrhundert aufgebaut. Im ersten Stock befand sich neben der „Gemäldegalerie des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart“ die Dauerausstellung mit der Sammlung von Thüringer Porzellan. In der zweiten Etage präsentierte das Museum Kunst und Kunsthandwerk der Renaissance und des Barock, die Möbelsammlung, die Sammlung Thüringer Fayencen, Dokumente der alten Erfurter Universität und die stadtgeschichtliche Abteilung (StAE 1-5/3813-7955). Die Neueröffnung sämtlicher Räume nach dem Krieg mit entsprechenden Dauerausstellungen fand medial eine große Aufmerksamkeit und eine besondere Würdigung im Sinne der Aufbauleistung und Wertschätzung des bisher Erreichten.

Betrachtet man die in der Zeitung „Das Volk“ beschriebene Forderung an die darstellende Kunst in der DDR, speziell an die Malerei, und vergleicht diese mit den Konzeptionen für die Räume der Dauerausstellungen am Angermuseum, so fällt auf, dass sich die Identität des Hauses nicht in einem abbildenden Selbstbewusstsein der Arbeiter und Bauern erschöpfte, sondern vielmehr Zeugnis von kunsthistorischen Werten abzulegen gedachte, die als prägend für die historische Identität der Stadt und der Region zu begreifen sind.

Die Art und Weise, in der das Angermuseum mediale Präsenz erhielt, änderte sich im Verlauf der Jahre bis zum Höhepunkt der Auseinandersetzung 1962. In den ersten Nachkriegsjahren war außerdem die mediale Vielfalt in der Stadt, die ihren Ausdruck in einem reichhaltigen Zeitungsangebot fand, sehr viel größer als um 1960. Artikel mit Überblickscharakter, die Aufschluss über den Verlust aus Beständen einzelner Sammlungen des Museums gaben und besonders von den verlorenen Kunstschätzen aus der Zeit des Expressionismus berichteten, sind charakteristisch. Auch die ersten Eröffnungen von Dauerausstellungen nach dem Krieg fanden in ausführlichen Rezensionen eine Würdigung. Im Verlauf der Jahre ab 1950 ist korrespondierend mit einer geänderten Zeitungslandschaft, die sich durch das Fehlen einer parteiungebundenen Zeitung erklären lässt, die Tendenz zu beobachten, dass konkrete Inhalte von Ausstellungen besonders dann Aufmerksamkeit erfahren, wenn sie im Sinne einer politischen Aussage dem geforderten „sozialistischen Menschenbild“ entsprachen. Grundsätzliche Artikel in der städtischen Tagespresse über die Vielfalt der Sonderausstellungen, ihre Konzepte und die Bedeutung für die Rezeption der Gegenwartskunst nehmen in ihrer Häufigkeit ab.

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Wenn man die überregionale Zeitschrift „Bildende Kunst“ als Grundlage für die mediale Präsenz der Sonderausstellungen des Angermuseums heranzieht, so ist zu bemerken, dass Herbert Kunze als relativ bedeutender Kunstwissenschaftler und Museumsdirektor weder durch eigene Publikationen in Erscheinung trat, noch durch die Reflexion Dritter vermehrt Aufmerksamkeit erfuhr. Nur im Bereich der Terminvorschau auf bedeutende Ausstellungen und Sonderschauen fand das Angermuseum in der Zeitung „Bildende Kunst“ gelegentlich Erwähnung.

Nahezu vernichtend wirkte sich die bereits erwähnte Diskussion in der Zeitung „Das Volk“ über den angeblichen „Dornröschenschlaf im Angermuseum“ von 1962 auf das berufliche Selbstverständnis von Herbert Kunze aus, der als Resultat dieser Diskussionen letztlich sein Amt aufgab. Die Art und Weise, mit der in den 1950er Jahren politische Kritik auch an der Arbeit von Künstlern geübt wurde, bedrohte deren künstlerisches Selbstverständnis und führte nicht selten zu heftigem Zweifel an der eigenen Arbeit. Derartige Herabsetzungen hofften viele Künstler und in deren Umfeld arbeitende Menschen mit dem Ende des Dritten Reichs überwunden zu haben.

Wie im Kapitel 2.2.2. beschrieben, fand der Besucher des Angermuseums durchaus die Möglichkeit zur intensiven Auseinandersetzung mit der Geschichte der Stadt. Das Ende des deutschen Mittelalters, der Humanismus und der Beginn der Reformation, wurden im „Humanistenzimmer“ ebenso thematisiert wie die selbstbewusste Erfurter Bürgerschaft im sogenannten „Ratszimmer“. Dabei wurden historische Zusammenhänge jeweils eng mit dem zeitnahen Kunsthandwerk oder entsprechenden Gemälden und Grafiken in Beziehung gesetzt. Die Geschichte der Stadt wurde dem Publikum, allerdings dem Charakter des Museums gemäß, in einem eindeutig kunsthistorischen Zusammenhang vermittelt; ein Umstand, der Richard Wiehle zu dem polemischen Hinweis, Geschichte am Angermuseum entspräche dem „abgegriffene(n) Pergament eines Historikers“, verleitete (Das Volk, 22. September 1962).

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An dieser Stelle sei noch darauf verwiesen, dass es neben den unzähligen Ausstellungen auch Sonderausstellungen gab, die historischen Charakter hatten. Diese wurden zwar nicht alle im Angermuseum präsentiert, Herbert Kunze aber war an ihrer Konzeption maßgeblich beteiligt. So wurde 1947 im Angermuseum „Der soziale Kampf der Arbeiterbewegung“, 1949 „Erfurt zur Goethezeit“ und 1950 eine Ausstellung anlässlich des 200. Todestages von Johann Sebastian Bach gezeigt. Außerhalb des Angermuseums fanden 1945 die im ersten Kapitel beschriebene Ausstellung „500 Jahre Kultur in Erfurt“ und 1948 die Sonderschau „Die deutsche Revolution 1848“ statt.

Herbert Kunze versuchte in seiner Eigenschaft als Direktor in zwei Richtungen zu agieren, um die Präsenz des Museums im städtischen Kontext zu erhöhen. Einerseits förderte er zeitgenössische Kunstschaffende, andererseits war es seine Absicht, unter anderem durch freien Eintritt an ausgewählten Tagen, vermehrt Publikum für das Angermuseum zu gewinnen (Vgl. dazu Kapitel 3.2.1.). Die örtliche Presse fungierte, wie bereits erwähnt, immer häufiger als ausschließlicher Ort der Proklamation von Terminen der Sonderschauen und Ausstellung. Obwohl es durchaus ganzseitige Diskussionen mit entschiedenen Bekenntnissen verschiedener Künstler zum sozialistischen Realismus gab, beispielsweise in der Zeitung „Das Volk“, wurde das Angermuseum in diesen Artikeln zumeist nur in Form kritischer Rezeption von Sonderausstellungen erwähnt.

Karl-Heinz Hänel beschreibt in seiner Dissertation 1981 die Funktionen der Kunstkritik in der DDR als Aufgabe der Kulturpolitik. Eine dementsprechende Kritik habe seit dem „Beschluß des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“ vom 17. März 1951 mit dem Titel „Der Kampf gegen Formalismus in Kunst und Literatur, für eine fortschrittliche deutsche Kultur“ die Aufgabe zu übernehmen, als Mittler zwischen Künstler und Publikum zu dienen. Dabei ist die Identität des Publikums genau festgelegt, einzig die Arbeiterklasse galt als eindeutiger Auftraggeber dieser Kulturkritiken. Somit verloren die Rezensionen ihren informativen Charakter zugunsten einer politischen Instrumentalisierung. Es kam zu einer Akzentverschiebung von einer „beschreibenden“ zu einer „wertenden Kunstkritik“ (Hänel 1981, S. 18).

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Wie zu Beginn des Kapitels beschrieben, sollten nach Bourdieu (1930–2002) innerhalb eines freiheitlich geführten, kulturellen Diskurses alle Beteiligten Anspruch auf Anerkennung ihrer Argumente genießen und im Umkehrschluss durch das persönliche Statement ihre eigene Position innerhalb der kunstinteressierten Gemeinschaft bekräftigen dürfen, ohne das ihnen derartige Äußerungen zum Nachteil gereichen. Herbert Kunze beteiligte sich an diesem Diskurs nur begrenzt in der Öffentlichkeit und vertrat seine kulturpolitische Position eher durch die Konzeption von Ausstellungen oder durch sein Auftreten, also in seiner Eigenschaft als Direktor und Kunstliebhaber im musealen Kontext. Dieser Umstand wirkte sich im Verlauf der Jahre zunehmend negativ auf die mediale Präsenz seiner Person und die Ausstellungen des Angermuseums aus und kulminierte in dem dogmatischen Artikel im September 1962 in der Zeitung „Das Volk“.

3.1.2 Herbert Kunzes Umgang mit Künstlern

Im Unterschied zum rüden Umgangston, der den Grundtenor jener politischen Debatten um ausschließlich realistische Gestaltungskonzepte in der Kunst prägte, ein Umstand, der langfristig zweifellos zu einer Qualitätsminderung auf dem Kunstmarkt führen musste, fällt an der Korrespondenz Kunzes mit Kunstschaffenden eine besonders herzliche Art des Austausches auf. Wie in den vorangegangenen Kapiteln gezeigt, zeichnete Herbert Kunze sich durch die Fähigkeit aus, den Künstler in seiner Individualität wahrzunehmen und dessen Arbeiten als Zeugnisse des unmittelbaren künstlerischen Schaffensprozesses zu respektieren. Dabei war Kunzes Tätigkeit zutiefst geprägt von Toleranz und aufgeschlossenem Umgang mit jeglichen Formen des künstlerischen Ausdrucks.31 Ein Fakt, der bereits als charakteristisch für sein Verhalten gegenüber den Künstlern der klassischen Moderne herausgearbeitet wurde. Wie bereits der Brief von Wassily Kandinsky vom 19. Mai 1932 an Herbert Kunze (siehe Anhang) dokumentiert, schien für etliche Künstler das Angermuseum eine Institution zu sein, die als Plattform den intellektuellen Austausch zwischen den Künstlern, aber auch in besonderer Weise den Dialog zwischen Künstler und Publikum förderte.

Wenn Herbert Kunze eine Sonderausstellung plante, setzte er sich im Allgemeinen über eine schriftliche Korrespondenz mit den Künstlern in Verbindung. Die Briefe sind ein eindrückliches Zeugnis von Kunzes Wertschätzung für die jeweiligen Künstlerpersönlichkeiten und enthielten meist die Bitte, das Atelier des Auszustellenden besuchen zu dürfen, um die Kunstwerke persönlich für eine Sonderschau auswählen zu können. An Horst Hausotte schrieb Kunze am 8. April 1959 beispielsweise:

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„Ihre Studien aus Bulgarien, die ich in Weimar gesehen habe, haben mich sehr beeindruckt. Es würde mir eine Freude sein, Ihre Arbeiten im Angermuseum auszustellen. Ich würde Sie auch gern einmal in Ihrem Atelier aufsuchen (…).“ (StAE 1-5/3813-8187)

Die Zeitspanne, welche zwischen derartiger Korrespondenz und der eigentlichen Sonderschau lag, war relativ kurz. Herbert Kunze schrieb im April an Hausotte und stellte die ausgewählten Arbeiten des Künstlers noch im selben Jahr, im November 1959, aus. Dieser Vorgang legt die Vermutung nahe, dass Herbert Kunze die Planung der Ausstellungen nicht über ein halbes Jahr im voraus bei der Abteilung Kultur beim Rat der Stadt vorlegen musste. Es ist daher anzunehmen, dass der Museumsdirektor zumindest das Konzept für derartige Sonderausstellungen, einschließlich der Auswahl der Bilder, relativ frei wählen und die Terminabsprache frei gestalten konnte.

Unter der Voraussetzung, dass Herbert Kunze sich nicht völlig von der Direktive des „Sozialistischen Realismus“ löste, war es ihm möglich, einen unmittelbaren Dialog zwischen zeitgenössischen Künstlern und Publikum durch die Sonderausstellungen im Angermuseum zu gewährleisten. Je größer die Zahl der Sonderschauen, desto vielfältiger gestaltete sich die Kommunikation zwischen Rezipienten und Künstlern und verbesserte somit die Auseinandersetzung mit Gegenwartskunst.

3.2 Strategien im Kampf um öffentliche Wahrnehmung

3.2.1 Der Kampf um freien Eintritt

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Herbert Kunze, der stets für Toleranz im Umgang mit Gegenwartskunst auch im Fall des Nichtgefallens oder Nichtverstehens warb, war sich vermutlich einer Tatsache bewusst, die Volker Kirchberg viele Jahre später folgendermaßen beschreibt:

Museen, die auch ihren städtischen Standort als Arbeit s auftrag verstehen, müssten die heutigen sozialen Probleme des Umfeldes in ihre Arbeit aufnehmen und die Diskussion dieser Probleme mit den Besuchern suchen “. (Kirchberg 2005, S.106)

Bis zum November 1957 war es zu bestimmten Zeiten innerhalb der Woche möglich, das Angermuseum kostenlos zu besuchen. Diese Tradition bestand über Jahrzehnte und existierte seit der Öffnung des Hauses. Nun wurde Herbert Kunze vom Rat der Stadt angewiesen, dass zukünftig generell Eintritt zu erheben sei. Zusätzlich wurde die Höhe des zu entrichtenden Geldes bestimmt (StAE 1-5/3813-7955). Kunze antwortet in einem sehr entschiedenen Brief an den Oberbürgermeister am 16. November 1957:

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„Erlauben Sie mir bitte, Ihnen folgendes vorzutragen: Herr Schulz, Abt. Kultur, hat mir mündlich mitgeteilt, daß der Rat der Stadt beschlossen habe, im Angermuseum auch an den bisher freien Eintrittstunden (Dienstag, Donnerstag, Freitag, Sonntag je 2 Stunden, Mittwoch und Samstag je 5 Stunden) einen Eintrittspreis festzusetzen. Am 4.11.57 schrieb er mir nun, dieser Eintrittspreis sei ab 1.12.57 zu erheben.

Gegen einen solchen Beschluß muß ich als Direktor des Museums – unbeschadet der Verpflichtung, Ratsbeschlüsse durchzuführen – Einspruch erheben. Die Durchführung des Beschlusses würde den guten Besuch des Angermuseums sehr vermindern und damit seine Wirkung auf die Bevölkerung schwer beeinträchtigen. Der geringe finanzielle Mehrgewinn stünde in überhaupt keinem Verhältnis zum kulturellen Verlust. Ich weise auch auf die Inkonsequenz hin, die darin liegt, bei der Stadtbibliothek die bisher übliche Leihgebühr aufzuheben, während gleichzeitig der Rat der Stadt für das Angermuseum eine Gebühr neu einführt , die bisher niemals erhoben worden ist. Sogar in der Nazizeit konnte dem Museum unter Bezugnahme auf eine Verordnung gegen Preiserhöhungen der traditionelle freie Eintritt schließlich erhalten bleiben. Ich würde es tief beklagen, wenn er gerade in unserer Zeit, die daran geht, der Bevölkerung die kulturellen Erziehungsmittel kostenlos zu übermitteln, abgeschafft würde, ohne daß dadurch ein spürbarer Gewinn auf finanzieller Seite zu erreichen wäre. Auch die Erfurter Bevölkerung würde das Aufgeben einer solchen guten alten Tradition nicht verstehen(…)“.(Ebenda)

Doch der Rat der Stadt blieb bei seiner Entscheidung und ließ die Argumente des Direktors und dessen Eintreten für eine kostenlose „kulturelle Erziehung“ der Bevölkerung nicht gelten.

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Abb. 1: Besucherzahlen des Angermuseums von 1946 bis 1961 (Angaben zusammengestellt nach den Quellen des Stadtarchivs Erfurt). Es ist zu beachten, dass für die Jahre 1950 und 1951 keine Angaben vorliegen.

Wie die Besucherzahlen belegen, behielt Herbert Kunze mit seiner Prognose Recht. Während 1957 noch 25.018 Personen das Angermuseum besuchen, reduzierte sich die Besucherzahl ein Jahr später, nachdem die Preise erhöht und die Tage des freien Eintritts generell gestrichen worden waren, dramatisch auf nur noch 8.980 Personen. Auch in den folgenden Jahren erreichten die Besucherzahlen nicht wieder das Niveau der Jahre vor 1958.

▼ 105 

Die drei maßgeblichen Begriffe von Künstler, Kunstwerk und Rezipient sind in der Kunstgeschichte die entscheidenden Gegenstände der Forschung. Unter den Formen variabler Untersuchungsmöglichkeiten kann grundsätzlich zwischen zwei Strategien unterschieden werden: der objekt- / oder subjektbezogenen Einzeluntersuchung und dem Vergleich einzelner Komponenten miteinander.

Ein Museum zeichnet sich dadurch aus, dass die drei Konstanten in direkter Abhängigkeit zueinander stehen. Es ist somit ein besonderer Ort, an welchem Künstler, Kunstwerke und Rezipienten idealtypisch aufeinander treffen. Dabei bietet die Sonderausstellung in besonderem Maße den Besuchern Gelegenheit, neben der Qualität originärer Kunstwerke gleichermaßen eine große Zahl von Künstlern, vermittelt durch ihr künstlerisches Schaffen, kennen zu lernen. Auf diese Weise verleiht der Rezipient dem Museum eine besondere Legitimation, weil gerade Sonderausstellungen die öffentliche Präsenz eines Hauses erhöhen.32 Herbert Kunze war sich dieses Umstands bewusst, als er weiterhin entschieden und nachhaltig die Möglichkeit eines kostenlosen Besuches von Ausstellungen im Angermuseum vor dem Magistrat vertrat und begründete.

3.2.2 Herbert Kunzes Auseinandersetzung mit dem Magistrat der Stadt

Die Auseinandersetzung um kostenlosen Eintritt in das Museum im Jahr 1957 war nicht die einzige Diskrepanz, die zwischen Kunze und dem Magistrat der Stadt auftrat und dem Direktor ins Bewusstsein rief, dass autonome Entscheidungen bezogen auf seine Funktion eine immer strengere Reglementierung erfuhren. Bereits am 15. April 1955 schrieb Kunze an Herrn Heese, Leiter der Abteilung Bildende Kunst beim Rat des Bezirkes Erfurt folgenden Brief:

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„Ich bitte Sie, mich zu belehren, wer für die Kunstausstellungen in der Galerie des Angermuseums verantwortlich ist: Der Direktor des Museums oder der Leiter der Abteilung Kultur beim Rat der Stadt . (…)“(StAE 1-5/3813-8808)

Der Rat des Bezirkes, in politischer Verantwortlichkeit über den Institutionen des Magistrats stehend, beantwortete Kunzes scharfe Anfrage unverzüglich durch Abteilungsleiter Heese:

„Auf Ihre Anfrage vom 15.4.55 teile ich Ihnen mit, dass allein der Direktor des Angermuseums für die Kunstausstellungen in der Galerie des Angermuseums verantwortlich ist. Es ist mir unverständlich, wie der Leiter der Abteilung Kultur beim Rat der Stadt sich irgendwelche Verantwortung anmaßt. Ich werde den Leiter der Abteilung Kultur beim Rat der Stadt über die aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten die Entscheidung des Rates des Bezirkes zustellen.“ (Ebenda, vgl. dazu Anhang)

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Diese Korrespondenz bestätigt die Vermutung, dass nicht auf der Ebene des Landes DDR, nicht durch die Kompetenz des Bezirkes, sondern begrenzt auf den Verantwortungsbereich der Stadt Erfurt sich Herbert Kunzes Arbeitsbedingungen erschwerten. Während dieser sich im Oktober 1948 und im Januar 1949 in der „Abendpost“ noch öffentlich zu einem toleranten Umgang gegenüber allen Formen moderner Kunst bekennen konnte, wird in späteren Jahren eine derartige Betonung „bürgerlichen Kunstanspruchs“ bereits durch die Abteilung Kultur beim Rat der Stadt unterbunden. Herbert Kunzes Festhalten an einer umfassenden und vor allem objektiven Auseinandersetzung mit gegenwartsbezogener Kunst wird auch in Ausstellungen deutlich, wie beispielsweise der Sonderschau von Karl Völker im Februar 1949, der den Auftrag erhalten hatte, für die Thomaskirche Glasfenster mit figürlichen Szenen zu schaffen. Neben einer Auswahl aquarellierter Landschaften, Stillleben und figürlichen Impressionen wurden Entwürfe für diese Kirchenfenster gezeigt. Herbert Kunzes nachdrückliches Bekenntnis gerade auch zu religiösen Themen und Motiven entsprach nicht dem Bild des neuen sozialistischen Menschen, der seinen Ausdruck insbesondere in den „Arbeiter“- Bildern und Darstellungen werktätiger Menschen finden sollte.

Noch im Sommer desselben Jahres wurden auch die ausgestellten Arbeiten von Horst de Marées öffentlich kritisiert: „Heftige Debatten löst bei den Betrachtern die zur Zeit im Angermuseum gezeigte Sammlung von Bildwerken Horst de Marées aus.“ (Thüringer Volk, Vgl. dazu Kapitel 2.1.2.)

In welchem engen Rahmen sich Herbert Kunze als Direktor des Angermuseums überhaupt nur bewegen konnte, dokumentiert die bereits im Juli 1949 durchgeführte Thüringer Museumsleiter-Tagung, die Aufschluss über den politischen Weg gibt, den Kunze als Direktor des Museums gezwungen war, einzuhalten:

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„Beschlüsse der Thüringer Museumstagung

  1. Auf Grund der den Museen auf der thüringischen Museumsleitertagung gegebenen Richtlinien haben die Museen ihre Bestände zu überprüfen und eine Neuordnung und Umgestaltung zu erstreben, in der der Stoff in soziologischen Zusammenhängen und gegenwartsbezogenem Bezug dargeboten werden soll. Ein Plan mit Angaben der Abteilungen und Sinngruppen, nach denen das Museum im zeitnahen Sinne umgestaltet wird bzw. worden ist, soll bis zum 1. September 1949 dem Ministerium für Volksbildung vorliegen, zugleich mit Terminangabe, bis wann die Neuordnung zum Abschluß gebracht werden kann.
  2. Bis zum 1. Oktober sollen die schon eröffneten und die im Aufbau befindlichen Museen die Einrichtung von zeitnahen Abteilungen mit Darstellung der Bodenreform, der demokratischen Schulreform, der Industriereform, das Umsiedlerproblem und aller Einrichtungen demokratischen Le r ne n s und aktiver Aufbauarbeit im Rahmen des Zweijahresplanes zum Abschluß bringen und darüber berichten.
  3. Soweit Museumsbeiräte noch nicht überall geschaffen worden sind, in denen die Vertreter der demokratischen Parteien und Organisationen aktiv mitarbeiten, sind diese bis zum 1. Oktober bei allen Museen zu gründen und haben über ihre Mitarbeit in den monatlichen Zustandsmeldungen Bericht zu geben.
  4. Dasselbe wie für 3. gilt auch für die Arbeitsgemeinschaft ‚Museum und Schule‘ . Jeder Museumsleiter muß bis zum Ende dieses Jahres mindestens zweimal in der Kreislehrerkonferenz über Aufgaben und Ziele der Museumsarbeit referieren. Wo die räumlichen Verhältnisse gegeben sind, sollen die Museen für die Schulen einen Unterrichtsraum einrichten zur Belehrung durch anschauliche Objekte. Über das V eranlasste ist erstmals am 1. September Bericht zu erstatten.“(StAE 1-5/3813-8111)

Die Antwort von Kunze lautet folgendermaßen:

▼ 109 

„Museum der Stadt Erfurt

Erfurt, 31. August 1949

An das Ministerium für Volksbildung

▼ 110 

Betrifft: Rundschreiben Nr. 9 /10. Beschlüsse der Museumsleitertagung

Zu 1. und 2.: Im Angermuseum befindet sich eine besonders zeitnahe Abteilung, welche über Bodenreform, Schulreform usw. in Bild und Schrift Auskunft gibt. Es ist beabsichtigt, diese Abteilung, welche aus Mangel an geeignetem Raum bisher im Anschluß an die Galerie der Gegenwart Unterkunft gefunden hatte, in den nächsten Monaten in der Stadtgeschichtlichen Abteilung einzubauen.

Das Museum für thüringische Volkskunde, dessen Bestände noch nicht wieder zugänglich gemacht werden konnten, wird voraussichtlich im Jahr 1950 wieder aufgebaut werden. Es wird soziologisch orientiert werden.

▼ 111 

Zu 3: Der Museumsbeirat (Kulturausschuss) ist gebildet. Er tagt wenigstens einmal im Monat.

Zu 4: Die Schulklassen wurden nahezu vollzählig nach einem mit der Schulbehörde verabredeten Plan in den dazu geeigneten Abteilungen (insbesondere im Naturkundemuseum) geführt.

In Ausstellungen wie der Revolutionsausste llung 1840 wurden sä mtliche Erfurter Lehrerkollegien für ihre Klassenführungen angeleitet.

▼ 112 

Vorgesehen sind Lehrerführungen auch für d ie am 28. d. M. eröffnete Ausstellu ng ‚Erfurt in der Goethezeit‘ .“ (Ebenda)

Ab dem Sommer 1949 existierte neben der Museumsleitung ein Museumsbeirat, der mindestens einmal im Monat als Kulturausschuss tagte. Wie die Ergebnisse der Tagung weiter belegen, spielt die Kunst im vielfältigen Museumsangebot, dessen volksbildendes Potential vergrößert und didaktisch aufbereitet werden sollte, im Vergleich zu historischen Ausstellungen eine eher untergeordnete Rolle.

In den folgenden Jahren wurde es für Herbert Kunze zunehmend schwieriger, seine eigenen Vorstellungen von einer Galerie mit Künstlern der Gegenwart, die ihre Arbeiten in Sonderausstellungen präsentierten, frei umzusetzen. Jegliche Arbeit des bürgerlichen Kunstwissenschaftlers in der Stadt glich zunehmend einem Balanceakt. So konnten auch im Angermuseum ungegenständlich arbeitende Künstler, wie Hermann Glöckner, dessen Personalausstellung eigentlich für den Anfang der 1950er Jahre geplant war, nicht mehr ausgestellt werden.

▼ 113 

Es muss daran erinnert werden, dass trotzdem etliche Kunstinteressierte33 dankbar für Ausstellungen von Künstlern waren, die auf höchstem Niveau arbeiteten, aber politisch als nicht opportun galten, weil ihre Kunst ‚formalistisch‘ schien. Wie groß der Wunsch bei einigen Bürgern der Stadt besonders auch nach ungegenständlicher, formalistischer Kunst war, belegt die Tatsache, dass sich im Oktober 1963 die „Ateliergemeinschaft Erfurt“ gründete. Sie stellte zwar im Verborgenen aus, stieß aber auf große Resonanz bei jenem Publikum, das durch gut informierte, in sich geschlossene Kreise um diese Ausstellungen wusste. Diese kleine Gruppe von Rezipienten ‚versöhnt‘ mit ‚dem anderen‘ Erfurter Publikum und ihren Vertretern im Magistrat, deren Fehlentscheidungen dazu führten, dass Erfurt nicht das Kunstmuseum hat, das es tatsächlich hätte haben können. Oder um es mit den Worten Edwin Redslobs auszudrücken, der 1912 nach Erfurt kam und unmittelbare persönliche Eindrücke mit der Annexion der Stadt durch Preußen im 19. Jahrhundert assoziiert: Das Wesen und Ansehen der Stadt war durch die preußischen Behörden bestimmt, die als Machthaber eines gr oßen wohldiszipl in ierten Staates ‚die Eingeborenen‘ regierten. Der dadurch entstandene Vorgesetztenstolz färbte auch auf die städtischen Behörden ab.“ (Raabe 1998, S. 101)


Fußnoten und Endnoten

30  Eine Aufstellung über Thüringer Printmedien und den Zeitraum ihres Erscheinens findet sich in der Dissertation von Hänel 1981, S. 47 ff.: Die Zeitung „Thüringer Volk“ wurde seit April 1946 als Organ der Landesleitung der SED aufgelegt und erhielt 1950 den Namen „Das Volk“. Die „Thüringische Landeszeitung“ erschien bereits seit Oktober 1945 als Organ der Liberal-Demokratischen-Partei Deutschlands. Die parteiungebundene Zeitung „Abendpost“ wurde seit 1946 in Weimar aufgelegt. Das „Thüringer Tageblatt“ erschien seit Mai 1946 als Organ der Christlich-Demokratischen-Union.

31  Vgl. dazu Kapitel 2. Brief von Heinrich Burkhardt vom 3. Juli 1971 an Herbert Kunze.

32  Eine aufschlussreiche Untersuchung über die Struktur der Besucher und deren soziologische Charakteristika bieten Bourdieu / Darbel 2006.

33  Der Begriff des Publikums, bezogen auf die Kunstausstellungen, ist ambivalent und wird in seiner Gesamtheit den individuellen Wahrnehmungsqualitäten und -bedürfnissen von Einzelnen nicht gerecht.



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