Purg , Peter: Körper im elektronischen Raum. Modelle für Menschen und interaktive Systeme


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Kapitel 3. INTERAKTIONSRÄUME FÜR KÖRPER UND DISKURSE

3.1 KREUZUNGEN VON TANZ UND TECHNOLOGIE

Die aktuellen Kommunikationsmuster, insoweit sie am menschlichen Körper im Kontext neuer elektronsicher Schnittstellen und digitaler Programme erkannt werden können, erfahren im Folgenden eine thematische Abgrenzung im Schnittfeld von Tanz und Technologie. Technologisch emanzipierte und erweiterte performative Körperpraxis wie auch von und für die Tanzkunst entwickelte interaktive Technik dienen zur Absteckung eines aktuell hochrelevanten Feldes, das sich wegen seiner symptomatischen Paradoxien und immanenten sowie diskursprägenden Dichotomien besonders zur pointierten Kultur- und Medienanalyse eignet: im Spiegel einer Verlegenheit zwischen nach wie vor natürlich „begrenzter“ (angeblich affektiver) Körperlichkeit und der zu „erweiternden“ (angeblich rationaler) Technisierung können manche zukunftsweisende und optimistische Ansätze für eine ausgewogene Medienkultur erörtert werden. Hi-tech Hardware und konkreter Biokörper befruchten einander zu neuen Zwitterformen, psychologische Programme treffen auf Softwarekodes und verändern nicht nur die Selbsterfahrungen und -bilder des Menschen, sondern auch seine interpersonale Kommunikation und Kreativität.

Aussagen einschlägiger PraktikerInnen samt Verweisen auf ihre spezifische interdisziplinäre Praxis - wie auch auf deren Reflexion im Diskurs - und einige ausschlaggebende Momente der neumedialen Durchschnittsnutzung sollen zu einem Argumentationsgeflecht formuliert werden, auf dessen Nährboden in den folgenden Kapiteln 3.2. und 3.3. empirische sowie (selbst)reflexive Überprüfung, Reformulierung und deskriptiv-cum-präskriptive Modellierung entwickelt werden können. Die Publikation „Tanz und Technologie“<763> (2002) kann vor dem bisher (Kapitel 1. und 2.) bearbeiteten Hintergrund als die relevanteste theoretisch-praktische Vorlage und gleichsam Pendant Dritter, einigermaßen jedoch auch als Kontrast zum Beitrag der vorliegenden Arbeit verstanden werden. Die Diskursanalyse einer direkt dokumentierten Praxis lässt weder in diachroner noch in synchroner Perspektive, vor allem jedoch in ihrem engagierten reflexiven Praxisbezug nur weniges vermissen. Es handelt sich um eine unüberschätzbar methodensichere sowie informationsergiebige Arbeit von Martina Leeker und Söke Dinkla, zweier der führenden Figuren des betreffenden deutschsprachigen sowie internationalen Diskurses. Mehr noch als die aktuellen tanz- und medienhistorischen Beiträge sachrelevanter AutorInnen gehören zu derer Hauptqualitäten vor allem die vorbildlich methodischen wie auch datenreichen Berichte und Interviews - samt fundierten theoretischen Implikationen. Obwohl ein auf Papier und Plastik eingeschränktes „Buch mit DVD-ROM“, zählt die Arbeit sicherlich zu den aktuellsten und weltweit ausgewogensten Versuchen im dynamischen Dreieck zwischen Kunst, Technik und Wissenschaft.<764>


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Die konkrete Absicht des von Dinkla und Leeker diskursiv erfassten und datenreich dokumentierten Essener Workshops sei eine an praktischer und pädagogischer Arbeit orientierte Modellierung für den hybriden Bereich zwischen Tanz und Neuen Medien gewesen, für die es in der vorangehenden Praxis kaum Vorbilder gegeben haben sollte.<765> Angesichts seiner lobenswerten propädeutischen bzw. pädagogischen Zielsetzung sollte dieses „Unterrichtsmodell für mediale Inszenierungen“ Lösungen sowohl für die installative als auch für die performative Variante der professionellen Kreativität im elektronisch (re)aktivierten konkreten Raum hervorbringen. Die neuen Technologien verändern laut Leeker nicht nur die Wahrnehmungsweisen des Menschen-im-Körper sondern auch die metaperspektivische Reflexion und Emotion dessen - das Denken und das Fühlen über den Körper. Der performative künstlerische Einsatz des Körpers vermag den problematischen, in Hinsicht auf seine Kopplung an Medientechnik konfliktreichen Körper noch besonders hervorzuheben, die radikalste Verschiebung erfolgt jedoch auf der reflexiven und höchstens noch auf der kinästhetischen Ebene. Die partizipativ betonten installativen Projekte im Spannungsfeld von (Kunst)Technik und Körper(Kunst) bieten jedoch für die BenutzerInnen/RezipientInnen eine direkte persönliche Erfahrung des Körpers im techn(olog)ischen Kontext, dem vielfach elektronischen Raum.

Die quellenspezifisch wie auch diskursiv etwas disperseren Beiträge Johannes Birringers - als einen praktisch breitbewanderten Theoretiker und zugleich diskursiv hochartikulierten Praktiker der Szene - qualifizieren sich durch ihre sachlich fundierte Argumentation und besondere interdisziplinäre sowie kulturwissenschaftliche Reichweite. Seine essayistischen Projektberichte sowie einige pointierte und breit kontextualisierte Dokumentierungen von Kommunikation zwischen den ProtagonistInnen der aktuellen Praxis vervollständigen einen stellenweise (und lediglich vorerst) diskursanalytisch motivierten Einblick ins vorgenommene Thema.<766> Komplementär dazu werden einige weitere zutreffende Stimmen von interdisziplinär arbeitenden wie auch (empirisch festhaltbar) reflektierenden WissenschaftlerInnen, Performance- und InstallationskünstlerInnen herangezogen, u. a. von David Rokeby, Scott deLahunta, Gretchen Schiller, Paul Sermon und Wayne McGregor sowie nicht zuletzt von der in den weitern Kapiteln diskursiv (3.2.) sowie praktisch (3.3., vgl. auch 2.3. bis 2.5.) zentral behandelten Gruppe Palindrome. In Antwort auf die auffordernde Konstatierung Martina Leekers bemüht sich die vorliegende Arbeit um einen ersten und vielfach mediengerechten Versuch der „Recherche zu einer diskursanalytischen ästhetischen Praxis“, „mit der die Produktivität von Kunst lesbar“<767> und zudem


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erfahrbar werden soll. Es könnte an diesem Punkt vorweggenommen werden, dass in einem solch interaktiven elektronischen Raum ein Maximum an menschlichem (Selbst)Erkenntnis- und Erlebnispotential zur Beantwortung der aktuellsten existentiellen und epistemologischen Fragestellungen aktiviert werden kann. Dies betrifft sowohl ProduzentInnen als auch NutzerInnen - samt allen Zwischenvarianten dieser oft vereinfachten Rollenzuteilung - innerhalb der hybriden<768> Neuform ästhetisch-technischer Kommunikation.

3.1.1 Technisierter und diskursivierter Tanz

Trotz etlicher Vorwürfe der Obsolenz auf dem internationalen Medientheorieparkett kann der Diskurs (vorerst als Komplex „tatsächlich realisierter sprachlicher Äußerungen“)<769> vom ganzheitlichen Körper eine interessante und sogar aktuelle Alternative zum weiterhin breit prämierten postmodernistischen Gedankengut bieten, nicht zuletzt in der ökologischen Perspektive einer kulturreflexiv hygienischen Wechselwirtschaft. Die Konzeption des sprachlich oder medial zerredeten oder zerstückelten Körpers erlaubt zwar eine kognitiv-reflexive Hinnahme der (de)konstruktivistischen Bedingung per se, gerät jedoch in Konflikt mit der (üblicherweise immerhin kohärent) erlebten sensorischen Materialität des Körpers, sobald dieser zur konkreten Handlung eines konkreten (sich selber beobachtenden) Menschen eingesetzt wird. Und selbst dieser Bruch erfolgt bei näherer Betrachtung lediglich zwischen den monologisierenden Varianten von Körpertheorie und Körperpraxis. Der hier zu untersuchende Bereich verweist bereits auf ausgereifte Bedingungen für einen (wahrhaft noch dünnhäutigen) „Versöhnungskörper“ zwischen den Monodiskursen des modernen und des postmodernen Gedankenguts (siehe weiterführend Kapitel 3.2.1.2.). Jedenfalls wird kaum ein Mensch leugnen können, dass der Körper (egal ob in totaler oder partikularer Perspektive) eine unabdingbare Instanz der Kommunikation ist. Eine hochkomplexe Kommunikation im maschinellen Kontext muss als solche auch herangegangen werden:

“Discourse on the body tends to rely on familiar political notions of subjectivity, identity, knowledge, power, nature etc., filtered through the lessons learnt from Foucault and recent feminist and performance theory. The conjunction of dance and technology, however, points away from the individual body to techniques of the machine and complex human-technical involvements which cannot be left to techno-scientific accounts alone.“<770>

Die Tatsache, „dass wir uns gegenwärtig in einer Phase der Transformation von einer


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Kultur der Repräsentation zu einer Kultur der handelnden Teilnahme befinden, in der die digitalen Medien zu identitätsstiftenden Maschinen werden“,<771> wird im aktuellen wissenschaftlichen Diskurs allzu oft übersehen, obwohl sie seitens der Praxis bereits seit langem vielfach unterstrichen wird. Die große Mehrheit von (praxisnahen, meistens auch persönlich involvierten) AutorInnen - besonders noch im Bereich des „dance-tech“<772> - spricht und schreibt immer noch von ihren Produkten als von abgeschlossenen Entitäten, die am interaktionsarmen Simplex-Prinzip „dargeboten“ werden können. Viele dieser „Stücke“ enthalten jedoch interaktive bzw. partizipative Momente als wesenhafte Elemente ihrer kommunikativen Handlung und ästhetischen Konzeption. Für die anderen kann zumindest ein Minimum an Interaktivität durch die Kinästhetik des physisch konkreten, am selben Ort anwesenden Körpers-im-Raum angenommen werden. Immer noch selten sind dagegen diejenigen, die der komplexen dialogischen Kommunikation auch auf dem Niveau des konkret Körperlichen Rechnung im ausreichenden Umfang tragen wollen - wozu einzelne Akzentsetzungen der vorliegenden Argumentation nachkommen sollen. Sowohl in theoretischer als auch in praktischer Arbeit bleibt die Prozesshaftigkeit weiterhin ein hohes Telos, das eben in den Mischbereichen der beiden Disziplinierungen am erreichbarsten erscheint.

Laut Söke Dinkla ist unser Körper (seine Wahrnehmung, Diskurs und Praxis) durch die „Kulturtechnik“ der digitalen Medien bereits radikal verändert worden. Da es also wenig sinnvoll erscheint, auf alten Annahmen zu beharren, biete gerade die „intermediäre Kunst zwischen Tanz, Theater und bildender Kunst“ die Modelle für eine zukunftsoptimistische Untersuchung und Erprobung des i. o. S. neuen Körpers in neuen Räumen. Nicht nur die Bühne, sondern auch der Galerieraum werden zunehmend zum Environment, wo die traditionellen Kommunikationsbedingungen zwischen materiellen und virtuellen Objekten, zwischen verschiedenen Körpern nicht mehr standhalten. Hier sei angemerkt, dass eine solche Tendenz im öffentlichen (künstlerisch oder zumindest breit kreativ besetzten) Raum erst heutzutage in einem solch prägnanten und kulturrelevanten Ausmaß zur konkreten Umsetzung kommen kann.<773> Durch die Elektronisierung des Raumes mit neuem, komplexerem und wesentlich konzipierbarem Reaktivitätspotential erfolgt auch eine radikale


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Neubestimmung der Konzepte „Interaktion“ und „Schnittstelle“ - sowie ihrer praktischen Umsetzungen (Kapitel 1.3.), dies sowohl in ihrer materiellen, physischen als auch in der informatischen bzw. semiotischen Auffassung, die aber auf eine weiterhin tragende Spannung zwischen dem praktischen und dem theoretischen Aspekt des Körper-im-Raum verweisen (3.3.2).

3.1.1.1 Neue Momente des Tanzes: Partizipation und Telematik

Die NutzerInnen haben nicht nur einen zunehmend engen tagtäglichen Kontakt mit Technik, sondern werden auch in künstlerischen „Ausnahmesituationen“, so Dinkla, zu „Mitbestimmenden“. Neben einer zielgerichteten lokal- und milieu-gebundenen „Publikumsschulung“ kann heutzutage zunehmend mit einer allgemeineren Medienmündigkeit und Technikbeherrschung tatsächlich und (nicht nur) innerhalb künstlerischer Interaktionskonzepte gerechnet werden. Neben des technisch immer intensiveren und komplexeren (sowie als solchen reflektierten) Alltagslebens werden zumindest die gewöhnlichen (Kommunikations)Kodes und (Benutzungs)Programme - etwa die sog. Windows- bzw. Desktop-Logik - wie auch zahlreiche Standardschnittstellen (z. B. Maussteuerung, Telefoniestandards usw.) im Prozess einer Allgemeinbildung und Sozialisierung durch Partizipation an der Durchschnittsnutzung innerhalb einer Medien(technik)kultur angeeignet. In dieser Hinsicht gibt es kaum Unterschiede zwischen der alltäglichen und der künstlerischen Benutzung neuer Technologien.

Das Prinzip der Repräsentation verschiebt sich laut Dinkla von der Relation Autor-Rezipient auf die Relation „Nutzer-System“, wo die AutorInnen (des Systems bzw. der Performance) nunmehr die Mitspielerrolle übernehmen. Den KünstlerInnen/AutorInnen wird durch Echtzeit-Interaktivität höchstens noch die Rolle eines Systemstabilisators überlassen, je nach dem jeweiligen Grad der aktiven Partizipation können sie das System (in Echtzeit oder auch jeweils im Nachhinein) steuern, modifizieren, oder erweitern. Dabei geht ihr (elitäres) Schöpferprimat also nicht unbedingt verloren, sondern verlagert sich zeitlich bzw. örtlich in die Richtung der dynamischen (interaktiven) System- bzw. Kunstwerkentwicklung. Der Fokus auf den Rezipienten steigt dabei manchmal bis zu einer Vermischung oder sogar zum Austausch der Rollen in gesteigerter Kooperativität am Kunstwerk. Je nach der jeweiligen Zielsetzung bietet es sich allerdings öfters als erwartet, eine breitere Öffentlichkeit in die Planungs- und Entstehungsphasen des jeweiligen Projekts durch diverse interaktive bzw. kommunikative Strategien einzubinden.

Eine weitere wichtige Umdimensionierung erfährt der neutechnologisch bedingte Körper-im-Raum zweifelsohne durch „Telematik“.<774> Etliche medientechnologische Entwicklungen ermöglichen eine informative und sogar physische (jedenfalls informatisch übertragene) Wirkung-auf-Entfernung, die den Menschen im Sinne einer


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McLuhanschen funktionalen Extensivierung mehrfach ermächtigt.<775> Den allzu oft beteuerten Verlust des Raumes und seiner physischen Qualitäten im Sinne Virilios bzw. Weibels<776> wiederstrebt die elektronisch-digitale medientechnische „Besetzung“ des Raumes mit seiner Erweiterung am Ort - eben nicht nur im virtuellen Sinne, sondern vor allem als Möglichkeitserweiterung in interaktiven/kommunikativen Beschaffenheiten des konkreten Raumes. Dazu kann die informatische Vernetzung bzw. Reich-weite des Datenraumes nur noch angerechnet werden. Das Verschwinden von Entfernungen verbleibt i. d. S. lediglich auf der Ebene der Information und lässt auch (oder insbesondere!) in seinen pessimistischeren Lesarten besonderen Freiraum zur künstlerischen bzw. kreativen Auswertung:<777> Es kann zwar tatsächlich nicht nicht kommuniziert werden,<778> es müssen aber dazu auch nicht unbedingt alle (medientechnische) Register gezogen werden - dies rechtfertigt erst die kulturelle Dimension einer engagierten und optimistischen Medienpraxis (vgl. Kapitel 3.2.5.5.).

Die instrumentalisierende Selbstwahrnehmung der TänzerInnen in den internetbasierten Tanzprojekten führt öfters zu einer Angst vor der Übertragung des Körpers und seiner (repräsentierten) Kommunikationskanäle ins bzw. durchs Internet. Dort sei der Körper als Instrument nicht mehr vollständig kontrollierbar, weshalb die parallelen Netzübertragungen öfters zu Ausstrahlungsplattformen für die offline entstandenen abgeschlossenen Choreographien werden.<779> In einer live Übertragung durch das Internet ist der Körper nunmehr auch in seiner Materialität online, gleichzeitig jedoch auch „onsite“ anwesend:

“Even more crucial is the recognition that live performance, unlike synthetic computer-generated environments (including the avatars of the game worlds) brings corporeality as real material into tele-technologies and, via the streams, to a real remote physical location.“<780>

Andererseits frustriert die telematische Dimension (genauer ihre Reflexion) den Menschen aber mit einer verminderten bzw. unerreichten Multisensorik<781> der


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(komplex physisch aufgefassten)<782> gewöhnlichen, alltäglichen Präsenz-Kommunikation, die den begrifflichen Wunschversprechungen der „Telepräsenz“ nicht nachkommt. Da dies nach wie vor auch als starker Motor der Kommunikationstechnologiebranchen konstatiert werden kann,<783> bietet sich in dieser Hinsicht ein ergiebiger Spielraum zur Unterwanderung und Reflexion der hi-tech Euphorien. Laut Johannes Birringer verbirgt der Bereich der telematischen Performance zukunftsträchtiges Potential zur (industriell nicht unbedingt abhängigen) Innovation von ganzkörperlicher und dynamischer Kommunikation auf Entfernung, da nicht nur kognitive Daten, sondern auch affektive Impulse technisch übertragbar werden: „In the future we may have to become the software designers for telematic movement interaction, so that the weight of contact can be shared across distance, and emotional resonance affected.“<784> Wenn es um die Verarbeitung von analogen „Daten“ aus der materiell-manifesten Welt geht, arbeiten die heutigen elektronischen Systeme jedenfalls noch mit großer Datenreduktion,<785> was bisher als selbstverständlich angenommen und in der Regel sogar als poetisches bzw. künstlerisches Prinzip umgesetzt wurde. Nun bieten sich weitere Möglichkeiten der Informationsverarbeitung im telematisch entfernten und elektronisch erweiterten (konkreten-cum-digitalen) Raum, die vorerst zumindest mit einem minimalen unmittelbaren Bezug zum konkreten und (als solchen) ganzheitlichen Körper arbeiten

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müssen.<786>

Auch die Essener Workshopreihe widmete dem Thema gleich zwei von drei Veranstaltungen, die sich vor allem mit „ästhetischen Möglichkeiten telematischer Choreographien“<787> beschäftigt haben sollen. Unter Betreuung des einschlägigen Medienkünstlers Paul Sermon<788> hätten die TänzerInnen etwa die „grundlegend neuen Bewegungsgewohnheiten“, „das Entdecken des telepräsenten Körpers und Partners sowie die Entwicklung eines neuen Körperbewusstseins in telepräsenten Räumen“<789> untersucht, wogegen der computeremanzipierte Choreograph und Tänzer Wayne McGregor<790> „choreographische Strategien für telematische Räume“ lieferte. Obwohl beide Künstler bewusst (und teilweise wertvoll reflektiert)<791> in einem künstlichen bzw. ingenieur-technischen Kontext schaffen (videobasierte Installation, computerunterstützte Choreographie), versuchten beide, den Bezug auf die (televisuelle, computervernetzte) Alltagskultur und ihre mediale Praxen zu behalten und rücken somit wegen ihrer intensiven Beschäftigung mit dem menschlichen Körper-im-Raum in den Fokus dieses Kapitels. Ihre diesbezüglichen Kontexte sollen deshalb im Weiteren gründlich untersucht werden.

Die Erweiterung der (lokalen) digitalen Technologie mit angeblich niedrigerem zwischenmenschlichen Kommunikationswert um die kulturtektonisch relevante Dimension des global vernetzten Computers bestimmt gleichzeitig auch die gängig denkbare Komplexität, die einen äußerst breiten kreativen Möglichkeitshorizont zuzulassen scheint. Die Momente elektronisch basierter Telepräsenz bzw. Telematik sowie die dadurch gesteigerten Möglichkeiten der Teilhabe am örtlich entfernten Geschehen scheinen in den letzten Jahrzehnten beinahe periodisch an kreativen sowie kulturrelevanten Moment zu gewinnen. Von E-Mail-Art der 60er über künstlerische Telepräsenz-Experimente der 70er und 80er (global vernetztes Video und Fernsehen) bis zu den multimedial tauglichen Computernetzwerken der 90er Jahre und den allgemeinen, transkulturellen Hypermedia-Hype der letzten Jahre erstreckt sich die Geschichte der künstlerischen Auseinandersetzung mit Teletechnologien.<792> Diese, entlang einer ansteigenden Partizipativität(smythologie),


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schreibt in der hier darzulegenden Praxis ein neues relevantes Kapitel.

3.1.1.2 Digitalisierende Diskurse

Die in ihrer Konzeption wie auch Methode bisher einmalige<793> Publikation (Buch und DVD anhand intensiver Kooperation am Workshop) von Martina Leeker und Söke Dinkla sollte mit ihrem expliziten Praxisbezug keinesfalls nur als bloßes Dokument rezipiert werden, sondern sowohl den kultur- und technikhistorischen wie auch den diskurstheoretischen Kontext für die weitere Workshoppraxis, somit natürlich für die dazugehörende Theoriebildung und Reflexion liefern. Die Vision der Arbeit gründe auf vorsichtiger, genau kontrollierter und pointierter Diskursivierung der Betretung und Untersuchung eines Neulands<794> für den sinnstiftenden und bewegten Körper im technologisch besetzten Raum. Wichtig dabei ist, dass diese bisher stark mythisierten - weil kaum persönlich erfahrenen und erfahrbaren - Bereiche nun den sowohl theoretisch als auch praktisch Nichteingeweihten (generell Laien sowie andersdisziplinären Profis) näher gebracht werden sollen. Zumindest aus Dinklas Perspektive sollte dabei (nur) das Digitale merkwürdigerweise nicht als Medium sondern eher als pädagogische und grundsätzlich entmystifizierende Methode einbezogen werden. Die vorliegende Arbeit versucht den mit unschätzbaren Pioniergeist versetzten Bemühungen der beiden Autorinnen durch (multi- bzw. hypermediale) Weitermodellierung sowie insbesondere durch praktische Realisierung einiger ihrer Ansätze nicht nur einfach gerecht zu werden. Durch die Heranziehung des konkreten menschlichen Körpers im (konkreten) elektronischen Raum<795> treten stellenweise auch einzelne Korrekturen der medientheoretischen Perspektivensetzung wie auch nötige begriffliche Präzisierungen und praktische Ergänzungen ein. Die Konvergenzen zwischen dem digitalen Computerkode und dem analog (im)pulsierenden Körper werden von den beiden Autorinnen in diesem durch Videodokumentation komplementierten Worttext<796> bei genauerer Betrachtung immerhin bereits ansatzweise erfasst. Die vorliegende Arbeit nimmt sich nun vor, einige weitere methodische Neuerungen und fruchtbare inhaltliche Querverweise


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durch einzigartige Ausführung dieser Ansätze vorzuzeigen.<797>

Als das möglicherweise problemreichste Feld einer solchen „Methodisierung“ der digitalen - diesbezüglich genauer elektronischen<798> - Technik erscheint die konstruktivistisch-linguistische Reduzierung eines solchen (Bühnen- bzw. Installations)Raums auf ein „System von Zeichen, derer Programmierung seinen Charakter ausmachen“, die sich m. E. öfters in einer hierarchisierten und kontraproduktiven kommunikativen Ordnung innerhalb einer Arbeitsgruppe wiedererkennen lässt.<799> Als Strategie sollte Analoges diesem offenbar primär kognitiv besetzten Raum laut Dinkla sogar fremd liegen!<800> Es handele sich hier auch nicht um eine Repräsentation (im traditionellen mimetischen Sinne), sondern lediglich um eine kode-generierte Realität, die in der linguistischen Natur des digitalen Bühnenraums liegen sollte. Der enge Entscheidungsraum der Minimalkodierung<801> zwischen „0“ und „1“ bestimme auch die choreographischen Strategien, wogegen von einer diesartigen


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konzeptuellen Beeinflussung der BenutzerInnen (etwa eines installativen Environments) nichts erwähnt wird. Auch hier bleibt das linguistisch gebundene Konzept auf der Seite des (traditionell aufgefassten) Autors bzw. Autorin und überträgt sich nur schwach - wenn, dann meistens unter Voraussetzung einer expliziten Diskursivierung<802> - auf die analog und primär körperlich/räumlich/emotional Partizipierenden bzw. Kollaborierenden. Problematisch dabei erscheint noch die von den erwähnten Autorinnen totalisierte Teleologie der „Sinnstiftung“, die öfters als das einzigste Ziel und Zweck der Praxis postuliert wird. Wiederum kann die Gewichtigkeit von Strategien und Möglichkeiten der „Bedeutungskreation im semiologischen Kontext“ nicht geleugnet oder gar negiert werden - es bietet sich lediglich eine integrative Position zu Konzepten des Linguistischen/Digitalen mit dem Körperlichen/Analogen! Die Frage steht jedenfalls offen, ob und wie das multimediale körperliche Kommunikationspotential im elektronischen Raum jenseits enggestellter linguistischer, semiotischer und informatischer Ansätze zu untersuchen und zu erfahren, wohl auch zu „diskursivieren“ und zu „verräumlichen“ (inszenieren, installieren) wäre. Einige Vorschläge dazu sollen im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit geliefert werden. Der Mythos der totalen Digitalisierung, der die Beherrschung des Kodes als absolute Bedingung der (Um)Weltkontrolle postuliert - das bekannteste Beispiel ist wohl die Filmtrilogie „Die Matrix“<803> - soll hier mit konkreten Vorschlägen samt einigen praktischen Interventionen entgegengewirkt werden.

3.1.1.3 Von digitaler Sinnstiftung zu analoger Körperkollaboration

Besondere Aufmerksamkeit sei an dieser Stelle noch einmal dem (die obere Diskrepanz offenbar radikalisierenden) Begriff der „Sinnstiftung“ gewidmet, nicht zuletzt weil Dinklas Auseinandersetzung mit dem Konzept einige symptomatische Konstellationen hervorhebt, die hilfreiche Bezugspunkte für die weitere Argumentation ergeben. Das innerhalb solch einer „digitalen“ Konzeption zweifelsohne unproblematische Konzept zerlegt die Autorin in drei kommunikative Akte: Als Zielsetzung in der Kommunikation zwischen Choreograph und Technologie - etwa nach dem kommunikativen Prinzip von one(person)-to-one(system) - jenseits von „vermeintlich unversöhnlichen Dichotomien“ erscheint es ihr offenbar sinnvoll, das Erlernen von Software in den Vordergrund zu stellen, wobei die eigene „Tanzsprache“ dem Möglichkeitsrahmen der Software angepasst werden sollte.<804> Dem wäre mindestens noch ein Wunsch nach interaktiver bzw. beidseitiger Beeinflussung von Software sowie von choreographischer Konzeption beizufügen, die entweder durch Flexibilität und (funktionale wie auch ökonomische) Zugänglichkeit von Software-als-Produkt (etwa nach dem Prinzip des „Open Source“)<805> oder aber unter Mitarbeit von SoftwareentwicklerInnen (etwa als Kooperation,<806> zunächst unter AutorInnen)


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vorstellbar wäre. Zunehmend wächst auch der Bedarf nach einer gleichmäßigen Beherrschung von Hardware seitens der ChoreographInnen/TänzerInnen/KünstlerInnen, da ebenfalls die konkrete, körperliche/räumliche Technik durch kontrollierte bzw. begleitete und reflektierte Manipulation zum effektiven künstlerischen Mittel - leider manchmal auch zum blindverfolgten Ziel-an-sich<807> - werden kann. Darüber hinaus kann manche Hardware intuitiv (weil körperlich und ohne an den Intellekt-gebundener Standardschnittstellenvermittlung, vgl. Kapitel 1.3.1. bis 1.3.3.) erfahren, gelernt und relativ schnell auch „einverleibt“ werden, wogegen bei Software in der Regel mit längeren Aneignungszeiten (wegen Schnittstellenschulung, ebd.) zu rechnen ist.<808> In der letzten Zeit bauen viele technik-, körper- und raumkünstlerisch motivierte Workshops richtungsweisend auf einem ausgewogenen Prinzip zwischen Soft- und Hardware auf oder versuchen sogar für den bisherigen Mangel an hardware-zentrierten Diskursen und Praxen aufzukommen, um eine Überbetonung von Software aus dem vergangenen, vielleicht etwas „softwareeuphorischeren“ Jahrzehnt zu balancieren.<809>

Beim zweiten kommunikativen Akt zwischen ChoreographIn und TänzerInnen nach dem „one-to-many“-Prinzip sollten laut Dinkla „die Tänzer ihre Rolle als ausschließlich Ausführenden überschreiten und selbst choreographische Fähigkeiten entwickeln,“ was seitens des Choreographen bzw. des Systems durch das „Schaffen eines offenen Interpretationsfeldes für Tänzer“<810> unterstützt bzw. vermittelt werden sollte. Der dritte kommunikative Akt zwischen dem digitalen Bühnenraum und seinen RezipientInnen wendet sich an techn(olog)isch kompetente TeilnehmerInnen am Kunstwerk, sowohl „intelligible Tänzer“ als auch „kompetente Zuschauer“. Nicht nur die DarstellerInnen/TänzerInnen und/oder AutorInnen/SystementwicklerInnen, sondern vor allem die Besuch-/Benutz-/ZuschauerInnen sollten durch eigene Kompetenz zu einer interaktiven Offenheit des Kunstwerks-als-Event wesentlich beitragen können. Durch die Überlagerung der Bedeutung auf das gesamte (einmalige,<811> lokale bzw.


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glokale) Setting entziehe sich aber solche Kunst jedem Kommentar und jeder Wertung, was vor allem im Bereich des Tanzes offenbar zu einer diskursiven Entlastung führen sollte. Zumindest aus linguistisch und kognitiv eingegrenzter Perspektive initiiert ein solcher Raum laut Dinkla wahrhaft neue intellektuelle, kaum jedoch konkret körperliche Erprobungsstrategien:

„Die Stärke des digitalen [und nur als solchen aufgefassten, P.P.] Tanzes liegt somit darin, durch die kognitiven Fähigkeiten der Tänzer/Performer einen neuen Wahrnehmungsraum zu entwerfen, dem ein gewandeltes Körperbild [jedoch nicht ein gewandelter Körper selber, P.P.] zugrunde liegt.“<812>

Für eine vollständige Beschreibung der hochkomplexen menschlichen Aktivität im (selten nur digitalen) Raum, bedürfte es zweifelsohne weiterer Aspekte der multimedialen Immanenz des Menschen - und der Maschine. Das körperlich-räumliche Kreativitäts- und Kommunikationspotential des Menschen müsste mindestens noch durch die am Körper als analogem hochkomplexem Ganzen ansetzenden Strategien erörtert werden. Die materielle Immanenz des Körpers spiegelt sich in seiner physisch-elektronischen Kommunikation mit bzw. durch die Technik, die nicht zuletzt auch seinen digitalen Spiegelbildern zugrunde liegt. Sowohl der theoretischen als auch der praktischen - genauer nur einer solch gemischten - Referenzvariante des Diskurses entspringt immer wieder die Erkenntnis, dass alleine durch Komplexitätsreduktion (hier „Datenreduktion“, „Digitalisierung“, „Kodierung“, „Sinnstiftung“) dem kreativen Körper-im-Raum nicht beizukommen ist.

Das natürlich-komplexe und prinzipiell inklusive Paradigma entdeckt Dinkla aber nicht ohne vorerst durch diverse postmodernistische Axiome denken zu müssen: in solcher Tanzpraxis gäbe es polyvalente Bedeutungsfelder anhand von einer Überfülle an möglichen, mit einander ständig kollidierenden Bedeutungen und ihrer kontinuierlichen Neukombination/Reorganisation, die wiederum die Wahrnehmungsfelder und Körperbilder wandeln lassen sollte. Solch ahierarchisch vernetztes System biete demnach die Möglichkeit zur Erprobung verschiedener Identitätsmodelle und Kombination bzw. Hybridisierung von Körperkonzepten. Durch diese „Rhetorik des digitalen Tanzes“ findet Dinkla letztendlich zu einer wichtigen theoretischen Balance, die eine „post(post)moderne“ Tanzkunst mit neuen Kommunikationsmodellen zusammenführen könnte: Aktive Beteiligung anhand kinästhetisch-reflexiver Rezeption stimuliert die eigene Produktion. Darum baut sie auf einer überwiegend praktischen Versöhnung zwischen (analoger) Natur und künstlichem (künstlerischem) Kode auf, die einen wahrhaft gemischten theoretischen Diskurs und eine ebensolche Praxis ermöglicht:

„Die Körper im Tanz sind mit Bedeutung und Energie geladene Teilchen; sie spielen mit ihrem Zustand zwischen Natürlichkeit und Codierung. Das Oszillieren zwischen diesen beiden Zuständen macht die neue Tanzästhetik aus. [...] An die Stelle des gewöhnten Kunstgenusses tritt so ein Zustand zwischen Perzeption und Aktion, der dem oszillierenden Zustand der Tänzer ähnelt und so ein Sich-wieder-erkennen ermöglicht.“<813>


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3.1.2 Geschichten von Tanz und Technologie

Seit seinen ersten Befreiungsversuchen von den Mustern eines elitärkulturellen Traditionalismus erweist Tanz als Kunstform, in seiner formal-ästhetischen sowie kultur-reflexiven Aspiration, eine beinahe paradigmatische Ambivalenz zur Technisierung.<814> Am eindeutigsten wäre dies zuerst an der Jahrhundertwende zwischen dem 19. und dem 20. Jahrhundert historisch aufzuzeigen: Einerseits scheint sich der menschliche Körper der Tendenz zur Ersetzung und Kontrolle durch die Maschine zu währen: es wird - nachdem die Abhängigkeitsverhältnisse bzw. Spiegelungen kritisch festegestellt wurden - nach konflikthaltigen Gegenabhängigkeiten gesucht und vorerst auf den natürlichen Körper gesetzt (Körperkult und Körperreform, Ausdruckstanzbewegung, Gymnastik und Pantomime im Theater und Stummfilm). Vor allem die künstlerischen Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts zeigen sich andererseits von den Synergien zwischen Körper und Maschine begeistert und suchen nach konstruktiven Koexistenzformen: sowohl die zahlreichen Bühnenexperimente als auch choreo- und kostümographische Durchbrüche am Bauhaus, unter den Dadaisten und nicht zuletzt im Futurismus zeugen von einem fruchtbaren Austausch zwischen Körper(kunst) und Technologie. Ähnlich wie bereits die (elektrische) medientechnische Revolution am Anfang des 20. Jahrhunderts erbrachte die (elektronische und digitale) Computerrevolution neue Möglichkeiten für die Zusammenarbeit von TechnikerInnen und KünstlerInnen.

An der Schwelle des 21. Jahrhunderts manifestiert sich diese Affinität stärker als je zuvor und wird bereits von einer (breit zu beobachtenden) szene-internen kritischen Haltung gegen Technoeuphorie balanciert. Zum selben Teil des Diskursspektrums gehört auch die symptomatische Überbetonung der menschlichen Steuerungsrolle in seinem Umgang mit Maschinen, die als eine unzeitgemäße und prinzipiell mystifizierende Apparatisierung der Technik aktuell paraphrasiert werden könnte.<815> Das zunehmend symbiotische Moment von Mensch und Maschine im Alltag spiegelt jedoch eine lebhafte und überwiegend versöhnende, positiv-kreative Auseinandersetzung - eben auch im künstlerischen Kontext.<816>

Mit seltenen leuchtenden Ausnahmen wie Merce Cunningham oder William Forsythe wurde die tänzerische bzw. choreographische Arbeit mit dem Computer im


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erheblicheren Maße erst in den Neunziger Jahren für den Tanz entdeckt. Obwohl einige Bereiche der Bühnenkünste tatsächlich noch lange nicht - und vielleicht niemals umfassend - von Technik durchdrungen oder wesentlich beeinflusst werden (können), wäre eine generell konstant anwachsende (und nur periodisch sprunghaft intensivierte) Affinität der Tanzkunst zum Technischen historisch zu vermerken. Sowohl wegen Kopplung von Computer und Kommunikationsmedien wie auch angesichts der medialen und kommunikativen Öffnung der Bühnenkünste (zur jahrzehntelang vorexperimentierten Interaktivität)<817> erfahren Kunst und Technologie an der aktuellen Jahrhundertwende eine wahre kollaborative Klimax.

Die Frage, ob die das gesamte zwanzigste Jahrhundert durchdringende Ambivalenz zwischen Konflikt und Synergie von Tanz und Technik in der aktuellen Renaissance des „dance-tech“ endgültig aufgelöst werden kann, bleibt weiterhin offen. Positive Vorschläge können zweifelsohne den neuen, interdisziplinär kooperativen Arbeitsformen und den daraus erwachsenden gemischten theoretischen Ansätzen entnommen werden, wie z. B. das ontologisch einigermaßen erlösende Konzept der „Mixed Reality“<818> oder der in diesem Kontext epistemologisch entlastende Begriff der „Multimedialität“.<819> Immerhin müsste laut Martina Leeker - vorerst seitens der ProduzentInnen der Kunstwerke sowie des (wissenschaftlichen) Diskurses - die „Technikgeschichte als Mediengeschichte“ lesbar gemacht werden. Insbesondere in den interdisziplinären Zusammenkünften zwischen den Bereichen Tanz und Technologie sollte möglichst ein mediengeschichtlicher Zugang operationalisiert werden, um etwa

„an ausgewählten historischen Beispielen sowie anhand von Inhalten und Methoden eines Workshops zu zeigen, an welcher Stelle, auf welche Art und mit welchen Auswirkungen technische Effekte überhaupt erst zu inhaltlich-medialen, ein Unsichtbares vermittelndes und den Menschen spiegelndes oder ihn überhöhendes Dazwischen stilisiert werden.“<820>

Ausgenommen unter der Voraussetzung, dass der Körper in seiner Gesamtheit sowie in seinen einzelnen Extensionen/Intrusionen als Schnittstelle begriffen wird, können die unproduktiven Dichotomien zwischen Mensch und Technik (die weiterhin zumindest im geringsten Teil auch materielle Hardware einschließt) aufgehoben werden. In manchem Diskurs reduziert diese Vorannahme jedoch die „bio-logisch“ verträgliche, ökologisch gestaltete und programmierte (programmierbare) Technik zu einer bloßen kommunikativen Extension (Gleiches) des menschlichen Körpers, worin sie meistens in der unkommunikativen Verstärker- bzw. Vermittlerrolle fungiert. In der konkreten künstlerischen Praxis kommt sie jedoch immer öfter als ästhetisches und praktisches Ziel und Zweck (Neues) zur Geltung. Mit kulturell relevanter Technik (Technokultur) kann wieder einmal tiefe (jedoch engagierte, kulturwirksame) Pointe und hohe (jedoch partizipative, i. d. S. zugängliche) Kunst gemacht werden. Die


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anthropomorphe Interpretation der Technik als Extension des immanent biologisch Menschlichen reicht tatsächlich nur an eine unpräzise Beschreibung der computerbasierten reaktiven Systeme und stößt zudem auf eine unüberwindbare Barriere der hohen Komplexität bereits bei „echten“ interaktiven Systemen - wiederum hauptsächlich in ihrer künstlerischen Anwendung.<821> Viel prägender noch ist diese Kluft bei den örtlich hybriden, netzbasierten (globalen) und gleichzeitig intensiv „site-specific“ (lokalen), also glokalen Projekten, wo die hyperräumliche Extensivierung durch eine konkrete räumlich-körperliche Präsenz<822> entweder unterlaufen und hinterfragt oder eben (ästhetisch, semantisch) komplementiert und intensiviert wird.<823> (Vgl. zur „telematischen Performance“ Kapitel 3.1.1.1., weiterführend sowie zusammenfassend zum Thema Kapitel 3.2.2.)


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3.1.3 Kontrollmythos entmystifiziert: partizipative Ansätze der interaktiven Medienkunst

Quer durch den theoretisch wie auch praktisch bezogenen Insider-Diskurs wäre eine überraschende Abneigung dagegen zu konstatieren, Informationen an die (immer noch weitgehend als „distanziertes“ Publikum aufgefassten) BenutzerInnen zu liefern, die einen Blick hinter den Oberflächeneffekt eines technischen Systems gewähren würden. Viele lehnen eine detaillierte Erklärung (Installation, Performance) an das Publikum oder sogar ihr partizipatives Einbeziehen (Performance) geradezu ab, meistens befürchten sie den Verlust einer gewissen ästhetischen „Magie“.<824> Der körperliche sowie intellektuelle Ganzheits(erfahrungs)wunsch stößt bei diesem für den Bereich nahezu symptomatischen Thema auf die medienpolitische Frage über das Bedürfnis nach Mystifizierung. Die prinzipiell partizipativ angelegten interaktiven Installationen versuchen nur selten das System in seiner Technik durchschaubar zu machen, es werden höchstens (öfters bewusst irreführende) Benutzungsanweisungen angegeben: Solche Ansätze verschleiern oder verstecken sogar den technologischen Aspekt des künstlerischen Konzepts. Die (selten laut gestellte) Frage, warum und wie die Technik als ästhetisches oder konzeptuelles (kommentierendes, aktivistisches usw.) Mittel eingesetzt werden soll, lässt somit viel zu oft eine eindeutige Antwort bzw. eine genügende (Selbst)Reflexion auf der Seite der ProduzentInnen vermissen.<825> Insbesondere die performative Medienkunst bedient sich der Erklärungsstrategien in der Regel nur bei seltenen Ausnahmen (z. B. im Programmheft, seltener noch im offenen Dialog wie z.B. bei einer moderierten Publikumsbesprechung).<826>

Als positives Gegenbeispiel könnte ein Teil der Praxis des in dieser Arbeit (insb. Kapitel 3.2.) detailliert untersuchten Nürnberger Kollektivs Palindrome herangezogen werden. Bei einigen ihrer Performances bedienen sie sich der Einbeziehung des Publikums zur Verifikation bzw. Explizierung (Entmystifizierung) des Systems: es


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werden explorative Environments angelegt und strukturierte Spiele mit dem System für die BesucherInnen veranstaltet.<827> Darunter jedoch verbirgt sich mancher „kreativer“, in hier vertretener Hinsicht zweifelsohne auch „künstlerischer“ Aspekt solcher Bemühungen, die den Beobachter zum Benutzer, die Rezipientin zumindest teilweise zur (Ko)Produzentin zu aktivieren suchen. Der Vorwurf von Kerstin Evert, dass bei Palindrome „[s]tatt zu versuchen, das System als ästhetisches und dramaturgisches Instrument zu benutzen, das technische Funktionieren ausgestellt [wird]“<828> greift zumindest nur einseitig, indem es das wichtige emanzipative und entmystifizierende Moment auf der Seite der RezipientInnen nicht qualifiziert. (Siehe weiterführend die abschließende Argumentation im Kapitel 3.2.5.4.)

Wenn sich die neue Bühnenkunst des Ballasts der (elitärkulturellen) Moderne auch tatsächlich entledigen möchte, dann sollte sie nach dem Modell der partizipativ prinzipiell offenen interaktiven Installation auch in der performativen Praxis (und ihrer Pädagogik!) das technisch stets besser bewanderte Publikum intensiver einbeziehen. Nicht unbedingt müssen Einblick und Eingriffsmöglichkeit in die technischen Systeme nur für die Tänzer, Schauspieler, Choreographinnen, Regisseurinnen und Techniker reserviert bleiben. Das Miteinbeziehen der RezipientInnen (zu KollaborantInnen bzw. KoproduzentInnen) kann - unter richtiger Koordination und vorsichtiger Planung - radikal neue, kunst- und medienstrategisch wichtige Momente der sozialen bzw. kulturellen Erneuerung herbeiführen. Die Einbeziehung der Öffentlichkeit und Förderung des (zugegeben selten unproblematischen)<829> interdisziplinären Austauschs mag für viele, nicht nur künstlerisch-technisch-wissenschaftlich hybride Bereiche durchaus positive Auswirkungen haben.

Richtungsweisende Einblicke etwa in die diskursiv geregelten und intensiv reflektierten Rundtischgespräche wie auch in die Entstehungs- und Produktionsphasen der hybriden Kunst, die etwa in den Workshops, genauer in den Dokumentationen und Reflexionen von „OSU Dance“<830> zu verfolgen sind, zeigen weit über eine traditionelle Diskurskultur sowie Produktionsästhetik hinaus. Diese technisch und ästhetisch ansprechenden, trotzdem immer noch durch Erklärungen angemessenen und öffentlich zugänglichen Diskurse (oft von dezidiert dialogischer Qualität, vgl. Kapitel 3.3.3.1.) erweitern die Konzepte der rezipientInnenorientierten ästhetischen Theorie und Praxis um ein wichtiges, explizit partizipatives bzw. kollaboratives Moment.<831> Es bleibt jedenfalls abzuwarten, ob solche Praxis auch lokal und sozial den hermetischen Kreis des Labors bzw. des Hi-Tech-Theaters (computerisierte, „intelligente“ Bühne) mit ihrer virtuellen Produktivität auf längere Zeit zu durchbrechen vermag, damit solche Visionen auch in anderen Bereichen der interdisziplinären Kooperation effektiv umgesetzt werden können. Trotz zahlreicher ungelöster Probleme wie etwa aufwendige Finanzierung oder institutionelle (meistens


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interprofessionell-kommunikative) Inkompatibilität kann in den letzten Jahren eine erste Persistenz festgestellt werden. Unter der Voraussetzung einer weiterhin intensiven internationalen und interinstitutionellen Kooperation könnte schon bald mit einer sicheren Kontinuität und unvermeidlichen positiven Konsequenzen für die breitere Kultur im pädagogischen sowie künstlerisch-produktiven, also nicht mehr unbedingt elitärinstitutionellen und i. d. S. letztendlich „ökulogischen“<832> Sinne gerechnet werden:

„This process will be conducted by teams of artists and engineers from different disciplines, and most likely we will see a growing number of dance works in the future not originated in dance departments or dance companies, but arising from projects that are done as collaborations in labs and alternative venues.“<833>

Die überwiegend statisch-automatische installative Kunst könnte dagegen einiges von ihrem performativen Pendant für die eigene Regenerierung zur Erwägung ziehen.<834> Die körperliche bzw. mentale Kopräsenz von TeilnehmerInnen am Kunstwerk (nach der vereinfachten Formel „Autor = Rezipient = Benutzer“) kann zwar durch die telematische Bedingung (produktiv oder kontraproduktiv) konterkariert werden, jedenfalls muss der Benutzer nicht mehr unbedingt ein passiver Spielball des Kunstwerks sein. Dynamisch zu rezipierende, prozesshafte Kunstwerke erweisen eine optimale Ausnutzung der kommunikativen und kreativen Möglichkeiten des Menschen, die wirklich selbstgenügsamen (kommunikativ bzw. interaktiv geschlossenen) technischen Systeme bleiben weiterhin selten.<835> Doch eben auch


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das direkte Feedback, das die Rollen im ästhetischen Kommunikationsmodell dynamisch austauschen und die „Bedeutung“ bzw. das „Erlebnis“ revidieren soll, kann zu einer positiven Leitlinie für die installative Medienkunst werden!<836> Besonders jenseits von Galerie, Museum und Festival bahnt sich ein solches Konzept der interaktiven öffentlichen Kunst den Weg in die tatsächliche Öffentlichkeit, zur breiten Masse der potentiellen BenutzerInnen, die gleichberechtigt an ihm teilnehmen können. (Siehe das programmatische Konzept des „Neonaturalismus“ unter 3.2.5.5.).

Es stimmt also größtenteils Kerstin Everts Annahme, dass diese Praxis niemals wirklich frei sein kann „von dramaturgischen und konzeptionellen Setzungen durch die Künstler, die diese Situationen zur Verfügung stellen und damit einen Rahmen vorgeben, innerhalb dessen bestimmte, nach Modell variierende Reaktions-Freiräume des Publikums mit angelegt sind.“<837> Eine Gegentendenz, die die „Reaktion-Freiräume“ zu „Interaktion-Freiräumen“<838> macht, wäre einer solchen Realität als ideale Leitlinie immerhin an die Seite zu stellen - zumindest um den oft gelobten künstlerischen Selbstbefreiungsprozess nicht in einem verzauberten historischen Kreis zu führen. Dies könnte aber auch als eine wirksame Strategie zur Entlarvung des ohnehin paradoxen Kontrollmythos sein: es kann kaum mehr geleugnet werden, dass die Kontrolle des (individualisierten wie auch generalisierten) Menschen über seine Technik durch das gesamte 20. Jahrhundert grundsätzlich vermindert wurde, sowie dass dieser Prozess trotz zahlreicher ästhetischer, pädagogischer, politischer und sonstiger Intervention immer noch unverändert bleibt: die exponentielle Technologisierung der Menschheit zeigt sich historisch beinahe konstant.<839> Im Argumentationsfeld eines Mythos der „verlorenen kommunikativen Unschuld“ versteht sich der Mensch nun auf der Suche nach ihrer Wiedereroberung, die sich erst in einem aufgelockert dynamischen, oszillierenden Spannungsverhältnis zwischen Kontrollsubjekt und -objekt aufzulösen scheint. Indem zugegeben wird, dass die Kontrollierenden von den Kontrollierten in solchen Systemen immer schwieriger auseinander zu halten sind, mag es spontan zu einem wichtigen kollektiven Perspektiven- und Praxiswechsel kommen, der aus einem erhöhten Verständnis und einer vertieften Intuition für den allumgebenden technischen „Apparat“ eine neue Qualität schöpfen könnte. Die Überführung der letzteren in strategisch begründete, effektive - weil nicht nur, sondern auch affektive - Programme ergibt sich als eine der Hauptaufgaben der aktuellen interdisziplinären Kooperation. Damit dürfte ein weiterer, technikoptimistischer Versuch eingeleitet werden, den Resignationsgedanken vom „Ausgeliefertsein an die Technik“ und den daraus erwachsenden Schluss auf eine bloß „vermeintliche“<840> Mitbestimmung zu konterkarieren - natürlich wiederum mit einem entsprechenden Gegenmythos!

Den wiederkehrend manifesten Drang zur Ganzheitlichkeit der Beziehung zwischen Körper und Technologie konstatiert Evert als das letzte Überbleibsel der traditionalistisch modernistischen Denkweise, die weiterhin unter dem Mythos der anthropomorphen Technik leide und ruft zur konstanten historischen Reflexion der


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„intermedialen Wechselwirkungsprozesse und -potenziale“ auf.<841> Dabei scheint sie den für einen beträchtlichen Teil der „dance-tech“ Szene prägenden (Rück)Drang zu einer neumedial emanzipierten Ganzheitlichkeit offenbar zu überschauen, stellenweise schlicht für falsch zu halten. Das konfliktreiche Verhältnis zwischen Mensch (in seiner ganzheitlichen Autoepistemologie) und Maschine (in ihrer partikularisierten Ontologie, als Kreation des Menschen) nährt innerhalb einer hybriden Kultur nicht nur die Kunst, sondern auch die Wissenschaft mit Fragen nach Sinnstiftung (Dinkla) und Ästhetik (Leeker). Die diskursive Bedingtheit dieser Thematisierungen ruft tatsächlich zu einer aufmerksamen Rückverfolgung und vorsichtigen Neuentfaltung der (feld)verwandten Konzepte und Konzeptionen, die sowohl in ein ganzes Jahrhundert entfernter als auch in unserer jüngsten Vergangenheit durch ihren Gebrauch unterschiedlich geprägt wurden. Stets beeinflussen sie aus ihrer dualistisch (kognitiven und) körperentfremdeten Position das menschliche Schaffen in Zeit, Raum und Körper. Darum müssen sie auf denselben Ebenen reflektiert und als solche intensiv und vollständig, jedoch wiederum durch subtile Strategien „einverleibt“ werden. Der ideelle Gesamtmensch findet somit gleichwohl zu einem entsprechend wortlosen Diskurs - oder sogar zu einer erfolgreichen hybriden und/obwohl dialogischen Kommunikation zwischen symbolischen Kopf und Leib.<842>

Freie Spielräume zur Untersuchung und Erprobung dieser oft unheimlichen, obwohl immer wieder aktuellen Momente müssen deshalb immer wieder geschaffen und erhalten - wie auch stets revidiert werden. Ein solche Programmbildung zielt konkret nicht nur auf gut organisierte (strukturell einheitliche obwohl artverschieden besetzte)<843> Workshops und Symposien, sondern vor allem auf die in den öffentlichen Raum überlegt platzierten Installationen, Performances, Events und Aktionen mit (breit) partizipativem Charakter.<844> Als Grundvoraussetzung für diese positive Kreiswirkung von Produktion und Rezeption dienen dialogisch balancierte Diskurse samt umsichtig (unter Aspekten von nachhaltiger Vernetzung) projektierten sowohl institutionellen als auch okkasionellen Strukturen und Systeme.<845>

3.1.4 Kreative Konvergenzen im kooperativen Raum

Als äußerst praxisrelevante Figur und diskursprägende Stimme des „dance-tech“ Bereichs bezieht sich Scott deLahunta in einer wertvollen Auseinandersetzung zwischen Tanz und Computer vorerst zentral auf die Arbeit von David Rokeby,<846> der


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als einer der markantesten AutorInnen der interaktiven Installationskunst der letzten zwanzig Jahre zu positionieren wäre. Diesem performativ hochgradig informierten Austausch über Qualitäten der installativen Medienkunst soll hier neben einer besonderen Aufmerksamkeit noch eine unorthodoxe argumentative Weiterführung in Form einer kommentierten, diskursanalytisch moderierten Zitatenmontage (Kapitel 3.1.4.1.) gestattet werden.

Unter den wichtigsten Qualitäten einer guten Installationskunst hebt deLahunta insbesondere die intuitive Erfahrung des Raumes (beispielhaft in Rokebys Werken) hervor, die in einem rein sensorisch besetzten „Vor-Bewusstsein“ gründen sollte. „Das Verändern von Assoziationen innerhalb vertrauter Wahrnehmungsmuster führt dazu, dass das Bewusstsein außerhalb des Systems geschärft oder verändert erscheinen kann.“<847> Indem das Publikum vollständig in die Interaktion einbezogen wird, erreiche das Werk bzw. die Situation eine erhöhte Partizipativität, die als ein wesentlicher Beitrag der Medienkunst überhaupt verstanden werden kann. Interaktive Systeme, die das pointiert partizipative Moment mit einer ebenfalls markierten Performanz zu begatten suchen, können stärker in die Situation eingebunden werden, womit sie den Menschen-im-Körper sowohl auf kinästhetischer als auch auf sensomotorischer und (somit) reflexiver Ebene unmittelbar und intensiv (affektiv und kognitiv)<848> ansprechen. Dadurch reichen sie weit über die kontextlose Hermetik der Galerie bzw. des vorkodifizierten (choreographierten) Performanceablaufs hinaus. Als eine nächste Stufe der sinnvollen Kontextualisierung wäre etwa die Anwendung solcher Systeme im öffentlichen Raum (z. B. in Schnittfeldern der gängigen öffentlich-räumlichen Kunstformen wie z. B. urbane Installation, Straßentheater, öffentliche Aktion usw.) natürlich plausibel und wird zumindest ansatzweise bereits zunehmend praktiziert:<849>

Nach der Eroberung intimster Interieure durch die Kommunikations- und Unterhaltungselektronik wäre es vielleicht tatsächlich an der Zeit, einen massiveren Ausbruch der Kunst/Wissenschaft aus dem Labor, der Galerie und freilich auch aus dem virtuellen Raum des vernetzten Computers in das urbane Netz der Straßen(bahnen) und in das körperlich-profane Geflecht anderer konkreter öffentlichen Räume zu wagen - oder eben zu ihrer engeren und aktiveren Verquickung beizutragen! Visionen und praktische Ansätze dieser Art eignen sich natürlich insbesondere auch für den pädagogischen Einsatz, sowohl im Bereich der Kunst als auch in der Wissenschaft und nicht zuletzt in den technischen Disziplinen - nach wie vor möglichst unter dem interdisziplinären Multiplikator. Die Möglichkeiten, die sich unter Voraussetzung intensiver Partizipation und immer noch allzu selten


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erreichter (erst diskursiv reflektierter und dialogischer, dann vorstrukturierter und vorsichtig systematisierter, schließlich ökulogisch programmierter - vgl. Kapitel 3.3.3.) Interdisziplinarität zu bieten scheinen, vermögen die Grenzen (Fixierungen, Mythen usw.) der aktuellen Diskurse und Praxen in diesem hybriden Feld wesentlich zu erweitern.

3.1.4.1 Annäherungen von Tanztechnik und Technokunst

Laut David Rokeby sollten gerade interaktive Systeme angesichts der immer problematischeren Differenzierung zwischen „rauer“ und „simulierter“ Erfahrung eine wichtige Stütze bei der alltagsmedialer Realitätsorientierung bieten können. Das (Er)Leben der Welten in vielerlei - sowohl sensorischer als auch symbolischer - Modi und auf mehreren Stufen der Kodierung schule uns zur effektiveren Navigierung durch die zunehmend divergenten Realitätsvarianten und -komplexe. Für Rokeby erweist sich von zentraler Bedeutung, dass wir weiterhin zwischen der „rauen“ Realität und ihrem sensuellen Erlebnis (trotz zunehmend gemischter Realitätserfahrung) einerseits und den Gedanken, Wörtern und Konzepten (trotz zunehmender Hyperkodierung) andererseits unterscheiden können, wobei die „reale Erfahrung“ eine „fundamentale Integrität“ über die „Virtualität“ nach wie vor verteidigen soll.<850> Die Tatsache, dass unsere natürliche, biotische Schnittstelle (zwischen Mensch-als-Bewusstsein und Realität-als-Materie) im Wesentlichen unkodiert ist und dass sowohl die linguistisch-konzeptuelle als auch die technologisch motivierte Kodierung lediglich die Sinne auszuschließen scheint, diktiert laut Rokeby den Menschen zur - paradoxen und eben deshalb kreativ ergiebigen - Wiederfindung der primären Sensualität innerhalb von technisch beeinflussten (konstruierten) Realitäten:

„It seems that we stop seeing, hearing, smelling as soon as we have positively identified something. At that point, we may as well replace the word for the object. Since identification usually happens quickly, we spent most of our time not really sensing our environment, living in a world of pre-digested and abstracted memories.“<851>

DeLahunta verweist auf die Problematik des sog. „Erfahrungsdiskurses“, den Rokeby beinahe paradigmatisch zu verfechten scheint, im Bereich der performativen Kunstformen. Die hohe technische, konzeptuelle und ästhetische Komplexität einer Live-Performance schaffe einen kritischen Unterschied zwischen der Erfahrung des Künstlers/Darstellers und der Wahrnehmung dieser Anwesenheit seitens des Publikums, das laut deLahunta an diesem ästhetisch-kommunikativen Geschehen wohl nur anhand von Sinnstiftungen und als solchen erkannten Kodes<852> teilnehmen kann: „Aus der Position des Zuschauers kann sich die Wahrnehmung der Performance aus einem Geflecht subjektiver Repräsentationen, semantischer


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Assoziationen, Erinnerung, Mustererkennungen etc. ergeben.“<853> Durch eine solche Erfahrung des zweiten Ranges rückt das Publikum in eine passiv rezeptive Konsumposition des - wie auch immer technologisch oder ästhetisch faszinierenden - hybriden Werkes. Eine solche ästhetisch-kommunikative „Ent-rückung“<854> (oder sogar Verfremdung) kann beinahe ohne Weiteres als das obsolete traditionelle künstlerische Prinzip par excellence vereinfacht werden - nicht zu überschauen wäre dabei auch eine breite und seit langem praktisch sowie theoretisch beschworene Erschöpfung des konsumistischen Modells. Eben das körperlich reflexive (affektiv-cum-kognitive) Moment der Kinästhetik bemüht sich die vorliegende Arbeit als eine relevante (obwohl am besten weiterhin komplementäre) Wissensschöpfungsquelle in den Bereich der neuen Medienkunst und ihrer Rezeption erneut zu integrieren.

Es kann andererseits kaum geleugnet werden, dass die immer noch relativ hohe - obwohl bei einigen wichtigen Ausnahmen in der aktuellen interaktiven Performancekunst wie etwa EyeCon<855> oder BigEye<856> richtungsweisend sinkende - technische Einstiegschwelle stets für eine weiterhin relevante Rollenzuweisung in multimedialen und interdisziplinären kreativen Prozessen sorgt.<857> Bei technologisch intensiveren Tanzprojekten sollen TänzerInnen offenbar am besten weiterhin speziell trainiert und über die Funktionsweise der Systeme (von außen, seitens der jeweiligen SystemspezialistInnen) aufgeklärt werden. Ähnlich auch die ChoreographInnen und/oder MedienkünstlerInnen, die sich zuerst eng mit spezialisierten Fachleuten aus der Technik zusammen schließen müssen, damit sie später eine gewisse kreative Autonomie erlangen können. Charismatische Ausnahmen der Medienkunstszene wie eben David Rokeby oder Sott deLahunta scheinen den Mythos des Renaissancemenschen<858> jedoch weiterhin aufrecht zu halten - jenseits konkreter Beispiele verbleibt die „interdisziplinäre Kooperation“ als Floskel in aller Munde. Als besondere Ausnahmen im Bereich der interaktiven Performancekunst könnten nach


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wie vor die wirklich seltenen „tanzenden TechnikerInnen“ (David Rokeby, Georg Hobmeyer) sowie die etwas öfter vorkommenden „technikemanzipierten TänzerInnen“ (Scott deLahunta, Robert Wechsler) schnell aufgezählt werden.<859> Vor dem traditionsreichen und in dieser Hinsicht zweifelsohne institutionell prämierten Hintergrund scheint die installative Medienkunst (und ihre Ableitungen) durch überlegter konzipierte pädagogische Programme bereits seit einigen Jahren - und gewiss nur im westeuropäischen-cum-japanischen Raum - die Szene mit i. d. S. wahrhaft hybrid gebildeten KünstlerInnen zu beliefern.<860>

Intensiv interaktive Medientechnik fügt sich tatsächlich oft als Schulungsgerät für den Körper, und nicht unbedingt mit negativem Vorzeichen: Ein wichtiges Potential der interaktiven Systeme entdeckt Scott deLahunta vor allem im hardwarebezogenen, körperzentrierten Tanztraining. (Diese direkte Umschulung des Körpers an der konkreten Schnittstelle soll hier von der Arbeit mit Computersoftware getrennt werden, die überwiegend zu choreographischen Zwecken angewandt wird und durch graphische Repräsentation primär die konzeptuelle, i. o. S. kognitive Facette der Tanzschöpfung anspricht.)<861> Innerhalb einer Performance dienen interaktive


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Systeme laut deLahunta lediglich einer Erweiterung des „Zustands erhöhten Bewusstseins“, der ohnehin dem Tanzstudio und der Bühne vorbehalten sei. Pragmatischere Einsatzbereiche für diese Systeme sieht er auch bei der Entwicklung und Optimierung von Schnittstellen im Bereich von „Physical Computing“ (alternative, ganzkörperliche Computersteuerung, vgl. Kapitel 1.3.1.) wie auch im Bereich der medizinischen Rehabilitation. Diese Zusammenhänge seien aber noch viel zu wenig untersucht, um sichere Schlüsse ziehen zu können, weshalb deLahunta stets zu einer kritischen Betrachtung solcher Technologie einlädt. Die Systeme besäßen nämlich die Tendenz, „die komplexen Beziehungen zwischen Erfahrung, Wahrnehmung, Präsenz und Teilnehmer-/Performerkultur im interaktiven System, also dem Körper an der Schnittstelle, vereinfachen bzw. normieren zu wollen.“<862> Die andauernde Stärkung der „dance-tech“ Szene im Zeichen von Symposien, Workshops und Konferenzen - samt dem sich über die Kulturschichten und Nationalgrenzen hinweg weiterhin ausbreitenden Techno-Hype - sollten in den letzten Jahren vor allem im nordamerikanischen und westeuropäischen Raum zu einer einmalig interdisziplinären Praxis- und Diskursbildung im Feld ohnehin verholfen haben. Aus einer realistischen Perspektive muss die von deLahunta optimistisch formulierte „Gemeinsamkeit“ der Praxen und Diskurse noch weitgehend angefochten werden - zumindest müsste dafür diese millieuspezifische, intradisziplinäre Kohärenz auf ein wahrhaft interdisziplinäres Niveau gebracht werden - dies höchstwahrscheinlich durch eine reflektiert und mit sensibler Interdisziplinarität gestaltete Praxis (Workshops, Inszenierungen), die von einer nahen Theoriebildung (Symposien, Rundtischgespräche) verfolgt, angeregt und - hinterfragt würde.<863>

Auch laut deLahunta (vgl. Kapitel 3.1.2.) bedeutet die aktuelle Situation in diachroner


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Perspektive lediglich eine weitere periodische Zuspitzung der Affinität zwischen Technologie und Körper (und ihrer gemeinsamen Ästhetiken), die sich aber diesmal in einer offenbar endgültigen „Integration des Computers und der Computertechnologie in alle Formen der kulturellen Transaktion“<864> einzulösen scheint. Der abschließende Zweifel deLahuntas, dass sich der bewegende Körper nicht gegen seine Digitalisierung sträuben wird, kann nur als ein weiteres Argument für eine scharfe Differenzierung zwischen Digitalisierung und Elektronisierung und somit für die Erforschung zutreffender Kulturphänomene in ihren Konfliktfeldern verstanden werden; denn einzigst gut (beidseitig [ein]verständlich) definierte Partner können in einen gegenseitigen Austausch treten. Der konkrete menschliche Körper verträgt seine Elektronisierung in diesem Kontext offenbar viel besser als eine (kodebasierte) Digitalisierung - nicht zuletzt deswegen, weil der technoelektronische Impuls auf der materiellen, aber auch auf der ontologischen Ebene dem bioelektronischen eng verwandt bleibt.<865>

3.1.4.2 Verfolgung und Erfassung des bewegten Körpers

Viele der oben genannten interaktiven Systeme wurden bereits unter Berücksichtigung von Technologien wie „motion tracking“ bzw. „motion capturing“<866>


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konzipiert, andere versuchen sich die Dimension der technisierten körperlich-räumlichen Interaktivität schnellstmöglich anzueignen und die Schnittstellenentwicklung bleibt nach wie vor die produktivste Nische des Computergeschäfts. Selten wird bei Erfassung des menschlichen Körpers weiterhin auf das Prinzip der ästhetisierenden, i. o. S. informationsreduktiven Abbildung (Repräsentation) und rein kognitiver Reflexion (von Körpergestalt) bestanden, womit die sonst wertvolle Möglichkeit der computerbasierten Rekombination (Zufallsprinzip) innerhalb eines instruktiven und grundsätzlich auf Maus/Tastatur/Bildschirm beschränkten Werkzeugs verfangen bleibt.<867> In den Einführungsworkshops und experimentellen Aufstellungen können sich der Anziehungskraft einer visuellen Repräsentation (vom naiven Videorealismus bis zu den radikalen computerbasierten Collage- und Dekonstruktionstechniken)<868> anfangs nur wenige TeilnehmerInnen entziehen, bald begeben sie sich meistens in mehr oder weniger autonome formalistische, hardware- sowie kodebezogene Experimente. Daraus kehren viele wiederum oft zu ihrer ursprünglichen (körperlich-räumlichen bzw. szenischen) Ausdrucks- und Kommunikationsform zurück, bereichert mit theoretischen (inhaltlichen) und methodisch-praktischen (formellen) Ansätzen für ihre weitere Arbeit. Einige jedoch entscheiden sich für eine intensive und konstante interdisziplinäre künstlerische Arbeit mit elektronischer Technik: nur selten überlagern diese KünstlerInnen ihr Identitätsmodell in das primär technische Identifikationsparadigma, am liebsten gestalten sie die Systeme selber und begleiten (sowohl durch technisches Know-How als auch durch interdisziplinäre Reflexion) die hybride Produktion/Installation persönlich.<869> Als typisch monodisziplinäre Qualität könnte

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dagegen die Herausforderung in ständig sich ändernden Umgebungen und hohen Ansprüchen an die Technik (oft vom neuesten Stand), ihre Steuerung und Performanz (die durchaus konkret-körperlichen Charakter annehmen kann).<870> Die sich primär zu KünstlerInnen zählenden TeilnehmerInnen begründen ihre Motivation für solche interdisziplinäre Arbeit meistens mit (biographischer) Affinität zur Technik, einem allgemeinem Wunsch bzw. Drang nach neuen (inhaltlichen, formellen, sozialen, ästhetischen) Erfahrungen. Seltener - und umso wertvoller - werden auch erweiterte Ausdrucks- und Äußerungsmöglichkeiten mit kulturkritischen bzw. politischen Implikationen der global(isierenden)en westlichen Technokultur in Aspiration einer engagierten Kunstpraxis genannt.<871> Viele (und nicht unbedingt nur ältere) TänzerInnen sehen im Computer auch eine effektive Extension ihrer choreographischen Arbeit (als oft logischer Weiterführung einer tänzerischen Karriere) über die temporale und die lokale Reichweite ihrer Physis hinweg.<872>

Die Transformation des Datenmaterials (die aus der Perspektive der Informationsverarbeitung im Kapitel 3.2.3. durch weitere Argumentation erörtert und im 3.3.1. hypermedial modelliert werden soll) versteht auch der am Essener Workshop in der Mentorrolle teilnehmende Softwareentwickler Robb Lovell als eine Übersetzung zwischen verschiedenen ontologischen Ebenen der Information, die lediglich durch das Prinzip der Stellvertretung (Repräsentation) miteinander verbunden sind. Auf der abstrakten, numerischen Ebene des Computerkodes befinden sich Informationen in einer besonders empfindlichen und einsturzgefährdeten Konstellation, die eine Menge an Feingefühl beim Rückübersetzen in konkrete Medieninhalte bedarf:

“Sobald aus einer Szene Informationen gewonnen werden, verwendet der Computer diese Informationen, um Entscheidungen zu treffen. Dies beinhaltet häufig die Umwandlung und Übersetzung der Daten von einem Bereich in einen Anderen. [...] Beim Umwandlungsprozess konvertiert der Computer aus der Umgebung gewonnene Informationen in Aktionsabsichten. In diesem Teil des Prozesses wird alles im Computer virtuell dargestellt. Die Umgebungsinformationen sind zu einer Reihe von Zahlen umgewandelt, abstrahiert worden, die stellvertretend für den realen Zustand der Umgebung stehen. Die daraus resultierenden Aktionen des Computers werden ebenfalls als Zahlen und Algorithmen erstellt und bearbeitet, die dann später vom Controller und den Wiedergabeprozessen umgesetzt werden. Da die Zahlen Abstraktionen realer Dinge darstellen, gibt es Schwierigkeiten bei der Zuordnung verschiedener Abstraktionen zueinander.“<873>


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Das „Workshop Lab“ anlässlich des Monaco Dance Forums 2002 (als weltweit wichtigsten Tanzkongress‘) widmete sich vollständig dem physisch-informatischen Grenzbereich des „motion capturing“. Die zur Erfassung von menschlicher Bewegung nötige Technologie und Technik sind in den letzten Jahren auch für KünstlerInnen ohne breite institutionelle Absicherung zugänglich geworden, obwohl sie in erster Linie immer noch für die Militär- und Vergnügungsindustrie (Echtzeit-Abbildung der Bewegung in Simulatoren, virtuelle Schauspieler und Avatare) entwickelt und verwendet werden. In der Regel mit nur wenigen Ausnahmen hinkt auch in diesem Fall die ästhetisch-praktische Anwendung der „hohen Technik“ einige Schritte hinter ihrem tatsächlichen aktuellsten Stand der Technologie hinterher - Ausnahme davon sind lediglich Forschungsinstitutionen, die anhand eigener Experimente unabhängige und meistens lediglich prototypische (bzw. „protoästhetische“) Anwendungen entwickeln können.<874> In seinem Bericht<875> zum erwähnten Workshop beobachtet Scott deLahunta ein bereits existierendes „Vorwissen“ bei den TeilnehmerInnen am Workshop, das in den letzten Jahren durchschnittlich auch steil angestiegen sein sollte, wozu nicht zuletzt die Zugänglichkeit der Informationen (aus zweiter Hand) im Internet beigetragen hätte. Jedoch fehle es offenbar an effektiv organisierten, technisch aber auch diskursiv ausgestatteten konkreten Ereignissen und Zusammenkünften mit Möglichkeiten direkter und längerer Erprobung. Am meisten jedoch vermisst deLahunta eine „breitere kulturelle Analyse“ des Feldes. Die ökonomisch bzw. konsumistisch motivierte Information über die funktionalen und instrumentalen Aspekte dieser Technologien reicht bereits im Internet als ihrer konventionellen Veröffentlichungsform völlig aus. Ihre Anwendung im kreativen, künstlerisch-experimentellen Bereich bedürfte jedoch breiterer Stimulation, in ihren seltenen Beispielen jedoch vorerst einer perspektivenreichen Belegung - und (Gruppen)Reflexion.<876> Erst wenn diese (oft aus Überwachungstechnologien abgeleiteten) Systeme unterlaufen, „gehäckt“ und in ihrer Funktionsweise hinterfragt werden, könne ihr kulturelles und kreatives Potential richtig eingeschätzt und umgesetzt werden.

DeLahuntas Zusammenfassung von Besprechungen und Eindrücken verschiedener TeilnehmerInnen am Workshop betont vorerst das Bedürfnis nach Diskursen, die klare Unterscheidungen zwischen künstlerischer, kommerzieller und wissenschaftlicher Forschung formulieren könnten. Diese Prozesse strebten in vielerlei Hinsicht zwar aufeinander hinzu, seien aber „keinesfalls gleich“ und gerade im Zuge einer intensiven interdisziplinären Kollaboration bedürfe der Bereich einer umsichtig reflektierten Differenzierung. Stringente markt- bzw. massenbenutzungsorientierte Methoden der


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pragmatisch-empirisch motivierten Untersuchungen ähneln in nur wenigen Hinsichten den explorativen, oft anfangs aleatorisch motivierten und auf (kontrolliertem) spielerischem Experiment beabsichtigten Verfahren der KünstlerInnen. Bis auf die Rave- bzw. Clubkultur bedeutet Tanz (in seiner ästhetisch-inszenatorischen wie auch sozialen bzw. breitkulturellen Ausprägung) wahrscheinlich auch einen viel zu eigenartigen Partner für kommerzielle interdisziplinäre Begattungen. Mit Ausnahme der „tragbaren Technologien“<877> werden die innovativen Potentiale des „dance-tech“ Paradigmas vom kommerziellen bzw. industriellen Sektor bisher kaum im relevanten Umfang genutzt.

Für Bewegungserfassungstechnologien spezifische (im kommerziellen Kontext jedoch abschreckende) große Quantitäten von Datenabfall, diverse Störungsfaktoren oder etwa die fehlende Rechenkapazität, die eine Errechnung des sich komplex bewegenden menschlichen Körpers in Echtzeit und in allen räumlichen Nuancen noch nicht sichern kann, werden im kreativen Kontext eben zu zentralen Anregungsquellen und schaffen den nötigen Freiraum zur (ästhetischen sowie technischen) Innovation. An die unerwarteten Lösungen, die durch freies exploratives Herangehen und seine Reflexion keine Ausnahmen sind, kommt eine zweckmäßige, durch die Nutzen-Kosten-Spannung bedingte Praxis aus offensichtlichen Gründen nicht heran - obwohl sie von ihnen oft guten Gebrauch machen könnte! DeLahunta betont jedoch dankend, dass ohne enthusiastischer privat-industrieller Initiative auch das Monakoer „Laboratorium“ nie zustande gekommen wäre. Nichtsdestotrotz könne sich solcher Bereitschaft zur kreativen technischen Kooperation seitens der Hardwarehersteller die künstlerische Gemeinschaft selbst im westeuropäischen und nordamerikanischen (sowie japanischen und höchstens noch australischen) Raum immer seltener erfreuen. Meistens handelt es sich um institutions-interne Initiativen, die Künstler-, Wissenschaftler- und Technikerrollen in einer einzigen Person zusammen zwingen - auch nicht unbedingt mit positiver kreativer, energetischer und finanzieller Bilanz. In der Perspektive einer neuen Ästhetik, die ein unabgeschlossenes Objekt/Projekt (selbst als Kunstwerk-im-Entstehen) in seiner steten Reformulierung behaupten muss, werde laut DeLahunta der Prototyp zum Produkt. Dafür empfehlt er eine vorsichtige Strategie, die stufenweise und mit periodischer Evaluierung der jeweiligen experimentellen Phase erfolgen sollte. Die TeilnehmerInnen entdeckten zudem, dass je mehr Zeit sie in diesen Systemen mit körperlich-räumlicher Exploration verbracht haben, desto besser haben sie ihre Funktionsweisen und Anwendungsmöglichkeiten verstanden und beherrscht.<878> Der „Datenraum“ habe sich in seinen Dimensionen


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durch konstante physische Erfahrung an den physischen Raum angenähert, wobei sich letztendlich die „Kalibrierung“ (Erfassungsgenauigkeit der technischen Sensorsystems) als der neuralgischste Punkt dieser Diskrepanz erweisen könnte.<879>

3.1.4.3 Partizipation als Emergenz unter artverschiedenen Systemen

Die äußerst „stimulative“ und „generative“ Atmosphäre des Monakoer Workshops gründete aber nicht nur auf rein intuitiven Verfahrensweisen bei Untersuchung hochkomplexer technischer Systeme - denen manchmal tatsächlich selbst mit stark vorstrukturiertem Zugang nicht beizukommen ist. Das Arbeitsklima des Workshops zeigte laut deLahunta eine im hi-tech Bereich nur selten zu beobachtende Tendenz zur Non-Proprietarität der Ideen. Die stille Übereinkunft über einen offenen Wissensraum im Sinne eines „open-source“<880> Diskurses - nicht nur intern, sondern auch bei öffentlicher Präsentation des Workshops - habe laut deLahunta in diesem Fall zu einer ungewöhnlich hohen Produktivität beigetragen. Es konnten sowohl konkrete Software-Lösungen als auch überzeugende künstlerische Produktion und ihre interdisziplinären Strategien vorgezeigt werden. Und dies merkwürdigerweise nicht nur zumindest, sondern sogar bereits in der explorativen Anfangsphase des kreativen Prozesses. Es besteht weiterhin die Frage, wie weit ein solches „Opensourcing“ in der immerhin marktabhängigen Praxis auch gehen kann - und welche Revisionen für den Erfolg dieser Neukonstellation nötig sind. Im Allgemeinen handelt es sich hier um ein explizites Bedürfnis nach Entmystifizierung und öffentlicher Bloßlegung des technischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Know-hows (gleichzeitig), somit der daraus generierten hybriden Diskurse. Dies jedoch selbstverständlich nur in enger Anbindung an eine ebenfalls gemischte, immerhin vielfach transparente<881> Praxis, die nicht mehr auf bloßer Pluralität der (ursprünglichen) Teildisziplinen gründet. Stattdessen wäre sie mit einer völlig neuen emergenten Qualität des Hybriden zu bezeichnen, indem sie ein vorher als solches nicht vorhandenes interdisziplinäres Objekt (etwa im Bartheschen Sinne)<882> anbietet.


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Der Monakoer Workshop kann sich laut deLahunta letztendlich lediglich einer Herstellung „effektiver sozialer Relationen“ und „Arbeitsvokabularia“ rühmen - und mehr sollte von einer „einleitenden Untersuchungsphase“ in diesem Umfang auch nicht erwartet werden. Sowohl in dieser als auch in den darauffolgenden Forschungsphasen müssten vor allem die „Beschreibungsstufen“ („levels of description“) richtig organisiert werden, die sowohl vom „Sich-Bewegenden“ als auch vom „Informationssystem“ verstanden und in beiden Richtungen vermittelt werden können. Dafür reichen oft die zur Verfügung stehenden diskursiven Mittel und bestehende (traditionell-tänzerische) Erfahrungshorizonte nicht:

“Dance practitioners in general have difficulty with imagining the dimensions of data space in any tangible and therefore potentially creative way. What underlies this is the lack of an adequate set of formalisms for describing gesture and movement in terms that not only the system can interpret, but are equally accessible to choreographers.“<883>

Des Weiteren behauptet deLahunta, dass die Technologie des “motion capturing“ zwar für viele Bereiche relevant sein kann und dass sie sich vor allem in Hinsicht auf ihre Ausbreitung unter den DurchschnittsnutzerInnen (wie etwa die vor kurzem entwickelte Erweiterung für Videospiele „EyeToy“)<884> und sich ausbreitende Anwendung in der Kunst um einen diskursiven Transfer bemühen muss. Die Beschreibungen dieser Technologie wurden nämlich bisher ausnahmslos innerhalb monodisziplinärer (oder zumindest untereinander verwandter) Diskurse der Mathematik, Informatik, Medizin und der Ingenieurwissenschaften geprägt. Innerhalb einer einzigen produktorientierten und prinzipiell nur beschränkt kollaborativen Praxis können z. B. professionelle ComputeranimateurInnen das gemischte Vokabular vergleichsmäßig leicht erfassen, was für experimentelle, okkasionell und explorativ angelegte Projektarbeit mehrerer Personen an einem Produkt kaum plausibel wäre. Zudem brauchen Tänzer auch seltener eigene mathematische Formeln zu entwerfen oder tektonische Modifikationen tief in der Programmstruktur bzw. Hardwarearchitektur eines Systems vorzunehmen - dafür bedürfen sie eben transparenter Metaphern und breit kommunikationsfähiger Sprachen:

„There is probably no need to invent new mathematical descriptions based on the needs of choreographers; but to use what exists in new and innovative combinations that can be integrated with the working processes of dance makers.[...] This is not so much a matter of teaching choreographers to be mathematicians, but in developing an understanding of a range of co-meaningful representations, classifications, algorithms, notations and codes.“<885>


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In der interdisziplinären Arbeit, wie sie sich symptomatisch eben im Kreuzungsbereich von Tanz und Technologie zeigt, bedürfte es offenbar einer wesentlich ganzheitlicheren Herangehensweise, die nicht nur die Gespräche rund um den Objektbereich, sondern auch die institutionelle Organisation und räumlich-zeitliche Vorstrukturierung der Arbeit reflektieren müsste. Eine besondere Aufmerksamkeit sollte nicht zuletzt den Programmen bzw. Strategien gewidmet werden, die sowohl technische (digitale und analoge Informationsverarbeitung) als auch menschliche Vorgänge (kognitive und affektive Informationsverarbeitung) beeinflussen - meistens unbewusst bzw. unterschwellig (genauer: „unterschnittstellig“).

Nach den oben aufeinander abgeglichenen Aussagen der (theoretisch reflektierenden) PraktikerInnen bedürfte es also eines vorsichtigen diskursiven (1), systematischen und strukturellen (2) wie auch tiefenstrategischen (3) Managements, um die hohe Komplexität dieser hybriden Kreativität zu erfassen. Die Zielsetzung umschreibt demnach: Kommunikation, insbesondere über Systemgrenzen hinweg (1), effektive Gestaltung (2) und balancierte (Re)Programmierung (3) anhand eines zu erlangenden, tiefen individuell-cum-kollektiven Programmbewusstseins.<886> Allem Anschein nach kann eine einheitliche Konzept- und Grundlagenbildung vorerst nur durch macht- und marktpolitisch prinzipiell unbelastete, intensive und entsprechend moderierte Zusammenkünfte von Personen-als-artverschiedener-KommunikatorInnen erreicht werden. Diese emergieren, regenerieren und reformulieren sich/einander (und die gesamte Kultur) erfolgreich nicht zuletzt durch eben solche „stimulierte Imagination“, für die es zur Zeit auch nach der Meinung deLahuntas immer bessere objektive Möglichkeiten zu geben scheint. Immerhin sollen diese Möglichkeiten stets und mit Nachdruck verbessert werden - hoffentlich auch durch die Vorschläge der vorliegenden Arbeit, die in den folgenden Kapiteln noch um einiges genauer (diskursiv) formuliert sowie exemplarisch (diskursiv-cum-praktisch) belegt werden sollen.

3.1.5 Reflektierte Praxis durch begleitende Diskurse

Im Rahmen seiner historischen Einleitung in den Kreuzungsbereich betont Wolfgang Hagen die Notwendigkeit der diskursanalytischen Methode wiederum aus einer dezidiert dekonstruktivistischen Perspektive, womit er dem prämierten wissenschaftlichen Duktus der gesamten Publikation „Tanz und Technologie“ eine weitere Stimme hinzufügt.<887> Das Sprechen und Schreiben über die Geschichte wie auch (insbesondere) über die Gegenwart muss sich allerdings nicht nur seiner historischen Diskursbasis, sondern vor allem auch sich selber gewahr werden: Wenn Diskurse als (oft leitende) Medien der Gesellschaft zu verstehen sind und Technik nicht außerhalb ihrer medialen Beschaffenheit beobachtet werden soll, dann muss über Medientechnik nicht nur ausführlich verbal reflektiert werden - denn dies führt unbedingt zu kontraproduktiven selbstreferenziellen Schlingen der Sprache, zum


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exklusiven Monolog einer (Mono)Medienultur.<888> Der Ausweg aus der Sprachkrise kann nach wie vor nur im (komplexen, auch affektiven) Körper gefunden werden, selbst wenn ein (kognitives) Bewusstsein über Beschränkungen die diskursive Isolation zu mildern scheint.<889> Eben die Resonanz des Materiellen im Zeichenhaften (sowie vice versa) bietet optimales Potential zur kulturellen Analyse und Synthese fruchtbarer Zukunftsvorschläge:

„Wir müssen uns in die Diskurse hineinbegeben und dabei wissen, dass unsere Mittel, sie zu begreifen, beschränkt sind, weil alle Mittel, die wir haben, wie Linguistik, Psychoanalyse, Konstruktivismus, Dekonstruktivismus, selber nachträgliche Kinder dieser Diskursgeschichte sind, die wir mittels ihrer zu begreifen versuchen. [...] Insofern ist die Geschichte unserer Gesellschaft, wenn es sie denn gibt, eine Geschichte der Medien der Gesellschaft. Ich denke, dass gleichermaßen die Technikgeschichte immer eine mediale Technikgeschichte ist. Mann kann Technikgeschichte nicht von Mediengeschichte trennen. Technik hat immer etwas Mediales.“<890>

Innerhalb der vorliegenden Arbeit wird dagegen keinesfalls die Ansicht Hagens geteilt, dem künstlerischen Schaffen verbleibe nur eine rückschrittliche und alternativlose Position der „Retrogarde“. Auch soll der sonst kaum streitbare Vorschlag, „dass Kunst inzwischen deswegen Technikgeschichte machen muss, um wieder zu alten Medien zurückzukehren“, im Folgenden mit einer medial inklusiven und technooptimistischen Version ergänzt werden. Hagen spricht der Kunst - trotz aller diesbezüglich symptomatischen Diskurse - jede Innovationsmöglichkeit im Bereich der Technologie ab, indem er behauptet, „dass sie den Techniken, die es schon längst gibt oder die gerade serienreif sind, immer hinterherläuft.“<891> Anhand konkreter Beispielsetzung und weiterer diskursiver Kontextualisierung soll in den folgenden Kapiteln eben die Innovationsfähigkeit der interdisziplinär bereicherten Kunst- und Wissen(schafts)formen erwiesen werden.

3.1.5.1 Interaktivierung von Choreographie

In einer der drei Einheiten der Essener Workshopreihe „Tanz und neue Medien“ sollte die Installationskünstlerin Gretchen Schiller - unter Mitarbeit von Robb Lovell, eines einschlägigen Softwareentwicklers für videobasierte Sensorensysteme - zusammen mit den TänzerInnen und ChoreographInnen die Interaktivität als ein choreographisches Phänomen untersuchen. Dies beinhaltete sowohl den konkreten Aufbau interaktiver Installationen als auch choreographische und partizipative Auswertung eines (öffentlich begehbaren!) physisch interaktiven Systems. Schillers eigene Kreativität erfuhr ihres Erachtens nach eine wesentliche Verschiebung zuerst


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von der zweidimensionalen (Videotanz) zur dreidimensionalen Arbeit im Raum als Medium der Installation, wo sie gleichzeitig auch auf die Rolle der DurchschnittsnutzerInnen aufmerksam wurde. Die lineare und frontale Rezeptionsart wie auch die Formalisierung des tanzenden Körpers-im-Raum erweckte in ihr eine Gegenreaktion zugunsten prinzipiell partizipativer, intersubjektiv motivierter Kreationen: „Es war mir wichtig, zu lebendigen, körperlich authentischen Formen der sozialen Beziehung sowie zu den sinnlichen Qualitäten der Teilhabe an Bewegung zurückzukehren.“<892>

Auch in ihrer didaktischen Zielsetzung konzentrierte sie sich auf den Gewinn des partizipativ agierenden (kinetischen) und weniger des passiv (kinästhetisch) nachvollziehenden Körpers, obwohl sie eben die „Kinästhetik“ diskursiv hervorzuheben scheint: im Workshop sollten die TeilnehmerInnen durch hybride, digitale und gleichzeitig körperliche (analoge)<893> Arbeit Installationen erstellen, anhand deren sie (ihre eigene als auch ihres Publikums) „kinästhetische Beziehung zum digitalen Videomaterial“<894> untersuchen sollten. Eine spezifische Neigung Schillers zum Gebrauch von neuen konzeptuellen Zusammensetzungen und Bildung von Neologismen prägte den Diskurs des Workshops wie auch die gemeinsame Reflexion der Gruppenarbeiten im Wesentlichen: Das Konzept „Metakinesis“ z. B. - im Sinne einer „Identifikation oder Bewegungsempathie zwischen dem bewegten Subjekt und dem Betrachter“<895> nach John Martin - wurde in Abgrenzung zu einer materiell-körperlich anmutenden kinästhetischen Perspektive benutzt. Den Begriff „Körperraum“ verwendet Schiller dagegen in einem konkreten und offenbar entsubjektivierten Sinne, „um die Beziehung zwischen Körper und Raum hervorzuheben, z. B. die kinästhetischen Spannungen zwischen den Körpern der Teilnehmer und dem Design des gegebenen Raumes,“<896> was auch mit der Semantisierung bzw. Syntaktisierung der Begriffe „Körper“ und „Raum“ innerhalb der vorliegenden Arbeit übereinstimmt.<897>

Ähnlich wie Scott deLahunta (vgl. die Abschlussnote im Kapitel 3.1.4.3.) versteht auch Schiller „Imagination“ als einen betont körperlichen Begriff, indem sie es - eben in seiner technisch-cum-biotischen Ausprägung - statt als „eine rein mentale und konzeptuelle Aktivität“ eher als zusammenfassendes Medium körperlicher Aktivität


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auffasst:

„Werden allerdings Prinzipien des Tanzes in digital gesteuerte Bewegungsräume übertragen, könnten wir lernen, dass und wie die mentale, bildliche Vorstellungskraft durch das bewegte und bewegende, das kinästhetische Bild zu einer unmittelbaren und körperlichen Aktion wird.“<898>

Als Voraussetzung eines ausgewogenen Schaffensprozesses gilt im gegebenen Kontext erst die Unterscheidung zwischen der „Kinetik“ und der „Kinästhetik“ eines Elements/Werks/Prozesses, die offenbar am besten zwischen „theoretischen“ Erkenntnis- und „praktischen“ Erfahrungsstufen oszillieren soll. Mit den in der vorliegenden Arbeit entwickelten praktischen-cum-diskursiven Modellen (vgl. generell Kapitel 3.2., zur graphischen bzw. hypermedialen Modellierung auch 3.3.) als Vorschlägen der Zusammenführung von Ansätzen der performativen und der installativen Medienkunst stimmt Gretchen Schiller in einem wichtigen Punkt überein: sie behauptet, dass interaktive Performancekunst am besten erfahrbar gemacht wird, „wenn man Environments schafft, in denen der Besucher am eigenen Körper das nachvollzieht, was ein Darsteller ihm ansonsten nur vorführen würde.“<899> Dazu erhebt sich natürlich die Frage nach einer optimalen oder sogar maximalen Ausnutzung eines interaktiven Systems für den breitesten Kreis von BenutzerInnen: unter provisorischer Ausschaltung des allgegenwärtigen (lokalen) Zugänglichkeitsproblems verbleibt es tatsächlich nur noch, dieses Modell an den öffentlichen Raum zu erweitern und ihn in der Praxis intensiv umzusetzen.<900> Doch bereits im praxisbegleitenden Workshopgespräch - einem von drei durch Wissenschaftlerin Martina Leeker konzipierte, geführte und für die Publikation bearbeitete Diskursdokumente von höchster Relevanz - wurde die gravierende Frage nach dem Zugang zu solcher Technologie gestellt, die in die häufig kostenintensiven hi-tech Bereiche zu entgleiten sucht:

„Wir arbeiten hier mit teurem Equipment, das nicht gerade leicht zu bedienen ist. Hier und jetzt steht uns die gesamte Technologie zur Verfügung. Aber wenn ich morgen mein eigenes Projekt starten will, wo bekomme ich dann all diese technischen Hilfsmittel her? Wie soll ich das finanzieren? Das ist für mich der entscheidende Punkt. Uns mangelt es nicht an Ideen. Eher an den technischen und finanziellen Möglichkeiten, sie umzusetzen.“<901>

Gaetano Guinta wurde immerhin von der Arbeit mit interaktiven Installationen auch positiv „dazu angeregt, in Zukunft den Zuschauer bei den Proben und im Prozess des Inszenierens mehr als bisher mit zu denken.“<902> Im gleichen Workshopgespräch


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äußerte Kim Hiekyoung eine Kritik an der allzu produktorientierten Workshopatmosphäre und machte den Vorschlag für eine Kooperation zwischen verschiedenen Gruppen, die dem egozentrischen und kreativitätshemmenden Produktionsdrang gegensteuern könnte. Hiekyoung verblieb ein unangenehmer Eindruck, dass die zielorientierte und zeitbegrenzte Workshopatmosphäre im Essener Fall

„bei den Teilnehmern zu einer völligen Fixierung auf das Endprodukt geführt hat, so dass man niemanden mehr ansprechen oder etwas fragen kann. Alle sind sehr angespannt und arbeiten teilweise bis tief in die Nacht, weil sie das Produkt endlich fertig stellen möchten. Auch ein Austausch von Gruppe zu Gruppe wäre wünschenswert. [...] Für mich ist es nicht wichtig, alle technischen Ausdrücke zu kennen, ich muss nur den Prozess verstehen.“<903>

Reyna Perdomo störte es von Anfang an, dass beim Tanzen im elektronischen Raum die Choreographie wie auch die spontane Körperbewegung von den Erfassungsmöglichkeiten des Computers begrenzt sind, was den Menschen in ein untergeordnetes Verhältnis zur (Kontroll)Maschine bringen sollte. Aus einer semantischen Perspektive auf die Bewegung erschien ihr „der Computer dann eher ein Instrument zu sein, das meine Absichten unterläuft als mir dabei zu helfen, sie zu vermitteln.“ Erst nach einer ausführlichen Erklärung der Funktionsweise des interaktiven Systems konnte sie ihre Perspektive revidieren und den Computer als (kontrolliertes) Instrument ihrer Kreativität (wieder)erkennen: „Es war meine Bewegung, die zu einem bestimmten Ereignis führte. Denn Computer können nicht denken, sie können nur mit Zahlen operieren, Befehle verrechnen und sie an die vorgegebene richtige Adresse schicken.“<904> Eine positive Reflexion des Computers als kreativen Partner, Spiegel oder zumindest konstruktiven Gegner scheint somit vorerst ausgeblieben zu sein.

3.1.5.2 Telematisierung von Tanz

Laut Paul Sermon, dem Autor einiger der erfolgreichsten telematischen Installationen des letzten Jahrzehnts, kommt es eben im partizipativen Moment einer Installation bzw. einer Performance, in der die Zuschauer durch das interaktive System ins Geschehen eingreifen können, zu wichtigen ästhetisch-politischen Verschiebungen: Regisseure und Choreographen wie auch „Darsteller“ müssten ihre Kontrolle teilweise an die unvorhersagbare Masse abgeben, darüber hinaus müssten installativ-performative Mischformen mit einem beträchtlichen Maß an Naivität herangegangen werden und somit alle Teilnehmer am konkreativen<905> Prozess „bereit sein [], bereits erworbenes Wissen zurückzustellen und Neuland zu betreten, damit die Zusammenarbeit überhaupt funktionieren kann.“<906>


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Bei der Erfahrung telematischer Installationssysteme durchlief laut Workshopleiter Sermon jede teilnehmende Person eine Transformation von der mimetischen, pantomimischen und somit repräsentativen Phase, die eine Exploration des räumlich erweiterten bzw. versetzten Körpers bezeichnet, zu einer abstrakteren, subtileren, seitens der tänzerischen Komposition durchdrängten und prinzipiell nicht-figurativen Ebene. Die letztere erwies ein besonderes Kreativitätspotential, das im „dritten Raum“ (telematischen elektronischen Raum), genauer noch im Medium selbst laut Sermon seine stärkste Ausprägung fand.<907> Beim Essener Workshop ginge es Sermon primär um eine - zuerst subversive, schließlich jedoch reichlich (gruppen)reflektierte und somit interpersonal kommunizierte - Verschiebung des Bewusstseins über körperliche Präsenz, die für Tänzer und ihre Konzepte öfters eine zentrale Bezugsgröße darstellt. Statt des „Selbstbezugs“ wurden die Tänzer vorerst mit einem paradoxen „virtuellen Raum“ konfrontiert, „der ihre Körper umgibt und zugleich in der Ferne liegt“, wo sie auf andere Körper von ebensolcher zwitteriger Beschaffenheit trafen. Erst nach einer spielerischen Explorationsphase kultivierten sie den gemeinsamen telepräsenten „Zwischenraum“ und entdeckten allmählich seinen choreographisch-tänzerischen Mehrwert. Laut Sermon konstruierten sie somit eine neue kreative Bewegungsebene und begannen „mit dem Raum zwischen den Körpern zu arbeiten, anstatt mit ihren eigenen Körpern. [...] Die Tänzer müssen den unsichtbaren Tanz zwischen ihren Körpern suchen.“<908>

Auf die Frage Martina Leekers, „ob das gemeinsame Arbeiten und Forschen im Workshop zu einer Grundlage werden könnte, über die bloße gegenseitige Instrumentalisierung hinauszugehen und Möglichkeiten einer Kooperation der beteiligten Künstler zu entwickeln“, sprach sich Sermon idealisierend für eine interdisziplinäre Kooperativität aus, in der spezifische Kenntnisse in den gemeinsamen telematischen Raum vermittelt und dort multipliziert werden könnten. Nur durch Regression zu einem wissens- und erfahrungslosen Zustand könnten wertvolle „Gemeinsamkeiten“ im neuen Medium bzw. Raum gefunden sowie angemessene Modelle für eine benutzerInnenfreundliche Medienkunst geschaffen werden.<909> Ein praktischer Vorschlag Sermons für eine wahrhaft hybride Konstellation wären etwa zwei Tänzer, die eine dritte, „ungeübte“ Person in das telepräsente Setting einladen, einführen und zur kreativen (körperlichen) Kommunikation bringen würden.<910>

Im Workshopgespräch über die möglichen Rollen der TänzerInnen in öffentlich partizipativen interaktiven Installationen meinte Isabelle Drexler, dass Tänzer ihr Bewegungsrepertoire auf eine „allgemeine Sprache“ beschränken müssten, wodurch ihre spezialistische Experten-Position unterlaufen werden könnte, woraus bereits in einem konsequenten nächsten Schritt durchaus positives Kreativitätspotential geschöpft werden kann:


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„Ich habe den Eindruck, dass der Tänzer seine besondere Stellung als Bewegungsexperte in der Installation verlieren könnte, wenn Nicht-Tänzer und Tänzer gleichzeitig in ein Projekt involviert wären. [...] Die interaktive Installation führt also meiner Meinung nach dazu, dass alle Beteiligten ihr Niveau aneinander angleichen. Das ist meines Erachtens der Grund, warum wir uns in den medialen Installationen manchmal unwohl fühlen. Wir sind in diesem Raum nichts besonderes mehr.“<911>

Ihre Kollegin am Workshop, Rolande Beugre, war hingegen der Meinung, zwischen einem Tänzer und einem „Nicht-Tänzer“ bestehe „nicht notwendigerweise ein großer Unterschied,“ der käme „erst dann zum Tragen, wenn der Tänzer sich darauf versteift, körperlich beeindruckende Sprünge und Schrittfolgen zu absolvieren, zu denen eine nicht ausgebildete Person nicht fähig ist.“ Hierzu wäre beizufügen, dass auch die hochkodifizierte und manchmal komplex syntaktische Tanzsprache - insb. etwa des klassischen Balletts oder des Modern Dance und seiner Ausführungen - in gleichem Sinne untauglich wäre, zumindest für eine intensiv kommunikative Kunst mit einem diesbezüglich ungeschulten Publikum (vgl. Kapitel 3.1.1.2.). Laut Beugre, die persönlich ein „geschultes Körpergefühl“ der tänzerischen Leistungsfähigkeit bevorzugt, liege es an der „Selbstverständigung“ des Tanzes, der darüber entscheiden muss, ob er sich dem öffentlichen, unvorhersehbaren Raum und somit dem (körperlichen) Durchschnittskönnen der DurchschnittsnutzerInnen (der Technik) eröffnet:

„Es könnten sich also unzählige Möglichkeiten des Zusammenspiels ergeben zwischen einem Tänzer, der seine ganze Körperlichkeit und sein beendrückendes technisches Können einsetzt, und einem Laien, der sich im Rahmen seiner Fähigkeiten einbringt und vielleicht einfach nur ganz normal durch den Raum geht.“<912>

Offenbar bedürfte es nur noch richtiger Strategien, diese fruchtbaren diskursiven sowie teilweise bereits praktisch erprobten Prämissen umzusetzen und zu einer breiteren, auch öffentlich interessanten und relevanten Praxis heranzuführen. Renata Cisek vermutete darüber hinaus, dass tänzerisches Leistungskönnen beim Testen und der Verbesserung der neuen (Telekommunikations)Medientechnik eine Nische finden könnte. Der Tänzer bekäme die Zuständigkeit für eine ökologische Annäherung zwischen Mensch und Maschine - so könnte er „mögliche Grenzen dieser Medien ausloten und Anpassungen zwischen Körper und Technik vornehmen.“<913> Paul Sermon reflektierte diese Gedanken, indem er Interdisziplinarität als eine kreative und grundsätzlich egalitäre Zusammenkunft von Personen mit artverschiedenen Wissens- und Erfahrungsbeständen zusammenfasste:

„Wenn ich mich an einem Projekt beteilige, in dem interdisziplinär gearbeitet wird - auch die Kooperation mit Nicht-Tänzern ist insofern eine interdisziplinäre Arbeit, als sich unterschiedliche Wissensformen begegnen -, muss ich bereit sein, meine Herangehensweisen innerhalb des Projekts zu verändern.“<914>

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3.1.5.3 Choreographieren von Repräsentation und Entfernung

Wenn der tanzinteressierte Softwareentwickler Robb Lovell<915> - innerhalb derselben Publikation bzw. Workshopreihe - die maschinellen Funktionsweisen den TänzerInnen nahe zu bringen und die Sprache des Digitalen hinter der Videotechnologie zu erschließen versuchte, dann behauptet der computeremanzipierte Choreograph und Tänzer Wayne McGregor durch computerisierte Tanzkonzipierung und -realisierung einen Körper von erweitertem Informationsverarbeitungspotential prägen zu können: „Der menschliche Körper ist unglaublich anpassungsfähig, er kann die Informationen, die von digitalen Repräsentationen auf ihn einströmen, aufnehmen, verarbeiten und weiter entwickeln.“<916> Innerhalb der Beschreibung seiner Intentionen und Ausgangspunkte für den Workshop betont McGregor die choreographische Intervention als den „fundamentalen Bestandteil jeden digitalen Elements.“<917>

In seinem Interview mit Martina Leeker äußert McGregor ein besonderes Interesse für ungewöhnliche Veränderungen (Expandierungen, Überschneidungen, Überlagerungen) von Raum und Zeit sowie für Strategien der Verunsicherung des habitualisierten Körpers, dessen tradierte Konzepte und Konzeptionen (Geschlechterbilder, Anthropozentrismen) gerade durch das Medium des global vernetzten Computers unterlaufen und somit revidiert werden müssen. Die Abwechslung zwischen Desintegration und Rekonstruktion zentraler Dimensionen der körperlichen Bewegung (und Basisparameter jeder tänzerischen „Sprache“) sollen zu einer postmodern anmutenden Orientierungslosigkeit beitragen, die nicht nur im Publikum, sondern auch unter den Tänzern und sogar Choreographen zu beobachten wäre. Auf eben diesem emergenten, zur Improvisation zwingendem Moment bauen nahezu alle - hier praktisch überzeugenden - Dekonstruktionsstrategien McGregors: Durch die Überschreitung von (scheinbaren bzw. erlernten) Grenzen und durch technisch unterstützte Hybridisierung ungewöhnlicher körperlicher (Mikro-/Makroperspektive, Avatare) wie auch temporal-lokaler Perspektiven (Telematik, Kinetik) erforscht er den „hybriden Körper“ als zumindest perspektivisch partikularisierbare „Mischform, [die] sich aus Organischem, aus Animalischem, aus Neurotischem usf. zusammensetzt.“ Dieser neue dynamische, prozessuale Körper konstituiere sich aus ständig fließenden Grenzen zwischen Körperkonzepten „ohne dass eine neue, homogene Synthese entsteht.“<918>

Der durch alltägliche (Körperbenutzungs)Praxis angewöhnte (Durchschnitts)Körper kann im postmodern-philosophischen Kontext als eine prinzipiell arbiträre (nominale oder eben adjektivische) Zuschreibung verstanden werden, die jedoch durch ihre regelmäßige Einübung als „real“ und größtenteils „ganzheitlich“ empfunden bzw. gedacht wird. Genau dies ist jedoch der Stützpunkt, auf dem die praktischen, körperlich-räumlichen Dekonstruktionsstrategien McGregors aufbauen und den sie


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gleichzeitig auf intuitiver Ebene zu verunsichern, sowie zu einer individuellen (im Sinne Schillers immerhin kinästhetischen)<919> Partizipation am performativen Geschehen anzuregen suchen:

„Das Publikum soll die von uns geschaffene Welt intuitiv begreifen können und emotional von ihr berührt werden. Dabei sollen die narrativen Stränge und die inhaltlichen Bedeutungsgeschichten so gestaltet sein, dass jeder Zuschauer eine eigene Navigation durch sie entwickeln kann.“<920>

Durch die Annäherung an das jüngste Publikum wie etwa im Projekt „Alpha“<921> (2003) und Einführung zeitgemäßer Involvierungsstrategien (live Übertragung im Internet, interaktive und explorative Begleitprojekte online sowie „onsite“) als auch durch eine aktuelle und kulturrelevante Themensetzung gelingt McGregors Kompanie „Random Dance“ eine Umsetzung mancher „dialogischen“ sowie „ökologischen“ Vision, die nicht zuletzt auch von der vorliegenden Arbeit vertreten werden.<922> Die Entwicklungsmöglichkeiten im Spannungsfeld von Tanz und Internet sieht McGregor hauptsächlich im Bereich der Schnittstellenentwicklung (dreidimensionale, parallele Raumerfassung und -modellierung) sowie bei Datenbanken (etwa Environment- und Avatarensortiments), die intensivere Partizipationsstufen und breitere Individualisierungsmöglichkeiten für die RezipientInnen anbieten sollen. Dazu erforscht die Gruppe gesteigerte und intimere Kommunikationsstrategien zwischen den ProduzentInnen und den RezipientInnen einer Performance, selbst im translokalen Maßstab (vgl. das Projekt „Alpha“), die von McGregor im Sinne eines „demokratisierenden Vorgangs“<923> interpretiert werden. Eine global<924> zugängliche und beeinflussbare Tanzperformance wird jedoch auch nach der Meinung McGregors trotz aller Euphorie und eines unbestreitbar innovativen Potentials die konkrete Präsenz einer Live-Performance nicht ersetzen können. Dies vor allem im Sinne der


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besonderen kollektiven, somit auch affektiven Erfahrung, „selbst wenn der Vorgang der Bedeutungsproduktion nicht kollektiv und nicht mit anderen teilbar ist“.<925>

„Die Integration elektronisch digitaler Technik ermöglicht neue Formen der künstlerischen Gestaltungsweisen und Inhalte, die sich aus dem Zusammenspiel unterschiedlicher Medien ergeben wie u.a.: Live-Tanz, virtueller Tanz, digitaler Film, 3D-Animation, intelligente Beleuchtung, kinetische Architektur, computergenerierte Musik.“<926>

Die Beziehung zwischen Tanz und Technologie versteht McGregor zudem grundsätzlich als „Dialog“, dessen Untersuchung uns vor vollkommen neue Herausforderungen stellen wie auch wertvolle Innovationsstrategien und unbekannte Perspektiven bieten sollte. Den Workshopprozess gestaltete der computeremanzipierte Choreograph deshalb an einem „ausgewogenen Verhältnis“ zwischen „dem Erlernen technischen Grundlagenwissens für den Umgang mit elektronisch-digitaler Technologie, dem Experimentieren mit ihr sowie der konkreten Anwendung der Technologie im tänzerisch-choreographischen Schaffensprozess.“ Im zentralen Bezug auf den menschlichen Körper „mit all seinen Möglichkeiten, seiner Phantasie und Intelligenz“ konterkariert McGregor dessen Verdrängung oder Ersetzung durch neue Technologie und verweist auf eine komplementierende Kreuzung zwischen Maschine und Mensch in der Gesamtheit der kognitiven, affektiven sowie konkret-funktionalen Potentiale des letzteren.<927>

Die durch Kommunikationstechnologien hervorgebrachte bzw. unterstützte telematische Dimension verdichtet sich laut McGregor im Moment der „Konnektivität“<928> zu einer Eigenschaft des dritten Raumes, die alle Kommunikations- bzw. Informationsverarbeitungsebenen des Körpers beansprucht. Sie bezeichne auch laut McGregor eine facettenreiche „Verbindung von physischer, mentaler, emotionaler, intuitiver und sinnlicher Kommunikation aus entfernten Räumen in einem dritten Ort in Echtzeit.“<929> Durch einen kreativen, komplexen und totalen, doch gleichzeitig partizipativ offenen Zugang zur Technoperformance könnte die aktuelle, mit Technik und technologischen Denkweisen durchsetzte Kultur - in der Körper und körperliche Interaktion getrennt seien - wieder ausbalanciert werden. Trotzdem warnt McGregor stets vor einer futuristischen und technoeuphorischen Nachlässigkeit, die wertvolle Tanztraditionen sowie das natürliche Bewegungsarsenal des Menschen ignorieren würde: Technik sei für ihn immerhin meistens Mittel und Werkzeug zur Umsetzung einer künstlerischen Idee, die ohne diese nicht realisierbar - oder nicht einmal konzipierbar - wäre. Mit Ausblick auf kreative Allianzen zwischen Tanz und Computer entdeckt McGregor in der Technologie einen Katalysator für neuen „Bewegungsdrang“ und lädt ein weiteres Mal sowohl zum frei erforschenden Spiel wie auch zur steten Revision technophober Vorannahmen ein:


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„Es scheint, als brächte die Schnittstelle Computer/digitale Technologie eine Art Unvoreingenommenheit mit sich, die freiere Entscheidungen ermöglicht und Hemmungen im Hinblick auf die Entwicklung tänzerischen und choreographischen Schaffens verschwinden lässt. [...] Noch wichtiger ist jedoch die Tatsache, dass die Interventionsmöglichkeiten der neuen Medien die Tänzer sehr stark dazu motivieren, ihre virtuellen choreographischen Ideen in der Realität zu verwirklichen.“<930>

Zunehmend bedient sich die Medienkunst breit zugänglicher Technologien, die dem Bereich der Durchschnittsnutzung entstammen und wegen eines fortwährenden globalen/regionalen Technohypes auch für geringere Budgets erforderlich werden (tragbare Computer- und Kamerasysteme usw.). Die künstlerische Anwendung neuer Hardware und Software vermag sowohl im performativen als auch im installativen Kontext die DurchschnittsnutzerInnen über wichtige Aspekte ihrer privaten Verwendung zu informieren - und somit ihre Benutzung im Alltag positiv zu bewirken. Wayne McGregor betont eine vorsichtige, i. d. S. vorexperimentierte ästhetische Instrumentalisierung der Technik, wozu sie jedoch einem breiteren Publikum nicht nur zugänglich und erfahrbar, sondern auch verständlich gemacht werden muss.<931> Offenbar zielt eine interdisziplinär aufgeklärte und (nach außen) wirksame Kunstpraxis am besten auf gleichmäßige und reflektierte Oszillation zwischen zweierlei Erlebnisformen: (partizipativer) Nutzung und (kinästhetischer) Beobachtung - sowie ihrer Reflexionen bzw. Versprachlichungen.

Anhand der obigen Ausführungen wäre zu vermuten, dass sich Tanz und Theater auch heute - nach historischem Maßstab weiterhin zunehmend - der technischen Entwicklung bedienen, die eben in der elektronisch-digitalen Medientechnik ihre meistversprechenden Durchbrüche zu verzeichnen hat. Unter Voraussetzung einer entsprechend gestalteten Auseinandersetzung mit technischen sowie mit ästhetischen Aspekten „interaktiver Gestaltungen von Tanz-Performances“ könnte über eine bloße medientechnische Schulung hinaus laut Leeker auch eine „Reflexion der theatralen Anordnung“ befördert werden, „die unter Umständen Modelle einer homogenen Identität und Formen einer hierarchischen sozialen Organisation konstruiert.“<932> Und eben dazu bieten sich die kombinierten explorativ-cum-performativen Kontexte solcher Workshops, wie sie in der vorliegenden Arbeit untersucht werden, am besten. Obwohl sich die hochtechnisierte und somit hochdotierte Medienkunst stets als (zumindest wesentlicher Teil) eine(r) ästhetische(n) sowie kulturelle(n) Avantgarde verstehen mag, werden zunehmend breit zugängliche Technologien eingesetzt, die den DurchschnittsnutzerInnen - überwiegend immer noch westlicher Kulturen - aus ihrem Alltag bekannt sind.

Statt einer bloßen Herabsetzung der hochkomplexen Medienkunst (als durchsetzbaren Hybrids) von ihrem mystifizierten Piedestal bedeutet dies vielmehr


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eine emanzipativ motivierte Involvierung der RezipientInnen und Eröffnung bzw. Intensivierung eines (bidirektionalen) ästhetischen Kommunikationskanals und somit eine nochmals überzeugende (weil konkretere) Weiterschreibung des Interaktivitätsmythos (Kapitel 1.3.). Andererseits handelt es sich um einen quantitativ wie auch qualitativ anwachsenden, stets beschleunigten Transfer vom (ästhetischen) Experiment zur Massenproduktion - und in die Popkultur. Sowohl die konzeptuell-ästhetische als auch die konkret-produktive Spezifik dieser Techno-Avantgarde des 21. Jahrhunderts verlangt in der Praxis ein neues, betont kooperatives und durchschnittsnutzungsbewusstes Modell, das in einem vor allem konkret realisierten obwohl auch metaphorisch verstandenen laboratorischen Raum des Experiments institutionell wie auch individuell zu sichern ist. Der explorative Charakter solcher Praxis entspricht vollständig dem organisatorischen bzw. strukturell-systemischen Paradigma des Projekts, wie ihn u. a. auch die vorliegende Arbeit zu modellieren versucht.<933>

>>weiter>>



Anmerkungen:

<763>

Leeker, Martina / Dinkla, Söke (Hg./Ed.): Tanz und Technologie. Auf dem Weg zu medialen Inszenierungen. Berlin 2002.

<764>

In der einschlägigen Mailingliste „Dance Tech“ (Anm. 772) wurde z. B. auf diese Quelle mehrmals als auf die zur Zeit wichtigste - zudem auch konsequent zweisprachige - Publikation zum Thema verwiesen. Die Funktion der DVD-Rom beschränkt sich allerdings auf die (immerhin hochwertige) Dokumentation der Workshops und verbleibt jenseits jeglicher Versuche von (Um)Strukturierung bzw. Interpretation des Materials (etwa im Sinne der vorliegenden Arbeit, siehe Kapitel 2.3.).

<765>

Workshopkurzbezeichnung: Innerhalb der Workshopreihe „Tanz und Neue Medien“ in Veranstaltung des „Choreographischen Zentrums NRW Zollverein“ und unter Leitung von Söke Dinkla wurden im Jahr 2001 renommierte Namen der Szene eingeladen: Gretchen Schiller, Paul Sermon und Wayne McGregor (zu einzelnen Personen und ihren Beiträgen zum Projekt siehe Kapitel 3.1.5.). An den Essener Workshops nahmen TänzerInnen, ChoreographInnen, Medien- und PerformancepraktikerInnen teil, die nicht nur zehn verschiedene Kulturen bzw. Nationalitäten, sondern ebenfalls so viele Herangehensweisen an den Schnittbereich zwischen Körperkunst und Technik in die kollaborative Atmosphäre einspielen konnten. Leeker / Dinkla (Hg./Ed.): Tanz und Technologie. S. 11. (Vorwort)

<766>

In der Rolle einer „primären Sekundärquelle“ des interdisziplinären Diskurses werden die sorgfältig dokumentierten wie auch stellenweise hochwertig interpretierten Workshopgespräche und Interviews von Martina Leeker herangezogen. Siehe im Kapitel 3.1.5. die genauer verzeichneten Abschnitte aus Leeker / Dinkla (Hg./Ed.): Tanz und Technologie.

<767>

Leeker, Martina: Menschen in medialen Inszenierungen. Evaluation der Workshops und Ausblick. In: dies. / Dinkla (Hg./Ed.): Tanz und Technologie. S. 396 - 405. Zitat S. 401. Dabei muss betont werden, dass sich die Methoden (Kapitel 2.2.) sowie die Interpretationsstrategien (2.3. bis 2.5.) des vorliegenden Projekts weitgehend von den Prämissen der genannten Autorin(en) unterschieden.

<768>

Siehe die Ausführung zum Konzept des „Hybriden“ in Anm. 336.

<769>

Vgl. vorerst die sprachwissenschaftliche Definition von „Dis|kurs, der; -es, -e [lat. discursus = das Sich-Ergehen über etw.] (bildungsspr.): 1. methodisch aufgebaute Abhandlung über ein bestimmtes [wissenschaftliches] Thema. 2. [lebhafte] Erörterung, Unterhaltung: einen D. mit jmdm. haben, führen; es gab einen heftigen D. 3. (Sprachw.) die von einem Sprachteilhaber auf der Basis seiner sprachlichen Kompetenz tatsächlich realisierten sprachlichen Äußerungen;“ Duden Deutsches Universalwörterbuch.

<770>

Birringer, Johannes: Networked Environments for Interactive Dance. In: Maska Performing Arts Journal. Bd. XVIII, Nr. 82-83. Ljubljana 2003. S. 73 - 78. Zitat. S. 74.

<771>

Dinkla, Söke: Zur Rhetorik und Didaktik des digitalen Tanzes. In: Leeker / Dinkla (Hg./Ed.): Tanz und Technologie. S. 15 - 29. Zitat S. 15.

<772>

In der vorliegenden Arbeit wird für das geläufige Syntagma „Dance and Technology“ womöglich der Kurzbegriff „dance-tech“ benutzt, da dies die am häufigsten vorkommende Formulierung im Diskurs ist. (Quelle: „Dance Tech“ Mailingliste, derer Diskurs zwischen März 2001 und Mai 2004 im Rahmen des vorliegenden Forschungsprojekts durchgehend beobachtet wurde. Die Mailingliste positioniert sich als die wohl einzigste Plattform zur Austragung von Debatten und Austausch von Information im erforschten hybriden Bereich von „Tanz und Technologie“.). <dance-tech@lists.acs.ohio.state.edu> (Archiv: <www.dancetechnology.com/dancetechnology/archive/>)

<773>

Vgl. etwa das interdisziplinäre Workshopprojekt von Johannes Birringer am Göttelborner Bergwerk (Birringer, Johannes: Vorstellung des Projekts ‚Internationales Interaktionslabor Göttelborn‘ <www.aliennationcompany.com/gallery/gbesch.htm>), wo trotz einer hochprofessionellen Arbeitsumgebung bereits in der Konzeption ein hoher Anteil der Öffentlichkeit miteinbezogen wurde. Ähnlich war dies der Fall im Leeker/Dinklas Workshop, wo trotz komplexester Technik eine hohe Involvierungsstufe der (in der Regel positiv interessierten) Öffentlichkeit stimuliert wurde. Die Autorinnen verweisen mehrmals auf eine kulturell bedingte Neigung bzw. Neugier im Bereich der Technik bzw. der neuen Technologien innerhalb der deutschen Kultur, deren sich nicht zuletzt auch die vorliegende Arbeit in keinem geringen Maße verpflichtet und die möglichst zugunsten einer intensiven Medienemanzipation umgesetzt werden kann (vgl. etwa Kapitel 3.2.5.4.).

<774>

Der omnipräsente Aspekt der Telematik in der Performance- und Tanzkunst verändert sowohl die zentralen Aspekte des Körpers als auch die des Raums: “Telematic performances in general redefine the role of space in performance with telepresence both as an emerging model of corporeality and as spatio-temporal structure.“ Glessner, Julia: Internet Performances as Site-Specific Art. In: Body, Space & Technology Journal. Bd. 3, Nr. 1. Brunel University 2002. (Ausgabe online: <www.brunel.ac.uk/depts/pfa/bstjournal/3no1/journal31.htm>, Lesedatum: 05. 12. 2003). Siehe zu den kulturellen sowie technologischen Implikationen der „Telematik“ insb. Kapitel 1.3.5.

<775>

Vgl. das Bedürfnis nach Transparenz in den Empfehlungen von David Rokeby, Anm. 996 und 527. Darüber hinaus auch Kapitel 3.2.5.4.

<776>

Vgl. auch die temporalen Konnotationen Paul Virilios wie ausgeführt in 1.1.2.2. (Geschwindigkeit) und 1.2.1. (Zeitraum). Dazu eine äußerst diskurswirksame korrespondierende Lesart für den Bereich der Kunst bei Weibel, Peter: Vom Verschwinden der Ferne. Telekommunikation und Kunst. In: Decker, Edith / Weibel, Peter (Hg.) Vom Verschwinden der Ferne. Köln 1990. S. 19.-.79. Vgl. etwa dagegen die Kritik dieser Positionen bei Tholen: Der Ort des Raums.

<777>

Dazu ausführlicher im Kapitel 3.2.3., zusammenfassend im Kapitel 3.2.5.2.

<778>

Einer der Grundgedanken in „Empirische Kommunikationsforschung“ von Merten / Teipen nach Zusammenfassung von Giesecke: Kommunikative Sozialforschung. Modul „Methodologie“, Artikel „Probleme empirischer Kommunikationsforschung“. Siehe auch Kapitel 2.1.2.

<779>

“I was struck by how artists (often dancers) were unwilling (perhaps because they view their bodies as their instruments) to make the leap from the human body to the body of the net, with its parallel circulatory system and interactivity. The netcasting experience was sometimes viewed as means of broadcasting existing work, rather than a new art medium to be explored.“ Wilson, Martha: Martha Wilson, Franklin Furnace. In: Hill, Leslie / Paris, Helen: Guerilla Performance and Multimedia. London 2001. S.147-155. Zitat S. 154. Zitiert nach Glessner: Internet Performances as Site-Specific Art.

<780>

Birringer: Networked Environments for Interactive Dance. S. 77.

<781>

Auch für die meisten „technoemanzipierten“ MedienbenutzerInnen gilt es nach wie vor, dass die räumlich unmittelbare Kommunikation von Angesicht zu Angesicht den Großteil (und somit eine dominierende selbstreflexive Bezugsgröße) des täglichen Austausches mit anderen Menschen darstellt. Selbst mobile Telefonie, Fernsehen und vernetzte Computer - die den Alltag zunehmend subtil zu beherrschen scheinen - reduzieren die natürliche Kommunikationskomplexität zur hauptsächlich mono- oder höchstens bimedialen Informationsübertragung. Indem informatisches „Rauschen“ (vgl. insg. Wiener: Mensch und Menschmaschine) auf die Stufe der bloßen „Datenreduktion“ (vgl. Kapitel 3.2.3.2.) verbessert wurde, nähert sich der Mensch einer neuen Möglichkeit des „Naturalismus“ (vgl. 3.2.5.5.), diesmal in der technisch-medialen Dimension. Eine Oszillation zwischen der Kompensierung für „alte“ und der Anpassung an „neue“ Kommunikationsformen kann als die conditio humana kaum in Frage gestellt werden. Die multimediale Maxime betrifft hier das gesamte Kommunikationspotential der menschlichen Sensorik wie auch seiner mannigfaltigen Ausdrucksmöglichkeiten, von denen nur der visuelle und der auditive Kanal bis zur elektronischen (somit auch telematischen) „Ersetzung“ herangereift sind - zumindest in einigen experimentellen Ansätzen und Visionen (vgl. insg. 3.2.3.). Die meisten Versuche im Bereich der Taktilität und Motorik scheiterten an der Komplexität der menschlichen naturgegebenen Hardware. Vgl. einzelne Schwerpunktsetzungen im Kapitel 1.3.1.

<782>

Bei einer traditionellen informatischen Auffassung der Kommunikation (als Daten-, nicht jedoch als Impulstransfer, vgl. Kapitel 3.3.1. zur graphischen bzw. multimedialen Modellierung und 3.2.3.1. zur diesbezüglichen textuellen Argumentation) kommt es bei telematischen Technologien kaum mehr zu beträchtlichen Problemen, weil der auditive und visuelle Kanal durchaus kodierbar (ebd.) ist. Was nicht durch visuelle oder auditive Zeichen zu vermitteln ist, kann entsprechend komprimiert (platzsparend wieder-verzeichnet) werden (Formate „jpg“ und „mpeg“ für Bild, „mp3“ für Ton). Noch anschaulicher kann eine ähnliche Prämierung etwa bei der Entwicklung von entsprechenden Schnittstellen beobachtet werden: Haptik bleibt weiterhin auf die (zugegeben positiv wachsende) experimentellen Räume begrenzt, mit der subtileren biochemischen Kommunikation wird im breiten Elektronikbereich noch lange nicht gerechnet (siehe etwa Anm. 533.). Das wohl einzige Problemfeld im Audiovideobereich bleibt anscheinend die Datenübertragungsgeschwindigkeit, die bei direkter Zeichenübertragung (Worttext, Zahlenwerte) kaum mehr ins Gewicht fällt.

<783>

Siehe dazu insb. Kapitel 3.1.1.

<784>

Birringer, Johannes: New Environments : Interactive Dance. In: Maska Performing Arts Journal. Bd. XVII, Nr. 72 - 73. Ljubljana 2002. S. 122 - 124. Zitat S. 123. Siehe zu den Projekten und Positionen Johannes Birringers allgemein <http://art.ntu.ac.uk/performance_research/birringer/birringer.htm>.

<785>

Umfangreicher und themenspezifisch dazu im Kapitel 3.2.3.2.

<786>

Aus der Perspektive des „Neonaturalismus“ (als Zusammenfassung etlicher Vorschläge der vorliegenden Arbeit im Kapitel 3.2.5.5.) wird Datenreduktion auch als Datenverlust interpretiert. Dagegen sträuben sich reale, technische Möglichkeiten der Informationsvermittlung auf Entfernung in Kombination mit einer natürlichen wie auch elektronisch erweiterten Kommunikationsfähigkeit des menschlichen Körpers in presentia.

<787>

Dinkla: Zur Rhetorik und Didaktik des digitalen Tanzes. S. 17.

<788>

Paul Sermon ist einer der vordersten Namen der installativen Medienkunst und Pionier einer „digitalen telematischen“ Kunstrichtung, die die kreativen und emanzipativen Möglichkeiten der (stets aktuellen) Nachrichten- und Kommunikationstechnik erforscht. <www.hgb-leipzig.de/~sermon/>

<789>

Dinkla: Zur Rhetorik und Didaktik des digitalen Tanzes. S. 17.

<790>

Wayne McGregor ist Leiter einer divergent besetzten Tanzgruppe (changierender Besatzungen, Ästhetiken und Arbeitskonzepte), die einen besonderen Wert auf die choreographische, insbesondere jedoch medienpädagogische Anwendung neuer Technologien und ihren ökologischen Einsatz im performativen Bereich legt. <www.randomdance.org> Vgl. zum ökologischen Leitparadigma der vorliegenden Arbeit Anm. 178 und zum praktischen Beispiel bei der erwähnten Gruppe Anm. 921.

<791>

Vgl. die Argumentation von McGregor und Sermon in den Kapiteln 3.1.5.3. resp. 3.1.5.2.

<792>

Zur Telematik als Begriff bzw. technologisches und kulturelles Phänomen siehe Kapitel 1.3.5., zu ihrer Auswertung im Kontext des Tanzes Kapitel 3.1.5.3.

<793>

Abgesehen von den (innerhalb der vorliegenden Arbeit selektiv herangezogenen) Workshopberichten im Internet (von etwa Johannes Birringer oder Scott deLahunta) und zahlreichen kürzeren Symposienberichten sowie wenigen Sammelbandbeiträgen ist diese bisher die einzigste methodisch und inhaltlich kohärente Publikation zum Thema, die sogar zweisprachig veröffentlich wurde. Vgl. die Veröffentlichungsmodi der vorliegenden Arbeit in den Kapitels 2.3. bis 2.5., die die erwähnte Arbeit nochmals zu komplementieren suchen.

<794>

„Es geht weniger um die Erweiterung der bereits erlernten Körper- und Tanzsprache als vielmehr um die Bereitschaft zu einem Neuanfang. Um diesen Neuanfang zu ermöglichen und zu erleichtern, stellt sich für unser Vorhaben die Aufgabe, das ‚neue Digitale‘ so darzustellen und zu vermitteln, dass es bekannt erscheint, ohne dabei sein wesenhaft Neues zu verlieren. Es stellt sich außerdem die Aufgabe, denjenigen, die nicht technikimmanent denken, zu vermitteln, welche Ästhetik und welche Sinnelemente sich hinter bestimmten Formen verbergen." Dinkla: Zur Rhetorik und Didaktik des digitalen Tanzes. S. 19.

<795>

Die konkrete Dimension des elektronischen Raums soll am besten der (elektronischen Version der) Modellierung im Kapitel 3.3.1. entnommen werden.

<796>

Bildhafte Darstellungen wie Dokumentationsphotos oder einfache Systemgraphiken spielen in der Publikation immerhin eine Nebenrolle und beziehen sich höchstens auf die (ebenfalls kaum sekundäre) dokumentarische Intention des Projekts.

<797>

Ausführlicher zur Methode der vorliegenden Arbeit im Kapitel 2. Die Realisierung dieser Vision erfolgt(e) entlang des gesamten Projekts, nicht zuletzt auch in der „leibeigenen“ Performance des Autors (2.3.1.2.) wie auch in den elektronischen Fassungen der Arbeit (3.3.).

<798>

Dazu ausführlicher (auch im Rahmen dieser Argumentation) im Kapitel 2.3.1.2. Ein Installations- bzw. Bühnenraum soll - bei tatsächlich ganzheitlicher Abdeckung des Phänomens - nicht nur aus der „digitalen“ Perspektive, sondern auch in seiner „analogen“ Beschaffenheit beschrieben und abgebildet bzw. modelliert werden. Die Kommunikation innerhalb dieser technisch beschaffenen (bzw. technologisch neuerschaffenen) Räume basiert auf dem Elektronenfluss, somit auf dem modulierten Strom der Impulse. Die digitale Kodierung bedeutet einen weiteren Reduktionsschritt zu den (zu verzeichnenden) Programmen-als-Software, denen diese Technik-als-Hardware angeblich „unterliegen“ sollte. Eigentlich bestimmt die Architektur der Hardware in keinem geringeren Maß die Beschaffenheit ihrer Programme: eine Interdependenz beider Paradigmen liegt im Wesen der Menschlichen Beschäftigung (und nicht zuletzt Kommunikation) mit seiner Technik. Vgl. etwa die Ausführungen zu Kittlers medienmaterialistischen Ansätzen in der Anm. 980 (Position für Hardwaretransparenz) und 144 (Position gegen Softwareabstraktion).

<799>

Dinkla: Zur Rhetorik und Didaktik des digitalen Tanzes. S. 21. Beobachte insb. Dinklas Feststellung, „dass die Choreographen den Bühnenraum als einen linguistischen Raum begreifen - als einen Raum, dessen Natur digital ist. Er ist ein System von Zeichen, das einem bestimmten Kode folgt.“ ebd. S. 23. Die Autorin beschränkt und unterwirft den Bühnenraum somit der linguistischen Hierarchiesetzung, die sich demnach in der oft starken und (in den Essener Workshop-Gesprächen) mehrmals problematisierten Hierarchisierung zwischen Choreograph und Tänzer wiederspiegelt.

<800>

Vgl. Kapitel 3.2.3., insb. 3.2.3.1.

<801>

Innerhalb dieser Argumentation bezeichnet „Kode“ ein System von Zeichen, dessen Realitätsbezug am Prinzip der (arbiträren) Referenz funktioniert. Die Komplexität des tatsächlichen raum-körperlichen Geschehens auf der Bühne bzw. in jedem (etwa installativen, performativen, öffentlichen) elektronischen Raum kann durch das Konzept der Digitalisierung nur teilweise und bisher oft ungenügend erschlossen werden. Daher müsste nicht der voreilige Schluss gezogen werden, die elektronisch erweiterte Bühne sei lediglich digital bestimmt. Dies träfe eventuell nur bei einer „völlig virtualisierten Bühne“ eines Netzkunstprojekts zu, das ausschließlich auf dem zweidimensionalen Bildschirm und durch Lautsprecher erfahrbar wäre, (siehe Anm. 311 samt Kontext des Kapitels 1.2.2.3.) wo Internet konsequent mit der konkreten (Theater)Welt, sogar mit dem öffentlichen Raum verbunden wurde. Die Digitalisierung/Kodierung bezieht sich nur auf die „Sinnstiftung“ innerhalb eines Kunstwerks/Projekts - und keineswegs auf die Gesamtheit der dabei wahrnehmbaren bzw. reflektierbaren Prozesse! In einem interaktiven elektronischen Raum wird das analoge/materielle Geschehen zuerst in den analogen elektronischen Signal transformiert und erst nach dem Einführen in das digitale System zur „sinnstiftenden“ Kodierung informatisch reduziert. Die Gesamtheit der sinnlichen-cum-sinnvollen Qualitäten einer solchen Arbeit gebraucht deshalb weitere Beschreibungsmodi. (Vgl. zu dieser Argumentation das modellierte Systemschema im Kapitel 3.3.1. und insb. die dazugehörige Auslegung des Schemas bzw. ihre Taxonomie.)

<802>

Das andauernde Disput darüber, ob „interaktive Kunst erklärt werden soll“ lässt im gängigen Diskurs leicht zwei Pole erkennen. Vgl. dazu insb. Kapitel 3.2.5.4., wo anhand vorliegender Forschungsergebnisse für eine explizite Entmystifizierung der Technik eingetreten wird.

<803>

<www.thematrix.com> Vgl. Auch die Ausgangspunkte des Ars Electronica Festivals 2003 unter dem Motto „CODE - The Language of Our Time“ wie dargestellt in der Anm. 991.

<804>

Dinkla: Zur Rhetorik und Didaktik des digitalen Tanzes. S. 22f.

<805>

Vgl. dazu Kapitel 3.2.5.4., insb. die Interview Ausschnitte.

<806>

Ein angemessenes Beispiel für solche Kooperation zwischen zwei (gleichstarken) kreativen Partnern wären aus der Perspektive der vorliegenden Arbeit Robert Wechsler (primär als Choreograph und Tänzer) und Frieder Weiß (primär als Systementwickler) von der Gruppe Palindrome IMPG. Dazu allgemein im Kapitel 3.2.1. („Interdisziplinäre Kooperation“, konkretere Vorschläge zum Thema befinden sich im Kapitel 3.2.1.5.)

<807>

Vgl. Kapitel. 3.2.2.1., wo eine diesbezüglich prämierende Position der Technik beispielhaft behandelt wird.

<808>

Vgl. dazu im Allgemeinen den Kapitel 3.2.4., wo die Dominanz der graphischen Schnittstellen (und somit einer gewissen „Softwarekreativität“ mit körperlich intuitiveren Ansätzen konfrontiert wird. Siehe dazu

Kapitel 1.3.1.3. (tragbare Computer) und 1.3.1.2. („natürliche“ Schnittstellenkonzepte).

<809>

Anlässlich des Monaco Dance Forums 2002 z. B. fand etwa ein überwiegend hardware-zentrierter Workshop zum Thema „motion capturing“ statt (siehe dazu die Argumentation im Kapitel 3.1.4.2.).

<810>

Dinkla: Zur Rhetorik und Didaktik des digitalen Tanzes. S. 25. Vgl. dazu Ausführungen zum Konzept der Autorschaft und der Notwendigkeit des „Rollenwechsels“ im Kapitel 3.2.1.4.

<811>

Julia Glessner kondensiert die Ephemeralität des simultanen Tanzens bei den internetbasierten telematischen Performances als ihre ästhetische Hauptqualität, die zu einer zentralen Strategie für die Reflexion der medialen Bedingung werden kann - und soll: „In contrast to other net.art projects, such as interactive web installations which can be accessed with out any time restrictions, Internet Performances introduce the notion of ephemerality into net.art. Once the Internet Performance is over, it has vanished. No reproduction is possible anymore.“ Glessner: Internet Performances as Site-Specific Art.

<812>

Dinkla: Zur Rhetorik und Didaktik des digitalen Tanzes. S. 27.

<813>

Ebd. S. 27.

<814>

Folgendes (bis einschl. Kapitel 3.1.3.) soll als historisch einführender Dialog (ohne direkter begrifflicher oder syntaktischer Übernahmen, Ausnahmen gekennzeichnet) mit der Abhandlung von Kerstin Evert geführt werden. Evert, Kerstin: Tanz und Technologie an den Jahrhundertwenden. In: Leeker / Dinkla (Hg./Ed.): Tanz und Technologie. S. 31. - 65. Siehe auch die Ausführungen zur diesbezüglichen Kunstgeschichte entlang des Kapitels 1.3.4. Hier bezeichnet der Begriff „Kunst“ die Gesamtheit aller konkret-kreativen Handlungen bzw. schöpferischer Gestaltungen in verschiedenen Medien, inklusive dazugehörender (Macht)Diskurse. „Technologie“ wäre als das konzeptuelle und i. d. S. auch diskursrelevante Komplement (Metawissen, Know-how) zum materiell begründeten Begriff „Technik“ zu verstehen (Medientechnik, Maschine, Apparat). Des Weiteren sei vermerkt, dass sich in der vorliegenden Arbeit der Begriff „Medien“ nicht (wie sonst in vielerlei wissenschaftlichen und beinahe allen populären Diskursen üblich) auf die „Medientechnik“ (diese wird an entsprechenden Stellen als solche bezeichnet), sondern auf die Eigenschaft sowohl der Informationskonstanthaltung (Leitung) als auch der Informationsveränderung (Prozessierung). Konkreter Körper und Raum können vermittelnde und/oder verarbeitende Instanzen für materielle Spannungen, Impulse usw. als auch für symbolische Ordnungen, Zeichen usw. sein. Vgl. insb. Kapitel 3.3.2., dazu noch Tabelle 1. im Kapitel 3.3.1.

<815>

Vgl. Kapitel. 3.2.2. sowie Ausführungen zu den Körperkonzepten der Informatiker im Kapitel 1.1.3.

<816>

Vgl. Revisionskonzepte wie „Neorenaissance“ (Kapitel 3.2.2.3.) und „Neonaturalismus“ (3.2.5.5.) als zentrale Destillate der vorliegenden Arbeit.

<817>

Überschaubar und kontextreich dargestellt in Dinkla, Söke: Pioniere der Interaktiven Kunst. Ostfildern 1997.

<818>

Zu den Konzepten von „Mixed Reality“ vgl. Kapitel 1.3.3. (einführend) sowie Kapitel 3.2.5.1. (ausführend).

<819>

„Dance, closely associated with visual forms and rhythms, is fundamentally a multimedia system.“ Birringer: New Environments: Interactive Dance. S. 123.Vgl. Anm. 16.

<820>

Leeker, Martina: Menschen in medialen Inszenierungen. S. 395.

<821>

In diesem Kontext wird „echte“ Interaktivität als ein aktives und kreatives beidseitiges Beitragen zur Kommunikation verstanden und erfolgt zwischen mindestens zweierlei (autoaktiven) kommunikativen Entitäten (nicht unbedingt Menschen) über ein System oder zwischen Mensch und (intelligentem bzw. komplex programmierbaren) System (als ebenfalls aktive kommunikative Entität). Die Kontroll- bzw. Steuerungsfunktion des Systems wird dagegen als „Reaktivität“ aufgefasst (daher der Begriff der „Interreaktivität“, siehe Kapitel 3.2.5.2.). Dazwischen positionieren sich natürlich Grenzfälle und Hybride, wo eine gewisse Interaktivität anhand eines organisch-reaktiven Algorithmus oder komplexer Programmierbarkeit erfolgt, wie etwa beim engen „closed loop“ Prinzip (nahezu echtzeitliche Interaktion des Menschen mit seinem Spiegelbild bzw. andersmedialen Echo durch das System, siehe Kapitel 3.2.3.3.). Ebensolche Kreuzungen von natürlicher und technisierter Interaktivität eignen sich insbesondere als Untersuchungsobjekte, da eben in der verunsichernden „Grenzsituation“ die Praxis wie auch der dazugehörende Diskurs am besten beobachtet werden können. Vgl. zur spezifischen Methode Kapitel 2.3., zur extensiven Auseinandersetzung mit dem Objektbereich Kapitel 3.3.

<822>

Eine Prämierung der außermedialen, unmittelbaren Präsenz vor den Formen medialisierter Handlungen ist per se nicht gegeben. Zumindest was das Verschwinden (des Körpers, des Raums als „live“) und die mögliche Wiederholung (der Kopie, des „medialisierten“ Objekts) anbelangt, können sie laut Philip Auslander nur in einer historischen Perspektive wahrgenommen werden: Auf der ontologischen sowie technologischen Ebene erscheinen sie in diesem Sinne gleich(wertig). Die Intimität der konkret körpernahen Performanz befindet sich laut Auslander kaum in Opposition mit den Prinzipien der Reproduktion und Repetition. Auslander, Philip: Ontology vs. History: Making Distinctions Between the Live and the Mediatized. 1997. <http://webcast.gatech.edu/papers/arch/Auslander.html>.

<823>

Als Beispiele für typisch gemischte, i. d. S. „glokale“ Projekte vgl. etwa das Projekt des ADaPT („Association for Dance and Performance Telematics„ <http://dance.asu.edu/adapt>, den Verbund von sechs Medienkunstinstituten verschiedener US-amerikanischer Universitäten und mehrerer anderer Forschungsinstitutionen (Brasilien, Großbritannien, Australien, Kanada, Japan, Deutschland). Anlässlich ihrer Gründung in 2000 beschrieben sie sich als “an interdisciplinary association of artists, technologists and scholars from different educational institutions dedicated to research and critical dialogue on performance and media in telepresence space.“ Zum primären Ziel setzten sie sich die Erschaffung einer Plattform für telematische Kollaboration, womit neue Modelle für praktische Untersuchungen und Training wie auch für Realisierung vernetzter Tanz- und Performanceprojekte gefördert und ein „geteilter vermittelter Raum“ („shared mediated space“) zur Erforschung von Performanz und kreativer Kollaboration in global distribuierten Environments entwickelt werden sollte. In kulturellen und politischen Kontexten sollte eine beidseitige Verschachtelung von medialisierten Performances und Schwerpunkten wie Identität, Privileg und Zugang untersucht werden. <www.dance.ohio-state.edu/Dance_and_Technology/ips3.html> Vgl. insb. das facettenreiche Projekt „Flying Birdman“ (2002) und die ergiebige Dokumentation zu den zahlreichen „ADaPT Sessions“ in: Network Dance, Performance Distances. In: Birringer, Johannes / mit Ellen Bromberg, Naomi Jackson, John Mitchell, Lisa Naugle und Doug Rosenberg: Connected Dance. Distributed Performance Across Time Zones. A symposium hypertext. <www.dance.ohio-state.edu/DanceandTechnology/workshops/ipstheory.html> (präsentiert auf der “CORD“ Konferenz New York City 26. 10. 2001.). Vgl. dazu etwa das aktuelle Projekt LATela („Live Art Telematics Lab“) <http://art.ntu.ac.uk/performance_research/birringer/lat.htm> unter Leitung von Birringer.

<824>

Vgl. die Ausführungen und Diskursanalysen im Kapitel 3.2.5.4.

<825>

Vgl. die Perspektiven von Gretchen Schiller, Paul Sermon und Wayne McGregor allesamt im Kapitel 3.1.5.

<826>

Vgl. die Beschreibungen der Praxis von Palindrome samt ihrer noch etwas radikaleren Einstellung für eine Entmystifizierung der Technik als Abschlusspointe im Kapitel 3.2.5.4. Eine rege Debatte, die sich im 2002 um das Thema auf der einschlägigen Mailingliste „Dance Tech“ (Anm. 772) entwickelte, wurde von Johannes Birringer, einer der praktisch sowie theoretisch relevantesten Stimmen der Gemeinschaft zugunsten einer prinzipiellen technischen Transparenz der interaktiven Medienkunst und ihrer Systeme abgeschlossen. In seinem Plädoyer für eine transparente und sinngemäß kommunizierte Anwendung der Technik (und als Antwort auf den Vorwurf, seine Arbeiten benutzten bloß „Technologie um Technologies Willen“) entdeckt er eine symptomatische Mystifizierungsstrategie, die die „echtzeitlichen“ (vgl. Anm. 553) Instrumente (interaktive Technik) von der Ästhetik bzw. vom kreativen Prozess zu trennen versuchen. Die Verbindung zwischen der synästhetischen Erfahrung oder der Bedeutungsherstellung in der Rezeption einer technisch komplexen und nur durch diese Technik völlig und intensiv erfahrbaren Performance (des Systems) müsste laut Birringer nicht nur für die BenutzerInnen expliziert, sondern auch von den ProduzentInnen reflektiert werden: “It's good if we are open to all possibilities, here in our discourse and in our communities, and not just the somatic ones or the movement possibilities, but also all the others that have to do with why we perform. And here I may add - that it indeed amazes me that we come back so often, in this list, to thinking of computers or softwares as distractions from choreography, or as (perhaps, it i[s] implied) insufficiently or unsuccessfully or unbrilliantly incorporated in the works or the communicative lives.“ Birringer, Johannes: Re: VSS.01 Performance System. In: Archiv der Mailingliste ’Dance Tech‘. 14. 6. 2002. <www.dancetechnology.com/dancetechnology/archive> (Artikel: www.dancetechnology.com/dancetechnology/archive/2002/0269.html>)

<827>

Vgl. die Ausführungen zum „Publikumsstück“ von Palindrome im Kapitel 3.2.5.4., insb. die Anm. 1077.

<828>

Evert: Tanz und Technologie an den Jahrhundertwenden. S. 51.

<829>

Vgl. Kapitel 3.2.5.3.

<830>

Siehe z. B. das Projektbericht über „IPS - Interactive Performance Series“ unter <www.dance.ohio-state.edu/Dance_and_Technology/ips2.html>

<831>

Siehe eine ähnliche Kontextualisierung der Kollaboration in der Anm. 965 im Kapitel 3.2.1.4., des Weiteren ihre Zusammenfassung in der Modellierung des Kapitels 3.3.3.

<832>

Siehe zur Perspektive der „Programmbildung“ ausführlicher Kapitel 3.3.3.3.

<833>

Birringer: New Environments: Interactive Dance. S. 124. In seinem Beitrag schätzt Birringer auch die notwendigen Partizipationsbedingungen für bereits etablierte Institutionen ein, die sich sowohl auf technische Ausrüstung und räumliche Rahmenbedingungen als auch insbesondere auf pädagogisch-programmatische Strukturen beziehen: es sei empfehlenswert, die bestehenden personalbezogenen Hierarchien (etwa Schüler - Lehrer) und traditionellen Kurrikula (Prämierung etwa von Ballett und Modern Dance) mit egalitären Paradigmen der Team- und Projektarbeit (vgl. Kapitel 3.3.3.2.) zu ersetzen, wo unterschiedliche Disziplinen und (Denk-, Diskurs-, Kreativitäts)Kulturen gleichwertig eingeschlossen werden können. In diesem Kontext könne (die sonst öfters unterbelichtete und finanziell/institutionell benachteiligte Kunstform) Tanz als eine Verbindungsplattform für Schulen, Theatereinrichtungen, Klubkulturen, alternative sowie mainstream Kunstmillieus und digitale Kunstnetzwerke hervortreten. Ebd.

<834>

Die Erhöhung des Involvierungsgrades bedeutet nicht nur eine neue Verantwortung für die EndbenutzerInnen. Die Konzeption einer interaktiven künstlerischen Arbeit muss mit einer Verschiebung der kontrollierenden Instanz rechnen können: durch performative (systemerfahrene) Körper können unerfahrene NutzerInnenkörper geschult werden. (vgl. Anm. 1077 zum Palindromes „Publikumsstück“ im Kapitel 3.2.5.4.) „Interaktive Bühnenanwendungen nehmen den menschlichen Körper zwar nicht von der Bühne, legen jedoch die Kontrolle der Aufführung weitgehend in die Hand des Tänzers bzw. Performers, dessen Verantwortung für die Aufführung dadurch wesentlich steigt.“ Evert, Kerstin: Tanz und Technologie an den Jahrhundertwenden. S 50f.

<835>

Etwa in der Installation „n-Cha(n)t“ (2001) von David Rokeby kommunizieren Computer untereinander und gebrauchen dazu grundsätzlich keinen menschlichen Input - dieser wird zwar zugelassen und von den Computern in ihr „Geplauder“ gelegentlich aufgenommen, doch nur wenn sie (bzw. ihre Programme) dazu willig sind. Die BenutzerInnen können das Computernetzwerk zwar mit gesprochenen Wörtern (!) von seinem „Chorgesang“ (en. „chant“) ablenken, doch sobald es keinen wörtlichen Input mehr gibt, stellt sich ein gleichmäßiges, verzaubert (en. „enchanted“) selbstgenügsames und assoziatives „Geplauder“ (en. „chat“) von Computern untereinander wieder ein. <http://homepage.mac.com/davidrokeby/nchant.html> Vgl. dazu Ausführungen zu Rokebys „Very Nervous System“ in der Anm. 835.

<836>

Vgl. insgesamt die Auslegung des Konzepts „closed loop“ im Kapitel 3.2.3., insb. Anm. 1008.

<837>

Evert: Tanz und Technologie an den Jahrhundertwenden. S. 55.

<838>

Ebd.

<839>

Vgl. zur Technisierung von menschlichen Sensoren bei Giesecke / Purg, Anm. 127.

<840>

Evert: Tanz und Technologie an den Jahrhundertwenden. S. 57.

<841>

Ebd. Vgl. die Argumentation am Anfang des Kapitels 3.1.1.

<842>

Vgl. zur begrifflichen Abgrenzung zwischen „Leib“ und „Körper“ Anm. 35.

<843>

Vgl. die Etymologie des Begriffes „organisieren“ aus „Or|gan [...] [lat. organum = (Musik)instrument, Orgel < griech. órganon, auch = Körperteil; 3, 4: wohl nach frz. organe]: 1. aus verschiedenen Geweben zusammengesetzter einheitlicher Teil des menschlichen, tierischen u. pflanzlichen Körpers mit einer bestimmten Funktion.“ Duden Deutsches Universalwörterbuch.

<844>

Siehe näher dazu das programmatische Konzept des „Neonaturalismus“ im Kapitel 3.2.5.5.

<845>

Siehe insgesamt die Modellierung der „interdisziplinären Kooperation“ im Kapitel 3.3.3.

<846>

Der vielmals preisgekrönte Rokeby bezeichnet sich als “media installation artist“ bzw. „sound and video installation artist“. Der Zentralbereich seiner Arbeit laut seiner Homepage sind “interactive pieces that directly engage the human body, or that involve artificial perception systems.“ <http://homepage.mac.com/davidrokeby/home.html> Vgl. auch Anm. 527 (dort weitere Verweise zu seinen Projekten und Positionen).

<847>

DeLahunta, Scott: Periodische Konvergenzen: Tanz und Computer. In: Leeker / Dinkla (Hg./Ed.): Tanz und Technologie. S. 67 - 87. Zitat S. 77.

<848>

Vgl. Kapitel 3.3.2.

<849>

Siehe etwa die internationalen Plattformen wie „Rebel:art“ <www.rebelart.net> als (primär deutsch-französischer) Komplex von Webseite, Zeitschrift und Festival für kulturkritische Kunst- und Kommunikationsformen; das „Internationale Festival radikaler Kommunikationsformen Memefest“ <www.memefest.org> als eine (anfangs slowenisch-kanadische) Initiative zur Förderung vom wissenschaftlichen Diskurs und kulturkritischer bzw. aktivistischer und taktischer Kunstpraxis und ihrer Verquickungen; oder etwa „Furtherfield“ <www.furtherfield.org/> als (primär regional britisches) Netzwerk von IT-AktivistInnen und NetzkustlerInnen. Vgl. auch Kapitel 3.2.5.5., wo neuwertige Visionen von Kreativität als breiterer (öffentlicher) gesellschaftlicher Praxis ausgeführt werden.

<850>

„Real experience has a fundamental integrity that virtual experience does not. This aspect of virtuality can be a great advantage because it allows you to break the ’rules‘ of reality. Escaping reality is liberating when one spends the greater part of one‘s time in reality. But this lack of fundamental integrity is potentially quite unsettling to anyone spending most of their time in virtual spaces.“ Rokeby: The Construction of Experience.

<851>

Ebd.

<852>

Vgl. Kapitel 3.1.1.

<853>

DeLahunta: Periodische Konvergenzen. S. 79.

<854>

„Wie sehr bzw. wie geringfügig sich die Erfahrungen des Publikums von denen der Tänzer unterscheiden, lässt sich schwer feststellen, doch auch wenn bei einem Tanzpublikum eine wohlgesonnene kinästhetische Reaktion vorausgesetzt werden kann, steht außer Frage, dass die Erfahrung des Publikums nicht dieselbe ist wie die der Tänzer.“ Ebd. S. 79.

<855>

Vgl. das interaktive System „EyeCon“ von Frieder Weiß und Palindrome IMPG als eine relativ erfolgreiche Kombination von Hardware und Software, das zunehmend für den breiteren NutzerInnengebrauch finanziell (300.- im Oktober 2003 für StudentInnen und KünstlerInnen samt 30-tägiger kostenloser Testperiode) wie auch bedienungstechnisch (ständig aktualisierte Hilfsdatei, individueller Support und somit beeinflussbare Softwaremodifikationsmöglichkeit) zugänglich gemacht wird. Mehr zum EyeCon als „Beispiel für Integration artverschiedener Systeme“ im Kapitel 3.2.3.4.

<856>

Ähnlich wie der etwas professioneller anmutende „EyeCon“ fügt sich „BigEye“ als Software beinahe jeder Macintosh-Konfiguration, erweist eine benutzerInnenfreundliche graphische Schnittstelle und ermöglicht interaktive bildbasierte Arbeit bei relativ niedrigen Systemvoraussetzungen und kleinem Preis (150.- im Oktober 2003). Das (live-eingespeiste oder bereits voraufgenommene) Videobild wird ähnlich wie bei EyeCon in MIDI-Signale konvertiert, womit andere „Medienoutputs“ gesteuert bzw. Kodes bewirkt werden können. Auch dieser Programm wurde für die Benutzung der preisgünstigen Webkameras kompatibilisiert und findet bereits eine breite künstlerische Anwendung. <www.steim.org/steim/bigeye.html>

<857>

Vgl. im allgemeinen Kapitel 3.2.1., darin insb. 3.2.1.4. und 3.2.1.5. Zu Lösungsvorschlägen siehe Kapitel 3.2.5.2. („ökulogische Schnittstellen“) und 3.2.5.4. („Entmystifizierung der Medienkunst“).

<858>

Vgl. Ausführungen zum Konzept des „Renaissancemenschen“ in 3.2.1.1. sowie innerhalb der Triangulation wie modelliert in der elektronischen Version der vorliegenden Arbeit.

<859>

Innerhalb der vorliegenden Argumentierung könnten neben den bereits erwähnten Rokeby und deLahunta noch Robert Wechsler und Georg Hobmeyer (als Personen und i. d. S. anstrebende „Renaissancemenschen“) herangezogen werden, derer kontextualisierte Interviewaussagen manche dieser Ansätze ergänzen und präzisieren sollen (ebd.). Auf die kaum minder relevante Arbeit etwa von Mark Coniglio und Dawn Stoppielo der Gruppe „Troika Ranch“ <www.troikaranch.org> sowie (ebenfalls paarweise!) von John McCormick und Hellen Sky der australischen Besatzung „Company in Space“ <www.companyinspace.com> oder die Arbeit der Gruppe „blueLAB“ aus Dresden <www.bluelab.tv> kann im Rahmen dieser Auseinandersetzung aus ökonomischen sowie methodischen (Kapitel 2.1.) Gründen nicht näher herangegangen werden.

<860>

Als nur einige im Rahmen einer öffentlichen Institutionalisierung gelungene Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum sollen an dieser Stelle die Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich <www.hgkz.ch>, die Wiener Universität für Angewandte Kunst <www.dieangewandte.at>, die Hochschule für Graphik und Buchkunst Leipzig <www.hgb-leipzig.de> oder etwa die Kölner Kunsthochschule für Medien <www.khm.de> erwähnt werden.

<861>

Vgl. dazu etwa die Praxis von Wayne McGregor, der Computersoftware unmittelbar im choreographischen Prozess einsetzt, stellenweise sogar bis zu radikalen, physisch kaum realisierbaren Vorgaben für die TänzerInnen, die dadurch und anhand einer verfremdeten Repräsentation im computerisierten Computerbild (Strichmodelle, Avatare) zu frischen choreographischen Ideen geführt werden sollen. Dabei handelt es sich um eine computergenerierte graphische Vorlage von Figuren und Choreographien (die breit eingesetzte Software „LifeForms“, die neulich in „DanceForms“ umbenannt wurde <www.credo-interactive.com>). Diese sollen konkret nachgeahmt werden, womit die physischen Limitierungen des natürlichen Körpers laut McGregor überwunden bzw. die Grenzen verschoben werden können: „Der menschliche Körper ist unglaublich anpassungsfähig, er kann die Informationen, die von digitalen Repräsentationen auf ihn zuströmen, aufnehmen, verarbeiten und weiter entwickeln. Durch die Erforschung eines erweiterten Körpers verändert sich zugleich mein Verständnis von Raum und von Zeit.“ Leeker, Martina: Interview mit Wayne McGregor. In: Leeker / Dinkla (Hg./Ed.): Tanz und Technologie. S. 307 - 329. Zitat S. 307. Zu beinahe gleichen (nur theoretisch-historisch begründeten) Schlüssen wie McGregor kommt auch Kerstin Evert bezüglich Merce Cunningham, McGregors konzeptuellen Vorgängers und frühen Entwicklers von „LifeForms“ sowie der wahrscheinlich wichtigsten historischen Figur des Kreuzungsbereichs „Tanz und Technologie“. Im Unterschied zu McGregor, der den Animationen lediglich inspirative Ideen für einige Bewegungssequenzen oder Momentaufnahmen (Standbilder) abnimmt, arbeitet Cunningham mit der computergenerierten Choreographie als Vorgabe für die TänzerInnen, die möglichst genau nachgetanzt werden sollen - erst wenn dies nicht möglich ist, werden neue Anpassungsstrategien für Mensch und Technik gesucht (S. 317 - 319). In ihrer Auseinandersetzung mit Cunninghams kreativer Anwendung neuer Technologien beobachtet Evert, wie spezifische technologische Rahmenbedingungen und (unseltene) Freiräume innerhalb verschiedener technisch-künstlerischer Konstellationen tatsächlich fruchtbare Synergien mit dem „trainierten Tänzerkörper“ hervorrufen können. In diesem „Dialog [...] bewirkt der durch die Optionen des eingesetzten Mediums veränderte Blick auf Körper und Bewegung reale Konsequenzen in der im tänzerischen Körpergedächtnis eingeschriebenen Körperpraxis.“ Evert, Kerstin: Ständiges Update. Merce Cunninghams Arbeit mit neuen Technologien und Medien. In: Klein (Hg.): Tanz. Bild. Medien. S. 113 - 135. Zitat S. 134. (Hervorhebung P. P.) Vgl. dagegen etwa die Verweise auf mögliche Frustrationen und Zeitprobleme (siehe genauer zum Thema Kapitel 3.2.1.4.) von Pablo Ventura, einem weiteren bekannten Praktiker des Milieus. Er betont, dass die Bewegungen, die sonst mit der eigenen Körperkenntnis spontan und schnell konzipiert sowie in eigenem Körper reflexiv nachvollzogen werden (können), vorerst mühsam in einem Computer entworfen werden müssen, um schließlich auch noch durch seinen Output (Strich- und Gittermodelle, Avatare) frustriert zu werden. „ [...] timing, spacing and coordination of simple actions, such as for example sitting or lying down, is non existent, and has to be fed into the animation; a complete dumb which is incapable of learning basic patterns of movement through the usual procedure of repetition of sequences. All these inevitable inconveniences and handicaps makes the program, in my opinion, not suitable as a complete tool with which to choreograph and with which to generate movement material for the stage, but rather, as a tool to study movement possibilities which can then be integrated into one´s own improvisations, searching for those possibilities, experienced with the animation, from within one´s own body.“ Ventura, Pablo: Dancing Computer. <www.art.net/~dtz/ventura1.html>. Venturas positive Erfahrungen mit der Choreographiesoftware „LifeForms“ beziehen sich auf die Befreiung von althergebrachten Bewegungsformen und Mustern sowie auf die bisher unentdeckten Möglichkeiten der Bewegungsexploration und hochkomplexe Phrasenentwicklung (Tanz als syntaktisches Paradigma). Das Arsenal an Bewegungsvarianten entspricht bekanntermaßen zwar der hochkodifizierten oder sogar syntaktisierten „Tanzsprache“ des Modern Dance, doch lässt sich diese innerhalb der Software - als positive Eigenschaft des digitalen Paradigmas - beinahe beliebig modifizieren und erweitern.

<862>

DeLahunta: Periodische Konvergenzen. S. 81. (Hervorhebung im Text.)

<863>

Vgl. die ebenfalls einigermaßen idealisierende, obwohl in konkreter Praxis wurzelnde Modellierung der „interdisziplinären Kollaboration“ im Kapitel 3.3.3.

<864>

DeLahunta: Periodische Konvergenzen. S. 83.

<865>

Siehe die Modellierung artverschiedener Entitäten „Mensch“ und „Maschine“ in einem interaktiven technischen System im Kapitel 3.3.1. Vgl. daraufhin die Anm. 533.

<866>

Der Bereich der technischen Bewegungserfassung kann am überschaubarsten in Hinsicht auf die Sensortechnik geordnet werden: Es können zwei grundsätzliche Herangehensweisen an die technisch-sensorische Erfassung von Bewegung (“motion capturing“) unterschieden werden, die raumbezogene Erfassung von Bild oder evtl. auch Luft- bzw. Materialschwingungen und die primär körperbezogene Erfassung von Veränderungen der Körperoberfläche bzw. des Körperinneren. Die erstere bezieht sich auf die äußere, meistens grober erfasste silhouettenartige (2D) Form des Körpers bzw. seiner unmittelbaren Erweiterungen (Kleidung, Kostüm, Requisit) hauptsächlich durch verschiedenste Kameras (digital, CCTV, infrarot), die im Konzept der „intelligenten Bühne“ ihren idealen, performativen Kontext findet. Auch in interaktiven und/oder multimedialen Installationen wird der Körper hauptsächlich bezüglich seiner Position im Raum wie auch der relativen Position einzelner Körperteile untereinander und deren Veränderung erfasst, neben Kameras werden dazu noch elektronische Boden- und Entfernungssensoren benutzt. Die körpernahe Erfassung von Bewegung basiert dagegen überwiegend auf Elektroden oder Audio- bzw. Drucksensoren mit unmittelbaren Körperkontakt: physiologische Sensoren (EEG, EKG, Körpertemperatur), Beschleunigungssensoren (Sensorchips) und Beugungssensoren (Datenhandschuh, Datenanzug). Anstatt origineller medizinischer Biosensorentechnik finden öfters auch umgebaute billigere Standardprodukte Gebrauch (Durchschnittsnutzungsebene!), mit denen physiologische Prozesse der Haut, der Muskeln, des Nervensystems und sogar der Organfunktionen registriert werden können (Hautfeuchtigkeit, Muskelspannung, Atem, Herzschlag). Nur selten zeigen sich beide Sensorenkonzepte praktisch kompatibel bzw. gleichzeitig einsetzbar, sowohl aus technischen als auch vor allem aus rezeptiven Gründen: in der Performancesituation wird meistens nur eine einzige Art von Bewegungserfassung zugleich benutzt; bei Installationen traut man sich immer noch nur selten an den BenutzerInnenkörper nah heran (Berührungsangst). Subtile körperliche Zustände und ihre Dynamik können prinzipiell durch beide Sensorenarten erfasst und für weitere künstlerische (ästhetische, konzeptuelle) Bearbeitung zur Verfügung gestellt werden, wobei die körpernahe Erfassung jedoch zumindest unter den PerformerInnen als die „ehrlichere“ bekannt ist: Durch Biosensoren können etliche intime Momente des Körpers „automatisch entblößt“ werden und sich einer intentionalen Manipulation seitens der PerformerInnen entziehen - andererseits wird die Sensorentechnik oft als „unbequem“ bezeichnet, was sowohl im Bereich des Tanzes als auch in der Regel bei Installationskunst meistens von Nachteil (im Sinne einer unpointierten Benutzungsfreundlichkeit) ist.

<867>

Vgl. etwa die Software „LifeForms“ in der Anm. 861. Einige konzeptuelle Qualitäten dieses Ansatzes können jedoch zugegebenermaßen nicht geleugnet werden. Die folgende deskriptive Einschätzung der gängigen Praxis basiert auf den eigenen Beobachtungen des Autors der Vorliegenden Arbeit von Workshops (siehe auch Kapitel 2.3.1.1.) sowie auf etlichen Berichten und Dokumentationen aus zweiter Hand, die in der vorliegenden Arbeit herangezogen wurden.

<868>

Die visuelle Computerrepräsentation scheint auch weiterhin über andere Medien und Modi der technisierten ästhetischen Kommunikation ihren Primat zu erhalten. Im gemeinsamen Projekt „ADaPT“ (siehe Anm. 823) etwa wurde genau diese Prämierung zur treibenden und gleichzeitig hemmenden Kraft der interdisziplinären Kooperation. Einige TeilnehmerInnen am Projekt sträubten sich vehement gegen die offenbar starken Fixierungen (der meisten TeilnehmerInnen) im Cinematischen bzw. Bildlichen, andere verfochten dasselbe wiederum als die mediale Spezifik des Schöpfungsprozesses schlechthin. Die „Imagisierung“ von Performance unter medialisierten Bedingungen postuliert Johannes Birringer, Initiator des Projekts und eine zentrale Figur der aktuellen „dance-tech“ Szene, jedoch durchaus kritisch als eine wichtige Quelle (im Sinne eines Archivs wie auch im Sinne eines Pools) für die Reflexion von Kultur und ihrer neumedial bedingten kommunikativen - sowohl künstlerischen als auch populären - Formen: „It is perhaps disconcerting to correlate the physical culture of dance with cinematic culture, yet in the age of networks and computer media, both cultures have become a database of images. Consequently, rather than assuming that physical bodies and specific culturally expressive movements resist mediatization, I tend to think that all dance and music traditions are becoming part of a global archive, and the computerization of culture provokes us [to] look at how the design of new media forms, such as telematic dance or popular dance raves, resonates in or transforms the presumed continuity of theatrical dance and social dance or popular music.“ Birringer: Network Dance, Performance Distances. Die ausführliche und informationsergiebige (Hyper)Textcollage der ADaPT Sessions zum „telematischen Tanz“ dient als Dokumentation der Kommunikation zwischen den TeilnehmerInnen und ihrer Reflexion über das Projekt.

<869>

Diese Aussage sowie die vorangehenden Behauptungen des Abschnitts nehmen einen nicht direkt zu belegenden Bezug auf die TeilnehmerInnen der oben beschriebenen Workshopreihe „Tanz und neue Medien“ wie auch die Teilnehmerinnen in den „ADaPT Sessions“ (Anm. 823). Nicht zuletzt ebenfalls mit Hinblick auf die in der vorliegenden Arbeit näher untersuchte Gruppe „Palindrome IMPG“ und ihre Workshops zum selben Thema (siehe insg. Kapitel 3.2.).

<870>

Ein besonders illustratives Beispiel dafür wäre der australische Künstler und Wissenschaftler „Stelarc“ in beinahe allen seinen bekanntesten Performance-Projekten <www.stelarc.va.com.au>.

<871>

Diese allgemeinen Bemerkungen beziehen sich insb. auf die verschiedenen Beiträge in der ADaPT Textcollage: Birringer et al: Connected Dance, sowie auf Birringers Auseinandersetzung mit politischen Aspekten der „networked environments for interactive dance“: „A focus on design implicates political questions regarding the contingencies of the performing body in ist coupling with technological systems. It allows us to formulate a politics of interaction which offers alternatives to choreography and to the dominance of the image in contemporary media performance.“ Ders.: Networked Environments for Interactive Dance. S. 73.

<872>

Dieses interessante Phänomen bedürfte eines eigenen Exkurses, der aber den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde. Vgl. dazu die gut dokumentierte Arbeit Merce Cunninghams, (Anm. 861) sowie die aktuellen choreographischen Strategien von Jacov Sharir (Anm. 1012).

<873>

Lovell, Rob: Videobasiertes Erkennen in interaktiven Performanceräumen. In: Leeker / Dinkla (Hg./Ed.): Tanz und Technologie. S. 197 - 211. Zitat S. 209.

<874>

Vgl. z. B. die Praxis des “MARS - Media Art Exploratory Lab“ (siehe Anm. 53f). Doch auch in diesem Fall handelt es sich oft um marktökonomisch zu rechtfertigende Projekte wie etwa das Projekt „Info-Jukebox“, ebd., genauer darüber etwa unter <www.imk.fraunhofer.de/sixcms/media.php/132/info_jukebox01.pdf>

<875>

DeLahunta, Scott: Dimensions of Data Space. <http://huizen.dds.nl/~sdela/mcrl> (erschienen auch in: Anomalie digitalarts. Nr. 3. Interfaces. Theories & Applications. Paris)

<876>

Vgl. die Selbst- und Gruppenreflexive Praxis bei den ADaPT Sessions (textuell dokumentiert) und insb. die kollektiven und in mancher Hinsicht dialogischen (als Argumentation für Kapitel 3.3.3.1.) Sitzungen („think tanks“) zu den „Interactive Performance Series“ des „OSU Dance“. <www.dance.ohio-state.edu/Dance_and_Technology/ttreport.html> Vgl. dazu auch das Projekt von Leeker / Dinkla, insb. wie beschrieben im Kapitel 3.1.4.

<877>

Am „Media Lab“ des MIT wird vielleicht die längste institutionelle Tradition der theoretischen und praktischen Arbeit am Konzept des tragbaren Computers verfolgt. <www.media.mit.edu/wearables> In ihrem Projekt „MIThril“ etwa bewegt sich der Forschungsfokus jedoch aktuell von angeblich genügend optimierter Hardware zu durchschnittsnutzungsbedingten Softwarelösungen (die zudem auf einem Open Source Betriebssystem basieren - siehe Anm. 1083): “Lately we have been focusing much more on machine learning, interaction research, and software infrastructure. After all, the hardware exists to support the applications. Current interaction models are really broken where wearable computing is concerned, and until we solve these problems faster/smaller hardware is not going to help.“ DeVaul, Richard W.: Beitrag zum ‚MIThril/Borglab‘ Wiki. 15. 10. 2002. <http://borglab.media.mit.edu/wiki/borglab> Die Gruppe “Future Physical“ dagegen behandelt das Thema aus der kaum genügend zu betonenden Perspektive der Kultur und Gemeinschaft (dazu ausführlicher in den Ausführungen zur Arbeit der Initiative sowie die Diskussion zu den Positionen von Steve Mann im Kapitel 1.3.1.1.). Als Kontrast dazu diene etwa der überwiegend kommerziell orientierte „Wearable Technology Industry Portal“. <www.wearablecomputing.com>

<878>

Vgl. das Kapitel 3.2.1.4. zur „Rebalancierung der Rollen als Ressourcenökonomie: zwischen Zeitnot und Geduld“.

<879>

DeLahunta, Scott: Dimensions of Data Space. Vgl. das hardware-basierte Konzept der „Kalibrierung“ mit seinem software-basierten Pendant des „Mapping“ (siehe Kapitel 3.2.1.4., vgl. die Modellierungen des technischen Systems [Raum und Körper] im Kapitel 3.3.1. und die kybernetische Auffassung der menschlichen „Informationsverarbeitung“ [Körper im Raum] im Kapitel 3.3.2.). Ihre zentrale Bedeutung könnte etwa in der metaphorischen („Sinnübertragenden“, vgl. Kapitel 3.1.1.) Überbrückungsfunktion zwischen zwei kommunikativen Modi (zweier artverschiedener Systeme) erörtert werden: Die analoge, zudem affektive Informationsverarbeitung des Körpers soll an ein digital (ver)arbeitendes System vermittelt werden. Dazu deLahunta: „Motion capture is essentially a measuring instrument and like all measuring instruments it requires calibration to align its internal units to the real world units. Calibration manifests a level of description within which other descriptions have meaning, and all motion capture systems, optical, magnetic and exoskeletons involve different procedures for it. [...] Without this level of description the system has no context to recognise the data being generated by the mover.“ DeLahunta: Dimensions of Data Space.

<880>

Zu einigen Ausführungen zum Konzept des „Open Source“ siehe Kapitel 3.2.5.4., darin insb. Anm. 1083.

<881>

Vgl. Vorschläge für „Diskurs-, System- und Struktur- wie auch Programmbildung“ im Kapitel 3.3.3.

<882>

In seinem Werk „Jeunes Chercheurs“ (1984) betont Roland Barthes, dass wahre interdisziplinäre Arbeit nicht so sehr auf einer Konfrontation bereits konstituierter Disziplinen basiert, die nicht dazu bereit sind, ihre ursprüngliche Positionen zu verlassen. Um etwas „interdisziplinäres“ zu tun genügt es eben nicht, ein Subjekt zu wählen, und darum zwei oder drei Wissenschaften zu sammeln, es sei viel mehr ein Entwurf eines neuen Objekts, das niemandem gehört. Bezug auf das Zitat von Nat Muller auf der Seite <http://libarynth.f0.am/cgi-bin/view/Libarynth/NatMuller>.

<883>

DeLahunta: Dimensons of Data Space. Vgl. Dazu die Vorschläge der vorliegenden Arbeit zur diskursiven Differenzierung und Übersetzung („Rollenwechsel unter Moderation: Kodes gemeinsam erfinden, zu gemeinsamen Sprachen finden“) im Kapitel 3.2.1.5. und ihre Konsequenzen für die Organisation der interdisziplinären Kollaboration („Zur Modellierung der interdisziplinären Kooperation im techno-organischen Paradigma“, Kapitel 3.2.5.3.).

<884>

Siehe dazu genauer Anm. 1039.

<885>

DeLahunta: Dimensons of Data Space.

<886>

Zusammenführend graphisch modelliert befindet sich dieser Ansatz im Kapitel 3.3.3. (siehe insb. die elektronische Version der Arbeit). Vgl. dazu die systematisch verwandten Visionen etwa von Roy Ascott et al, Anm. 1047.

<887>

Hagen, Wolfgang / Leeker, Martina: Der Schock der Elektrizität als Technikgeschichte des modernen Tanzes oder Technik als Überförderung und die Möglichkeiten der Kunst. Ein Gespräch von Martina Leeker mit Wolfgang Hagen. In: Leeker / Dinkla (Hg./Ed.): Tanz und Technologie. S. 119 - 133.

<888>

Vgl. insg. die überzeugenden Entmystifizierungsversuche der Buchkultur von Michael Giesecke: Von den Mythen der Buchkultur zu den Visionen der Informationsgesellschaft. Insb. Modul „Buchkultur“.

<889>

Vgl. Purg: Die neue Leiblichkeit des Chandosbriefs. Sowie Ausführungen zum Thema in den Anm. 34ff.

<890>

Hagen / Leeker: Der Schock der Elektrizität als Technikgeschichte des modernen Tanzes oder Technik als Überförderung und die Möglichkeiten der Kunst. S. 129 - 131.

<891>

Ebd. S. 133. Vgl. etwa die versöhnenden Positionen der vorliegenden Arbeit im Kapitel 3.2.3. (zwischen Kunst und Technik) bzw. 3.2.5.2. (zwischen Körper und Technik).

<892>

Leeker, Martina: Interaktivität als choreographisches Phänomen. Interview mit Gretchen Schiller. In: Leeker / Dinkla (Hg./Ed.): Tanz und Technologie. S. 165 - 175. Zitat S. 167.

<893>

Vgl. das Konzept der „hybriden Architektur“, bei dem innerhalb von Computern bzw. Computernetzen analoge und digitale Informationsbestände eine gemeinsame Plattform (der digitalen Datenverarbeitung sowie elektronischen Datendarstellung) teilen. Vgl. Kapitel 3.3.1. Eine gewisse Plattform-Unabhängigkeit bzw. Kreuzkompatibilität sei laut Georg Christoph Tholen auch ein Merkmal effizienter Datenträger bzw. Technologien überhaupt. Tholen: Der Ort des Raums.

<894>

Schiller, Gretchen: Digital gesteuerte Bewegungsräume. In: Leeker / Dinkla (Hg./Ed.): Tanz und Technologie. S. 177 - 195. Zitat S. 177.

<895>

Ebd. S. 179.

<896>

Aussage von Schiller in Leeker: Interaktivität als choreographisches Phänomen. S. 171. Vgl. ebd. auch Schillers eigenes Konzept der „Kinesfelder“ - dazu ausführlicher in Schiller, Gretchen: Transfiguring Movement Perceptions. <www.uoc.edu/caiia-star-2001/eng/articles/gschiller/schiller.html> (präsentiert anlässlich des CAiiA-STAR Symposiums 'Extreme parameters. New dimensions of interactivity'. 11. - 12. 07. 2001).

<897>

Vgl. jeweils die begrifflichen Ausführungen am Anfang des Kapitels 1.1. (Anm. 10ff) und des Kapitels 1.2. (Anm. 213).

<898>

Schiller: Digital gesteuerte Bewegungsräume. S. 195.

<899>

Aussage von Schiller in Leeker: Interaktivität als choreographisches Phänomen. S. 173.

<900>

Vgl. die Visionen des „Neonaturalismus“ im Kapitel 3.2.5.5.

<901>

Aussage von Gaetano Guinta in Leeker, Martina: Ergebnisse des Workshops: Die Installationen. In: dies. / Dinkla (Hg./Ed.): Tanz und Technologie. S. 219. - 231. Zitat S. 229. Merke die sinngemäße, paraphrasierende Transkription Leekers im Vergleich mit den lautsprachlich empfindlicheren, somit möglichst gering interpretierenden, jedoch auch schwieriger bzw. weniger fließend lesbaren Transkriptionsmethoden der vorliegenden Arbeit im Kapitel 3.2. (methodische Begründung im Kapitel 2.2.2.)

<902>

Leeker, Martina: Workshopgespräche (erster Workshop). In: dies. / Dinkla (Hg./Ed.): Tanz und Technologie. S. 233. - 243. Zitat S. 243.

<903>

Ebd. S. 235. Dieses Problem kann auch durch die eigene Erfahrung des Autors der vorliegenden Arbeit am ähnlichen Workshop (siehe Kapitel 2.3.1.) bestätigt werden. Siehe die Lösungsvorschläge im Kapitel 3.2.1.4.

<904>

Leeker: Workshopgespräche (erster Workshop). S. 237.

<905>

Vgl. die Konzeption der „Konkreativität“ wie übernommen von Judith Mathez in der Anm. 175.

<906>

Leeker, Martina: Interview mit Paul Sermon. In: dies. / Dinkla (Hg./Ed.): Tanz und Technologie. S. 245 - 275. Zitat S. 261.

<907>

Alle Bezugnahmen auf ebd. S. 271 - 273.

<908>

Ebd. S. 275. Vgl. dazu im Kapitel 3.1.5.3. Wayne McGregors choreographische Strategie des „negativen Raums“ (als den körpernahen, vom Körper unbesetzten und somit betanzbaren Bereich) der auch mit Hilfe von Computerprogrammen erforscht und besonders wirksam ausgeschöpft werden kann.

<909>

Leeker, Martina: Workshopgespräche (zweiter Workshop). In: dies. / Dinkla (Hg./Ed.): Tanz und Technologie. S. 291 - 305. Zitat S. 297.

<910>

Ebd. S. 299.

<911>

Ebd. S. 301.

<912>

Ebd. S. 303.

<913>

Ebd. S. 305.

<914>

Ebd.

<915>

Vgl. Kapitel 3.1.5.1. (insb. die Einführung) wie auch insb. 3.1.4.2. (schwerpunktmäßig).

<916>

Leeker, Martina: Interview mit Wayne McGregor. In: dies. / Dinkla (Hg./Ed.): Tanz und Technologie. S. 307 - 329. Zitat S. 307.

<917>

McGregor, Wayne: Choreographische Strategien für telematische Bühnen und Bewegungsanimationen. In: Leeker / Dinkla (Hg./Ed.): Tanz und Technologie. S. 331 - 341. Zitat S. 331.

<918>

Leeker: Interview mit Wayne McGregor. S. 311. Vgl. die Konzeption des Hybriden in Anm. 336.

<919>

Vgl. Kapitel 3.1.5.1.

<920>

Leeker: Interview mit Wayne McGregor. Ebd. S. 319.

<921>

<www.randomdance.org/project_alpha/> Siehe insb. die webbasierte Anwendung „Alpholution“ zur Erstellung eigener (überspitzt) biohybrider Figuren, die entsprechend betreuten Internetübertragungen (Webcasts) oder das online Forum für Kinder „Random Dance“ veranstalten Workshops, die an jeweilige Zielgruppen und Gemeinschaften, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, angepasst werden. Vgl. dazu McGregors Bericht über Großbritanniens ersten „Digital Youth Dance Course“ am „Swindon Dance“ (Nationalagentur Südenglands für Tanz), in dem er den Gründen für eine besonders energische („energised“) Partizipation der Jugendlichen in seinem tanzpädagogischen Projekt nachgeht und zu beinahe identischen Schlüssen wie im hier untersuchten Diskurs kommt. McGregor, Wayne: Dialoguing Ecology. (erschienen auch in: Zeitschrift Animated. Herbst 2000) Text entnommen der Webseite <www.randomdance.org> (Lesedatum: 23. 06. 2003).

<922>

Vgl. Kapitel 3.2.1.4. („Ressourcenökonomie“) und 3.2.3.4. („Integration artverschiedener Systeme“), insg. die diskursiven Konzentrierungen Kapitel 3.2.5. sowie die (Hyper)Modellierungen in 3.3.3.

<923>

Leeker: Interview mit Wayne McGregor. S. 327.

<924>

Eine besondere ästhetische sowie (inter)kulturelle Bedeutung schreibt McGregor gerade der globalen Gleichzeitigkeit zu, indem es etwa bei telematischen Performances in verschiedenen Zeitzonen zu radikalen und gleichsam subtilen, jedenfalls kreativ ergiebigen Unterschieden zwischen biorhythmischen und atmosphärischen Bedingungen unter den Zeitzonen kommt. Im Essener Workshop konnte die telematische Dimension lediglich fingiert (also zwischen getrennten Räumlichkeiten der gleichen Lokalität) erprobt werden. Die (sich durch ganz Nordamerika wie auch auf andere Kontinente erstreckende) Initiative „ADaPT“ arbeitet oft gezielt mit realem Zeitzonenunterschied. Vgl.zu ADaPT Anm. 823.

<925>

Leeker: Interview mit Wayne McGregor. S. 325.

<926>

McGregor: Choreographische Strategien für telematische Bühnen und Bewegungsanimationen. S. 331.

<927>

Alle Zitate und Bezugnahmen ebd. S. 331 - 333.

<928>

Vgl. Paul Sermons analoges Konzept des telematischen Raumes im Kapitel 3.1.5.2. sowie das gleichnamige Konzept bei Roy Ascott et al, Anm. 1047.

<929>

McGregor: Choreographische Strategien für telematische Bühnen und Bewegungsanimationen. S. 335.

<930>

Ebd. S. 339.

<931>

Leeker, Martina: Workshopgespräche (dritter Workshop). In: dies. / Dinkla (Hg./Ed.): Tanz und Technologie. S. 357 - 367. Bezug auf die Aussagen McGregors auf S. 367.

<932>

Dies.: Menschen in medialen Inszenierungen. S. 399. Dem Tanz gesteht Leeker jedoch - als immanenter Körperausdrucksform insbesondere im Kontext neuer Technologien - die generische Funktion einer primären „Erzeugung“ des Menschen zu. Schließlich rehabilitiert sie Tanz versöhnend als ein Medium, „in dem das spezifisch Menschliche, das von den elektronisch-digitalen Medien und Technologien nicht Einholbare, seinen Platz hat“. Ebd.

<933>

Siehe ausführlicher dazu Kapitel 3.3.3.2.


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