2 Die Präsentation von Gegenwartskunst im Angermuseum bis 1962

2.1 Ausstellungen und Sonderausstellungen

2.1.1 Die Ausstellungen des Angermuseums bis 1948

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Elfi Dollichon betont, dass neben der unterschiedlichen Bewertung ästhetischer Phänomene und der Aufgabe, die Kunst im Allgemeinen zu erfüllen habe – oder der sie eben als l’art pour l’art nicht unterliegt – gesellschaftliche Rezeptionsphänomene sowohl im Osten als auch im Westen nach 1945 ähnlich verliefen:

„Gemeinsam sind das Anknüpfen an Bewährt es, das Fortführen von Erprobtem und Aufholen von Versäumtem in den Nachkriegsjahren, die Neuorientierung der Fünfziger, der optimistische Pragmatismus der Sechziger (…).“(Dollichon 1992, S. 13)

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Dass bis 1948/49 ein gleichwertiges Nebeneinander von unterschiedlichen Anschauungen in den ästhetischen und kulturpolitischen Positionen existierte, unterstreicht auch Sylvia Börner (Börner 1993). Sie begründet ihre Aussage unter anderem durch Beispiele aus einer Rede von Anton Ackermann, der 1946 auf dem ersten Kulturtag der KPD formulierte, dass es noch zu früh sei, um Urteile zugunsten einer ästhetischen Position zu fällen.

Es galt vielmehr jene Künstler zu rehabilitieren, die durch die Nazi-Kulturpolitik als ‚entartet‘ verunglimpft worden waren. Insgesamt war man bemüht, an die Traditionen der Kunst vor dem Krieg anzuknüpfen und dafür entsprechende Strukturen zu schaffen, indem man zerstörte Museumsgebäude restaurierte und museale Gegenstände aus dem Verborgenen holte (Halbrehder 1995). Diese immer wiederkehrenden schlagwortartigen Begrifflichkeiten spiegeln sich im Wesentlichen auch im Ausstellungsgeschehen des Angermuseums nach 1945 wieder.

Eine generelle Eigenschaft von Ausstellungen liegt in ihrem allgemein ephemeren Charakter. Wenn kein Katalog publiziert wurde, konnten diese im historischen Kontext kaum Spuren hinterlassen. Als verlässliche Quelle bei der Suche nach den einzelnen Sonderausstellungen kann die regionale Tagespresse gelten, in der Veranstaltungen angekündigt und Kritiken zu Ausstellungen oder über einzelne Künstler veröffentlicht wurden. Sie bildet aus diesem Grund die wesentliche Basis der vorliegenden Untersuchung.

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Ungeachtet aller im letzten Kapitel erwähnten Schwierigkeiten, wurde am 30. Oktober 1945 Beethovens Oper „Fidelio“ am Erfurter Theater aufgeführt. Bereits im November eröffnete man die erste Nachkriegsausstellung mit dem Titel „500 Jahre Kultur in Erfurt“ in den Gebäuden der „Feima-Werke“ in der Altonaer Straße. Sie korrespondiert mit einer ähnlichen Ausstellung, die im Herbst 1929 unter dem Titel „Ein Jahrtausend Erfurter Kulturgeschichte“ in der Stadt präsentiert wurde. Ein mehrseitiger Entwurf von 1945 gibt Aufschluss über die Konzeption der Schau (StAE 1-5/3813-8177).

Alle kulturellen Einrichtungen der Stadt beteiligten sich; so war die Eingangshalle der „Feima-Werke“ festlich geschmückt und enthielt im Treppenhaus Fotografien und Arbeiten von Schülern der „Meisterschule des Handwerks“.17 Außerdem stellte die Volksbücherei deutsche und ausländische Bücher aus, darunter besonders jener Schriftsteller, die in den Jahren des Nationalsozialismus verboten waren. Über einem Regal der Jugendbücherei hing ein Plakat mit dem Titel „Nie wieder Zinnsoldaten!“, darauf im Vordergrund ein mit Spielzeugsoldaten beschäftigtes Kind, während im Hintergrund ein toter Soldat im Stacheldraht hängt (Ebenda).

Das Angermuseum zeigte aus den mittelalterlichen Beständen eine exemplarische Auswahl von Exponaten, die der historischen Identität der Bürgerstadt in ihrer Beziehung zur Universität und der Kirche besonders entsprachen. Originale Dokumente wie Matrikelbriefe, Stiftungsurkunden oder Biografien prominenter Studenten, beispielsweise Martin Luther, wurden in das Konzept einbezogen und illustrierten das Bild vom mittelalterlichen Erfurt. Die Exposition versicherte dem Publikum das reiche Geistesleben einer weit über die Landesgrenzen bekannten Stadt, deren Identität in einem bürgerlich-kaufmännischen Selbstbewusstsein begründet lag. Schnitzaltäre, Setz- und Rundschilde der Erfurter Bürgerwehr, in der Mittelaltersammlung des Museums enthalten, komplettierten die Illustration dieses Zeitabschnitts.

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Es folgte eine Präsentation der bereits aus den Verlagerungsorten zurück geholten Kunstgegenstände, die thematisch an das 17. und 18. Jahrhundert in der Stadt erinnerten. Dabei reichte das Repertoire von Gemälden Jacob Samuel Becks (1715–1778) bis zu Fayencen der Erfurter Manufaktur. Auch hier dienten Biografien bekannter Erfurter zur Bereicherung der künstlerischen Exponate jener Epoche. Man erinnerte beispielsweise mit Auszügen aus dichterischen und wissenschaftlichen Schriften an Kaspar Stieler (1632–1707), der nicht nur das Ratsgymnasium besuchte, sondern den größten Teil seines Lebens in der Stadt verbrachte. Neben Lyrik und Dramatik setzte er sich mit dem Sinn und Zweck der Presse des 17. Jahrhunderts in seiner Schrift „Zeitungs Lust und Nutz“ auseinander. Als weiterer Repräsentant der Erfurter Geistesgeschichte fand der Theologe und Pädagoge Christian Gotthilf Salzmann (1744–1811), der mit seiner großen Familie ebenfalls in Erfurt lebte, Erwähnung. Er schrieb Kinderbücher, verfasste Schriften zur Theorie der Erziehung und publizierte die zwischen den Jahren 1788 bis 1811 erschienene Zeitschrift „Der Bote aus Thüringen“.

Ein in sich abgeschlossener Teil der Sonderausstellung war der so genannten „Erfurter Goethezeit“ vorbehalten. Dabei verwies man besonders auf den Statthalter Karl Theodor von Dalberg (1744–1817), der ab 1772 dreißig Jahre die Interessen der Stadt vertrat, eng mit Johann Wolfgang Goethe, Friedrich Schiller, Christoph Martin Wieland, Christian Gotthilf Salzmann und Wilhelm von Humboldt befreundet war und einen erheblichen Einfluss auf das kulturelle Leben der Stadt besaß. Gemälde und Zeichnungen von Friedrich Nerly d. Ä. und Nikolaus Christian Heinrich Dornheim (1772–1830) dienten, neben Dokumenten zur Uraufführung der Prosa-Fassung von Schillers „Don Carlos“, die 1791 im Kaisersaal gegeben wurde, gemeinsam mit Gedichten und Schriftstücken über Goethes Treffen mit dem französischen Kaiser Napoleon in Erfurt, der Illustration jener Epoche. Die Zeichnungen von Dornheim vermitteln im Besonderen einen lebendigen Eindruck, wie die Stadt um 1800 ausgesehen haben muss.

Weitere Belege gaben Aufschluss über andere historische Ereignisse, die ebenfalls zum geschichtlichen Selbstverständnis der Stadt gehören. So beispielsweise über die Tagung des Unions-Parlaments von 1850, deren Mitglieder sich am 20. März in Erfurt trafen, um einen Verfassungsentwurf für das deutsche Reich vorzubereiten oder originale Dokumente über das maßgeblich von August Bebel (1849–1913) beeinflusste und anlässlich des 1. Parteitags der SPD nach ihrem Verbot durch das Sozialistengesetz 1891 im Erfurter Kaisersaal erarbeitete Parteiprogramm.

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In einem seitlichen Gang wurden Blumenstillleben und Landschaftsmalereien verschiedener Künstler, wie beispielsweise des Weimarer Malers Alexander Olbricht (1876–1942) gezeigt. Unter dem Motto „Kunst im Kampf“ waren Radierungen von Käthe Kollwitz (1867–1945), Holzschnitte und Porzellan-Skulpturen von Ernst Barlach (1870–1938) sowie Arbeiten von Otto Dix, Georg Grosz und Heinrich Zille (1858–1929) dem Publikum seit langer Zeit erstmals wieder zugänglich. Ebenso konnte die Erfurter Bevölkerung sich jetzt nach dem Krieg wieder mit Kunstwerken von Christian Rohlfs, Erich Heckel, Emil Nolde, Karl Schmidt-Rottluff, Lyonel Feininger und Gerhard Marcks auseinandersetzen. Die überwiegende Zahl der Arbeiten, die sozusagen eine „Galerie der Gegenwart“ bildeten, waren Leihgaben von Bürgern der Stadt. Johannes Driesch (1901–1930), Karl Pietschmann (1897–1938), Otto Knöpfer (1911–1993), Georg Durand (1896–1961), Franz Lenk, Rudolf Saal oder Robert Sandrock stellten sich mit ihren Werken ebenfalls als regionale Künstler vor. Die Kunsthandwerker Erfurts wurden unter anderem vertreten durch Arbeiten aus der Töpferei von Otto Lindig und durch Objekte aus der Webereiwerkstatt von Margaretha Reichardt (1907–1984).

Die Jury dieser ersten Sonderschau hatte im Vorfeld beschlossen, keine Arbeiten von Künstlern auszustellen, die der NSdAP angehört hatten. Im Beisein von Mitgliedern der Sowjetischen Militäradministration und Vertretern der Landesregierung eröffnete Herbert Kunze die erste Ausstellung noch nicht einmal ein halbes Jahr nach dem Ende des Krieges (Ebenda).

Wie in anderen Städten auch, vergewisserte man sich zunächst der eigenen Identität im Rückblick auf die weiter entfernte Vergangenheit mittels einer ausführlichen Besinnung auf die historischen Wurzeln der Stadt. Die dabei zur Anschauung gebrachten kulturellen Werte führten in ihrer positiven Tendenz, bei fehlender kritischer Auseinandersetzung mit jenem kulturellen und historischen bürgerlichen Selbstbewusstsein, das nicht zuletzt den Faschisten als ‚Steigbügelhalter‘ diente, zur Aufwertung eines verloren geglaubten Selbstbewusstseins bei den Rezipienten. Der Unsicherheit hinsichtlich der Fragen von Schuld oder Verantwortung, sofern diese überhaupt gestellt wurden, konnte man die tradierten, humanistischen Normen entgegensetzen. In einer Art deduktivem Prozess erhielt das einzelne Individuum die Möglichkeit, sich dieser Tradition erneut zu vergewissern. In besonderer Weise wurde Goethe, nicht nur in der Stadt Erfurt mit ihrer Nähe zu dem Weimar der Klassiker, für derartige Reflexionen in ganz Deutschland verwendet. Diese Tendenz setzte unmittelbar nach dem Krieg ein und kulminierte in der Auseinandersetzung, die auf der Seite der Kritiker federführend von Theodor Adorno (1903–1969) angestoßen wurde. In seinem Buch „Die deutsche Katastrophe“ schlug Friedrich Meinecke 1946 vor, dass sich in allen größeren Städten innerhalb des Landes interessierte Menschen zu „Goethegemeinden“ zusammenschließen sollten, um vor allem den Mangel an Literatur (viele Bücher waren verbrannt oder zerstört) durch „musikalisch-poetische Feierstunden“ besonders bei der Jugend auszugleichen. Hermann Glaser bezeichnet diese Rückbesinnung auf das klassische Weimar Goethes als naiv:

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„Sein (Meineckes; a. d. V.) Vorschlag machte deutlich, wie wenig offensichtlich der totale Zusammenbruch das bürgerliche Kulturbewußtsein verändert hatte – nicht einmal bei einem Autor von liberal-aufgeklärter Provenienz. Das Unfassbare wird mit Hilfe affirmativer Kultur ‚aufgefan gen‘ ; auf die Not des nach der totalen Niederlage isolierten Individuums antwortete sie wie eh und je mit idealistischem Illusionismus, mit dem Gebot allgemeiner Menschlichkeit; dem leiblichen Elend wird die Schönheit der Seele entgegengesetzt, brutalem Egoismus mit dem Hinweis auf das Tugendreich der Pflicht begegnet.“ (Glaser 2002, S. 224)

Wenn im folgenden Text von Herbert Kunze als bürgerlichem Kunstwissenschaftler die Rede sein wird, so ist damit nicht jenes ‚bürgerliche Kulturbewusstsein‘ gemeint, das dem Faschismus zur Macht verhalf. Die problematische Dichotomie jener Begrifflichkeit zwischen der ‚bürgerlichen Seele‘ und der These vom bürgerlichen Kunstwissenschaftler Herbert Kunze, dessen unabhängige Geisteshaltung ihn 1937 die Stellung kostete, bleibt bestehen.18 Sein Habitus ist der eines Intellektuellen, der freilich im Verlauf der politischen Entwicklung der DDR eine bürgerliche Grundhaltung zunehmend als Opposition verstand und sich in ihr auszudrücken wusste. Kunzes Grundverständnis, bezogen auf die Leitung des Angermuseums, wurzelte tief in der konzeptionellen, intellektuell-bürgerlichen Tradition seiner Amtsvorgänger. Dabei bleibt die Begriffsklärung zusätzlich schwierig, weil sich die einzelnen Direktoren, wie im vorangegangenen Kapitel beschrieben, stark mit der explizit antibürgerlichen Kunst des Expressionismus identifizierten.

In einem Tätigkeitsbericht vom 1. Dezember 1945 schrieb Kunze an den Erfurter Oberbürgermeister Hermann Jahn:

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„Das Museum hat in der Fei ma eine Ausstellung ‚500 Jahre Kultur in Erfurt‛ eingerichtet, die am 18.11.45 eröffnet wurde. Laufend werden Führungen durch die Ausstellung veranstaltet. Die Wiederherstellungsarbeiten am Gebäude des Anger-Museums, besonders die Arbeiten am Dach und die Verschalung der Fenster im Erdgeschoss, wurden fortgesetzt. Die Arbeiten der Durchsicht, Ordnung und Wiederherstellung der Sammlungsgegenstände sind infolge der Konzentration auf die Ausstellung in den letzten Wochen liegen geblieben. Sie werden jetzt wieder aufgenommen.“ (StAE 1-5/3813-7954)

An der Konzeption der Ausstellung „500 Jahre Kultur in Erfurt“ fällt auf, dass sie einen weltanschaulich und historisch allgemeinen Rahmen mit kulturellen Inhalten zu füllen sucht, der von der Geschichte der Stadt vorgegeben wurde. Sie knüpft somit eindeutig an die Vorkriegstradition an. Das Ziel einer Vermittlung von Werten wie Humanismus, Antifaschismus und Toleranz erscheint zwar nicht vordergründig, ist aber sicher intendiert. Die zerstörten Gebäude in Erfurt, das Ende des Krieges und der nun erfolgte Neuanfang implizieren dabei vermutlich eine ideelle Aufwertung durch die Zurschaustellung der historischen Originalität jener urbanen Strukturen, die ein Aufgeben angesichts der Trümmer und ein Verzagen vor der Mühsal des Wiederaufbaus nicht erlauben.

Eine Einwohnerin Erfurts, Hella Walter, beschreibt in ihrem Tagebuch ein verheerendes Hochwasser, das im Frühjahr 1946 sämtliche Dörfer um die Stadt unter Wasser setzte und die „ganze Ackerkrume“ wegschwemmte. Durch das Hochwasser wurde zusätzlich das Trinkwasser verunreinigt, was die Gefahr von Krankheiten weiter erhöhte. Auch der Winter 1946/47 war außergewöhnlich kalt und schneereich. Ruhr, Typhus und Tuberkulose grassierten (Stadt und Geschichte, Nr. 26, 2/2005). Rückblickend mutet es erstaunlich an, dass in diesen Zeiten der Sorge um existentielle Dinge Ausstellungen und Konzerte überhaupt ein interessiertes Publikum fanden. Die Anmerkung von Herbert Kunze in seinem Brief an den Oberbürgermeister im Dezember 1945 über die große Zahl an Führungen durch die Sonderschau, bestätigt einen regen Besucherandrang. Diesem herausragenden Interesse der Besucher konnte zunächst nur bedingt Rechnung getragen werden, weil in den folgenden Jahren noch immer notwendige Instandsetzungsmaßnahmen ausgeführt werden mussten, deren Dringlichkeit in einem weiteren Brief Kunzes vom 18. Mai 1948 an das Erfurter Hochbauamt zum Ausdruck kam:

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„1. Das Dach des Angermuseums ist fertig umzudecken. Durch die Lücke der Südwestseite dringt der Regen in die Museumsräume und gefährdet die Sammlungen.

2. Abschlussmauer des Museumshofes fertig stellen, so dass der Museumskomplex abgeschlossen ist. Über die Trümmer hinweg sind Einbrecher in das Museum eingebrochen und wiederholt Personen in den Museumshof gekommen.

3. Die Instandsetzungsarbeiten im Seitenflügel an der Bahnhofstrasse durch Einziehung einer Zwischendecke fertigzustelle n. Das Zwischengeschoss wird Speicher und Werkstattraum für die Restauratoren, die in der Tischlereiwerkstatt infolge der Staubentwicklung ihre Instandsetzungen an Bildern und Porzellanen nicht durchführen können.

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Diese baulichen Instandsetzungen sind zur Sicherung der Sammlungen und zur Erhaltung des historischen Gebäudes dringend und beschleunigt erforderlich.“ (StAE 1-5/3813-8112)

So waren im Jahr 1946 die Schäden am Gebäude des Angermuseums noch so groß, dass ausschließlich die mittelalterliche Halle im Erdgeschoss geeignet war, die aus den 15 Verlagerungsorten bereits wieder beschafften Museumsgüter vor den Unbilden des Wetters zu schützen. Es fehlten außerdem Vitrinen oder Schaukästen, da diese zu den nicht ausgelagerten Gegenständen gehört hatten und durch die Bombenangriffe nahezu vollständig zerstört worden waren.

Unter diesen Bedingungen fand im Februar 1946 erneut eine Sonderausstellung außerhalb des Museums statt, die einen Überblick über das Schaffen der Erfurter Maler geben sollte. Zu den Künstlern, die ihre Arbeiten der Erfurter Öffentlichkeit präsentierten, gehörten Käte Möbius, Werner Schönfeld, Gerhard Neumann-Kirchheim, Max Karl Beyer, Rudolf Saal und Robert Sandrock (StAE 1-5/3813-8496).

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Als allgemeine Einschätzung kann gelten, dass dieser Sonderschau sowohl das Element des Neuanfangs als auch ein Anknüpfen an die Erfurter Museums-Tradition hinsichtlich einer Präsentation zeitgenössischer, regionaler Künstler innewohnte. Eigenschaften, die bereits die erste Überblicksschau „500 Jahre Kultur in Erfurt“ vom November 1945 charakterisierte. Auf Seiten der Künstler wirkten sich neben den alltäglichen Unsicherheiten besonders die begrenzte Verfügbarkeit von Arbeitsmitteln wie Leinwänden, Farben und anderer Utensilien erschwerend auf den Arbeitsprozess aus. Unter diesen widrigen Bedingungen fand im Dezember 1946 eine erste „Erfurter Kulturwoche“ statt.19

Innerhalb der musealen Strukturen nutzte Herbert Kunze die Zeit neben der Konzeption dieser Ausstellung, um mit mühsam organisierten Lastwagen oder anderen Transportmöglichkeiten die Sammlungen von den Orten der Auslagerungen zu bergen, zu ordnen und zu katalogisieren.

Zur gleichen Zeit, im Februar 1946, fand in Weimar die konstituierende Sitzung der Landesleitung des „Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ statt. Ricarda Huch (1864–1947) wurde zur Ehrenvorsitzenden gewählt und Theodor Plievier (1892–1955) übernahm den Vorsitz. Herbert Kunze gehörte ebenso wie der Verleger Gustav Kiepenheuer (1880–1949) und der Architekt Hermann Henselmann (1905–1995) zu den Mitgliedern der Landesleitung.

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Eineinhalb Jahre nach dem totalen Zusammenbruch in Deutschland, zum Ende des Jahres 1946, während die Urteile im Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozess gesprochen wurden, fand in Dresden die erste Allgemeine Deutsche Kunstausstellung statt, die in neun Wochen 74.000 Besuchern anzog (Lindner 1998, S. 62f.). Das Angermuseum übergab zur selben Zeit die „Galerie des 18. und 19. Jahrhunderts“ der Öffentlichkeit. Es war nun wieder möglich, einen Teil der Kunstwerke als geschlossene Einheit einer konzeptionell aufbereiteten Sammlung im musealen Kontext zu präsentieren. In den Museen Deutschlands fand noch eine ‚Reinigung‘ anderer Art statt: Im Mai ordnete der Alliierte Kontrollrat durch den „Befehl Nr. 4“ an, dass alle faschistischen Denkmale bis zum 1. Januar 1947 zu zerstören seien. Ebenso wurde verfügt, Museen mit ebensolcher Kunst und Kultur aufzulösen und nationalsozialistische Schriften aus den Bibliotheken zu entfernen.

Beim Lesen einer in der Zeitung „Thüringer Volk“ abgedruckten Rezension aus dem Jahr 1946 gewinnt man den Eindruck, dass der Aspekt des Neuanfangs eine außerordentlich große Rolle bei der Präsentation des Angermuseums vor den Bürgern der Stadt spielt, obgleich der Terminus des ‚Neuanfangs‘ vermutlich als problematisch anzusehen ist.

( ) Einen Gang durch die Gemäldesammlung, die vom Klassizismus bis zum Expressionis mus letzter Prägung reicht, läß t den Besucher über manche Kostbarkeit in dieser Sammlung erstaunen. Besonders die Landschaftsmalerei und ihre Entwicklung von der Romantik bis heute steht im künstlerischen Mittelpunkt. Neben einem echten, kleinen Bild von Caspar David Friedrich, das in sattem Braun eine Herbstlandschaft zeigt, hängen mehrere Bilder von Friedrich Nerly (…). Dan eben sind Gemälde von Achenbach , Schirmer, Anselm Feuerbach, Karl Buchholz, Christian Rohlfs, Max Slevogt, Kurt Hermann, Max Liebermann vertreten. Auch Walter Klemm, de r Altmeister der Weimarer Maler , der heute in Weimar lebt, zeigt zwei Bilder. Unter den Zeichnungen und Radierungen finden sich kostbare kleine Studien von Moritz Schwind t, Ludwig Richter und Adolf Men zel. In einem besonderen Raum hat Karl Schmidt-Rottluff in einer Wechselausstellung leihweise mehrere Aquarelle ausgestellt. (…) Unter den Modernen, die die Stadt vor längerer Zeit für ihre Sammlung erworben hat, findet man im letzten Raum Lyonel Feininger und Franz Lenk. In der Fayence-Sammlung fallen einige Stücke durch ihre Kostbarkeit besonders auf, sie stammen aus alten Schlössern Thüringens. Interessant sind bizarre Gläser aus dem Mittelalter, Porzellane aus dem Rokoko, Tonschalen aus dem Jahr 3000 v. Christi. Liebhaber der Alt-Erfurter Geschichte können an Hand von alten Stadtplänen in der gegenwärtigen Ausstellung die Entwicklung Erfurts zur heutigen Großstadt verfolgen ( ).(Thüringer Volk, 11. Dezember 1946, - uli -)

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Der Tenor des Artikels legt nahe, dass man den Bürgern der Stadt eine nahezu unbekannte Kunstsammlung vorführte und dabei gezwungen war, nicht nur die bis vor kurzem noch verfemten Künstler der klassischen Moderne erneut vorzustellen, sondern das Kunstmuseum als solches, einschließlich seiner mittelalterlichen und anderer Sammlungsgegenstände dem öffentlichen Bewusstsein wieder in Erinnerung zu bringen.

Auf eine besondere Wechselausstellung, mit deren Hilfe die öffentliche Präsenz des Angermuseums als einem Kunstmuseum der Gegenwart bei seinem Publikum gestärkt werden sollte, wird im Artikel hingewiesen: Man präsentierte Aquarelle von Karl Schmidt-Rottluff. Für eine weitere Sonderschau in diesem Jahr fiel die Wahl auf Aquarelle des Erfurter Künstlers Rudolf Saal, der sich bei der Suche seiner Motive vor allem von der mittelalterlichen Stadt inspirieren ließ. Als charakteristisches Merkmal dieser ersten Wechselausstellungen nach dem Krieg kann bereits gelten, dass den zeitgenössischen Künstlern ein großer Stellenwert zukam, der seinen Ausdruck in einer repräsentativen und regelmäßigen Präsentation ihrer Kunstwerke fand.

In den Wintermonaten wurden keine Sonderschauen gezeigt, da das Gebäude nicht geheizt werden konnte. So begann ein regelmäßiges Ausstellungsgeschehen erst im Sommer des folgenden Jahres, 1947. Am 22. Juni 1947 war, anlässlich der „2. Erfurter Kulturwoche“ vom 21. bis 29. Juni, die Sammlung von mittelalterlicher Plastik und Malerei fertig gestellt worden. Als Dauerausstellung fand sie ihren Platz am selben Ort wie vor dem Krieg, in der großen Halle im Erdgeschoss (Menzel 2005). In den ebenfalls zugänglichen Nebenräumen hingen nun wieder Gemälde von Lukas Cranach und die mittelalterlichen Setzschilde der Erfurter Bürgerwehr. Außerdem wurde der stark beschädigte Heckel-Raum, zum ersten Mal nach langer Zeit, in der man ihn hatte verbergen müssen, zur Besichtigung frei gegeben (Vgl. Kapitel 1.1.3.). Der Raum hatte durch Feuchtigkeit stark gelitten und wurde 1948 erneut restauriert; dabei konnte man den Sockel des Raumes, einen Blumenfries und Motive von Wandteppichen unter den Fenstern nicht retten. Der Sockel erhielt stattdessen einen monochromen Anstrich in der Grundfarbe des Raumes.

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Die „Abendpost“ diskutierte am 30. Mai 1947 das Thema des Verlustes einer Vielzahl expressiver Kunstwerke unter der Überschrift „‚Entartete Kunst‘ – wohin? Erfurter Kunstwerke wanderten als Devisenbringer ins Ausland“ erstmals öffentlich:

Warum sieht man nicht mehr Emil Noldes dunkelglühendes Begonienstück oder seinen wuchtigen Russenkopf? Warum nicht Otto Müllers gobelinzarte ‚Landschaft mit Frauen‛ oder des greisen Christian Rohlfs zauberhafte Aquarelle? Wo ist Wi lhelm Lehmbrucks innige Gruppe ‚Mutter und Kind‛ verblieben, wo Erich Heckels liebenswerte Rhönlandschaft und Pechsteins dekoratives Stilleben? Warum werden Ernst Ludwig Kirchners kraftvolle Holzschnitte nicht gezeigt, warum nicht Charles Crodels heitere Aquarelle und Schmidt-Rottlufs vitale Malereien? So oder ähnlich mag wohl schon mancher Besucher der Gemäldegalerie des Erfurter Angermuseums gefragt haben, ohne eine rechte Antwort zu finden. Die Zeit da jene Künstl er geächtet und ihre Werke als ‚entartet‛ aus Ausstellungen und Sammlungen verbannt waren, ist jedoch vorüber und Erfurts Galerie zeigt auch wieder Beispiele expressionistischer Kun st. Aber warum werden uns jene und noch manch andere Stücke vorenthalten, die einst die moderne Abteilung zierten und willkommene Gelegenheit boten, die künstlerischen Entwicklungstendenzen im ersten Drittel unseres Jahrhunderts in charakteristischer Ueberschau kennen zu lernen?

Es ist kein freiwilliger, sondern ein erzwungener Verzicht. Erzwungen vor zehn Jahren, im Spätsommer 1937 als eines Tages ein Herr aus Berlin im Museum erschien, um auf Befehl Hitlers die Bestände an ‚entarteter Kunst‛ sicherzustellen und ihren sofortigen Abtransport zu veranlassen. Er verfuhr, was die Besitzverhältnisse betraf, durchaus nicht kleinlich, jener Berliner Herr, denn er beschlagnahmte munter drauf los ohne Rücksicht, ob es sich bei den beanstandeten Werken um Museumseigentum oder um Leihgaben aus privater Hand handelte.

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Wenn er auch Nachsicht mit einigen Plastiken von Gerhard Marcks übte, die ihm, als bloße Gipsabdrücke verdächtig, nicht wertvoll genug erschienen, und wenn er auch – wie großzügig – sich nicht sklavisch streng an N amen hielt und nicht von allen ‚Entarteten‛ alles nahm, so leistete er doch gründliche Arbeit. Rund 600 Nummern nämlich umfasste das Verzeichnis der damals entführten Kunstwerke, unter deren Schöpfern man neben den schon genannten weitere bekannte Namen findet wie Kokoschka, Dix, Paul Klee, Paula Modersohn, den Erfurter Bildhauer Hans Walther, die mit Thüringen eng verbundenen Johannes Driesch, Karl Peter Röhl, Oswald Baer und Otto Hofmann. Einige wenige Stücke kamen nach geraumer Zeit als unverdächtig zurück, so die reizvollen kleinen Tierplastiken der Renée Sintenis und Zeichnungen Ludwig von Hofmanns. Die anderen aber? Sie wurden gegen Devisen verkauft. Die Entschädigung, die das Museum erhielt, war mehr als bescheiden und entsprach nic ht im mindesten dem Wert,den jene Werke repräsentieren und den sie bei Versteigerungen in der Schweiz ihren unrechtmäßigen Besi tzern einbrachten. Daß nämlich ‚Entartetes‛ aus dem Erfurter Museum als Devisenbringer in der Schweiz gelandet war, offenbarte eines Tages überraschend eine Aufnahme in einer illustrierten Zeitung, auf der man zwei entführte Stücke wiedersah. Amtlich jedoch erfuhr man nichts über das Schicksal der konfiszierten Werke. Diese blamable Verfemung vom Jahr 1937 erklärt die Lücke, die der Kunstfreund in der modernen Abteilung der Erfurter Galerie schmerzlich empfindet. Sie zu schließen wird nicht leicht sein.“

Im Jahr 1947 zeigte das Angermuseum Sonderausstellungen von Thomas Theodor Heine (1887–1948), Otto Mueller, Otto Herbig (1889–1971), Gerhard Marcks und Otto Hofmann (1907–1994) (StAE 1-5/3813-8496). Die Sonderausstellung mit den Karikaturen von Thomas Theodor Heine fand anlässlich seines 80. Geburtstages statt und enthielt vorwiegend Themen, die sich mit der Ära des wilhelminischen Deutschlands beschäftigen. Der Künstler, der 1933 emigrierte, zeichnete für die Zeitschriften „Fliegende Blätter“, „Simplicissimus“ und „Pan“. Besonders bekannt wurde das Bild der „roten Bulldogge“, das programmatisch das Titelblatt der Wochenzeitung „Simplicissimus“ zierte. Die Tempera-Blätter des in Weimar lebenden Otto Herbig offenbarten in leuchtenden Farben Landschaften, Porträts und Stillleben. Der Künstler war zu dieser Zeit als Dozent an der neu eröffneten Kunstschule in Weimar tätig. Beide Sonderausstellungen fanden ebenfalls anlässlich der „2. Kulturwoche“ statt.

Im August 1947 folgte mit dem Titel „Erfurter Künstler aus drei Jahrhunderten“ eine Sonderaustellung, deren Zustandekommen sowohl durch den 50. Geburtstag von Robert Sandrock als auch mit dem 140. Geburtstag von Friedrich Nerly d. Ä. begründet wurde. Sie nutzte den eigenen Bestand des Angermuseums für die Konzeption, um beginnend mit Jacob Samuel Beck eine dreihundertjährige Geschichte zu dokumentieren (StAE 1-5/3813-8496). Auch diese Sonderschau knüpft an die Tradition des Erfurter Museums an, die seit Overmann das Profil des Hauses prägte und sich zum Ziel gesetzt hatte, besonders die Künstler der Umgebung zu sammeln und auszustellen. Das 20. Jahrhundert wurde unter anderem vertreten durch: Theo Kellner: „Dorfstraße“, Robert Sandrock: „Distel“ / „Stillleben“, Wolfgang Taubert: „Hochzeitsgesellschaft“, Carl Heine (1883–1952): „Kinderbildnis“, Georg Durand: „Kapellendorf“-Aquarelle, Rudolf Saal: Stillleben. Margaretha Reichardt präsentierte einen gewebten Gobelin. Arbeiten von Franz Markau (1881–1969) und Otto Knöpfer vervollständigten diese Sonderausstellung, die konzeptionell versuchte, jene in der jüngsten Geschichte erzwungen Brüche innerhalb des museal-ästhetischen Gefüges zu glätten. Kunze widmete sich den regionalen Künstlern wohl im Bewusstsein des ungeheuren Verlustes der ehemaligen Expressionismus-Sammlung, aber auch mit großem Vertrauen in die schöpferische Ausdruckskraft der Künstler jener unmittelbaren Gegenwart.

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Besondere Aufmerksamkeit wurde dem in Rudolstadt geborenen Künstler Otto Hofmann entgegengebracht, der 1947 ebenfalls in einer Sonderschau mit Gemälden, Aquarellen und Zeichnungen vertreten war. Er hatte als Schüler von Wassily Kandinsky und Paul Klee am Bauhaus in Dessau studiert. Dass seine gegenstandslosen Arbeiten in einer Sonderschau gezeigt werden konnten, entspricht dem am Beginn des Kapitels beschriebenen Phänomen, eines in den ersten Jahren nach dem Krieg vorherrschenden ästhetischen Pluralismus innerhalb der Auseinandersetzung mit Kunst. Bereits 1932 hatte sich Wassily Kandinsky in einem persönlichen Brief an Herbert Kunze für den Ankauf von Bildern des „begabten Malers“, der nach dem Abschluss seines Studiums am Bauhaus in Jena lebte, eingesetzt (Vgl. Anhang, S. 91). Diese Ausstellung der Arbeiten von Hofmann war nach den Präsentationen im Erfurter Kunstverein (1932) und im selben Jahr am Angermuseum, die letzte, die vom Künstler in Erfurt zu sehen war, da Otto Hofmann 1950 das Land verließ.

Noch 1947 folgte eine Sonderausstellung mit Arbeiten von Gerhard Marcks, der sich nach einem Griechenlandbesuch zum zeitlosen Menschenbild, begründet in der Formensprache der Antike, berufen fühlte. Seine Holzschnitte waren vorwiegend zwischen 1944 und 1946 entstanden und Arbeiten wie „Saturn frisst seine Kinder“ setzten sich thematisch mit dem Krieg und der unmittelbaren Nachkriegszeit auseinander (StAE 1-5/3813-8496).

Derartige Kunstwerke entsprechen einer Einschätzung, die Lothar Lang für programmatisch hinsichtlich eines künstlerischen Neuanfanges in der Sowjetischen Besatzungszone hält: ein Bekenntnis zum Antifaschismus, die Auseinandersetzung mit wirtschaftlicher Not und sozialem Elend, die Selbstreflexion des Künstlers bezogen auf seine eigene gesellschaftliche Rolle und dessen Vision von der Möglichkeit eines besseren Anfangs. Diese Schwerpunkte könne man in den bedeutenden Kunstwerken, die in dieser Zeit in der SBZ entstanden, als Themen erkennen (Lang 2002).

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Im gleichen Jahr erschien anlässlich einer Ausstellung von Aquarellen und graphischen Arbeiten des Künstlers Otto Mueller, den eine enge Freundschaft mit Erich Heckel verband, in Chemnitz ein Katalog.20 Otto Mueller gehörte zu jenen expressionistischen Künstlern, die in den Ausstellungsräumen des Kunstvereins bereits um 1924 mit Personalausstellungen vertreten waren. Im Jahr 1948 erschien der Artikel „Über die formalistische Richtung in der deutschen Malerei“ in der Zeitung „Tägliche Rundschau“ in der Alexander Dymschitz jeweils zwei Pole unter den Stichworten „Über vermeintliche und wirkliche Neuerungen“, „Über den Kampf für und wider den ideellen Gehalt“ und „Über den Künstler ohne Volk und den Volkskünstler“ gegenüber stellte21 (Tägliche Rundschau, 19. November / 24. November 1948).

Im August des Jahres 1948lud das Angermuseum zu einer Ausstellung des Gesamtwerkes von Charles Crodel ein. Mit der Präsentation von 76 Ölgemälden, ca. 20 Aquarellen und Zeichnungen, Entwürfen für Wandbilder, Holzschnitte, Lithographien, Bildteppichen, Glasmalereien und mit Scharffeuerfarben bemalte Keramiken wurde die Vielfalt seines Œuvres deutlich (Thüringer Volk, 26. August 1948). Anlässlich der Ausstellung erschien ein Katalog mit einem Vorwort von Herbert Kunze. Nach den biographischen Angaben folgt dessen kritische Einschätzung zur Künstlerpersönlichkeit:

„(… ) Das Bildgefüge ist oft unsymmetrisch verschoben, meist erscheinen die stärksten Farben und die gewichtigste Form an versc h iedenen Stellen, selten decken sich inhaltlicher und farbiger Hauptakzent; aber sie befinden sich zueinander in einer erregenden Spannung, alles steht in einem labilen Gleichgewicht. Crodels Komposition ist so wenig wie seine Malweise flüchtig, sondern höchst sensibel und streng.“(Kunze 1961)

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Dieser Katalog bleibt insofern eine Rarität, weil Herbert Kunze vergleichsweise wenig publizierte. Ein Umstand, der bei den Leistungen des Wiederaufbaus und der Fülle der Sonderausstellungen der folgenden Jahre nicht weiter verwundert. Mit Charles Crodel und dessen Frau verband Magdalene und Herbert Kunze eine enge Freundschaft, beide schätzten die Arbeiten des Künstlerpaares sehr, was vermutlich in der intensiven Auseinandersetzung Kunzes mit Crodels Werk eine Bestätigung fand.

Anlässlich der „3. Kulturwoche“ im Herbst 1948 eröffnete das Angermuseum in der zweiten Etage des Hauses die Abteilung mit der Sammlung von Fayencen und Porzellan. Diese ‚Wochen der Kultur‘ wurden seit 1946 einmal jährlich vom Kulturamt der Stadt Erfurt und dem „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ initiiert und besaßen ein breit gefächertes Programm mit kulturellen Angeboten wie Lesungen, Theateraufführungen, Konzerten und Vorträgen (Menzel 2005).

Vom 31. August bis zum 2. November 1948 fand die 1. Landesausstellung bildender Künstler Thüringens, unter der Schirmherrschaft der Stadt und des „Kulturbundes“, in der Erfurter „Thüringenhalle“ statt. Ausgestellt wurden unter anderem Arbeiten folgender Künstler: Gerhard Neumann, Hans Walther (1888–1961), August Weise (*1902), Otto Knöpfer, Theo Kellner, Ruth Weise, Rudolf Saal, Georg Durand, Otto Mehmel (1890–1950), Anton M. Kaiser, Carl Heine, Friedrich Wokurka, Wolfgang Taubert, Ilse Juch-Ahrens, Robert Sandrock, Margaretha Reichardt, Max-Karl Beyer, Oskar Homeyer, Albert Habermann (*1913) (Abendpost, 29. September 1948, -st.-).

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Landschaften und Stillleben dominierten dabei im Motivschatz der Maler. Ein Umstand, der auf die Vielfältigkeit der Ausdrucksformen hinweist und Auskunft darüber gibt, dass nicht alle Künstler zu einer Aufarbeitung der unmittelbaren Vergangenheit die Möglichkeit fanden oder finden wollten.

Anlässlich des 10. Todestages des Künstlers Ernst Barlach, der sich am 10. Oktober jährte, präsentierte das Angermuseum im Dezember 1948 eine Gedächtnisausstellung (Wanderausstellung), bei der man eine Auswahl von Lithografien, Holzschnitten und Arbeiten aus Porzellan zeigte, die vorwiegend Barlachs früher Schaffensperiode zuzuordnen sind.

Eine Rede über den toleranten Umgang mit allen Erscheinungsformen moderner Kunst, die Herbert Kunze im Oktober 1948 im Rahmen eines Vortrages beim Erfurter Kulturbund hielt, kann gleichermaßen als Leitgedanke für dessen Ausstellungspolitik gelesen werden. Der Direktor gab eine Einführung in die Betrachtung von Kunst im Allgemeinen, quasi als Besinnung auf die historischen Wurzeln, und versuchte im weiteren Verlauf mit dem Credo: Auch wo wir sie nicht verstehen, wollen wir sie achte n“ (Abendpost, 2. Oktober 1948, -st.-) das Verständnis für jegliche Spielarten von moderner Kunst, gerade auch für ungegenständliche Arbeiten, zu fördern. Mit diesem Vortrag nimmt Herbert Kunze eine eindeutige Position ein, die nicht der realistischen Lösung den Vorzug gibt, sondern beide Auffassungen in der Kunst, die realistische und die sogenannte formalistische Ausdrucksform, nebeneinander existieren lässt.22 Dieser Umgang mit Gegenwartskunst schließt eine Auseinandersetzung mit den Wurzeln jener ungegenständlichen Kunst ein und lässt an dieser Stelle keinen Spielraum für bürgerliche Scheinpositionen, wie Glaser sie in vielen Köpfen im Deutschland der Nachkriegszeit vermutet. Die von Kunze immer wieder eingeforderte und praktizierte Loyalität gegenüber den Künstlern, die verunglimpft worden waren und an die er nach 1945 vorwiegend durch Überblicksausstellungen erinnerte, verbunden mit einem gleichzeitigen Festhalten an den tradierten Werten seiner Amtsvorgänger, lässt einen Rückzug in „affirmative Kultur“ (Glaser 2002) nicht zu. Beide Kriterien können daher als Merkmale für Herbert Kunzes Verbundenheit mit den musealen Ideen und Werten seiner Amtsvorgänger gelten und entsprechen in diesem Sinne seinem Selbstverständnis als bürgerlicher Kunstwissenschaftler. Bezogen auf die öffentlichen Debatten über Kunst, kann besonders im Hinblick auf Herbert Kunzes Tätigkeit als Direktor des Angermuseums nach 1945 folgendes gesagt werden:

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„Die deutschen Intellektuellen, die im Lande geblieben waren oder während des Faschismus im KZ gesessen hatten, gerieten völlig unvorbereitet in die Formalismus- Diskussion. Den traditionell Denkenden unter ihnen blieb sie völlig fremd.“ (Mittenzwei 2003, S. 89)

2.1.2 Die Ausstellungen des Angermuseums bis 1952

Während sich in verschiedenen Städten im Verlauf der 1950er Jahre, zu nennen sind Berlin, Dresden oder Halle, neue Zentren bildeten, in denen Kunst an Universitäten und Akademien von bedeutenden Künstlern vermittelt wurde, blieb Erfurt ein diesbezüglich eher ruhiger Bezirk. Um trotzdem am kulturellen Zeitgeschehen zu partizipieren, versuchten die Mitarbeiter des Angermuseums den Dialog mit dem Publikum durch eine erhöhte Frequenz von Sonderschauen und Einzelausstellungen aufrecht zu halten. So fanden in den Jahren von 1949 bis 1952 jährlich bis zu zwölf verschiedene Wechselausstellungen statt. Diese ungeheure Vielfalt brachte ein enorm großes Arbeitspensum für Herbert Kunze und Magdalene Rudolph-Kunze. Der Kunstwissenschaftler leitete zu dieser Zeit neben dem Angermuseum auch das Naturkunde- und das Heimatkundemuseum der Stadt.

Ende der 1950er Jahre wurden Museen in ihrer Funktion als ‚volksbildende‘ Einrichtungen zunehmend in die politischen Strukturen eingebunden. Man stellte bereits auf der Thüringer Museumsleitertagung vom 21. und 22. Januar 1949 Richtlinien vor, deren Einhaltung man überwachte und an das Ministerium für Volksbildung nach Berlin meldete. Zu diesen Forderungen gehörten eher grundsätzlich formulierte Verpflichtungen, wie beispielsweise das Einbeziehen soziologischer Themen in die Museumsarbeit, außerdem sollten in den „zeitnahen“ Abteilungen künftig politische Veränderungen wie Boden- oder Schulreform didaktisch aufbereitet werden. Dabei galt es, die Zusammenarbeit zwischen den Museen und schulischen Einrichtungen zu intensivieren (StAE 1-5/3813-8111).

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Während in Dresden im Jahr 1949 die 2. Deutsche Kunstausstellung stattfand, die in sieben Wochen 50.000 Menschen besuchten (Lindner 1998, S. 62f.), begann das Jahr im Erfurter Angermuseum mit der Eröffnung der Dauerausstellung „Galerie der Gegenwart“. Sie befand sich im 2. Obergeschoss, dem Seitenflügel des Hauses. In neun Räumen sollte, nach den Vorstellungen des Direktors und seiner Mitarbeiter, die künstlerische Gegenwart vor allem als Weiterentwicklung innerhalb der Tradition einer klassischen Moderne anschaulich vermittelt werden. Damit bezog Herbert Kunze, wie im ersten Kapitel dargestellt, eine abweichende Haltung im Vergleich zur offiziellen Politik der Kulturfunktionäre. Deren Position lautete, dass eine Gegenwartskunst dergestalt aus sich selbst geschaffen werden müsse, dass sie aus dem Volk käme und inhaltlich an dieses adressiert zu sein habe. Neben den Arbeiten aus dem Besitz des Angermuseums bereicherten zahlreiche Leihgaben die Ausstellung, in der unter anderem Werke von Karl Schmidt-Rottluff, Horst Strempel (1904–1975), Lyonel Feininger, Christian Rohlfs, Erich Heckel, Ernst Nolde, Oskar Kokoschka (1886–1980), Karl Hofer (1878–1955), Johannes Driesch, Oskar Nerlinger (1893–1969), Alice Lex-Nerlinger (1893–1975), Charles Crodel, Heinz Trökes (1913–1997), Otto Herbig, Karl Pietschmann, Franz Lenk, Wilhelm Heise, Elisabeth Crodel, Alfred Kubin, Otto Hofmann, Ernst Barlach, Renée Sintenis (1888–1965) und Gerhard Marcks vertreten waren (Thüringer Volk, 24. Januar 1949 / Abendpost, 19. Januar 1949). Im „Thüringer Volk“ wurde Kritik an Künstlern wie Heinz Trökes und Otto Hofmann geübt:

„(…) Es bleibt dahin gestellt, inwieweit diese sich vom Gegenständlichen fortbewegende Ausdrucksform einmal unsere Zeit überdauern wird, ob sie mehr als Experiment sein wird.“

In dem Textbeitrag der „Abendpost“ sorgte man sich besonders um den ungeübten Blick der Rezipienten:

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„(…) Vom Expressionismus bis zum Surrealismus werden hier in exemplarischen Werken der Malerei, der Graphik und der Plastik die verschiedenen Phasen der künstlerischen Entwicklung unseres Jahrhunderts sichtbar. Entwöhnte und ungeübte Augen werden vor manchem Stück befremdet oder gar chokiert sein, mag es sich nun um fast schon historisch anmutende Schöpfungen von Rohlfs, Hecker, Kokoschka, Otto Mueller, Beckmann oder um Arbeiten von Hofer, Trökes, Hofmann, Strempel, Nerlinger und Gerhard Marcks handeln, die im Brennpunkt aktueller Diskussionen über Wesen und Weg der Kunst stehen. Die Tatsache, dass gerade auch problematische Arbeiten zur Schau gestellt sind, bedeutet nicht, daß sich die Museumsleitung mit jedem Stück identifiziert. Es ist vielmehr nur eine Pflicht der Objektivität erfüllt, und als Antwort auf den Versuch, die widerspruchsvollen künstlerischen Bestrebungen der Gegenwart im Querschnitt zu zeigen, muß die gleiche Objektivität und Toleranz von den Besuchern erwartet werden. Im übrigen bleibt zu bedenken, dass eine zeitgenössische Galerie als Feld der Auseinandersetzung niemals fertig ist, und daß sich im Wechsel ihres Bestandes und in lebendigem Kontakt mit dem künstlerischen Geschehen immer wieder neue Akzentsetzungen ergeben.“ (Abendpost, 19. Januar 1949 - st.-)

Neben der „Galerie der Gegenwart“ eröffnete das Angermuseum in diesem Jahr noch den Raum mit der Porzellan-Sammlung und den Fayencen als Dauerausstellung.

Ab 1949 wurde, wie bereits mehrfach erwähnt, nahezu monatlich eine Sonderausstellung initiiert. Es fällt auf, das in diesen ersten Jahren nach dem Krieg die Arbeitsmaterialien der Künstler meist aus Papier oder Pappe als Malgrund und Aquarellfarben bestanden. Wenn Ölgemälde ausgestellt wurden, stammten sie zumeist aus der Zeit vor dem Krieg. In diesem Jahr, 1949, wurden Karl Völker (1889–1962), Paul Dobers (1885–1959), Rudolf Saal, Arthur Steiner (*1885), Lieselotte Backschieß (*1910), Horst de Marées (1896–1988), Werner Rocco (1902–1963), Erich Heckel, Oskar Nerlinger, Heinrich Burckhardt (1904–1983) und Max Lingner (1888–1959) vorgestellt. Im Rahmen der „4. Erfurter Kulturwoche“ fand außerdem im September des Jahres, unter dem Titel ‚Erfurter Künstler‘, eine Überblicksschau statt. (StAE 1-5/3813-8496)

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Die kulturelle Saison des Angermuseums begann 1949 im Februar mit einer Sonderschau von Aquarellen des Künstlers Paul Dobers (Ebenda). Die Werke mit Landschaftsdarstellungen, Blumenstillleben und Porträts waren alle nach 1945 entstanden. Dobers war um 1930 als Dozent an der Kunstakademie in Breslau beschäftigt und leitete dort einen Vorkurs, der sich stark an dem Modell der Vorkurse des Bauhauses orientierte (Hölscher 2003, S. 275). Später wurde der Künstler als ‚entartet‘ eingestuft. Paul Dobers lebte nach dem Krieg kurzzeitig in Erfurt, bevor er nach Süddeutschland zog.

Auch von Karl Völker wurden aquarellierte Landschaften und Stillleben gezeigt. Komplettiert wurde die Sonderschau seiner Werke durch Entwürfe, Skizzen und Kartons zumeist figürlicher Szenen für farbige Glasfenster der Erfurter Thomaskirche. Es folgten Bleistiftskizzen und Aquarelle von Rudolf Saal, der seine Motive zumeist in der mittelalterlichen Stadt fand. Die Künstlerin Lieselotte Backschieß stellte gemeinsam mit dem Bildhauer Arthur Steiner Skulpturen aus. Der Erfurter Arthur Steiner war in seiner Heimatstadt besonders für seine Tier-Motive und Tierplastiken bekannt. In einer weiteren Sonderausstellung provozierten Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen von Horst de Marées. Diese Ausstellung führte deshalb zu Diskussionen in der Öffentlichkeit, weil die ausgestellten Bilder nicht jenen Vorstellungen von realistischer Kunst entsprachen, deren Primat besonders in der medialen Diskussion zunehmend eingefordert wurde:

„Heftige Debatten löst bei den Betrachtern die zur Zeit im Angermuseum gezeigte Sammlung von Bildwerken Horst de Marées aus. (…) Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich die bemerkenswerten Talente noch entfalten werden. Das Gefühl für Atmosphäre in Linie und Farbe, die stets glückliche Harmonie dieser beiden Elemente, wie sie in einem gedämpft gehaltenen Stilleben zur Geltung kommen, würden es begrüßen lassen, wenn Horst de Marées sich weniger abstrakten und mehr konkreten Themen zuwenden würde. Seine Kunst würde fruchtbarer, da sie mehr Widerhall fände.“ (Thüringer Volk, 18. Juli 1949, K.H.F.)

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Werner Rocco, der sowohl am Bauhaus in Weimar als auch bei Walther Klemm (1883–1957) studierte, wurde dem Publikum des Angermuseums mit thematisch unterschiedlichen graphischen Arbeiten vorgestellt. Die Blätter setzten sich motivisch vor allem mit zwei Schwerpunkten auseinander, wie die Titel ausgestellter Werke vermuten lassen: biblische Szenen wie „Grablegung“ und „Offenbarung“ und Blätter, die Titel trugen wie „Auschwitz“, „Ausgebombt“ oder „Jugend von 1945“ (StAE 1-5/3813-8496). Derartige Bildmotive tragen dazu bei, die These von Hermann Glaser hinsichtlich der mangelnden Bereitschaft breiter Gesellschaftsschichten, sich mit der unmittelbaren Vergangenheit auseinanderzusetzen, kritisch zu betrachten und nicht zu pauschalisieren.

Die Sonderausstellung im November 1949 zeigte Landschaftsstudien und Illustrationen von Oskar Nerlinger. Im Mittelpunkt standen dabei dessen Illustrationen zu Maxim Gorkis Roman „Die Mutter“.

Im November folgte eine Wechselausstellung mitÖlbildern, Aquarellen und Zeichnungen von Heinrich Burkhardt, dessen Lebenswerk größtenteils verloren ging, weil das Atelier im Krieg ausgebombt wurde. Ein Schicksal, das er mit vielen Künstlerkollegen seiner Zeit teilte. Burkhardt wurde 1904 in Altenburg geboren und lebte dort wieder nach dem Krieg. Noch 1970, Herbert Kunze war längst im Ruhestand, schien Burkhardt die Meinung des ehemaligen Direktors äußerst wichtig, wie sein Brief vom 3. Juli 1971 belegt:

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(…) Ihre Reaktion auf meine neuen Arbeiten ist für mich so viel wert, wie für manchen anderen ein Nationalpreis ; oder noch mehr, ‚Nationalpreis‘ -träger können trotz der hohen Auszeichnung sehr in die Irre gehen; wer von Ihnen gewürdigt, darf ich sagen: geleitet wird , kaum. (…) (Archiv Franke).

Im Jahr 1949 fand die vierte und zugleich letzte „Woche der Kultur“ vom 28. August bis zum 4. September thematisch als „Goethe-Jubiläumswoche“ statt. Im Rahmen der Veranstaltung besuchte am 2. September auch Thomas Mann die Stadt Erfurt (Menzel 2005).

Im Dezember 1949 bis zum Januar 1950 wurde dem Publikum eine Wanderausstellung mit Gemälden, Aquarellen und Zeichnungen von Max Lingner im Angermuseum angeboten (StAE 1-5/3813-8496). Im festlichen Begleitprogramm dieser Ausstellung hatte der „Kulturbund freischaffender Künstler“ zu einem Diskussionsabend geladen, bei dem es um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der allgemeinen ‚Aufgabe von Kunst‘ ging. In derartigen Diskussionsveranstaltungen galt es den Kulturfunktionären als Ziel, schlüssige Argumente aufzeigen zu können, um den sogenannten Formalismus in einer gesellschaftlich breiten Basis ablehnen zu können. Im selben Monat, also im Januar 1950, wurden Zeichnungen und Lithographien von Otto Dix ausgestellt; dazu gehörten Porträtskizzen und Aktstudien, Selbstbildnisse, Arbeiten mit religiösen Themen und eine Auswahl von Blättern, die sich mit dem Krieg auseinandersetzten. Besonders die letztgenannten Themen waren 1950, dem Jahr, in dem der Korea-Krieg begann, erneut von erschreckender Aktualität. Als Ergänzung fand im Februar ein Lichtbildervortrag über das Werk und die Entwicklung des Künstlers Dix statt, zu dem Fritz Löffler als Referent aus Dresden geladen wurde (Ebenda).

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Während sich am 24. März 1950 in Berlin-Ost die deutsche Akademie der Künste gründete, stellte das Angermuseum Landschaften, Stillleben, Blumendarstellungen und Pflanzenmotive des an der Weimarer Kunsthochschule tätigen Albert Schäfer-Ast (1890–1951) aus. In diesem Jahr folgten außerdem Wechselausstellungen von Otto Herbig, Joseph Hegenbarth (1884–1962), Herbert Volwahsen (1906–1988), Hans von der Breek (1906–1993), Karl Ortelt (1907–1972) und Franz Lenk. Zu den im April 1950 ausgestellten Pastellen von Otto Herbig gehörten Stillleben, Landschaften, Porträts und Aktzeichnungen. Joseph Hegenbarths künstlerische Studien von Tieren, ‚Szenen aus dem Zirkus‛ und Porträts schlossen sich im Mai als Sonderausstellung im Angermuseum an.

Herbert Volwahsen orientierte sich innerhalb seines Schaffens an Künstlerkollegen wie Gerhard Marcks oder Ernst Barlach. Seine Plastiken, beispielsweise „Frierende“ oder „Sitzender Jüngling“ wurden dem Erfurter Publikum im Juli 1950 gezeigt. Im September des Jahres folgten in einer weiteren Sonderausstellung Landschaftsaquarelle des nach dem Krieg in Süddeutschland lebenden Künstlers Franz Lenk. Seine Gemälde waren 1922 erstmals in einer Mannheimer Ausstellung der „Neuen Sachlichkeit“, gemeinsam mit Arbeiten von Otto Dix, George Grosz und Johannes Driesch, zu sehen. Hans von der Breek, aus Weimar, wurde im Oktober 1950 mit Plastiken, Skizzen und Zeichnungen im Angermuseum ausgestellt, während gleichzeitig eine kleine Schau, im Vorraum des Hauses, den Wiederaufbau des Museums der letzten fünf Jahre dokumentierte. Bis zum Jahresende zeigte die Sonderausstellung „Bilder der Arbeit“ Werke von Karl Ortelt (Ebenda).

Im selben Monat gedenkt die „Abendpost“ am 14. Dezember 1950 des Museumsdirektors Herbert Kunze in einer kleinen Notiz, der vor 25 Jahren die Leitung des Museums übernommen hatte:„Vor 25 Jahren übernahm Dr. Herbert Kunze die Leitung der Erfurter Städtischen Museen. Schon bald zeigte sich, dass der damals 30jährige seine Aufgabe darin sah, nicht nur Vorhandenes zu verwalten, sondern die Bestände systematisch zu mehren.“

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1950 hatte das Angermuseum außerdem im Rahmen der ständigen Ausstellungen die so genannten „Barock- und Rokokoräume“ neu arrangiert. Im Jahr darauf, 1951, folgte die Eröffnung der stadtgeschichtlichen Abteilung des Hauses.

Mit dem in der „Täglichen Rundschau“ erschienenen zweiteiligen Artikel, der am 20. Januar und in einem Folgeartikel vom 23. Januar 1951unter dem Pseudonym N. Orlow von Wladimir S. Semjonow (1911–1992) (Lang 2002), dem politischen Berater der Sowjetischen Kontrollkommission in Deutschland, unter dem Titel „Wege und Irrwege der modernen Kunst“ veröffentlicht wurde, gerieten Künstler wie Charles Crodel oder Arno Mohr (1910–2001) in die öffentliche Kritik.23 Die große Personalausstellung von Crodel hatte 1948 das Gesamtwerk am Angermuseum offeriert; sie wäre drei Jahre später in dieser Form sicher nicht möglich gewesen. Orlow unterstellte den Arbeiten von Künstlern wie Arno Mohr, Lea Grundig, Horst Strempel (1904–1975) und eben auch Charles Crodel formalistische Tendenzen. Als Reaktion auf diese Vorwürfe übersiedelte Crodel noch im selben Jahr nach Westdeutschland, wo er einen Lehrauftrag an der Münchner Hochschule für bildende Künste annahm. Auch Horst Strempel, der während der Nazi-Herrschaft im Gefängnis gesessen hatte und sich nach 1945 so entschieden für eine gesellschaftspolitische Alternative einsetzte, dass er vor westdeutschen Kollegen sogar die Vernichtung seines eigenen Wandbildes am Bahnhof Friedrichstraße verteidigte, verließ 1953 das Land (Mittenzwei 2003, S. 91).

Vor dem Hintergrund dieser politischen Gegebenheiten richtete das Angermuseum im Jahr 1951 Sonderausstellungen von Rudolf Saal, Otto Knöpfer, Walther Heider, Albert Habermann, Paul Wilhelm (1886–1965), Herbert Tucholski (1896–1984) und Franz Markau aus (StAE 1-5/3813-3496).

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Franz Markau, der zwei Jahrzehnte die „Abteilung Wandmalerei“ an der Kunstgewerbeschule in Erfurt leitete und in der Stadt einerseits für ausgewogene Kompositionen und „differenzierte koloristische Klangbilder“ (Erfurter Nachrichten, Dezember 1951, „fö.“) gelobt wurde, war ebenfalls unter jenen Künstlern vertreten, die 1951 in den Wandelgängen des Neuen Theaters in Erfurt ausstellten. Dabei erregte eines seiner Bilder in der Zeitung „Das Volk“ besondere Aufmerksamkeit und Missfallen: „(…) Völlig geschmacklos aber fanden wir das Bild mit dem sinnigen Thema Ausgeschlachtetes Schwein . Gab es für Franz Markau nichts Lohnenderes als dies zu malen? Ein Bild ist doch nicht dazu da, irgend eine Laune des Künstlers zu vermitteln, sondern unsere bildenden Künstler haben genau wie alle anderen Kulturschaffenden die große, schöne und verantwortungsvolle Aufgabe, durch ihre Kunst die Menschen zu neuen Friedenstaten, zu neuen gewaltigen Aufbauleistungen zu begeistern. Ein ‚ausgeschlachtetes Schwein‘ wird das schwerlich können“.(Das Volk, 24. Dezember 1951, wz.)

Der Ton wurde also auch in der ‚Provinz‘ deutlich schärfer, denn jegliche Kunst hatte nach dem politisch korrekten Verständnis der Zeit eine, wie der obige Artikel unter Beweis stellt, eindeutige Aufgabe zu erfüllen. Gleichzeitig wurden in der offiziellen politischen Diskussion auf höchster Ebene neben Käthe Kollwitz oder Karl Hofer auch die Arbeiten von Ernst Barlach im Januar 1952 massiv kritisiert. Besonders Wilhelm Girnus (1906–1985), der von 1949 bis 1953 stellvertretender Chefredakteur des „Neuen Deutschland“ war, und Kurt Magritz (1909–1992) warfen dem bereits verstorbenen Barlach in seinem Werk nihilistische und formalistische Tendenzen vor. Abgesehen von den inhaltlich bedenklichen Positionen, muss der dabei verwendete Umgangston als ausgesprochen ungeschliffen bezeichnet werden. Arnold Zweig (1887–1968), Bertolt Brecht (1898–1956), Gustav Seitz (1906–1969) und andere versuchten, die künstlerischen Ideen und das Lebenswerk Barlachs zu verteidigen.24

Diese allgemeine Verschärfung der kulturpolitischen Situation hatte zur Folge, dass die bereits von Herbert Kunze geplante Personalausstellung zum Werk des konstruktivistisch arbeitenden Künstlers Hermann Glöckner (1889–1987) aus Dresden abgesagt werden musste.25 Besonders scharf kritisierte Wladimir S. Semjonow und mit ihm die deutschen Vertreter der sowjetischen Kulturpolitik außerdem die Kunst des deutschen Expressionismus, weil man in ihm einen „unmittelbaren Ausdruck deutschen Wesens“ vermutete (Mittenzwei 2003, S. 86). Für ein Museum, welches sich vor 1933 dem Sammlungsschwerpunkt „Expressionismus“ verschrieben hatte, stellt sich dieses Diktum bezogen auf eine zukünftige Entwicklung als besonders problematisch dar.

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Im Februar 1952 fanden wegen der winterlichen Kälte keine Ausstellungen statt. Erst im April begann die Saison musealer Sonderschauen unter dem Titel „Erfurter Künstler der Gegenwart“. Aus Anlass des 500. Geburtstages von Leonardo da Vinci (1452–1519) folgten im Mai „Handzeichnungen alter Meister“ aus dem Besitz der Staatlichen Kunstsammlungen in Weimar. Diese Sonderschau wurde vom Publikum mit Begeisterung aufgenommen, sowohl die „Thüringer Neuesten Nachrichten“ (7. April 1952) als auch die „Thüringer Landeszeitung“ (11. April 1952) sprachen von einer „erlesenen – bzw. erlebnisreichen Schau“ und das „Thüringer Tageblatt“ lobte diese „außerordentlich wertvolle Sonderausstellung“. Anlässlich des 400. Todestages von Lucas Cranach traf sich erstmals am 12. September 1952, und von da an monatlich, ein Arbeitskreis unter der Leitung von Max Lingner, der auch in den folgenden Jahren Bestand hatte und zu dessen Mitgliedern Herbert Kunze gehörte. Diese Gruppe sollte zunächst nur die ‚Lucas-Cranach-Festwoche‛, die zeitgleich vom 13. bis 17. Oktober 1953 in Weimar und Wittenberg gefeiert wurde, vorbereiten. Im Januar 1954 setzte sich die Arbeitsgemeinschaft allerdings weiterreichende Ziele, die im Sitzungsprotokoll nachzulesen sind:

„(…) Es wird weiter beschlossen, dem Komitee den Namen Lucas-Cranach-Komitee zur Pflege und Erforschung der altdeutschen Kunst zu geben und dafür vorläufig einen Kreis von etwa 30 Personen (Kunstgelehrte, Historiker und andere Mitarbeiter) ins Auge zu fassen, unter Einschluß westdeutscher Persönlichkeiten.“ (StAE 1-5/3813-8015)

Als weitere Wechselausstellungen zeitgenössischer Künstler schlossen sich im Jahr 1952 im Erfurter Angermuseum Gemälde und Zeichnungen von Otto Herbig und Batikarbeiten von Richard Dölker (1896–1955) an. Dölker hatte ein Jahr zuvor erstmals im Leipziger Museum für Handwerkskunst mit seinen Teppichen und Wandbehängen Aufmerksamkeit erregt. Das Ausstellungsjahr im Angermuseum wurde mit einer Sonderschau der Werke von Max Lindh (1890–1971), die vorwiegend aus Aquarellen norddeutscher Landschaften, Porträts und Blumenstillleben bestand, beendet.

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Zusammenfassend sei darauf hingewiesen, dass durch die Ausstellungen „Erfurter Künstler der Gegenwart“ im April 1952 und die Sonderschau mit Arbeiten von 40 Künstlern aus dem „Verband Bildender Künstler“ im Oktober desselben Jahres die Tradition des Angermuseums, besonders die zeitgenössischen Künstler der unmittelbaren Umgebung durch Ausstellungen zu fördern, erneut aufgegriffen wurde.

Als spezifisch für sämtliche Sonderschauen kann gelten, dass durch sie ein kurzer aber repräsentativer Einblick in das Schaffen des entsprechenden Künstlers möglich wurde und die große Anzahl wechselnder Präsentationen eine Überblick über die allgemeine Kunstlandschaft des mitteldeutschen Raumes erlaubte. Ein weiterer Schwerpunkt innerhalb der Ausstellungstätigkeit lag in der dezidierten Hinwendung zur Graphik der deutschen Renaissance. Der Umstand einer Mitgliedschaft Herbert Kunzes im Lucas-Cranach-Komitee unterstützt die These, dass der Direktor des Angermuseums eine bewusste Auseinandersetzung mit dieser Epoche deutscher Kunst unter den geänderten Bedingungen nach dem Krieg zu führen suchte. Diese Konzentration Kunzes auf bewährte Ziele hinsichtlich der Ausstellungspraxis gestaltete sich allerdings durch die federführend von Semjonow und Girnus geleitete Diskussion um die Aufgaben der modernen Kunst als ‚Triebfeder der sozialistischen Gesellschaft‛ im Verlauf der kommenden Jahre komplizierter.

2.1.3 Die Ausstellungen des Angermuseums bis 1954

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass bis 1948 die Frage nach der „Rolle des künstlerischen Gegenstands“ (Wundram 2000, S. 309) in seiner ästhetischen Umsetzung weitgehend unbeantwortet blieb; der Künstler durfte sich also für subjektive Lösungen innerhalb der eigenen Arbeit entscheiden. Nach 1952 hatte diese Toleranz endgültig ein Ende gefunden. Der ‚künstlerische Gegenstand‘ im Kunstwerk musste nun Abbildcharakter haben und der Begriff der Bildwürdigkeit des abgebildeten Objektes wurde fortan ausgesprochen eng gefasst. Besonders die Funktionäre im Kultur- und Kunstbetrieb forderten eine klare Aussage hinsichtlich eines optimistischen Menschenbildes, das als solches für den Rezipienten im Kunstwerk auch eindeutig erkennbar sein musste. Aus Sicht der offiziellen Stellen der städtischen Kunstkritik, aber auch darüber hinaus, entsprach beispielsweise das Gemälde „Ausgeschlachtetes Schwein“ von Franz Markau diesen Kriterien nicht (Vgl. dazu Kapitel 2.1.2.).

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Unmittelbar nach 1945 blieb die Realismus-Konzeption zumeist dem deutschen Realismus, dem Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit verpflichtet (Müller-Toovey 2005, S. 184). Danach, in den Jahren nach 1952, orientierte sich die Realismus-Konzeption der DDR einerseits am Realismusbegriff, wie er durch Gustav Courbet geprägt wurde, in dem er die unmittelbare visuelle Wirklichkeit des Alltags ohne romantische Überhöhung in den Vordergrund stellte. Zum anderen bezog sich die Realismus-Konzeption der DDR auf die Kunst der Dürerzeit. Das kulturelle Erbe wurde genutzt, um eine grundlegend neue politische Kunsttheorie zu formulieren. Dieses Ziel gibt den Grundtenor im 1. Heft der Zeitschrift „Bildende Kunst“ vom Januar / Februar 1953 vor. Die Redaktion der Zeitung veröffentlichte einen mehrseitigen Artikel und versuchte, einen völlig neuen theoretischen Ansatz gereinigt von den Entstellungen der bürgerlich-rea ktionären Kunstwissenschaft in der Kunstgeschichte zu begründen:

Die Auseinandersetzung mit den historischen Wurzeln innerhalb der deutschen Kunst spielte dabei eine entscheidende Rolle. Künstler wie Albrecht Dürer (1471–1528), Hans Hohlbein d. J. (1497–1543) und Tilman Riemenschneider 26 (um 1460–1531) bildeten das ‚realistische‘ Fundament, auf dem eine andere, von bürgerlichen Positionen freie Kunstgeschichte etabliert werden sollte. Daneben war es immer noch möglich, die deutsche Renaissance in ihren kulturellen Werten einer herkömmlichen Deutung zu unterziehen. Im Unterschied zu einer Bejahung experimenteller Werke avantgardistischer Künstler nach 1951, die einem klaren politischen Bekenntnis zur sogenannten formalistischen Kunst gleichkam, konnte Herbert Kunze sein Festhalten an traditionellen Werten innerhalb des musealen Kunstbetriebes hinter einem entschiedenen Bekenntnis zur deutschen Renaissance gut verbergen.

Zeitgleich mit der Neubewertung innerhalb der Rezeption deutscher Kunst der Renaissance jährte sich am 6. April 1953 der Todestag von Albrecht Dürer zum 425. Mal und man gedachte dessen im gesamten Land. Bereits ein Jahr zuvor, 1952, erinnerte man an den 500. Geburtstag Leonardo da Vincis. Abgesehen von einer Hinwendung zum ‚bürgerlichen Erbe‘ (Lindner 1998, S. 64), die mit dem Versuch verbunden war, neue theoretische Grundlagen in den Bereichen der Kunstgeschichte und Kunstwissenschaften zu schaffen, stehen bei der konkreten Ausstellungsarbeit neue Kriterien im Vordergrund. In den acht Jahren von 1952 bis zum Jahr 1960 können innerhalb der Konzeption von Sonderausstellungen im Angermuseum zwei Tendenzen beobachtet werden: Erstens verschlechterte sich die Möglichkeit zur innerdeutschen Kommunikation über Kunst, zweitens verstärkte sich die Einflussnahme auf die Ausstellungen im Angermuseum sowohl durch die Abteilung Kultur beim Magistrat als auch durch die Hauptabteilung Kultur des Ministeriums für Kunst und Kultur in Berlin.

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Die Ereignisse um den 17. Juni 1953 ließen Kunstschaffende allgemein über die Funktion von Kunst diskutieren. So wurde im August auf einer Tagung der Bildenden Künstler in Berlin eine Resolution Thüringer Künstler verlesen, die sich gegen die restriktive Kulturpolitik richtete. Das Wort ‚Formalismus‘ sei „wissenschaftlich wie künstlerisch abzulehnen“, da es „keine klare Begriffsbestimmung“ enthalte. Die Verwendung des Begriffs richte sich „gegen jeden schöpferischen Impuls und gegen jede Differenzierung der Kunst“ (Gärtner 2000, S. 78). 27 Dieses Beispiel verdeutlicht, dass längst nicht alle Künstler in Thüringen bereit waren, die Diskussionen um kunstästhetische Theorien und Konzepte ausschließlich einseitig zu führen.

1953 fand mit der 3. „Deutsche Kunstausstellung“ die letzte Präsentation in Dresden statt, an der noch westdeutsche Künstler wie Hans Buch (1889–1955) teilnahmen und sämtlich formalistischer Attitüden bezichtigt wurden (Bildende Kunst, Heft 7/8 (1953)).

In den 1950er Jahren wurde es für die Künstler aus dem jeweiligen anderen Teil des Landes zunehmend schwieriger, auszustellen. Ein Umstand mit großen Auswirkungen auf die Ausstellungspolitik des Angermuseums, da viele bisher ausgestellte und bedeutende Künstler, wie beispielsweise Charles Crodel, das Land verlassen hatten (Lucke 1996).

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Herbert Kunze war als Mitglied in dem bereits erwähnten Cranach-Ausschuss dafür verantwortlich, westdeutsche Kollegen aus den bedeutenden Museen für die Festwoche vom 13. bis 17. Oktober 1953 in Weimar und Wittenberg einzuladen. Etliche der geladenen Vertreter aus Westdeutschland kamen nicht. Es liegen allerdings schriftlich begründete Absagen vor, die zumindest vordergründig keine politisch intendierte Begründung enthalten; so vom Direktor der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, dem Direktor der Kunstsammlungen der Stadt Düsseldorf, dem Direktor des Germanischen-Nationalmuseums, vom Focke-Museum in Bremen und der Städtischen Kunsthalle Mannheim (StAE 1-5/3813-8015). Ein gewinnbringender intellektueller Austausch zwischen den Museen im geteilten Deutschland gestaltete sich also auch auf wissenschaftlich-kunsttheoretischer Ebene zunehmend schwieriger.

Neben dem Aufbau der Schausammlungen des Angermuseums, die auf Dauer angelegt waren, wurden von Herbert Kunze und Magdalene Rudolph-Kunze unermüdlich Sonderausstellungen organisiert. Außerdem lud man im Oktober des Jahres 1953 zur „1. Bezirkskunstausstellung“ im Erfurter Angermuseum ein (StAE 1-5/3813-8049). Die republikweit erste Bezirkskunstausstellung dieser Art fand im Grassi-Museum in Leipzig, unmittelbar vor der Erfurter Ausstellung, statt und wurde am 30. August 1953 eröffnet. Derartige Expositionen waren vermutlich in allen Bezirken ähnlich organisiert: Eine Jury wählte aus den einzelnen Genres Gemälde, Graphik, Plastik und Kunstgewerbe die entsprechenden Arbeiten aus. 57 Künstler aus dem Bezirk Erfurt stellten im Angermuseum ihre Arbeiten aus. Ein Umstand, der sowohl logistisch als in besonderem Maße konzeptionell von Bedeutung gewesen sein muss, weil eine derartig große Zahl auszustellender Kunstwerke die räumliche Kapazität des Gebäudes überforderte. Zu den präsentierten Künstlern zählten beispielsweise: Carlus Goetjes, Otto Paetz (1914–2006), Gottfried Schüler (1923–1999), Horst Hausotte, Otto Knöpfer.

Unter dem Titel „Eine Kunstausstellung, die enttäuschte“, veröffentlichte Karl Sippel am 12. November 1953 sein Urteil in der Zeitung „Thüringer Volk“ und beklagte, dass die Kunstwerke nicht der gewünschten „Widerspiegelung des gesellschaftlichen Lebens“ entsprächen, weil die Sonderschau dem Publikum gerade die Arbeiten jener Künstler vorenthalte, die aus der „unmittelbaren Beziehung zu den Werktätigen und zur Produktion“ entstanden seien.

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Heinrich Burkhardt, Carl Heine und Walther Klemm gehörten zu den Künstlern, die im selben Jahr durch eine Sonderausstellung ihrer Kunstwerke im Angermuseum vertreten waren. Die Einzelausstellung von Heinrich Burkhardt mit Aquarellen und Zeichnungen trug den Titel „Landschaft und Mensch“. Sie wurde abgelöst von Arbeiten des ehemaligen Lehrers Carl Heine, der als Dozent an der Erfurter Fachschule für angewandte Kunst „Am Hügel“ tätig war, bevor er als freier Künstler arbeitete. Entwürfe für Woll- und Seidenstickereien, Blaudrucke aber auch für Glasmalereien und Messingarbeiten prägten den Charakter dieser Schau. Die Einzelausstellung des Weimarer Malers Walther Klemm präsentierte vorwiegend eine Auswahl von Landschaftsaquarellen (Ebenda).

Zu den weiteren Sonderausstellungen dieses Jahres zählte im September eine Schau mit dem Titel „Thüringer Landschaft in drei Jahrhunderten“. Dabei wurde die Mehrzahl der Kunstwerke aus den Beständen des hauseigenen Depots präsentiert. Stiche von Maria Sybilla Merian (1647–1717) oder Nikolaus Dornheim gehörten ebenso dazu, wie Arbeiten der Zeitgenossen Rudolf Saal oder Otto Knöpfer (Ebenda).

Die Miszellen der „Bildenden Kunst“ dokumentieren, wie man im offiziellen rezeptionstheoretisch-politischen Kontext die Thüringer Künstler im Jahr 1953, anhand der ersten „Südthüringer Kunstausstellung“ in Meiningen einschätzte:

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„(…) Obgleich die Künstler dieses Gebietes hauptsächlich Landschafts- und Blumenmaler sind, bewiesen sie durch die ausgestellten Werke ein reges Interesse für zeitnahe Probleme. Ihre größte Schwäche lag in der wohl mangelhaften Beherrschung der figürlichen Gestaltung.“ (Bildende Kunst, Heft 9/11 (1953))

Es ist an dieser Stelle nicht zu klären, wie innerhalb der ästhetischen Einschätzung der Begriff der „figürlichen Gestaltung“ zu verstehen ist, denn die Figur als Abbild der menschlichen Gestalt kann für eine Bewertung von Landschaften bestenfalls aus dem Zeitalter der Romantik ausschlaggebend sein. Es ist daher zu vermuten, dass ein genereller Mangel an inhaltlichen Motiven aus dem Milieu der Arbeiter und Bauern beklagt wurde. Diese Einschätzung entspricht dem Grundtenor der Kritik Karl Sippels, Kunstkritiker der Zeitung „Das Volk“, und dokumentiert im Umkehrschluss, dass sowohl am Angermuseum als auch an anderen Orten Thüringens etliche Künstler versuchten, trotz strenger Reglementierung eine individuelle Formensprache in ihren Arbeiten umzusetzen und mit dem Publikum in Dialog zu treten.

2.1.4 Das Angermuseum im „Dornröschenschlaf“, Ausstellungen bis 1962

Zehn Jahre nach dem Ende des Krieges beeinflussten zwei Tendenzen das Ausstellungsgeschehen am Angermuseum. Neben dem sich zunehmend verschlechternden innerdeutschen Diskurs über Kunst führte eine verstärkte Einflussnahme auf Ausstellungen am Angermuseum sowohl durch die Abteilung Kultur beim Magistrat der Stadt, als auch durch die Hauptabteilung Kultur des Ministeriums für Kunst und Kultur in Berlin, zu einer Einschränkung der Entscheidungsfreiheit Kunzes, bezogen auf die Sonderausstellungen.

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Erstens wurde republikweit das Prinzip der Wanderausstellung noch konsequenter durchgesetzt; eine Konzeption, die von der Sowjetunion übernommen wurde (Bildende Kunst, Heft 9/10 (1953)). Zweitens wurden vom Ministerium zunehmend Forderungen an Direktor Kunze herangetragen, bestimmte Künstler, zumeist Nationalpreisträger wie Rudolf Bergander (1909–1970) oder Fritz Dähn (1908–1980), in Sonderschauen zu würdigen. Gleichzeitig übernahm der Magistrat der Stadt Erfurt durch die Ständige Kommission für Kultur in der Stadtverordnetenversammlung die Aufsicht über diese Wechselausstellungen (Das Volk, 24. November 1962). Eine autonome Präsentation von Künstlern der Gegenwart durch Kuratoren des Angermuseums, wie sie als charakteristisch für die Sonderausstellungen der ersten Jahre nach dem Krieg galt, war nun nicht mehr selbstverständlich. Herbert Kunze schied unter anderem auch deshalb im Frühjahr 1963 aus seinem Amt. Diesen Vorgang aus heutiger Sicht objektiv nachzuvollziehen, gestaltet sich als schwierig, weil keine Dokumente, wie beispielsweise Personalakten, zu dem Fall existieren, die Aufschluss über die politischen und personellen Entscheidungen des Magistrats geben könnten. So bleiben nur die Berichterstattung in den Medien und die private Korrespondenz von Künstlern und Herbert Kunze, um die Ereignisse zu dokumentieren. Während in der Zeitung „Das Volk“ besonders die Verleihung der Ehrenprofessur an Kunze durch den Minister für Kultur, Hans Bentzien (*1927), im Vordergrund stand (30. Mai 1963), berichtete die „Thüringer Neuste Nachrichten“ etwas ausführlicher über Kunzes Verdienste (6. Juli 1963) und die „Thüringische Landeszeitung“ ließ es sich nicht nehmen, in ihrem würdigenden Artikel über Kunzes Abschied darauf hinzuweisen, dass der ehemalige Direktor den Stil eines Hauses prägte, welches von Beginn an als „ausgesprochenes Kunstmuseum“ konzipiert war (6. Juni 1963). Eine eindeutige Replik gegen den Vorwurf des ‚Arbeiterveterans‘ Richard Wiehle, dass im Angermuseum (…) vom Leben der einfachen Handwerker und Bürger, vom Leben und Kampf der Arbeiterklasse kaum etwas Entscheidendes zu finden“ sei (Das Volk, 22. September 1963).

Arbeiten von dem Otto Dix Schüler Hans-Theo Richter (1902–1969), von Paul Wilhelm und den Dresdner Malern Hans Jüchser (1894–1977) und Albert Wiegand (1890–1978) zählten zu jenen, die im Jahr 1954fürvielbeachtete Sonderschauen sorgten (StAE 1-5/3813-8496). Die Ausstellung von Hans Theo Richter fand in der Zeitschrift „Bildende Kunst“ lobende Erwähnung:

„(…) Eines der wesentlichen Ereignisse innerhalb der Ausstellungen zeitgenössischer Kunst der letzten Monate war die Sammlung von Zeichnungen und Lithographien Hans-Theo Richters, die das Erfurter Angermuseum zugänglich machte. (…)“(Bildende Kunst, Heft 4 (1954))

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Unter dem Titel „150 Jahre Thüringer Malerei im Angermuseum“ wurde dem Publikum eine Schau mit Bildern aus dem eigenen Bestand gezeigt, die sonst wegen der eher beschränkten räumlichen Kapazität im Depot lagerten. Die Ausstellung führte dabei von Nikolaus Dornheim und Friedrich Nerly d. Ä. bis zu Karl Buchholz (1849–1889) und Johannes Driesch. In der „Thüringer Landeszeitung“ vom 14. März 1954 liest man über diese Exposition, deren Aufbau als „geschickt und übersichtlich“ gelobt wird, außerdem folgende Rezension:

„(…) Es ist sehr anzuerkennen, daß die Museumsleitung die durch Schönheit und künstlerische Qualität ausgezeichneten Kunstwerke unabhängig von rein historisch belehrenden Begriffen der Öffentlichkeit zugänglich macht, zumal an ihnen der in eineinhalb Jahrhunderten erfolgte Stilwandel offensichtlich ist.“ (wgr.)

Es ist davon auszugehen, dass bei einem Fehlen der „historisch belehrenden Begriffe“ eine Konzeption vorgelegen haben muss, die völlig ohne politische und gesellschaftliche Kommentierung auskam. Mit ähnlich positiver Aufmerksamkeit wurde im Mai 1954 die Sonderausstellung „Zeichnungen deutscher Meister des 19. Jahrhunderts“ in der Öffentlichkeit wahrgenommen, die anlässlich der „Woche der Kunst“ mit Leihgaben aus der Berliner Nationalgalerie und den Kunstmuseen in Leipzig und Halle ausgestaltet wurde. Im Rahmen dieser der Kunst gewidmeten Woche hielt Herbert Kunze im Festsaal der Erfurter Goetheschule einen Vortrag über die Kunstdenkmale der Stadt. Ab 1954 gehörte es bereits seit vielen Jahren zur festen Tradition des Angermuseums, dass die Vernissagen durch die musikalische Begleitung des Bläserquintetts unter der Leitung von Kurt Kunert (1911–1996) einen festlichen Rahmen fanden. Angeregt durch die Auseinandersetzung mit den bildkünstlerischen Arbeiten komponierte Kunert auch Musikstücke, so beispielsweise seine „Suite für fünf Bläser“ (1959), die dabei zur Uraufführung kamen.

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Ebenso fanden im Kontext verschiedener Ausstellungen Vorträge statt, zu denen, der Tradition der Veranstaltungen des Erfurter Kunstvereins der Zwanziger Jahre folgend, entweder ein Referent eingeladen wurde, Künstler selbst ihre Arbeiten kommentierten oder Herbert Kunze einführend die Künstler und ihr Oeuvre vorstellte.

1955 wurde das Thüringer Volkskundemuseum eröffnet. Das Angermuseum bot in diesem Jahr dem Publikum eine Reihe bedeutender Künstler, wie Josef Hegenbarth, Otto Herbig, Arno Mohr, Herbert Tucholski und Gustav Seitz in Sonderschauen an (StAE 1-5/3813-8496). Im April wurden Illustrationen des Nationalpreisträgers Joseph Hegenbarth und im Sommer grafische Blätter von Arno Mohr und Herbert Tucholski gezeigt. Ab Mitte der 1950er Jahre erfreute sich das Medium der Druckgrafik großer Beliebtheit. Lothar Lang spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer „Renaissance der Druckgrafik“ (Lang 2002, S. 38). Der Bildhauer Gustav Seitz stellte im Oktober1955 Studienblätter, Skizzen und Kleinplastiken vor und im November präsentierten die Künstler Horst Hausotte, Otto Knöpfer, Horst de Marées, Otto Paetz (1914–2006), Heinz Scharr (*1924) und Wolfgang Taubert dem Publikum unter dem Titel „Maler im Bergwerk“ ihre Arbeiten, die im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes vor Ort entstanden waren.

In einer aus Anlass des 60. Geburtstages von Herbert Kunze veröffentlichten Laudatio, in der „Thüringer Landeszeitung“ am 6. Dezember 1955 veröffentlicht, hob der Autor besonders Kunzes Verdienste um die Sonderausstellungen hervor:

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„(…) Die Erfurter Bevölkerung weiß die von ihm geleistete Arbeit zu schätzen und wird fast monatlich mit einer Sonderausstellung in hierfür hergerichteten Räumen überrascht. Die meist der zeitgenössischen Kunst gewidmeten Sonderschauen werden von Dr. Kunze selbst aus gewählt und zusammengestellt. (wgr.)

Auch zehn Jahre nach dem Ende des Krieges blieb das Haus in den kalten Monaten des Winters, im Januar und Februar, geschlossen. Im März 1956eröffnete das Angermuseum seine Ausstellungszeit mit Arbeiten von Otto Niemeyer-Holstein (1896–1984). Diese Sonderschau wurde von Zeichnungen und Aquarellen Rudolf Saals abgelöst. Begleitet von einem schmalen Katalogheft, herausgegeben von Kurt Marholz und Elisabeth Quitt, begann die Ausstellungsreihe „Ausländische Kunst im Angermuseum“ (StAE 1-5/3813-8258). Man stellte zunächst tschecheslowakische Buchillustrationen vor. Dabei wurden aus dem Bereich der druckgraphischen Arbeiten vor allem Zeichnungen, Lithographien und farbige Holzschnitte präsentiert. Unter dem Motto „Chinesischer Bilderbogen, Chinesische Kunst in Gegenwart und Vergangenheit“ zeigte man eine Auswahl an chinesischer Kunst. Diese Schau hatte 1954 in der „Deutschen Akademie der Künste“ in Berlin mit 16.000 Besuchern eine große Resonanz erzielt. Sie stellte neben den chinesischen Farbholzschnitten und Papierschnitten auch Abzüge von etwa 2000 Jahre alten Steinreliefs vor. Die Ausstellung ging dann für jeweils einen Monat auf Wanderschaft und wurde, außer in Erfurt, auch in Leipzig, Halle und Dresden gezeigt (Bildende Kunst, Heft 4 (1954)). Innerhalb dieser Reihe „Ausländische Kunst“ stellte das Erfurter Angermuseum weiterhin Reproduktionen von Pablo Picasso (1881–1973) vor. Diese Reproduktionen der Lithographien trugen den Titel „Der Maler und sein Modell“ und sorgten für allgemeine Diskussionen über die Aufgaben von Kunst am Beispiel dieses Künstlers, die vorwiegend in der Zeitschrift „Bildende Kunst“ Widerhall fanden (Bildende Kunst, Heft 4 (1954) und Heft 7 (1956)). Ausstellungen mit Reproduktionen zeichnen sich zumeist dadurch aus, dass sie mit geringem Budget zu finanzieren sind. So war es möglich, sie einem breiten Publikum der DDR in Wanderausstellungen zu präsentieren, das somit Anteil an der ‚Weltkunst‘ Picassos nehmen konnte. In der BRD erzielte eine Ausstellung im Rheinischen Museum in Köln, in der für zwei Monate Originale gezeigt wurden, zeitgleich einen Ausstellungserfolg mit 90.000 Besuchern. Diese Exposition kam aus München und wurde im weiteren Verlauf des Jahres in Hamburg gezeigt. Eine Tatsache, die beweist, dass man das Prinzip der „Wanderausstellung“ für bedeutende Ausstellungen auch in Westdeutschland zu nutzen wusste.

Von August bis zum September 1956 zeigte das Angermuseum unter dem Titel „Mexikanische Grafik“ eine weitere Wanderausstellung mit Arbeiten der Künstler Clemente Orozco (1883–1949), Alfaro Siqueiros (1896–1974), Diego Rivera (1896–1957), José Guadalupe Posada (1852–1913), Alberto Beltrán (1923–2002) und Adolfo Mexiac (*1927). Im Oktober 1953 fand anlässlich des III. Weltgewerkschaftskongresses in Wien eine Ausstellung mit Arbeiten mexikanischer Künstler statt, die von Luis Arenal (1908/09–1985) konzipiert worden war und dem Publikum eigene und darüber hinaus Arbeiten von Kollegen vorstellte, die der Ateliergemeinschaft „Taller de Gráfica Popular“, einer Werkstatt für volkstümliche Graphik, angehörten. Diese Vereinigung war 1937 aus der „Liga der Revolutionären Schriftsteller und Künstler“ hervorgegangen und arbeitete, ihrer Eigenschaft der guten Vervielfältigungsmöglichkeiten geschuldet, bevorzugt mit dem Medium der Graphik. Man gestaltete daher vorwiegend Lithographien, Holzschnitte, Linolschnitte und Plakate. Im Anschluss an den Weltgewerkschaftskongress wurde diese Ausstellung in Warschau gezeigt und reiste danach in die DDR, wo sie unter anderem auch in Erfurt zu sehen war (Bildende Kunst, Heft 6 (1953)).

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Trotz etlicher Wanderausstellungen hatte Herbert Kunze noch immer die Möglichkeit, Sonderschauen selbst zu konzipieren, wie der Artikel in der „Thüringer Landeszeitung“ vom 6. Dezember 1955 beweist. So folgte im Sommer 1956 beispielsweise eine Gedächtnisausstellung für Richard Dölker, in der Wandbehänge und zeichnerische Vorentwürfe mit Bleistift und Kohle präsentiert wurden. Die dabei vom Künstler bevorzugten Themen umfassten Sagen und Geschichten aus der Antike und dem Mittelalter, so zum Beispiel „Vineta“, „Jungbrunnen“, die Legende des Hl. Franziskus oder von Jeanne d’Arc. Das Museum besaß zu diesem Zeitpunkt bereits den Wandteppich „Serenade in Amalfi“. Zu dieser Ausstellung schrieben die „Thüringer Neuesten Nachrichten“: „Die Museumsleitung hat schon früher ihr Interesse an den Arbeiten des Batikmeisters gezeigt, indem sie eine damals vielbeachtete Schau seiner Kunstwerke bot und darüber hinaus einen Wandteppich aufkaufte (…)“. (Nr. 168, bk)

Aquarelle von Heinrich Burkhardt, der vor allem mit landschaftlichen Motiven aus Thüringen und Titeln wie „An der Parkmauer“, „Holzsammlerin“ oder „Landstraße im Herbst“ das Publikum beeindruckte, folgten im Oktober des Jahres 1956. Sie wurden über den Jahreswechsel vonRadierungen, Lithographien und Ölbildern mit Landschaftsmotiven des Künstlers Otto Paetz abgelöst.

Kunstwerke mit Landschaftsmotiven von Thüringer Künstlern fanden in den Rezensionen zeitgenössischer überregionaler Zeitungen dieser Jahre meist keine Erwähnung, weil sie in der Regel eben nicht mit einer politischen Aussage verknüpft waren und nicht durch ein geeignetes inhaltliches Zusammenspiel dem Wunsch nach einem „gewandelten Menschenbild“ Rechnung zu tragen vermochten. Wie diese Begrifflichkeit zu verstehen ist, kann an einer Aussage von Wolfgang Hütt verständlich gemacht werden, der sich in diesem Sinn zur allgemeinen Funktion einer ‚sozialistischen Landschaftsdarstellung‘ in der Zeitschrift „Bildende Kunst“ äußerte (Bildende Kunst, Heft 11/12 (1956)):„Mir scheint, sie geben – ganz Geist vom Geist unserer Zeit – das Landschaftserlebnis des modernen Menschen wieder.“

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1957 wählte Herbert Kunze für die Sonderausstellungen am Angermuseum die Künstler Alfred Traugott Mörstedt (1925–2004), Rudolf Bergander, Michael Florer, Charles Crodel, Gerhard Marcks, Wolfgang Taubert, Wilhelm Rudolph (1889–1982), Max Langer (1897–1985), Franz Lenk, Grete Reichard, Theo Kellner und Fritz Dähn aus (StAE 1-5/3813-8184).

Der Rektor der Hochschule für bildende Künste Dresden, Rudolf Bergander, der ein Jahr zuvor den Nationalpreis der DDR bekommen hatte, stellte im Angermuseum bis Mitte September 1957 etwa 100 Arbeiten, Lithographien, Zeichnungen und Radierungen vor. Diese Sonderschau wurde zuvor in Meißen und Zwickau gezeigt und wurde im Anschluss an die Zeit in Erfurt noch dem Publikum in Weimar präsentiert. Die Arbeiten Fritz Dähns erfuhren am Angermuseum eine öffentliche Resonanz, weil der zuständige Abteilungsleiter Heese, von der Hauptabteilung Bildende Kunst des Ministeriums für Kultur in Berlin, Direktor Kunze in einem persönlichen Schreiben vom 17. April 1957 um diese Präsentation bat (Ebenda).

Im Oktober stellte man, unter dem Titel „Erfurt in drei Jahrzehnten“, Skizzenblätter von Michael Florer aus, die den städtischen Wandel Erfurts dokumentieren. Florer hatte ein Jurastudium absolviert und sich seine künstlerischen Fertigkeiten autodidaktisch angeeignet.

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Charles Crodels „Aquarelle aus Afrika“ wurden zunächst in der Staatlichen Galerie Moritzburg in Halle gezeigt, bevor man sie zwischen Oktober und November 1957 im Angermuseum präsentierte. In Halle trug diese Sonderschau den Titel „Deutsche Maler sehen Afrika“ und neben Crodels Aquarellen wurden Arbeiten von Werner Rataiczyk (*1921), Joachim Schlotterbeck (1926–2007) und Benno Butter (1914–1985) ausgestellt. Crodel und Kunze hatten sich schriftlich dahin gehend geeinigt, seine Arbeiten im Anschluss an die Ausstellung in Halle im Angermuseum zu präsentieren (Ebenda). Charles Crodel lehrte seit 1952 an der Akademie der Bildenden Künste in München und war 1956 einer der maßgeblichen Juroren bei der gesamtdeutschen Graphik-Ausstellung, die in der Städtischen Galerie und der Lenbach-Galerie in München veranstaltete wurde.

Ebenfalls aus Halle kam in diesem Jahr eine Wanderausstellung des „Verbandes Bildender Künstler Deutschlands“ in das Angermuseum, die mit dem Titel „Kleinplastik – Grafik“ einen Überblick über das zeitgenössische, bildhauerische Schaffen gab. Theo Balden (1904–1945), Fritz Cremer (1906–1993) oder Waldemar Grzimek (1918–1984) waren als bekannte Künstler vertreten.

Über den Jahreswechsel 1957/58 präsentierte das Angermuseum Gerhard Marcks. Neben Kunstwerken aus dem Besitz des Erfurter Angermuseums wurde diese Sonderschau mit Leihgaben der Kunstsammlung Karl-Marx-Stadt (Chemnitz), der Galerie Rudolf Hoffmann aus Hamburg und der Weimarer Kunstsammlung vom Direktor der Städtischen Kunstsammlungen Karl-Marx-Stadt, Dr. Müller, konzipiert und zunächst im Herbst 1957 dort gezeigt (StAE 1-5/3813-8184). Die letzte Einzelausstellung von Arbeiten des Künstlers Marcks am Angermuseum lag zu diesem Zeitpunkt bereits zehn Jahre zurück. Zwei Jahre nach dem Ende des Krieges hatte Herbert Kunze dem Erfurter Publikum eine Auswahl von Holzschnitten des Künstlers offeriert.

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Neben weiteren Sonderausstellungen von Wolfgang Taubert, Wilhelm Rudolph, Max Langer, Franz Lenk, Margaretha Reichardt, Theo Kellner und Fritz Dähn offerierierte Kunze 1958noch „Meisterwerke sozialistischer Kunst“ und in einer weiteren Sonderschau „Bildhauer aus dem Bezirk Erfurt“ (StAE 1-5/3813-8185).

Der 1905 in Erfurt geborene KünstlerWolfgang Taubert besuchte die Kunstgewerbeschule in Stuttgart und München. Taubert schuf bevorzugt figürliche Wandmalereien und arbeitete ab 1946 als freischaffender Künstler in Erfurt. Die Verkaufsausstellung von 1958 im Angermuseum mitAquarellen, Gemälden und Zeichnungen gewährte hauptsächlich einen Einblick in landschaftliche Motive.28

Im Gedenken an den Jahrestag der Zerstörung Dresdens, der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945, wurden im Februar 1958 insgesamt 56 Holzschnitte von Wilhelm Rudolph ausgestellt, die dieser nach 1945 als ‚Mahnmal gegen den Krieg‘ schuf. Insgesamt 150 Blätter gehören dabei zu einem Zyklus, der den Titel „Das zerstörte Dresden“ trägt. Lothar Lang betont ihre Einzigartigkeit, die sich sowohl auf ihren dokumentarischen als auch ihren künstlerischen Wert beziehe (Lang 2002, S.18).

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In der Ausstellung „Meisterwerke sozialistischer Kunst“ stellte die Museumsleitung dem Publikum Künstler wie Käthe Kollwitz, George Grosz, Frans Masareel, Otto Nagel, Fritz Cremer und Max Langer vor. Auf der Einladungskarte zur Eröffnung der Sonderausstellung im Angermuseum steht: „Das Angermuseum Erfurt zeigt aus Anlass des Kongresses d er Arbeiterjugend Deutschlands M eisterwerke der sozialistischen Kunst.“ Das gesamtdeutsche Treffen der Arbeiterjugend fand Ostern 1958 statt (Ebenda).

Max Langers Gouachen, Ölgemälde und Hinterglasbilder wurden im Mai und Juni dem Publikum offeriert. Herbert Kunze hatte eine Ausstellung anlässlich des 60. Geburtstages des Künstlers, der auch schon 1949 auf der 2. Deutschen Kunstausstellung vertreten war, in der 1929 gegründeten Dresdner Kunstausstellung Kühl gesehen und schrieb am 9. Januar 1958 in einem Brief an Max Langer: „Als ich Ende Oktober bei Herrn Kühl in Dresden Ihre Ausstellung sah, war es sogleich mein Wunsch, Ihre schönen Arbeiten im Angermuseum zu zeigen. (…) Es würde mir persönlich eine große Freude sein und ich glaube, daß Ihre Kunst die Erfurter begeistern wird.“ (StAE 1-5/3813-8185)

Herbert Kunze charakterisiert in der Einladung zur Ausstellungseröffnung den Künstler folgendermaßen: „Da s Werk Max Langers gehört zu den in d er Gegenwart seltenen Erscheinungen , wo aus Elementen eines volkskundlich interessanten Schaffens (aus Sonntagsmalerei und Primitivität) dank schöpferischer Begabung und menschlicher Intensität kostbare Werke der Kunst entstanden sind.“(Ebenda)

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Zahlreiche Landschaftsbilder und Aquarelle von Franz Lenk wurden anlässlich des 60. Geburtstages des Künstlers im Sommer präsentiert. Der Künstler lebte seit 1944 in Stuttgart und war zur Eröffnung der Ausstellung angereist. Aus der Korrespondenz ist zu schließen, dass beide Familien eine enge Freundschaft verband, die über einen kollegialen Austausch weit hinausging (Archiv Franke).

Eine Ausstellung mit Bildteppichen und Gobelins von Margaretha Reichardt folgte im August und September des Jahres 1958. Sie erreichte als Publikumsmagnet ebenso ungewöhnlich hohe Besucherzahlen, wie die darauf folgende Sonderausstellung mit Pastellen und Aquarellen des in Erfurt geborenen Bauhausabsolventen und Architekten Theo Kellner, der seit 1951 in Frankfurt a. M. lebte.

Die Ausstellung mit Gemälden, Aquarellen und Graphiken von Fritz Dähn, seit 1954 Professor an der Hochschule für angewandte Kunst in Berlin-Weißensee, kam wieder auf Veranlassung der Hauptabteilung Kunst des Ministeriums für Kultur zustande. Der stellvertretende Leiter Heese schrieb am 15. Mai 1957 an Herbert Kunze: „(…) Das Ministerium für Kultur hält es im Hinblick auf den künstlerischen Rang und die Geltung des maleri s chen und graphischen Werkes von Herrn Prof. Dähn für gegeben, das Œ uvre repräsentativ auszustellen.Wir dürfen Sie bitten, im Jahr 1958 eine Ausstellun g des Künstlers einzuplanen. (Ebenda)

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Während die Ausstellung des Künstlers Franz Lenk (20. Juli bis 17. August 1958) von 1.100 Besuchern gesehen wurde und Margaretha Reichardt mit ihren Bildteppichen (24. August bis 21. September 1958) eine vergleichbar hohe Zahl von 1.053 Betrachtern in das Angermuseum zog, besuchten im Gegensatz dazu die Kunstausstellung von Fritz Dähn (23. November bis zum 21. Dezember 1958) lediglich 430 Personen. Dieser deutliche Rückgang der Besucherzahlen um mehr als die Hälfte ist ein eindeutiger Beleg für die einleitend angeführte These von Lindner, dass Sonderschauen mit stark politischer Ausrichtung eher weniger Beachtung fanden (StAE 1-5/3813-8185).

Das Museumsjahr 1959(StAE 1-5/3813-8189)begann mit einer Ausstellung von Aquarellen, Ölbildern und Zeichnungen von Karl Römpler, dem späteren Direktor des Angermuseums. Er wurde 1915 geboren und studierte in Weimar unter anderem bei Walther Klemm, ab 1950 lehrte er als Dozent zunächst an der Fachschule für angewandte Kunst in Erfurt, die 1955 in die Pädagogische Hochschule integriert wurde. Bei der Eröffnung dieser Sonderschau war der Künstler anwesend und sprach selbst über seine Bilder.

Der Erfurter Maler Carlus Goetjes folgte mit einer Sonderschau von Gemälden und Zeichnungen, unter anderem mit Landschaftsmotiven. Zwei seiner ‚Industrielandschaften‘ erwarb Herbert Kunze im Anschluss für das Thüringer Volkskunstmuseum (Ebenda).

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Von Walter Denecke (1906–1975) zeigte das Angermuseum zwischen März und April 1959 Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen. Der Künstler wurde im Harz geboren und studierte in Leipzig. Zwischen 1930 und 1932 arbeitete er als Lehrer an der Kunstgewerbeschule in Wiesbaden und lebte nach dem Krieg als freischaffender Künstler in Quedlinburg, bevor er 1950 nach Berlin zog. Die Ausstellung kam aus dem Rostocker Museum nach Erfurt und war im September im „Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg“ zu sehen, bevor sie im Anschluss nach Stralsund ging.

Den Künstler Horstde Marées offerierte Herbert Kunze dem Erfurter Publikum im Anschluss daran, im April und Mai, unter dem Titel „Menschen undLandschaft“ erneut in einer Sonderausstellung. Horst de Marées geriet zehn Jahre zuvor, während seiner Ausstellung am Angermuseum in die mediale Kritik, indem er im „Thüringer Volk“ ermahnt wurde, er möge „weniger abstrakt, dafür mehr konkret“ arbeiten. Der Künstler wurde 1896 in Weimar geboren, er studierte 1919 bis 1826 bei Professor Hugo von Habermann (1849–1925) und lebte seit 1945 in Wasungen / Thüringen. Wie der Briefwechsel mit dem Künstler beweist, konzipierte Kunze diese Ausstellung selbst und hatte hinsichtlich des thematischen Schwerpunkts eine eindeutige Vorstellung davon, was er dem Publikum zur Ansicht bringen wollte:

„(… ) Ich komme auf unsere Besprechung seinerzeit wegen einer Ausstellung im Angermuseum zurück und möchte sie fragen, ob Sie Lust haben, von Mitte April bis über Pfingsten hier auszustellen. Im Zentrum müssten zweckmäßigerweise Ihre Landschaftsbilder stehen, aber auch einige der neueren Figurenkompositionen würde ich gerne zeigen.“ (StAE 1-5/3813-8186)

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Unter dem Titel „Deutsche Zeichnungen 1720 bis 1820. Der Bürger und seine Welt“ wurde eine Ausstellung von der Lucas-Cranach-Kommission organisiert und ein Katalog publiziert.Die Konzeption dieser Sonderschau erfolgte bereits ab Mitte August 1958, die Auswahl beinhaltete ursprünglich 300 Objekte, die in diesem Umfang im Angermuseum allerdings nicht gezeigt werden konnten.

Otto Knöpfer stellte 1959 Bilder aus der Sowjetunion vor, dazu gehörten etliche Aquarelle mit Motiven aus der Gegend um Jalta. Im selben Jahr wurden Gemälde und Graphiken vorwiegend aus dem Nachlass des Künstlers Georg Schrimpf (1889–1938) zusammengestellt und der Öffentlichkeit präsentiert. Der Künstler war Mitglied der Gruppe „Blauer Reiter“ in München und mit Franz Marc (1880–1916) befreundet. Schrimpf wurde 1889 in München geboren, er arbeitete als Konditorlehrling, Arbeiter, Anstreicher und als Statist eines kleinen Theaters, einer Wanderbühne. Der Autodidakt Schrimpf gilt als ein Hauptvertreter der „Neuen Sachlichkeit“. Präsentiert wurden insgesamt 92 Kunstwerke, Ölgemälde, Skizzen in Öl, Aquarelle, Bleistiftzeichnungen, Holzschnitte und Bucheinbände.

Im Anschluss an diese Exposition folgten im September 1959 Applikationen und Aquarelle vonElisabeth Ahnert.

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Unter dem Titel „Kunst des 20. Jahrhunderts“ wurde im Monat Oktober eine weitere Übersichtsausstellung über die Kunst der Moderne angeboten. Während der „Festwoche zum 10. Jahrestag der DDR“, vom 4. bis 10. Oktober 1959, war der Eintritt in das Angermuseum kostenlos. Kunze selbst muss entscheidend an der Konzeption beteiligt gewesen sein, wie ein Brief vom 17. August 1959 an die Nationalgalerie in Berlin beweist. Mitte August des Jahres war Herbert Kunze in Berlin, um dort Aquarelle und graphische Arbeiten für diese Präsentation persönlich auszusuchen (StAE 1-5/3813-8187). Er wählte Arbeiten von Paul Cézanne (1839–1906), Vincent van Gogh (1853–1890), Pablo Picasso, Henri Toulouse-Lautrec (1864–1901), Paul Signac (1863–1935), Ernst Barlach, Max Beckmann (1884–1950), Lovis Corinth (1858–1925), Otto Dix, Lyonel Feininger, Karl Hofer, Erich Heckel, Hermann Kirchner (1880–1938), Oskar Kokoschka (1886–1980), Ewald Mataré (1887–1965), August Macke, Franz Marc, Alfred Mahlau (1894–1967), Georg Muche (1895–1987), Hans Meyboden (1901–1965), Otto Müller (1898–1979), Emil Nolde, Christian Rohlfs, Max Pechstein und Max Slevogt (1868–1932), um die Ausstellung konzeptionell zu vervollständigen. Mit 2.176 Besuchern erfuhr diese Sonderschau eine außerordentlich große Resonanz (Ebenda).

Eine Exposition mit Arbeiten von Gottfried Schüler (1923–1999) schloss sich an. Der Künstler hatte ab 1955 einen Lehrauftrag an der Hochschule für Architektur in Weimar inne, nachdem er selbst die Kunsthochschule der Stadt besucht und dort bei Otto Herbig, Hermann Kirchberger (1905–1983) und Albert Schäfer-Ast studiert hatte. In dieser Ausstellung von Mitte Oktober bis Mitte November 1959 waren unter anderem Zeichnungen, Ölgemälde und Entwürfe für Glasfenster ausgestellt. Dabei waren die Glasbilder nicht in Blei gefasst, sondern mit Klebstoff auf eine Glasplatte geklebt (Ebenda).

Es folgte eine Sonderschau mit Studien eines Aufenthalts Horst Hausottes in Bulgarien, die bis Mitte Dezember 1959 zum Besuch des Angermuseums einluden. Daran schloss sich eine Ausstellung mit Gemälden von Alexander von Szpinger an, die auf vielfachen Wunsch der Besucher um eine Woche bis zum 24. Januar 1960 verlängert wurde. Szpinger war Meisterschüler des vor 1914 in Weimar lehrenden Henry van de Velde. Herbert Kunze konzipierte diese Ausstellung anlässlich des 70. Geburtstages von Szpinger. Verschiedene Leihgeber hatten zusätzlich für diese Sonderschau ihre Gemälde zur Verfügung gestellt, so beispielsweise Otto Grotewohl (1894–1964), der erste Ministerpräsidenten der DDR, dessen Gattin der Künstler portraitiert hatte. Alexander von Szpinger schuf mit einigen Ausnahmen im Bereich der Portraitkunst vorwiegend Landschaften. Neben den Gemälden aus Privatbesitz wurden von den ungefähr vierzig ausgestellten Exponaten einige ausgewählte Werke zum Verkauf angeboten.

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Im Jahr 1960 zeigte das Angermuseum Gemälde, Aquarelle und Graphiken vonWilhelm Lachnit. Diese Sonderausstellung wurde im Sommer 1960 von Gemälden, Pastellen und graphischen Arbeiten Otto Herbigs abgelöst, der kurz zuvor 70 Jahre alt geworden war (StAE 1-5/3813-8188). Herbert Kunze schrieb an den Künstler Herbig am 1. Dezember 1959:

„(…) Wir möchten aus Anlaß Ihres 70. Gebu rtstages im nächsten Jahr Ihre A rbeiten ausstellen , (…). Wir würden uns freuen, wenn es Ihnen möglich wäre, diese unsere Bitte, die auch die Bitte der zahlreichen Freunde ihrer Kunst in Erfurt ist, zu erfüllen. (…)“ (Ebenda)

Zu dieser Ausstellung entstand ein Katalogheftchen mit einem Vorwort von Kurt Gerstenberg; die Finanzierung des Druckes musste der Künstler allerdings selbst gewährleisten, weil dem Museum dafür kein Geld zur Verfügung stand (Ebenda).

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Die Ausstellung wurde von 1.714 Besuchern gesehen. Mit welcher Wertschätzung der Künstler Otto Herbig seinerseits von Herbert Kunze als Direktor des Angermuseums sprach, wird in einem Brief deutlich, den der Maler am 28. November 1970, zu einem Zeitpunkt, als Kunze bereits mehrere Jahre diese Funktion nicht mehr inne hatte, formulierte: „(…) Sie haben das Angermuseum zum besten Museum Mitteldeutschlands gemacht, und ich hoffe es bleibt so. (…)“(Archiv Franke)

Otto Herbig war es auch, der eine erneute Restauration des Heckel-Raumes ausführte, wie ein weiterer Brief an Kunze vom 18. November 1960 dokumentiert: (…) Im Frühjahr werde ich einmal nach Erfurt kommen und auch die Fixierung der verwischten Stellen auf dem Fresko von Heckel vornehmen. Ich schrieb Ihnen glaube ich schon, dass ich mit Heckel im Herbst darüber gesprochen habe.“ (StAE 1-5/3813-8188)

Gemälde, Grafiken und Aquarelle von Ernst Hassebrauk (1905–1974) folgten als weitere Sonderschau im August und September 1960. Hassebrauk hatte in Dresden und Leipzig studiert und lebte seit 1949 als freischaffender Künstler in Dresden. Den Abschluss des Ausstellungsjahres 1960 bildeten Landschaftsaquarelle, See- und Küstenlandschaften von Karl Kröner. Diese Sonderschau besuchten 1.525 Personen. Es existiert ein an Magdalene Rudolph-Kunze adressierter Brief des Künstlers, ähnlich dem bereits erwähnten Schreiben von Otto Herbig, in dem Kröner die besonderen Verdienste des Ehepaares Kunze für das Angermuseum gleichermaßen unterstreicht (Vgl. dazu Anhang).

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Im Jahr 1961 wirkten sich die Restriktionen des Magistrats unmittelbar auf die praktische Tätigkeit Herbert Kunzes aus (StAE 1-5/3813-8258). Im April 1961 wurde es Herbert Kunze untersagt, in seiner Funktion als Museumsdirektor, den Dialog mit Vertretern der Medien außerhalb der DDR selbständig zu führen (Vgl. dazu Anhang, Brief vom Rat der Stadt, 8. April 1961). Doch das umfangreiche Ausstellungsprogramm im Angermuseum blieb davon zunächst unberührt. Herbert Kunze konzipierte für das Frühjahr 1961 eine Sonderausstellung anlässlich des 50. Geburtstages von Otto Knöpfer. Es wurden 60 Kunstwerke zu einer Personalausstellung zusammengefasst. Die Vernissage eröffnete nach bewährtem Brauch das Bläserquintett Kurt Kunerts. So hörten die Besucher während dieser festlichen Eröffnung beispielsweise Mozart, Rossini und eine viersätzige Suite als Uraufführung, die Kurt Kunert komponiert hatte.

Außerdem fand in diesem Jahr aus Anlass des 80. Geburtstages von Franz Markau eine Ausstellung von Ölgemälden, Pastellen und Aquarellen des Malers statt.

Als großes Ereignis innerhalb der Stadt beging man 1961 die „1. Internationale Gartenbauausstellung“ und griff sie thematisch im Angermuseum durch die Sonderschau „Der Garten als Kunstwerk“ auf. Als weiterer Beitrag zur „Internationalen Gartenbauausstellung“ wurde eine Auswahl von Arbeiten der Mitglieder aus dem Verband Bildender Künstler Thüringens angeboten. Herbert Kunze hatte 34 Künstler ausgesucht, die ihre Werke aus den vergangenen zehn Jahren präsentierten (Thüringische Landeszeitung, 3. August 1961). Zu den ausstellenden Künstlern zählten beispielsweise Alfred Ahner (1890–1973), Georg Judersleben (1898–1962), Max Karl Beyer, Ilse Engelberger (1906–1991), Paul Preuß, Horst Hausotte, Otto Paetz, Otto Kayser (*1915), Hans-Joachim Schink, Werner Schubert und Engelbert Schoner (1906–1977) (Neue Zeit, 9. September 1961). Zusätzlich gehörte eine Sonderschau mit dem Titel „Stadtansichten aus dem 18. und 19. Jahrhundert“ zu den viel beachteten Expositionen von 1961.

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Das neue Jahr 1962 begann im Januar mit der Fortführung der Reihe „Ausländische Kunst am Angermuseum“. In diesem Kontext wurden nun die graphischen Arbeiten des bulgarischen Künstlers Wesselin Stuikow gezeigt. Die Auswahl umfasste vor allem Holzschnitte, Lithographien und Radierungen (Thüringische Landeszeitung, 24. Januar 1962, -wgr.).

Durch ausgewählte Kunstwerke wurde einige Monate später als weiteres Land Kuba dem Erfurter Publikum nahe gebracht. Unter der Überschrift „Grafik aus dem freien Cuba“ präsentierte das Museum Holzschnitte, Linolschnitte und Radierungen von Künstlern wie Carmelo Gonzales, Carlos M. Diaz Gómez oder José Aquilar (StAE 1-5/3813-8258).

Da ein Jahr zuvor der Bildhauer Hans Walther verstorben war, folgte im März eine Gedächtnisausstellung, die durch viele Leihgaben komplettiert wurde. Die inzwischen traditionsreiche „Sonderschau der Gegenwartskunst“ schloss sich im April an. In ihr waren Graphiken und Aquarelle von 14 Künstlern der Gegenwart zu sehen, die aus Leihgaben und Beständen des Angermuseums konzipiert worden war (Thüringische Landeszeitung, 18. April 1962, -wgr.-).

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Unter dem Titel „Der Mensch – mein Bruder“ bereitete Herbert Kunze für 1962 außerdem eine Sonderschau mit Zeichnungen der Künstlerin Lea Grundig vor. Der Schwerpunkt lag dabei auf Arbeiten, in denen sie ihre Eindrücke von Reisen in die Sowjetunion, China, Kuba und Rumänien wiedergab (Thüringer Neueste Nachrichten, 21. Juni 1962). Ebenfalls durch den Aufenthalt in der Sowjetunion inspiriert waren die Aquarelle und Graphiken mit Landschaftsmotiven des Künstlers Walter Denecke, dessen Bilder das Angermuseum einen Monat zuvor der Öffentlichkeit vorstellte.

Eine Wechselausstellung mit graphischen Arbeiten von Otto Dix folgte anlässlich seines 70. Geburtstages und wurde abgelöst von einer Schau mit Aquarellen, Collagen und Applikationen der Künstlerin Elisabeth Ahnert.

Eine Ausstellung mit Gemälden und Zeichnungen niederländischer Meister des 17. Jahrhunderts schloss sich an. Herbert Kunze stellte sie aus Leihgaben des Museums für Bildende Künste in Leipzig zusammen. Es waren Künstler wie Pieter de Hooch (1629–1683), Gerhard Ter Borch (1617–1681), Adrian van Ostade (1610–1684), Isaak van Ostade, Jan Steen (1626–1679) und Jacob van Ruisdael (1628/29–1682) mit Werken vertreten (Thüringer Neueste Nachrichten, 4. Oktober 1962, Dr. Konrad Wiebers). Diese Ausstellung fand beim Publikum großen Anklang, wie folgende Rezension belegt: Die Ausstellung erfreut sich eines so regen Besuches, dass man empfehlen kann, ihre Dauer zu verlängern.“ (Ebenda)

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Aus Anlass der Internationalen Tagung des „Corpus Vitrearum Medii Aevi“ (CVMA) wurden im Oktober 1962 im Angermuseum spätromanische und gotische Glasfenster ausgestellt, die einen Überblick über die Technik der Glasmalerei an Beispielen, unter anderem aus der Barfüsserkirche in Erfurt, dem Naumburger Dom und dem Merseburger Dom, vermittelten (Thüringische Landeszeitung, 5. Oktober 1962, -wgr.-).

Außerdem zeigten zwei Landschaftsmaler aus Weimar, Gerhard Gottschall (*1926) und Horst Jährling (*1922), Schüler von Otto Herbig und Albert Schäfer-Ast, Gemälde und Zeichnungen.

Unter dem Titel „Dornröschenschlaf im Museum? Geschichte ist kein vergilbtes abgegriffenes Pergament eines Historikers“ veröffentlichte Richard Wiehle am 22. September 1962 in der Zeitung „Das Volk“ einen beinahe ganzseitigen Artikel, in dem er die Konzeption des Hauses, sowohl seiner Dauerausstellungen als auch der Sonderschauen, scharf kritisierte, ohne den Direktor des Museums namentlich zu erwähnen. Einerseits beklagte Wiehle darin, dass die Geschichte der Arbeiterbewegung zu wenig Beachtung am Angermuseum fände, andererseits verurteilte er die Auswahl derjenigen Künstler, die das Profil der Gegenwartsausstellungen des Hauses prägten:

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„(…) Und: wer bestimmt eigentlich den Charakter der wechselnden Kunstausstellungen im Angermuseum? Die Direktion allein oder besteht da ein Beirat? (…) Das Angermuseum schläft einen Dornröschenschlaf. Vor hundert Jahren ist man dort eingeschlafen und – schläft auch heute noch. Wann wird das endlich anders ?

Der Verfasser des Artikels schien nicht zu wissen, dass nicht Kunze als Direktor des Angermuseums allein oder die Museumsleitung, sondern die Ständige Kommission Kultur der Stadtverordneten-Versammlung, deren Vorsitz Karl Römpler einnahm, die Auswahl der Künstler für Wechselausstellungen entscheidend mitbestimmten.

Diese öffentlich geführte Debatte war die letzte in einer Reihe von fragwürdigen Kritiken und Vorwürfen, die verdeckt oder offen gegen Herbert Kunze erhoben wurden. Das Kunstmuseum auf dem Anger war zu dieser Zeit gleichermaßen ausgewiesen als Museum für Stadtgeschichte. Der Vorwurf eines „hundertjährigen Dornröschenschlafes“ bezog sich auf Kunzes Direktorat mit seiner konsequenten Weiterführung der Museumsarbeit in der Tradition seiner Vorgänger. Denn Kunze erweiterte nach 1945 die Kunstsammlungen um Landschaftsmotive der Künstler aus der unmittelbaren Umgebung aller Jahrhunderte bis in die Gegenwart. Einem politischen Bekenntnis gegen eine bürgerliche Kunstwissenschaft bei gleichzeitiger Hinwendung zu einer sozialistisch geprägten Sammlungs- und Ausstellungspolitik entsprach dieser Umstand sicher nicht. Wiehle rief in seinem Artikel dazu auf, einen Wandel zu vollziehen, dessen Ziel darin lag, den Kunstwissenschaftler Kunze, tief verwurzelt in der Tradition der klassischen Moderne, seines Amtes zu entheben: „Denn auch im Museumswesen kann man heute nicht mehr nach alteingerosteten kunsthistorischen oder idealistischen Prinzipien, wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten, verfahren.“(Ebenda)

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Römpler, der nicht nur bei der Gestaltung von Sonderausstellungen ein Mitspracherecht hatte, sondern die Diskussion um die Konzeption des Angermuseum in der Zeitung „Das Volk“ durch eigene Beiträge beeinflusste, trat demgemäß die Nachfolge von Kunze als Direktor des Angermuseums an. Bereits 1955 war es zwischen dem Leiter der Ständigen Kommission Kultur beim Rat der Stadt und Herbert Kunze zum Konflikt über die jeweilige Zuständigkeit hinsichtlich der Sonderausstellungen gekommen (Vgl. Kapitel 3); diese Auseinandersetzung wurde vom Abteilungsleiter Heese allerdings noch zugunsten des Direktors entschieden (Anhang, vgl. Kunzes Brief vom 15. April 1955 an die Abt. Bildende Kunst beim Rat des Bezirkes). Zeitgleich nahmen Forderungen des Ministeriums zu, Künstler auszustellen, die das Ministerium protegierte. Zusätzlich wurde es durch die Auseinandersetzungen in der Ständigen Kommission für Kultur beim Magistrat für Herbert Kunze schwieriger, ohne deren Einmischung Entscheidungen über die Konzeption der Sonderausstellungen am Angermuseum zu treffen. Herbert Kunze zog die Konsequenzen und trat im Frühjahr 1963 von seinem Amt als Direktor zurück. Ein zweites Mal in seiner Karriere war er als bürgerlicher Kulturwissenschaftler, einer Position, von der er um keinen Deut abzuweichen gedachte, aus dem Amt als Direktor des Angermuseums gedrängt worden. Der Kunstlehrer und Kunstsammler Rudolf Franke (1925–2002), mit der Familie Kunze freundschaftlich verbunden, schrieb im September 1963 an Gerhard Ströch (Altenbourg) (1926–1989):„Das Museum ist nicht mehr in den Händen von Prof. Dr. Kunze, Herr Römpler ist sein Nachfolger. Man hat Herrn K. gehend gemacht, um auch im Erfurter Museum Raum für sozialistische Kunst zu finden.“(zitiert nach Nowak 2005, S. 265, FN 5)

Es ist zu bemerken, dass diese Entscheidung zu einem Zeitpunkt getroffen wurde, an dem sich die Kulturpolitik der DDR eigentlich deutlich entspannte: „Eine neue Sit uation zeichnete sich Ende der f ünfziger Jahre, Anfang der sechziger Jahre auch in der Kulturpolitik ab. Die Formalismusattacken Shdanow-Semjonowscher Prägung hörten auf, auch wenn das Vokabular dieser Zeit noch weiterwirkte.“ (Mittenzwei 2003, S. 160)

Dieses Aussage als Grundlage nehmend, kann bezogen auf die Kampagne der Zeitung „Das Volk“ gegen Kunzes Ausstellungspolitik der Schluss gezogen werden, dass die treibende Kraft für Kunzes Rückzug weniger das unvermeidliche Resultat politischer Entscheidungen auf der Ebene der Kunstpolitik der DDR war, sondern unzweifelhaft als magistrale Intrige der politisch einflussreichen Kräfte der Stadt betrachtet werden muss.

2.2 Zur Bedeutung des Kunsthandwerks

2.2.1 Historischer Exkurs

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Die Stadt Erfurt, als selbstbewusste und über einen langen Zeitraum auch reiche Bürgerstadt, verfügte im Bereich des Kunsthandwerkes über mannigfaltige Traditionen. Zu den einzelnen Gewerben, die in der Stadt ausgeübt wurden und daher mit ihren Objekten, mit Ausnahme der Buchkunst, noch heute in der kunsthandwerklichen Sammlung des Angermuseum vertreten sind, zählen Metallarbeiten, Holzarbeiten, Fayencen und Keramik. Als kurze Begriffsbestimmung hinsichtlich jener Gegenstände, die in den Bereich des Kunsthandwerkes fallen, kann folgende Definition gelten: „Von jeher haben sich Werke des Kunsthandwerkers von solchen des Handwerkers darin unterschieden, dass sie deren ausschließlich funktionalen Charakter kunstvoll überhöhen.“ (Mundt 2002, S. 215)

Damit wird gleichzeitig ein fundamentaler Unterschied zwischen Kunsthandwerk und Kunst deutlich, der durch ein entscheidendes ästhetisches Merkmal beider Gattungen charakterisiert wird. In der Kunst sollten Eigenschaft und Zweck in evidenter Manier voneinander getrennt sein, während im Kunsthandwerk beide, also Eigenschaft und Zweck, intentional ineinander übergehen. Arbeiten des Kunsthandwerkes können unbedingt die Eigenschaft der ‚Schönheit‘ als Zweck verfolgen und gerade dadurch großartige künstlerische Leistungen darstellen. Die Eigenschaft tritt in den Vordergrund, während die Funktion an Relevanz verliert.

Wie bereits zu Beginn des Kapitels erwähnt, blickt Erfurt seit dem Mittelalter auf eine besondere Reihe handwerklicher Traditionen zurück; dazu zählen neben Metallarbeiten und Holzschnitzereien auch bibliophile Kostbarkeiten (Kunze 1929). Diese umfassen sowohl unterschiedliche Formen der Gestaltung von Bucheinbänden wie Lederschnittarbeiten oder Einbände mit Stempeldrucken, als auch die eigentlichen Druckschriften oder sogar Handschriften. Die Metallarbeiten lassen sich entsprechend des unterschiedlichen Materials in die Gold- und Silberschmiedekunst, Glocken- und Rohgussarbeiten, die Eisenschmiede- und die Zinnarbeiten einteilen. Alle handwerklichen Teilbereiche wurden in den entsprechenden Gewerken in Erfurt gefertigt. Die Holzarbeiten umfassen einerseits mit Tischlerarbeiten den Bereich der Möbel, zusätzlich gehören die weniger funktionalen, reinen Objekte der plastischen Gestaltung dazu.

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Ein umfangreicher Sammlungsschwerpunkt des Erfurter Angermuseums bildet das Gebiet der Keramik und Fayencen; hier sei vor allem an die Thüringer Fayencefabriken gedacht. Die deutschlandweit größte Sammlung an Thüringer Fayencen befindet sich im Erfurter Angermuseum.

Unter der Leitung von Herbert Kunze fanden bereits 1929 zwei große Ausstellungen statt, in denen kunsthandwerkliche Arbeiten eine besondere Würdigung erfuhren: „Ein Jahrtausend Erfurter Kultur und Geschichte“ und im Herbst 1929 „Thüringer Fayence-Ausstellung“. Diese Sonderschau der Fayencen präsentierte die Neuerwerbungen, die Kunze für das Angermuseum getätigt hatte (Vgl. Kapitel 1.1.2.). Im Rahmen dieser Ausstellungen entstand ein Katalog, der von Herbert Kunze herausgegeben und von ihm mit einem Vorwort versehen wurde. Hierin begründet er, weshalb das Kunsthandwerk nach seiner Einschätzung bis in die Gegenwart nahezu keine Beachtung gefunden habe:

„(…) Bei gutem Ni veau und oft eigentümlicher Prägung fehlen doch die Spitzenleistungen. Der andere Grund, weshalb bisher das Kunsthandwerk in Erfurt keine Einzelbearbeitung gefunden hat, mag in der – noch immer nicht ganz überwundenen – Geringschätzung des Kunstgewerblichen gelegen haben, die ein Erbteil des 19. Jahrhunderts ist und mit der Unsicherheit des Geschmackes in der damaligen Zeit zusammenhängt.“ (Ebenda, S.V)

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Ausstellungen, in denen Kunsthandwerk vorgestellt wurde, hatten also durchaus Tradition in der Bürgerstadt; so gab es derartige Expositionen bereits 1907 im „Haus zum Stockfisch“ und in den Jahren 1913 und 1922 im Angermuseum. Wenn Herbert Kunze von einem Phänomen der „Geringschätzung gegenüber dem Kunstgewerblichen“ spricht, beschreibt er im Grunde einen bis heute gültigen Umstand. Es ist vermutlich nicht einfach, rezeptionsästhetische Konzepte zu entwickeln, die den Besuchern einer Fayence-Ausstellung ein nachhaltiges Erlebnis und ein umfassendes Verständnis für diese kunsthandwerklichen Objekte gleichermaßen zu vermitteln imstande sind. Kunze selbst schätzte, neben der Situation des Kunstmarktes, vor allem die Reaktion der Erfurter Bürgerschaft und des Magistrats auf die Erweiterung der Fayencesammlung und damit die Resonanz auf Handwerkskunst allgemein richtig ein, wenn er in einer internen Versammlung am 2. Juni 1951 mündlich äußerte, dass er gerade in der Nazi-Zeit Fayencen eingekauft habe, weil diese zu eben jenem Zeitpunkt zu erwerben waren. Dabei handelte er ohne Rücksicht auf die Meinung der Erfurter Bürgschaft, die nicht verstanden, dass er „lauter Töpfe kaufe“; doch nur so sei man zur „großartigsten Sammlung in Thüringen gekommen(StAE 1-5/3813-7965).

Neben der Unterscheidung nach einzelnen Werkstoffen und deren „künstlerischer Veredelung“ bei gleichzeitiger „Gestaltung neuer Formen“, betont der Kunsthistoriker Max Sauerlandt in seiner Schrift „Aufbau und Aufgaben des Hamburgischen Museums für Kunst und Gewerbe“, dass vor allem die „Frage der Gebrauchsbestimmung“ und der „Einfluss des Kulturträgers auf die Formgestaltung“ bei der Ordnung einer Sammlung mit kunsthistorischen Gegenständen von Interesse seien (Sauerlandt 1927, S. 6–22).

Auch Herbert Kunze empfand die Sammlungen von Kunst und Kunsthandwerk stets als eine Einheit, in der er als Ausdruck der schöpferischen Kräfte der Gegenwart, gerade nach 1945, das Kunsthandwerk gleichberechtigt wahrnahm.

2.2.2 Kunsthandwerk nach 1945

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Auf theoretischer Ebene kann das Kunsthandwerk nach 1945 unter drei verschiedenen Gesichtspunkten diskutiert werden. Barbara Mundt weist am Beispiel des Töpferhandwerks darauf hin, dass nach dem Krieg besonders der praktische Aspekt im Vordergrund stand. Der zweite Punkt liege in der ethischen Dimension, die sich daraus ergebe, dass diese Handwerkskünste zum „ältesten Kulturgut“ gezählt werden und die Beschäftigung damit auch als „Flucht in eine heile Welt“ zu deuten sei. Der dritte Aspekt enthalte die Dimension des Zukünftigen, weil der Kunsthandwerker mit seiner Tätigkeit unmittelbar am Aufbau der Gegenwart mitwirke und mit ästhetischen Ideen darüber hinaus wirke (Mundt 2002).

Da das Kunsthandwerk weniger stark als beispielsweise die Malerei oder die Bildhauerkunst dem Diktum der politischen Aussage unterlag, blieb es in rezeptionsästhetischen Schriften, die nach 1989 versuchten, das Phänomen „sozialistischer Realismus“ zu klären und zu diesem Zwecke „Ost- und Westkunst“ als Antipoden gegenüberstellten, im wesentlichen unbeachtet.

Die im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Kriterien, von Max Sauerlandt 1927 aufgestellt, gelten nach 1945 noch immer und verdeutlichen, weshalb dem Kunsthandwerk weniger Schwierigkeiten beschieden waren, sich politischen Gegebenheiten zu fügen, ohne die eigene Identität innerhalb des jeweiligen künstlerischen Gegenstands aufzugeben. Neben dessen Entstehungszweck besitzt allgemein die Form des Objektes entscheidende Bedeutung. Nach Sauerlandt werde diese bestimmt durch das Material, also den „Werkstoff“, der Kreativität des Kunsthandwerkers und dem „Einfluss des Kulturträgers“, also durch gesellschaftliche Vorgaben. Da das Kunsthandwerk seine Funktionalität zugunsten der Eigenschaft der Schönheit aufgibt, unterliegt es in der Regel keiner Möglichkeit, politisch instrumentalisiert zu werden. Eine derartige Inanspruchnahme würde die Eigenschaft zugunsten der Funktion so verändern, dass nicht mehr von einem kunsthandwerklichen Gegenstand gesprochen werden darf. Der erläuterte Zusammenhang lässt sich am einfachsten in einer Funktionsgleichung beschreiben:

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KHw= f (S-FPo); der kunsthandwerkliche Gegenstand ist die Funktion der Eigenschaft (Schönheit) minus Funktionalität. Würde man den kunsthandwerklichen Gegenstand dergestalt in Funktion nehmen, dass die Funktionalität durch die politische Inanspruchnahme größer wäre als die Eigenschaft der Schönheit, ergäbe sich folgende Gleichungen: KHw= f (FPo-S).

Das bedeutet aber nicht, dass dem Objekt nicht durch den Rezipienten als eigentlichem Träger der Kultur, Bedeutung verliehen werden könnte. Damit verließe man allerdings den Bereich des Kunsthandwerks und würde sich im Genre des Fetischs bewegen.29 Trotz derartiger rezeptionsästhetischer Schwierigkeiten gab es Bestrebungen in der DDR, das Kunsthandwerk in einem größeren gesellschaftspolitischen Zusammenhang aufzuwerten, wie folgender Beitrag von Walter Heisig mit dem Titel „Deutsches Kunsthandwerk-Rückschau und Ausblick“ der Zeitschrift „Bildende Kunst“ beweist:

Es erscheint uns notwendig, mehr als bisher und ganz bewusst das Streben nach der zeitlosen, einfachen, undekorierten Form aufzugeben, um Werke der angewandten Kunst zu schaffen, die den heutigen Forderungen der gesellschaftlichen Repräsentation und den gesteigerten und sich immer weiter steigernden kulturellen Bedürfnissen unserer Bevölkerung entsprechen. Hierbei ist der Entwicklung der nationalen Form, des nationalen Dekors größere Aufmerksamkeit zuzuwenden.“ (Bildende Kunst, Heft 4 (1954))

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Nach 1945 fanden am Angermuseum jährlich verschiedene Sonderausstellungen statt, die entweder einen Überblick über zeitgenössische Handwerkskunst gaben oder ausgewählte Künstler besonders würdigten, wie beispielsweise Elisabeth Ahnert (1885–1966), Alfred Dölker, Alfred T. Mörstedt oder Margaretha Reichardt. Viele Kunsthandwerker waren unmittelbar nach dem Krieg bemüht, an die ästhetischen Konzepte und kunsthandwerklichen Ideen des Bauhauses anzuknüpfen. Charles Crodel beispielsweise experimentierte mit Glas-Dekoren und der Glas-Gestaltung, die den Ideen des Bauhauses verpflichtet waren, und er stellte diese Arbeiten 1948 während seiner großen Personalausstellung im Angermuseum aus (Archiv Franke). Wie der erwähnte Artikel Walter Heisigs in der „Bildenden Kunst“, Heft 4 des Jahres 1954, allerdings unterstreicht, lag zu diesem Zeitpunkt die Aufmerksamkeit der politischen Entscheidungsträger für Kunst in der DDR eher darauf, die charakteristischen Ideen der Bauhaus-Ära zu überwinden.

Neben kunsthandwerklichen Sonderausstellungen wurden im Jahr 1949, anlässlich der „4. Kulturwoche“ in Erfurt, als ständige Ausstellung die Fayence-Abteilung im Festsaal des zweiten Obergeschosses sowie die Porzellan-Sammlung in einem zusätzlichen Raum dem Publikum wieder zugänglich gemacht (StAE 1-5/3813-8178). Bereits zwei Jahre zuvor verband Herbert Kunze das Kunsthandwerk im Rahmen der Sonderausstellungen wieder mit der gegenwartsbezogenen musealen Kunstpräsentation. Derartige Sonderschauen mussten wegen des zerstörten Gebäudes häufig noch außerhalb des Museums gezeigt werden. So wurde im Jahre 1947, in der Zeit vom 22. Juni bis 20. Juli, beispielsweise die Ausstellung „Thüringer Kunsthandwerk einst und jetzt“ im „Haus zum Stockfisch“ präsentiert (StAE 1-5/3813-8496).

1949 stellten unter dem Titel „12 Meister des Kunsthandwerkes der Gegenwart“ sechs Männer und sechs Frauen dem Publikum des Angermuseums ihr handwerkliches Können vor: Von Margaretha Reichardt waren handgewebte Stoffe, Gobelins und Wandteppiche zu sehen, Schmuckstücke und Gerätschaften aus Edelmetall der Künstlerinnen und Künstler Vera-Marie Hampe-Crodel, Hildegard Risch (1903–1996) und Otto Scharge wurden ebenso offeriert, wie Emaillearbeiten von Lili Schulz, Gläser mit Diamantgravur von Ilse Scharge-Nebel oder gedrechselte Schalen und weitere Holzarbeiten von Th. Arthur Winde. Neben Keramiken von Bontjes van Beek (1899–1969), Otto Lindig (1881–1966) und Rudolf Rausch (1906–1988) wurden gestickte Wandbehänge von Elisabeth Crodel und Bucheinbände von Wilhelm Nauhaus (1899–1979) als Beispiele des zeitgenössischen Kunsthandwerks präsentiert (StAE 1-5/3813-8496). Diese Ausstellung fand vom 9. Januar bis 6. Februar 1949 statt und eröffnete zeitgleich mit der „Galerie der Gegenwart“. Sie korrespondiert in der Auswahl der vorgestellten Arbeiten aus den Bereichen Buchkunst, Metallarbeiten und Holzschnitzereien, mit jenen kunsthandwerklichen Gattungen, die bereits 1929 im Rahmen der Ausstellung des Kunsthandwerkes in Erfurt von Herbert Kunze als charakteristisch für die Stadt angesehen wurden. Die kunsthandwerkliche Auseinandersetzung mit Stoffen wie Leinenwebereien oder Batikarbeiten führte nach 1945 ebenso zu einer Erweiterung des kunsthandwerklichen Ausstellungsangebotes, wie die Präsentation von zeitgenössischen Töpfereiwaren, die neben der Dauerausstellung der Erfurter Fayencen dem Erfurter Publikum somit weitere Beispiele moderner kunsthandwerklicher Arbeit zur Anschauung brachte.

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Neben diesem modernen Kunsthandwerk, von Kunze entschieden in die Kunst der Gegenwart integriert, versuchte man im Angermuseum auch den Bezug zu historischem Handwerk nicht zu verlieren. So wurden verschiedene Zimmer im nordöstlichen Flügel des Hauses themenbezogen eingerichtet, sodass sie neben einer chronologischen Dokumentation zur Stadtgeschichte anhand von Dokumenten auch das Kunsthandwerk der jeweiligen Epoche darboten (Ebenda).

Im „Humanistenzimmer“ lag das historische Augenmerk auf der Zeit der Reformation und des Bauernkrieges und war zusätzlich geprägt durch Exponate, die an die Erfurter Universität des Mittelalters erinnerten. Von diesem Raum gelangte man in das „Ratszimmer“, das neben einem Modell des ursprünglichen Erfurter Rathauses und einem historischen Türportal dieses Hauses, die älteste Stadtansicht von 1520 zur Anschauung brachte. Das Motiv des Erfurter Stadtbildes im Wandel der Zeit wurde im nächsten Raum thematisch durch die Präsentation von Zeichnungen von Nikolaus Dornheim bis zu Fotos aus der Gegenwart wieder aufgegriffen. Das sich anschließende „Junkersandzimmer“ verdankte seinen Namen der Täfelung aus einem Erfurter Patrizierhaus, das sich am Erfurter „Junkersand“ befand, und nun im Angermuseum mit den verbliebenen Teilen des ehemaligen Ratssilbers ausgestellt wurde. Von dort wurden die Schritte des Besuchers zum sogenannten „Festsaal“ gelenkt, wo in ehemaligen Bücherschränken die Fayence-Sammlung aufgebaut war. Barockmöbel prägten die Atmosphäre eines weiteren Raumes, in dem der kurmainzerische Stadthalter Karl Theodor von Dalberg thematisch im Mittelpunkt stand und somit dem Ausstellungsraum als „Dalbergszimmer“ zu seinem Namen verhalf.

Rokoko-Stukkaturen aus dem Bürgerhaus des Suhler Waffenfabrikanten Spangenberg gaben genauso Einblick in das Thüringer Kunsthandwerk wie Tapeten mit Landschaftsmalereien, die den Charakter eines weiteren Raumes prägten und einstmals das „Wiedemannsche Haus“ vom Erfurter Anger 28 geschmückt hatten (Thüringische Landeszeitung, 31. Oktober 1951, -tlz-). Dieser Bereich des Museums wurde am 28. Oktober 1951, trotz geringer finanzieller Mittel, in Anwesenheit des Direktors der Staatlichen Museen Berlin, Ludwig Justi (1876–1957), eröffnet (National-Zeitung, 3. November 1951, N.N.).

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Neben der Dauerausstellung mit umfangreichen Beispielen der Thüringer Handwerkskunst vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, fanden kunsthandwerkliche Wechselausstellungen statt wie beispielsweise im Jahre 1954 anlässlich des Kirchenbautages die Ausstellung mit dem Titel „Erfurter Goldschmiedearbeiten der Renaissance und des Barock“. In einer Zeitung wird diese Exposition folgendermaßen gewürdigt: „Es handelt sich um wertvolle Arbeiten Erfurter Goldschmiede des 15. bis 17. Jahrhunderts; unter anderem eine Abendsmahlskanne von Meister Andreas Förg (1583); in schlichten Formen ein Kelch von Aug. Chr. Reinhardt (1671) und Arbeiten von Erasmus Wagner (1620) und J akob Engel (1660). Interessant ist eine Brautkrone aus Silber-Filigran mit Steinen, die an Stelle des Brautkranzes früher als Kopfputz in Gestalt einer hohen Krone gedient hat. Ergänzt wird die Schau durch zinnenes Altargerät aus Thüringer Dorfkirchen.“ (Thüringische Landeszeitung, 16. Oktober 1954, -wgr-)

1955 folgte eine themenbezogene Sonderschau mit dem Titel „Neue Wartburg – Andenken im Angermuseum“. Unter dem Motto „Kampf dem Kitsch“ versuchte nun auch das Angermuseum, über die für Kultur verantwortlichen staatlichen Stellen auf die Bevölkerung geschmacksbildend einzuwirken, sodass tatsächlich mit beflissenem Ernst der Versuch unternommen wurde, eine Andenken-Kultur zu schaffen, die nicht kitschig sein sollte, was dem Versuch der berühmten Quadratur des Kreises entsprochen haben muss (StAE 1-5/3813-8496).

In den darauf folgenden Jahren wurden Personalausstellungen einzelner kunsthandwerklich arbeitender Künstler der Vorzug gegeben. 1956 fand eine Gedächtnisausstellung mit Wandbehängen und Entwurfsskizzen von Richard Dölker statt (StAE 1-5/3813-8258). Im Juli und August 1957 waren Zeichnungen, Stoffdrucke und Batikarbeiten von Alfred Traugott Mörstedt im Angermuseum ausgestellt. Die Stoffdrucke waren zwischen 1953 und 1957 entstanden und galten als Entwürfe für Strandbekleidung und weitere Garderobe, sie fanden einen Großteil ihrer Inspiration in den Kunstwerken von Richard Dölker (StAE 1-5/3813-8184). Ein Jahr später, 1958, lud das Angermuseum sein Publikum erneut zur Besichtigung der Bildteppiche von Margaretha Reichardt ein (StAE 1-5/3813-8185).

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Nach einer Präsentation 1954 fand im Herbst 1959 eine weitere Ausstellung mit Stickereien und Aquarellen von Elisabeth Ahnert statt, die ihre Ausbildung an der Dresdener Kunstgewerbe-Akademie absolviert hatte. Neben 38 Aquarellen wurden zehn Stickereien, Applikationen und zehn papiergeklebte Werke als „Geklebte Improvisationen“ vorgestellt. Diese Ausstellung, die vom 26. bis 27. September 1959 stattfand, wurde von 873 Besuchern gesehen.

Ab 1960 wurde dem Publikum das Thüringer Kunsthandwerk ungefähr im selben Zeitraum wie im Vorjahr präsentiert. Zu den ausgestellten Künstlern gehörten: Heiner Hans Körting aus Dornburg mit Keramiken, Walter Gebauer (1907–1989) aus Bürgel, ebenfalls mit Keramiken, Artur Beyer aus Jena mit Arbeiten aus Email, Elsie Dölker und ihre Tochter Susanne Dölker mit Batikarbeiten. Diese Ausstellungen zum Thüringer Kunsthandwerk erhielt folgende Kritik: Mit dieser ästhetischen Erziehung der Bevölkerung löst das Anger-Museum eine wichtige kulturelle Aufgabe, es hilft die Forderung nach gehaltvollerem Leben zu realisieren.“ (Thüringer Landeszeitung, 4. Oktober 1960, -wgr.-)

Diese Forderung an kunsthandwerkliche Objekte geht über die zu Beginn des Kapitels 2.2.2. erwähnten drei Aufgaben hinaus (Mundt 2002) und formuliert mit der Option der ästhetischen Erziehung zusätzlich einen gesellschaftlichen Auftrag. In welcher Form Kunze allerdings bereit war diesen einzulösen, falls eine derartige Intention nicht grundsätzlich der zu Beginn des Abschnittes beschriebenen Forderungen nach unbedingter ästhetischer Autonomie des kunsthandwerklichen Gegenstands gegensätzlich gegenübersteht, bleibt zunächst von untergeordneter Bedeutung.


Fußnoten und Endnoten

17  Die 1885 gegründete staatlich-städtische Handwerker- und Kunstgewerbeschule war nach dem Krieg von 1946 bis 1955 eine Fachschule für angewandte Kunst und übernahm 1955 die Ausbildung der Kunsterzieher der Pädagogischen Hochschule Erfurt.

18  Wenn im Verlauf der Arbeit über Herbert Kunze und dessen Verständnis als bürgerlicher Museumsdirektor und Kunstwissenschaftler zu sprechen sein wird, so muss diese ‚Bürgerlichkeit‘ ausschließlich als Opposition zur sich zunehmend etablierenden sozialistischen Kunstgeschichte der DDR nach dem Ende des Krieges verstanden werden. Die Bandbreite bürgerlicher Positionen, besonders auf die Kunst der Moderne bezogen, bleibt dabei unberücksichtigt.

19  Über die Erste Kulturwoche 1946 wurde auch im Rahmen der Recherche zu dieser Arbeit kein Quellenmaterial aufgefunden. Vgl. dazu auch den Befund von Menzel 2005.

20  Erich Heckel porträtierte seinen Kollegen und Freund Otto Mueller in dem Wandgemälde des Angermuseums. Vgl. dazu Lucke / Hüneke 1992.

21  Elfi Dollichon sieht die theoretische Grundlage für diese ästhetische Theorie in Lenins Theorie der Zwei Kulturen. Dollichon 1992, S. 66

22  Der Begriff des Formalismus in seinen Ursprüngen der formalen Ästhetik von Robert Zimmermann bis zur Gegenwart wird ausführlich dargestellt bei Wiesing 1997, S. 27–54.

23  Vgl. dazu Mittenzwei 2003.

24 

Eine ausführliche Darstellung des Streites um die Barlach-Rezeption siehe Schulz 1996.

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass spätestens 1957 anlässlich der Rückkehr der Plastik „Die Schwebende“ in den Güstrower Dom wieder eine angemessene Barlach-Rezeption möglich war. Vgl. Bildende Kunst, Heft 6 (1957).

25  Weitere Dokumente, die Aufschluss über die Absage der Glöckner-Ausstellung liefern könnten, also auch darüber, ob die Stadtverwaltung unmittelbar Einfluss auf Kunze genommen hat, liegen im Stadtarchiv nicht vor.

26  Herbert Kunze führte im Jahr 1956 einen intensiven Briefwechsel mit Professor Justus Bier von der Universität Louisville, Kentucky. Hierin erörterten beide die These, ob Riemenschneider in Erfurt seine Lehrzeit absolviert haben könnte. Kunze stand dieser Überlegung skeptisch gegenüber und hielt sie „für nicht beweisbar“ (StAE 1-5/3813-8808).

27  Vgl. auch: Mittenzwei 2003, S.110 ff. Der Autor beschreibt die Ereignisse in der Akademie der Künste in Berlin besonders aus dem Blickwinkel der Schriftsteller.

28  Die Existenz von Preislisten in den Akten des Stadtarchivs zu etlichen Sonderausstellungen verdeutlicht, dass die Möglichkeit, Arbeiten käuflich zu erwerben, bei vielen Expositionen gegeben war.

29  Vgl. dazu Böhme 2006.



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28.01.2009