Klinische Assessments craniomandibulärer Dysfunktionen (CMD) Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades doctor medicinae (Dr.med.) vorgelegt dem Rat der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena von Carsten Stibenz geboren am 04.04.1975 in Greiz 15. Januar 2004 Erster Gutachter : Prof. Dr. med. U. Smolenski Zweiter Gutachter : PD Dr. med. dent. habil. U. Langbein Dritter Gutachter : Prof. Dr. med. E.J. Seidel Tag der öffentlichen Verteidigung: 08.11.2004 Abkürzungsverzeichnis AF Anteflexion BeweFu Bewegungsfunktion BRS behaviour rating scale BWS Brustwirbelsäule bzw. beziehungsweise ca. circa CMD craniomandibuläre Dysfunktion CTÜ cervico-thorakaler Übergang d.h. das heisst etc. et cetera FB Fragebogen FBA Finger-Boden Abstand FSU Friedrich Schiller Universität [grd] Winkelgrade HWS Halswirbelsäule ICD international statistical classification of diseases and related health problems (internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) ICF international classification of functioning, disability and health (internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit) ISG Iliosakralgelenk links LWS Lendenwirbelsäule M. musculus Mm. musculi N. nervus MFT Muskelfunktionstest NSAR nichtsteroidale Antirheumatika o.g. oben genannte/r/s OGS oberes gekreuztes Syndrom re rechts RF Retroflexion ROM range of motion s.o. siehe oben s.u. siehe unten TENS transkutane elektrische Nervenstimulation TMD temporomandibular dysfunction TMJ temporomandibular joint TP Triggerpunkte u.a. unter anderem u.ä. und ähnliche UGS unteres gekreuztes Syndrom UK Unterkiefer VAS visuelle Analogskala ZMK Zentrum für Mund- und Kieferheilkunde Inhaltsverzeichnis Seite Zusammenfassung 1. Einleitung 9 1.1 Craniomandibuläre Dysfunktionen 9 1.2 Ätiologie und multifaktorielle Aspekte der CMD 12 1.3 Bedeutung einer Strukturierung des Krankheitsbildes durch funktionsorientierte Assessments 17 1.4 Stellenwert des Physikalischen Medizin und Rehabilitation in der Therapie craniomandibulärer Dysfunktionen 21 2. Wissenschaftliche Fragestellungen 26 2.1 Wie sind die Strukturmerkmale von Patienten, die unter der Verdachtsdiagnose „craniomandibuläre Dysfunktion“ untersucht wurden, hinsichtlich der Funktionsuntersuchungen (test, clinical signs), der apparativen Funktionsmessungen (measurements) sowie der ergebnisorientierter Testverfahren (outcome measures) aufgebaut? 26 2.2 Besteht ein Zusammenhang zwischen Parametern der Funktionsuntersuchungen, der apparativen Funktionsmessungen und den ergebnisorientierten Testverfahren? 26 2.3 Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus den erhobenen Daten für die Diagnostik und Behandlung craniomandibulärer Dysfunktionen in der Praxis ziehen? 27 3. Patienten und Methoden 28 3.1 Patienten 28 3.2 Methoden 29 3.2.1 Die klinische Untersuchung der Bewegungsfunktion 30 3.2.2 Die klinische Untersuchung der Muskelfunktion 32 3.2.3 Ultraschalltopometrie (Zebris) 35 3.2.4 Die patientenzentrierte Beurteilung 36 3.2.5 Statistische Verfahren 39 4. Ergebnisse 41 4.1 Klinische Beurteilung 41 4.1.1 Befunde der Muskelfunktion 41 4.1.2 Befunde der Bewegungsfunktion 44 4.2 Apparative Beurteilung: Befunde der Ultraschalltopometrie 47 4.3 Schmerzbeurteilung: Befunde der Visuellen Analogskala (VAS) 50 4.4 Patientenzentrierte Beurteilung 51 4.5 Zusammenhang zwischen den Parametern 54 4.5.1 Vergleich der Ulraschalltopometrie mit der klinischen Untersuchung der Muskelfunktion 54 4.5.2 Vergleich der Ultraschalltopometrie mit der klinischen Untersuchung der Bewegungsfunktion 55 4.5.3 Vergleich der klinischen Untersuchung der Bewegungsfunktion mit der klinischen Untersuchung der Muskelfunktion 57 4.5.4 Vergleich der Ultraschalltopometrie mit der patientenzentrierten Beurteilung 58 4.5.5 Vergleich der Ultraschalltopometrie mit den Ergebnissen der Visuellen Analogskala (VAS) 59 4.5.6 Vergleich der klinischen Untersuchung der Muskelfunktion mit der patientenzentrierten Beurteilung 59 4.5.7 Vergleich der klinischen Untersuchung der Muskelfunktion mit der Visuellen Analogskala (VAS) 60 4.5.8 Vergleich der klinischen Untersuchung der Bewegungsfunktion mit der patientenzentrierten Beurteilung 61 4.5.9 Vergleich der klinischen Untersuchung der Bewegungsfunktion mit der Visuellen Analogskala (VAS) 62 4.5.10 Vergleich der patientenzentrierten Beurteilung mit den Ergebnissen der Visuellen Analogskala (VAS) 63 5. Diskussion 64 5.1 Fehlerdiskussion und Testgütekriterien 64 5.2 Ergebnisdiskussion 67 5.2.1 Diskussion einzelner Befunde 70 5.2.1.1 Muskelfunktionsuntersuchung 70 5.2.1.2 Bewegungsfunktionsuntersuchung 72 5.2.1.3 Ultraschalltopometrie (Zebris) 73 5.2.1.4 Visuelle Analogskala (VAS) 75 5.2.1.5 Outcome Fragebögen 76 5.2.2 Diskussion zusammenhängender Befunde 77 5.2.2.1 Zusammenhang fremdbeurteilter Befunde 77 5.2.2.2 Zusammenhang eigen- und fremdbeurteilter Befunde 81 5.2.2.3 Zusammenhang eigenbeurteilter Befunde 83 5.3 Schlussfolgerungen 86 6. Literaturverzeichnis 90 Anhang Ehrenwörtliche Erklärung Lebenslauf Danksagung Zusammenfassung Untersucht wurde eine Stichprobe von 100 Patienten, welche die Kriterien einer craniomandibulären Dysfunktion erfüllten. Der Anteil des weiblichen Geschlechts betrug 86%. Es erfolgte eine orientierende Untersuchung der BWS und LWS, eine orientierende und segmentale Untersuchung der HWS und eine manualmedizinische Beurteilung des Kiefergelenks. Die HWS- Beweglichkeit wurde mit Hilfe der Ultraschalltopometrie untersucht. Weiterhin führten wir eine Muskelfunktionsuntersuchung der cervicalen, thorakalen und abdominellen Muskulatur (nach Janda) durch. Als Outcome diente die Visuelle Analogskala für Schmerz und Geräusch im Kiefergelenk sowie der alltagsbezogene Fragebogen für CMD-Patienten „Helkimo“ und der krankheitsbezogene Fragebogen „Haese“. Ziel unserer Untersuchungen war es, die Strukturmerkmale von CMD-Patienten zu erfassen, die Aussagefähigkeit von Funktionsuntersuchungen, apparativen Funktionsmessungen und ergebnisorientierten Testverfahren zu untersuchen und daraus Rückschlüsse für das Assessment craniomandibulärer Dysfunktionen in der Praxis zu ziehen. Die von uns untersuchten Patienten zeigten relativ häufig Störungen der Muskel-und Bewegungsfunktion im thorako-abdominellen System. Es ließen sich gehäuft Muskelfunktionsstörungen im Sinne von oberen und unteren gekreuzten Syndromen nachweisen und ca. 1/3 aller Patienten zeigte Asymmetrien, Stellungsfehler der Wirbelsäule bzw. Funktionsstörungen der HWS. Ausserdem konnte eine Einschränkung der HWS-Beweglichkeit gegenüber einer gesunden Population gezeigt werden. Bei der patientenzentrierten Beurteilung erreichte der alltagsbezogenere Fragebogen „Helkimo“ bei ausgeglichenerem Score der Einzelfragen einen höheren Summenscore als der krankheitsspezifischere Fragebogen „Haese“. Die Zusammenhangsanalyse ergab einen guten und statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen den eigenbeurteilten Befunden hinsichtlich der Visuellen Analogskala und den Outcome Fragebögen - erwartungsgemäss mit Vorteilen für den krankheitsbezogenen Fragebogen „Haese“. Bei den fremdbeurteilten Befunden konnte ein Zusammenhang zwischen thorako-abdomineller Muskelfunktion und der Beweglichkeit der Halswirbelsäule statistisch signifikant nachgewiesen werden. Hier wären weitere Vergleiche speziell in Hinblick auf typische Symptommuster (gekreuzte Syndrome) interessant, dies würde wahrscheinlich zu noch besseren Korrelationen führen. Ein Zusammenhang zwischen den Bewegungsfunktionsstörungen der HWS und der Beweglichkeit der HWS deutete sich dagegen zwar an, ließ sich aber nicht statistisch sichern. Hier sollten in weiteren Studien die Asymmetrien der HWS-Beweglichkeit stärker berücksichtigt werden. Nur wenig Korrelation gab es zwischen den eigen-und fremdbeurteilten Befunden. Bei den Fragebögen deuteten sich leichte Vorteile für den alltagsbezogenen Fragebogen „Helkimo“ an. Dabei scheint vor allem der Muskelbefund des thorako-abdominellen Systems einen Einfluss auf das alltagsbezogene Outcome von CMD- Patienten zu haben. Aus den Ergebnissen kann man den Schluss ziehen, dass zum klinischen Assessment der CMD neben der Untersuchung des Kiefergelenks und der Halswirbelsäule auch eine physiotherapeutische bzw. manualmedizinische Untersuchung der Muskel- und Bewegungsfunktion des thorako-abdominellen Systems gehört. Den Outcome-Fragebögen und der VAS kommt in der Diagnostik und als Verlaufsparameter einer CMD eine zentrale Rolle zu, da, wie unsere Untersuchungen zeigen, objektivierbare Befunde und Selbsteinschätzung des Beschwerdeausmasses nicht zwangsläufig miteinander korrelieren müssen. Wir halten deshalb die Verwendung eines alltagsbezogenen und eines krankheitsbezogenen Outcome- Fragebogens für sinnvoll. Diskussionwürdig bleibt dabei, anstatt des Fragebogen „Helkimo“, einen neueren und noch alltagsbezogeneren Fragebogen wie den „SF 36“ zu verwenden. Auch die Einbeziehung des „TMJ dysfunction index“ kann überlegt werden. Die apparative Funktionsdiagnostik sollte um eine orofaciale Funktionsanalyse erweitert werden. Weiterhin sollte bereits in der Diagnostik die Unterteilung in „subgroups“ vorgenommen werden, da das heterogene Erscheinungsbild craniomandibulärer Dysfunktionen eine differenzierte diagnostische und therapeutische Herangehensweise verlangt und das Patientengut nicht als „symptomatische Einheit“ betrachtet werden darf. Auch für die Vergleichs- und Erfolgsanalysen in künftigen Studien wird die Bildung von „subgroups“ bei CMD- Patienten zu noch besseren Ergebnissen führen. Gegenstand weiterer Untersuchungen könnte schließlich die Änderung des Outcome als Verlauf- und Erfolgsparameter auf der Basis einer physiotherapeutischen bzw. manualmedizinischen Mitbehandlung auch des thorako-abdominellen Systems sein. 1. Einleitung 1.1 Craniomandibuläre Dysfunktionen Seit langer Zeit stehen die craniomandibulären Dysfunktionen (CMD) im Interesse der Zahnmedizin und seit einigen Jahren verstärkt auch im Blickpunkt der physikalischen Medizin. Schon 1934 beschrieb COSTON Symptome von Kiefergelenksfunktionsstörungen wie Knackgeräusche beim Kauen, Kopfschmerz, Schwindelgefühl, Ohrensausen und Taubheitsgefühl im Ohr, die als Coston-Syndrom bezeichnet wurden (Costen 1934). Um die Beteiligung des Kiefergelenks zu betonen und auf die Bedeutung der zugehörigen Muskulatur und der psychischen Komponente hinzuweisen, prägte SCHWARZ 1968 den Begriff des „temperomandibular joint pain dysfunction syndrom“ (Olschowsky 2000). Heute spricht man von einer Funktionsstörung des Kiefergelenks, einer craniomandibulären Dysfunktion, wenn eine oder mehrere der folgenden Symptome vorliegen (De Boever und Steenks 1991, Blank 1998): -Knack- oder Knirschgeräusche im Kiefergelenk -Einschränkung der Beweglichkeit im Kiefergelenk, wie z.B. Einschränkung der Mundöffnung, der Protrusion oder Lateralbeweglichkeit des Unterkiefers -Bewegungsabweichung des Unterkiefers, wie z.B. Seitab- weichung bei Mundöffnung -Muskelschwäche oder Muskelverkürzung der Kaumuskulatur -Schmerzen im Kiefergelenk, in der Kaumuskulatur, schmerzende Zähne, (Kopfschmerz) Zu den definierenden Symptomen können Schwindel, Ohrensausen, Gefühl der Schwerhörigkeit sowie Steifheits- und Ermüdungsgefühl der Kaumuskulatur hinzutreten. Da der Kopf-Hals-Bereich über eine reichhaltige anastomosierende Vaskularisierung und Innervation verfügt, können Symptome anderer Krankheiten Beschwerden verursachen, die denen der CMD sehr ähnlich sind. Die Differentialdiagnose sollte auf Grund dieser Problematik deshalb immer an erster Stelle stehen, weil die „...Herstellung einer Beziehung zwischen den Klagen des Patienten und dem erhobenen Untersuchungsbefund... von essentieller Bedeutung...“ ist (de Boever und Steenks 1991). Häufigstes Symptom bei Patienten mit einer CMD ist das Knacken und die Krepitation im Kiefergelenk während der Bewegung der Unterkiefer. Die Ursachen hierfür werden in der Literatur ausführlich diskutiert. Eine Erklärung ist die Diskusverlagerung im Kiefergelenk nach vorne, die ein „reziprokes Knacken“ verursacht. Beim Öffnen und Schliessen des Kiefers kommt es zu den typischen Knackgeräuschen (Farrar und Mc Carty 1983; Kopp und Sebald 1992). Als eine weitere Erklärung für die Ursache von Geräuschen im Kiefergelenk wird in der Literatur die Krepitation als ein Zeichen der Veränderung chondraler und ossealer Strukturen aufgeführt. Ein hypermobiles Gelenk, das ein terminales „Öffnungsknacken“ und ein initiales „Schliessungsknacken“ im Sinne einer Subluxation des Kiefergelenks bewirkt, kann ebenso wie das „intermediäre Knacken“, als Zeichen einer lokalen Verdickung des Knorpels, die Ursache von Gelenkgeräuschen sein. Schliesslich ist bei manchen Patienten ein „ligamentäres Knacken“ nachweisbar, welches entsteht, wenn bei der Mundöffnung der Kondylus unter dem Ligamentum laterale hindurchgeht (Kopp und Sebald 1992). Knackgeräusche können sozial störend oder nicht störend sein. Die sozial nicht störenden Knackgeräusche sind leise und werden von einigen Patienten nur über die akustische Knochenleitung wahrgenommen. Allerdings sind diese Knackphänomene fast immer schmerzhaft und oft mit Funktionseinschränkungen verbunden. Die sozial störenden Knackgeräusche hingegen können von sekundären Personen wahrgenommen werden und so die betroffene Person sozial erheblich einschränken. Unter Umständen führt dies soweit, dass der Patient z.B. den Besuch von Restaurants meidet, da dessen nähere Umgebung durch die Gelenkgeräusche irritiert wird. Personen mit sozial störenden Gelenkgeräuschen haben oftmals allerdings keine Schmerzsensationen. Einschränkungen der Beweglichkeit im Kiefergelenk bzw. Bewegungsabweichung des Unterkiefers können ihre Ursachen im neuromuskulären System (der Kaumuskeln) oder in den artikulären Strukturen haben. Diese Bewegungseinschränkungen können ein- oder beidseitig sein. Einerseits unterscheidet man zwischen einer verkürzten oder überweiteten Beweglichkeit des Unterkiefers und anderseits zwischen gestörten Bewegungsformen bei der Mundöffnung und -schliessung. Zu diesen gestörten Bewegungsformen gehört die Dyskoordination, die ihre Ursachen im neuromuskulären System hat. Sie ist durch eine (eventuell beidseitig wechselnde) Abweichung des Unterkiefers von der Mittellinie bei der Öffnungs- und Schliessbewegung gekennzeichnet, wobei am Ende der Mundöffnung oder der Schliessbewegung der Unterkiefer wieder auf die Mittellinie einschwenkt. Die Deviation als Zeichen für eine artikuläre Störung ist eine ausgeprägte Dyskoordination, die zu einer starken Abweichung des Unterkiefers von der Mittellinie nach einer Seite führt. Der Unterkiefer weicht dabei immer zur kranken Seite ab. Auch hier wird am Ende wieder die mittige Stellung eingenommen. Ein Zeichen der Deflexion, ebenfalls eine intraartikuläre Störung, ist das plötzliche Abweichen des Unterkiefers nach einer Seite, wobei am Ende der Öffnungsbewegung der Unterkiefer maximal von der Mittellinie entfernt ist. Bei den arthrogenen Ursachen der Bewegungseinschränkung bzw. Bewegungsabweichung im Kiefergelenk spielt eine Verlagerung des Gelenkdiskus, der die Beweglichkeit der Kondylen im Kiefergelenk behindert, eine wichtige Rolle (De Boever , Steenks 1991; Kopp, Sebald 1995). All diese Einschränkungen der Kiefergelenksbeweglichkeit können ebenso wie die Knack- und Knirschphänomene eine Ursache für Schmerzsensationen im Bereich der Kiefergelenke und seiner Umgebung sein. Weiterhin können sich arthrogene und neuromuskuläre Ursachen gegenseitig bedingen. So ist eine Verkürzung der Kaumuskulatur auf Grund einer Deviation im Kiefergelenk ebenso denkbar wie eine Dyskoordination wegen myogener Störungen. Da das Kiefergelenk in enger Nachbarschaft zur oberen Halswirbelsäule steht, formt es mit dieser und der zugehörigen Kaumuskulatur eine Art funktionelle Einheit (Janda 1986). Die Wechselbeziehung zwischen Kiefergelenk, Okklusion und der Halswirbelsäule bedingt daher bei Änderung der (normalen) Funktion der einen Struktur die Beeinflussung und möglicherweise Veränderung der anderen Strukturen (Friedman und Weisberg 1985). Dieses Zusammenspiel verschiedenster Komponenten des Kopf- Hals-Systems erklärt das Auftreten multipler Symptome beim Krankheitsbild der craniomandibulären Dysfunktion und unterstreicht damit die Wichtigkeit einer ausführlichen Differentialdiagnose einerseits sowie die Bedeutung einer multifaktoriellen Herangehensweise andererseits. 1.2 Ätiologie und multifaktorielle Aspekte der CMD Insgesamt können dem craniomandibulären System fünf Grundfunktionen zugeschrieben werden: mastikatorisch, respiratorisch, sensitiv-sensorisch, phonetisch und ästhetischphysiognomisch. Störungen dieses Systems können demzufolge weitreichende Beeinträchtigungen haben und obwohl selten beachtet, ist die craniomandibuläre Dysfunktion eine relativ häufige Erkrankung. In einer epidemiologischen Studie wiesen mehr als 50% der Bevölkerung Zeichen einer Kiefergelenksstörung auf und die Zahl der Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Dysfunktion betrug 38% (Nicolakis et al. 2000). Symptome craniomandibulärer Dysfunktionen kommen in allen Altersgruppen (Helkimo 1974, Steenks 1982, Okimoto et al. 1996) und bei beiden Geschlechtern etwa gleich häufig vor (Helkimo 1979). Jedoch suchen Frauen mit entsprechenden Beschwerden häufiger einen Arzt auf als Männer (Helkimo 1979). Eine abschliessende Erklärung dafür steht noch aus, jedoch werden heute psychologische und soziologische Unterschiede bei beiden Geschlechtern, die zu einem unterschiedlichen Krankheitsverhalten beitragen, als wesentliches Element des Geschlechts-und Altersgruppenunterschiedes angesehen (van Rooijen 1987). Beim Krankheitsbild der craniomandibulären Dysfunktion wird von einer multifaktoriellen Genese ausgegangen, wobei sich die ätiologisch ursächlichen Faktoren in drei Obergruppen einteilen lassen (de Boever und Steenks 1991, Winkelmann et al. 1999): -die neuromuskuläre Komponente -die anatomisch-okklusale Komponente -die psychologische Komponente Diese Einteilung ist eine didaktisch vereinfachte Darstellung, hat sich aber in der Praxis bewährt. Faktoren dieser drei Gruppen können zwar jeder für sich genommen Symptome einer craniomandibulären Dysfunktion verursachen. In den meisten Fällen werden die Beschwerden jedoch von mehreren Faktoren einer oder mehrerer Gruppen bedingt, so dass ein einziger ursächlicher Faktor für das Entstehen einer craniomandibulären Dysfunktion oft nicht auszumachen ist. Vielmehr beeinflussen sich, wie oben erwähnt, die einzelnen Komponenten gegenseitig. Durch die enge topographische Beziehung der Kiefergelenksregion zur Halswirbelsäule mit der entsprechenden Muskulatur, welche wiederum funktionell stark mit der Brust- und Lendenwirbelsäule einschliesslich ihrer zugehörigen Muskulatur verknüpft ist, können vom Kopfschmerz bis zu Verkürzungen der Nacken-und Schultermuskulatur die unterschiedlichsten Symptome auftreten (Wanman 1995, Lobbezoo- Scholte et al. 1995). So dient zum Beispiel die Halsmuskulatur als Widerlager der Kaumuskulatur, wobei beide Muskelgruppen am knöchernen Schädel inserieren. Da das Temporomandibulargelenk direkt mit dem Schädel verbunden ist, kommt es bei Störungen der Bewegungsmöglichkeiten im Gelenk auch zu einer Störung der Dynamik der inserierenden Muskulatur. Die gestörte Muskulatur wiederum kann ihrerseits zu arthrogenen Funktionsstörungen der Halswirbelsäule führen usw. Innerviert wird die Kaumuskulatur hauptsächlich vom N. mandibularis, dem dritten Ast der N. trigeminus. Obwohl dieser ein Hirnnerv ist, reichen seine Kerne bis zum dritten Halswirbel hinab. Diese Region, vom Okziput bis zum dritten Halswirbel, schliesst die so genannten Kopfgelenke der Halswirbelsäule ein. Diese Kopfgelenke wiederum sind besonders häufig von Funktionsstörungen betroffen, so dass dadurch eine Beeinflussung der neurogenen Funktion des N. mandibularis möglich zu sein scheint. Geht man andererseits von einer anatomisch-okklusalen Komponente aus, ist vorstellbar, dass das Temporomandibulargelenk die Funktion des Os temporale und damit die Schädelfunktion einschränkt. Da der Schädel über die Okzipitalkondylen mit der Halswirbelsäule verbunden ist, können sich die Störungen der Schädelbeweglichkeit auf die Halswirbelsäule und eventuell sogar bis auf die Brust- und Lendenwirbelsäule übertragen und in den entsprechenden Schlüsselregionen (cervico-thorakaler Übergang, thorako-lumbaler Übergang, Iliosakralgelenk) diagnostisch detektierbar werden (Beyer 2003). Auch die psychologische Komponente spielt bei der Entstehung, dem Fortbestand und dem Schweregrad von Symptomen einer craniomandibulären Dysfunktion eine wichtige Rolle. So können psychosoziale Faktoren nicht nur Auslöser von Symptomen einer CMD sein, sondern auch das Krankheitsverhalten („Coping“) eines betroffenen Patienten beeinflussen (De Leeuw et al. 1994; Lobbezzo- Scholte et al. 1995; Morris et al. 1997). Ein bekanntes Beispiel, welches die psychische Komponente verdeutlicht, ist die Bruxomanie (de Meyer und de Boever 1997; Kieser und Groeneveld 1998). Durch das, vor allem nächtliche, Knirschen, Pressen und Mahlen mit den Zähnen bei übererregbaren und neurotischen Patienten, wird das muskuläre Widerlager der Halswirbelsäule überfordert, was zu arthrogenen Funktionsstörungen führt, die über einen längeren Zeitabschnitt weitere Wirbelsäulenabschnitte stören können. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch diese funktionellen Verbindungen des craniomandibulären Systems eine Beeinträchtigung anderer Körperregionen möglich erscheint. Solche Verbindungen nachzuweisen war ein Ziel dieser Arbeit. Weiterhin kann festgestellt werden, dass nahezu alle Faktoren, die mit einer craniomandibulären Störung assoziiert werden, sowohl Auslöser als auch Ursache für ein Fortbestehen von Symptomen im Sinne einer craniomandibulären Dysfunktion sein können (Lobbezzoo-Scholte et al. 1995). Durch längere Zeit bestehende Dysfunktionen kommt es häufig zu einer Generalisierung der Störung mit einer Ganzkörperreaktion vom „Scheitel bis zur Sohle“ (Kondziella 2003). Dabei wird die gestörte intermuskuläre Koordination als initiierende funktionelle Störung angesehen (Anders et al. 1998, Bittmann und Badtke 1994, Tilscher et al. 1993). Diese muskulären Dysbalancen mit akuter oder chronischer Überlastung eines Muskels können wiederum zur Ausbildung von Triggerpunkten führen. Dabei geht man davon aus, dass sich das Gleichgewicht tonischer und phasischer Muskelfasern als Folge einer Noxe (z.B. Schmerz) zu Gunsten der tonischen Muskelfasern verschiebt. Die so entstehenden lokalen Verspannungen, so genannte myofasziale Triggerpunkte (TP), sind als schmerzhafte Kontraktionsknoten palpabel (Ingenhorst und Forst 2001). Bei Stimulation eines Triggerpunktes wird der Schmerzreiz auf eine Referenzzone übertragen, es entsteht der so genannte „reffered pain“. Dabei können die Patienten häufig durch den übertragenen Schmerz stärker beeinträchtigt sein als durch die Triggerpunktbeschwerden selbst. Weiterhin können sich durch die Überlastung eines korrespondierenden Antagonisten oder Synergisten sekundäre Triggerpunkte herausbilden, welche durch die primäre Triggerpunktaktivität erst ausgelöst wurden (Travell und Simons 1983). All diese genannten Pathomechanismen muskulärer Dysfunktionen können über eine verminderte Dehnbarkeit des betroffenen Muskels bzw. über eine schmerzreflektorische Schonhaltung einen eingeschränkten Bewegungsumfang bis hin zu kompensatorischen Fehlhaltungen begünstigen, wobei deutlich wird, dass auslösende Noxe und das gestörte Areal nicht in unmittelbarer Nachbarschaft liegen müssen (Kondziella 2003). Um die komplexen Zusammenhänge des Zusammenspiels unterschiedlicher Muskelgruppen zu verdeutlichen, wurden anhand wiederkehrender Symptommuster muskuläre Dysfunktionsmodelle erarbeitet, so z.B. das erwähnte untere und obere gekreuzte Syndrom (UGS und OGS). Erstgenanntes kennzeichnet eine abgeschwächte Bauch- und Glutealmuskulatur und einen durch Antagonistenhemmung verkürzten M. erector spinae. Als Folge resultiert eine erhöhte Belastung lumbaler Bewegungssegmente sowie die Entwicklung von Triggerpunkten, welche Schmerz bis in den Thoraxbereich projizieren und somit sekundäre Bewegungsfunktionsstörungen auslösen. Beim oberen gekreuzten Syndrom ist vor allem eine verkürzte Pectoralismuskulatur und, nach dem Agonisten/Antagonistenprinzip, ein abgeschwächter M. trapezius (ascendens) auffällig. Es entsteht das typische Bild des Patienten mit nach vorn gezogenen Schultern und „Rundrücken“. Resultierend kommt es zu einer eingeschränkten HWS-Beweglichkeit und, den betroffenen Muskeln entsprechenden, Triggerpunktschmerzen (Berghs 2000, Lewit 1987, Travell und Simons 1983). Ebenso ist über eine Verkürzung der infrahyoidalen Muskulatur und der daraus resultierenden Retroposition des Unterkiefers eine negative Auswirkung auf die Kaufunktion vorstellbar. Zusammenfassend kann man bei den craniomandibulären Dysfunktionen sowohl von einer multifaktoriellen Ätiologie als auch von einem multisymptomatischen Krankheitsbild sprechen, was auf der einen Seite die Diagnosestellung, auf der anderen Seite aber auch die Therapie der Krankheit erschwert. Diese Problematik weist auf die Notwendigkeit einer Strukturierung des Patientengutes, insbesondere in Hinblick auf einen effektiven Therapieplan, hin. 1.3 Bedeutung einer Strukturierung des Krankheitsbildes durch klinische Assessments Die oben genannten Ausführungen haben die Multidimensionalität des Krankheitsbildes der craniomandibulären Dysfunktionen verdeutlicht. In der Praxis stellt dieser Aspekt den behandelnden Arzt vor erhebliche Probleme, will er angesichts der Fülle von möglichen Ursachen und Folgen nicht den Überblick verlieren. Gerade in Hinblick auf eine effektive Therapie des Patienten erscheint eine Strukturierung des Patientengutes unumgänglich, wenn ein möglichst effektiver Ansatzpunkt für die Behandlung gefunden werden soll. Die moderne Medizin im gegebenen gesundheitspolitischen Rahmen stellt an das klinische Management vor allem folgende Anforderungen: die Diagnose soll möglichst sicher, die Therapie möglichst wirkungsvoll sein und die Kriterien Effektivität, Effizienz und Wirtschaftlichkeit sollten eingehalten werden. Dies macht eine systematische Herangehensweise an ein multidimensionales Krankheitsbild notwendig. Klinische Assessments sind dabei ein wichtiges Hilfsmittel und die Weltgesundheitsorganisation hat in jüngerer Zeit diesem Sachverhalt Rechnung getragen, indem sie der etablierten internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) eine internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) zur Seite stellte (Schuntermann 2001). All jene Verfahren, mit denen man eine Funktion oder einen Zustand erfassen und überprüfen kann, werden als Assessment bezeichnet. Mit ihnen ist eine Evaluation des Gesundheitsstatus genauso möglich wie die Bewertung der Lebensqualität oder die Beurteilung einer Funktion. Bei Patienten, die unter der Verdachtsdiagnose einer craniomandibulären Dysfunktion untersucht wurden, kann man nach Erhebung der Anamnese die notwendigen Untersuchungen in drei Obergruppen unterteilen (Schreiber et al. 1999): -die Funktionsuntersuchungen (test, clinical signs), -die apparativen Funktionsmessungen (measurements), -die ergebnisorientierten Testverfahren (outcome measures). Funktionsuntersuchungen finden meist im Rahmen einer körperlichen Untersuchung des Patienten statt. Schmerzen bei der Palpation der Trigeminustriggerpunkte im Gesichtbereich, Knackgeräusche im Kiefergelenk bei Mundöffnung, das Feststellen eines verkürzten oder druckschmerzhaften M. temporalis oder der Befund eines einseitigen Schulterhochstandes wären klinische Zeichen bei der Funktionsuntersuchung. Allerdings ist hierbei anzumerken, dass die Funktionsuntersuchungen häufig über eine mangelhafte Testgüte verfügen (Wadsworth et al. 1987; Boline et al. 1993; Richter und Lawall 1993) und oft schwer zu quantifizieren sind (Bogduk et al. 1997). Ein Beispiel für eine apparative Funktionsmessung ist die Ultraschalltopometrie, mit der eine nichtinvasive, dreidimensionale Bewegungsanalyse z.B. der Halswirbelsäule möglich ist. Mit der Ultraschalltopometrie existiert eine hoch reliable, gut validierte Methode zur Objektivierung krankheitsbedingter Funktionseinschränkungen ( Haaker et al. 1996; Dvir und Pruhansky 2000). Bei den ergebnisorientierten Testverfahren stehen für schmerzhafte Erkrankungen der Temporomandibularregion eine Anzahl von „Outcome“-Fragebögen zur Verfügung, von denen der nicht validierte Fragebogen von Helkimo der bekannteste sein dürfte (Helkimo 1974). Ein weiteres Beispiel ist der Fragebogen „Alltagsleben“ von BULLINGER (Bullinger et al. 1993), der sich auf Einschränkungen des Patienten durch seine Erkrankung im sozialen Umfeld bezieht. In jüngerer Zeit erfolgte durch FINK et al. (1999) die Entwicklung eines Fragebogens, durch welchen eine funktionelle Beeinträchtigung durch orale Funktionserkrankungen reliabel und valide erfasst werden kann. In diesem Zusammenhang sei auch die Visuelle Analogskala (VAS) erwähnt, ein hoch valides Messinstrument des Schmerzes (Huskisson 1974; Downie et al. 1978). Sie nimmt zwischen den Gruppen „Funktionsmessungen“ und „ergebnisorientierte Testverfahren“ eine Zwischenstellung ein. Auf der einen Seite misst sie natürlich, wenn auch nicht apparativ im eigentlichen Sinne, den Schmerz, auf der anderen Seite ist sie aber auch ein Selbstauskunftsinstrument des Patienten im Sinne eines „outcome measure“. Somit können Informationen über die entscheidende(n) Komponente(n) eines Krankheitsbildes strukturiert werden, was gerade in Hinblick auf die Einleitung einer adäquaten Therapie von entscheidender Bedeutung ist. So wird man einen CMD-Patienten mit objektiv geringen Funktionseinschränkungen („measurements“) aber hohem Leidensdruck („ergebnisorientierte Testverfahren“) sicherlich anders behandeln als einen Patienten mit schweren Kiefergelenksdestruktionen. Weiterhin ist mit klinischen Assessments eine Kontrolle der Wirksamkeit einer Therapie möglich. Diese kann gegebenenfalls angepasst werden, auch dabei ist die Objektivierung der erhaltenen Informationen hilfreich. In Abbildung 1 sind die Assessments aus den oben beschriebenen drei Kategorien Funktionsuntersuchungen, (apparativen) Funktionsmessungen und ergebnisorientierten Testverfahren noch einmal anschaulich aufgeführt. Die Assessments müssen praktikabel, sicher und kosteneffizient sein, aber auch testtheoretischen Gütekriterien wie Zuverlässigkeit (Reliabilität), Gültigkeit (Validität), Verlaufsempfindlichkeit (Veränderungssensitivität) und Objektivität genügen (Schreiber et al. 1999). Weiterhin sollten Assessments standardisiert sein, um einen Einsatz auf breiter Basis möglich zu machen. Assessment Funktions-Funktions-ergebnisorientierte untersuchung messung Testverfahren (test, signs) (measurement) (outcome) Bewegungsfunktion Ultraschalltopometrie FB: „Helkimo“ Muskelfunktion (Zebris) FB: „Haese“ VAS Diagnostik Funktionale Gesundheit Differentialdiagnostik Potenziale Defizite Ergebnis Bericht, Messwert, Skalenniveau Evaluation Normwerte, Referenzpopulation, Vergleich Entscheidung zur Intervention Therapeutisch – Rehabilitativ – Präventiv Abb. 1: Das diagnostische Assessment craniomandibulärer Dysfunktionen. Die Strukturierung des Patientengutes, das Erkennen von Zusammenhängen und daraus schlussfolgernd die Entwicklung von Assessments, welche den oben genannten Anforderungen genügen, können daher ein entscheidender Beitrag bei der Diagnose und Therapie der craniomandibulären Dysfunktionen sein. 1.4 Stellenwert der Physikalischen Medizin und Rehabilitation in der Therapie craniomandibulärer Dysfunktionen Grundsätzlich kann man die Therapie craniomandibulärer Dysfunktionen in eine operative und eine nicht-operative, also konservative, Behandlung unterteilen. Der operative Eingriff als invasivste Form der Behandlung mit meist irreversiblen Ergebnissen sollte dabei soweit wie möglich vermieden werden und nur speziellen und schweren Fällen der Erkrankung vorbehalten bleiben. Untersuchungen haben ergeben, dass über 80% aller Patienten mit Symptomen einer craniomandibulären Dysfunktion am effektivsten mit konservativen Therapien behandelt werden (Dimitroulis et al. 1995). Die konservativen Therapieformen kann man wiederum in fünf Gruppen aufteilen: - Patientenaufklärung und Patientenschulung, -Pharmakotherapie, - okklusale Therapie, -Psychotherapie und Verhaltenstherapie, -physikalische Therapie (einschliesslich manualmedizinischer Behandlungsmethoden). Natürlich dient diese Einteilung nur zur Strukturierung und besseren Übersicht der einzelnen Therapieformen. In der Praxis werden, jeweils auf die Bedürfnisse beim einzelnen Patienten abgestimmt, unterschiedliche Therapieansätze in Kombination angewandt, um so ein optimales Ergebnis zu erhalten. An erster Stelle bei der Behandlung craniomandibulärer Dysfunktionen sollte die Aufklärung des Patienten über Ursache und Natur seiner Erkrankung sein. Denkbar wäre z.B. ein Patient, bei dem die schon vorher bestehende Erkrankung durch ein kritisches „life event“ jetzt eine ganz andere Bedeutung erhält. Gelenkdysfunktionen und Schmerzsensationen, die vorher durch erfolgreiches „coping“ vom Patienten kaum oder gar nicht wahrgenommen wurden, erreichen dadurch einen enormen Stellenwert. Hier kann ein Verständnis über das Wesen der Erkrankung der erste therapeutische Schritt sein. Ebenfalls wichtig in diesem Zusammenhang ist die entsprechende Schulung und Instruktion des Patienten. Das Vermeiden von Stress, ein Übungsprogramm für zu Hause oder auch das „Bewusstmachen“ von bestimmten Angewohnheiten (hier sei noch einmal der Bruxismus genannt) sind wichtige Grundvoraussetzungen für die Behandlung einer craniomandibulären Störung. Die Pharmakotherapie umfasst die analgetische Therapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) und Opiaten, die antiinflammatorische Therapie mit Kortikosteroiden und NSAR, die Therapie mit Tranquilizern, Antidepressiva und die medikamentöse Muskelrelaxation. Einige der verwendeten Medikamente können dabei durch intramuskuläre, extramuskuläre oder intraartikuläre Injektion verabreicht werden (Phero 1984, Neidle et al. 1989, Stanko 1990 Dimitroulis 1995, dos Santos 1995). Das wichtigste und bekannteste Beispiel der okklusalen Therapie dürfte die Aufbeissschiene darstellen, welche die Bisskraft möglichst gleichmässig verteilen soll, um somit eine Entlastung des Kiefergelenks zu erreichen. Andere Möglichkeiten sind die restaurative und die „anpassende“ Zahnbehandlung. Als weitestgehend irreversible Therapie sollten deren Anwendungsgebiete jedoch beschränkt bleiben (Clark und Adler 1985). Wie in den oberen Abschnitten erwähnt, stellt die psychologische Komponente bei der Entstehung und der Konditionierung des Krankheitsbildes eine bedeutende Komponente dar. In Zusammenspiel mit den anderen Therapieformen ist daher die Psycho-und die Verhaltenstherapie in der Behandlung craniomandibulärer Dysfunktionen sehr wichtig. Als Beispiele für die Verhaltenstherapie seien hierbei nur die Entspannungstherapien und das „Biofeedback“ genannt (Carlsson und Gale 1977). Konversionsneurotische Komponenten einer Erkrankung könnten einer psychotherapeutischen Behandlung zugänglich gemacht werden. Die Behandlung craniomandibulärer Störungen ist in den letzten Jahren zunehmend in das Blickfeld der physikalischen Therapie geraten. Als „schonende“ Therapieform hat sie das Ziel, durch eine Reihe von physikalmedizinischen Techniken die Kiefergelenksfunktion zu verbessern, den Schmerz zu vermindern und die Heilung von erkranktem Gewebe zu unterstützen (Clark et al. 1990). Dabei müssen und sollen die entsprechenden Therapieformen nicht nur auf das Kiefergelenk und dessen nähere Umgebung beschränkt bleiben. Vielmehr ist im Rahmen der oben aufgeführten funktionellen Verkettung des muskulären und arthrogenen Systems eine Mitbehandlung korrespondierender muskulärer und arthrogener Störungen bei CMD-Patienten notwendig. Über die verschiedenen Möglichkeiten der physikalischen Therapie soll im Folgenden ein Überblick gegeben werden. Bestandteile einer effektiven physiotherapeutischen Behandlung craniomandibulärer Dysfunktionen sind unter anderem: -Gelenkmobilisierung und Kieferbeübung, - Kryotherapie und Wärmebehandlung, -Ultraschall- und Kurzwellenbehandlung, -transcutane elektrische Nervenstimulation (TENS), - myofasciales Release -Massage. Die Massage ist sicherlich eine der am weitest verbreiteten physiotherapeutischen Behandlungsmassnahmen und wird auch bei der Behandlung der CMD eingesetzt. Eine gewisse physiotherapeutische Schulung vorausgesetzt, kann sie sogar durch den Patienten selbst eingesetzt werden. Die (behutsame) Massage über dem schmerzhaften Gebiet hat das Ziel, durch eine Veränderung des sensorischen Inputs den Schmerzreiz zu inhibieren und den lokalen Blutfluss im betroffenen Gebiet zu erhöhen. Bei der Gelenkmobilisierung wird versucht, durch passive isometrische und isotonische Übungen die Beweglichkeit des Gelenks und die Koordination der entsprechenden Muskeln zu verbessern. Je nach Verlauf können die Beübungen im Laufe der Therapie angepasst/gesteigert werden. Kryotherapie und lokale Wärmebehandlung, z. B. durch heisse Kompressen oder auch Infrarot-Bestrahlung, haben einen analgesierenden Effekt von einer Dauer bis zu 20 Minuten. Ziel ist es, den Muskel in dieser Zeit zu relaxieren und durch spezielle Beübungen (Mundöffnung und –schliessung gegen Widerstand; Muskelstretching gegen Widerstand etc.) die ursprüngliche Funktion des Muskels herzustellen. Ebenfalls einen analgesierenden Effekt hat die Ultraschall- und Kurzwellenbehandlung, nur das hierbei die tieferen Gewebeschichten erwärmt werden. Auch dieser Behandlungsmethode sollten spezifische Übungen (für das Kiefergelenk) folgen. Die transkutane elektrische Nervenstimulation wird hauptsächlich bei gut lokalisierbaren Gelenk- und Muskelschmerzen eingesetzt. Der „gate control theory“ folgend werden durch die elektrische Stimulation eine Vielzahl von Rezeptoren angesprochen, deren massive Erregungsweiterleitung die Schmerzweiterleitung der entsprechenden Region hemmt. Zunehmen wird auch die Bedeutung manualmedizinischer Behandlungsmethoden wie der Triggerpunktbehandlung, Dehnung einzelner Muskeln und das Lösen von Blockierungen (Kondziella 2003, Kittel et al. 2002) sowie krankengymnastische Behandlung mit „ganzheitlichem Ansatz“ einschliesslich Konditionierung. Mit den oben beschriebenen Techniken stehen dem physiotherapeutisch tätigen Arzt somit effektive Möglichkeiten der Behandlung zur Verfügung. Darüber hinaus würde ein möglicher Zusammenhang von craniomandibulärer Dysfunktion und Störungen der Funktion der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte einschliesslich ihrer zugehörigen Muskulatur das Einsatzfeld und damit den Stellenwert der physikalischen Medizin weiter erhöhen. 2. Wissenschaftliche Fragestellungen 2.1 Wie sind die Strukturmerkmale von Patienten, die unter der Verdachtsdiagnose „craniomandibuläre Dysfunktion“ untersucht wurden, hinsichtlich der Funktiosuntersuchungen (test, clinical signs), der apparativen Funktionsmessungen (measurement) sowie der ergebnisorientierten Testverfahren (outcome measures)? Das Krankheitsbild der craniomandibulären Dysfunktion ist ein multiätiologisches und multisymptomatisches Geschehen. Anhand der im Rahmen dieser Studie untersuchten 100 Patienten soll untersucht werden, ob bei dem heterogenen Patientengut, welches diese Erkrankung darstellt, bestimmte Symptommuster gehäuft auftreten. 2.2 Besteht ein Zusammenhang zwischen Parametern der Funktionsuntersuchungen, der apparativen Funktionsmessung und den ergebnisorientierten Testverfahren? Es soll geklärt werden, ob zwischen den verschiedenen Tests, Untersuchungen und Messungen, die bei der Diagnostik der craniomandibulären Dysfunktion eingesetzt werden, ein Zusammenhang besteht und ob objektivierbare Ergebnisse mit subjektiven Einschätzungen im Zusammenhang stehen. Unter anderem soll eine Aussage darüber getroffen werden, ob vom Patienten angegebene Beschwerden und Einschränkungen im Alltag mit entsprechenden Ergebnissen der klinischen und apparativen Untersuchungen einhergehen. 2.3 Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus den erhobenen Daten für die Diagnostik und Behandlung craniomandibulärer Dysfunktionen in der Praxis ziehen? Hier soll Aufschluss darüber gegeben werden, welche Rückschlüsse sich für den in der Praxis tätigen Arzt hinsichtlich der Diagnostik, Verlaufskontrolle und Therapieeffizienz aus den Ergebnissen ziehen lassen. 3. Patienten und Methoden 3.1 Patienten Es wurden 100 Patienten die an einer craniomandibulären Dysfunktion leiden untersucht. Die Patienten (84 Frauen und 16 Männer) waren zwischen 10 und 69 Jahre alt und wiesen ein durchschnittliches Lebensalter von 38,4 ± 14,6 Jahren auf. Die Altersverteilung, wie in Abbildung 2 dargestellt, zeigte sich zweigipflig mit einem Gipfel um das 30. und einem Gipfel um das 55. Lebensjahr. Alter (in Lebensjahren) 70,055,050,035,030,015,010,0 Häufigkeit (in Prozent) 16 14 12 10 8 6 4 2 0 65,0 60,0 45,0 40,0 25,0 20,0 Abb. 2: Altersverteilung der von uns untersuchten Patienten. Alle Patienten wurden über die Untersuchungen ausführlich aufgeklärt und mussten in diese einwilligen. Zusätzlich war jedem Fragebogen ein Informationsblatt beigelegt. Die Einwilligung der Ethikkommission der FSU Jena lag vor. Das Ziel und der Ablauf der Untersuchung wurde den Patienten verständlich erklärt. Des Weiteren wurden sie darüber aufgeklärt, dass sie jederzeit dazu berechtigt sind, ohne Angaben von Gründen und ohne Nachteile Untersuchungen oder Auskünfte zu verweigern. Jeder Patient erhielt das Angebot, seine Befunde mit dem zuständigen Arzt zu besprechen. Alle Untersuchungen erfolgten am Institut für Physiotherapie des Klinikums der FSU Jena in Zusammenarbeit mit dem Institut für Medizinische Psychologie und dem Zentrum für Mund-und Kieferheilkunde (ZMK). 3.2 Methoden Der Ablauf dieser Studie unterteilte sich in vier Schritten. Nach ausführlicher Anamnese erfolgte zunächst die orientierende (Brust- und Lendenwirbelsäule) und segmentale (Halswirbelsäule) Untersuchung der Bewegungsfunktion der Wirbelsäule und der Kiefergelenke. Diese wurde von einem Arzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin mit manualmedizinischer Ausbildung durchgeführt und auf einem standardisierten Untersuchungsbogen dokumentiert. Danach erfolgte eine Untersuchung einzelner Muskeln der Rumpf-, Schulter-und Craniocervicalregion auf Funktion, Verkürzung oder Abschwächung nach JANDA (1994, 2000). Diese Untersuchung wurde von einem ausgebildeten Physiotherapeuten vorgenommen und ebenfalls auf einem standardisierten Untersuchungsbogen dokumentiert. Im dritten Schritt schloss sich als apparatives Verfahren die dreidimensionale Bewegungsanalyse (Ultraschalltopometrie) der Halswirbelsäule mit dem Zebris-Messsystem an, mit dessen Hilfe die Einzelbewegungen sowie die maximale Beweglichkeit der Halswirbelsäule festgestellt werden konnte. Abschliessend wurden die Patienten im vierten Teil gebeten, einen Fragebogen auszufüllen. Dieser Fragebogen beinhaltete neben Fragen zur allgemeinen Krankengeschichte die CMD-Fragebögen zu Einschränkungen im Alltag nach HAESE und nach HELKIMO sowie eine visuelle Analogskala (VAS), bei der die Patienten Angaben über Schmerzsensationen und Gelenkgeräusche machen sollten. Jeder Patient erhielt den gleichen standardisierten Fragebogen. Soweit es möglich war, erfolgten alle Untersuchungen und das Ausfüllen des Fragebogens an einem Tag. 3.2.1 Die klinische Untersuchung der Bewegungsfunktion Bei der klinischen Untersuchung der Bewegungsfunktion wurde die Halswirbelsäule segmental und orientierend, die Lenden- und Brustwirbelsäule sowie die Kiefergelenke nur orientierend untersucht. Alle Untersuchungen wurden mit „ja“ („gestört“) = 1 oder mit „nein“(„nicht gestört“) = 0 dokumentiert. Die Untersuchungen wurden von einem Arzt des Institutes für Physiotherapie der FSU Jena durchgeführt. Orientierend wurde die Achsenfehlstellung der Lenden-und Brustwirbelsäule (Skoliose, Steilstellung, Hyperlordose/Kyphose, Beckenhochstand, Schulterhochstand etc.) untersucht. Des Weiteren unterzogen sich die Patienten einer Untersuchung der Wirbelsäule auf Druck-, Bewegungs- und Klopfschmerz. Die Kiefergelenke wurden beidseitig auf Unterkieferabweichung und Krepitation untersucht. Die Halswirbelsäule wurde orientierend auf Steilstellung sowie segmental auf Einschränkungen der Kopfgelenke in Ante- und Retroflexion, CTÜ-Rotation, Rotation in maximaler Anteflexion, Rotation in maximaler Retroflexion, Rotation in C2/3, Lateralflexion Abb. 3: Befundbogen zur Bewegungsfunktionsuntersuchung. der oberen, mittleren und unteren HWS sowie auf Federung der ersten Rippe hin geprüft. Die Dokumentation erfolgte auf einem vorher festgelegten, standardisierten Befundbogen. Der Befundbogen für die Bewegungsfunktion ist in Abbildung 3 dargestellt. Ziel der segmentalen Untersuchungen war es, Störungen im arthromuskulären Reflexkreis aufzudecken. Einschränkungen des Gelenkspiels bzw. der gelenkspielähnlichen Bewegungen der Bewegungssegmente der Halswirbelsäule weisen auf eine Störung der Gleitvorgänge zwischen den Gelenkflächen hin. Diese hypomobilen, artikulären Dysfunktionen werden auch als „Blockierung“ bezeichnet und sind per definitionem reversibel (Sachse und Schildt-Rudloff 1997). Lag eine Blockierung vor, wurde mit „gestört“ (=1) gewertet. Regelmässige Begleiterscheinung der Gelenkblockierung ist eine Muskelverspannung in der dem entsprechenden Segment zugeordneten Muskulatur im Sinne eines reflektorisch-algetischen Krankheitszeichens. Sie steht oft im Vordergrund der Symptomverursachung, kann sich aber nach Behandlung der Gelenkfunktionsstörung normalisieren (Bourdillon et al. 1992, Sachse und Schildt-Rudloff 1997, Zeller und Klawunde 1974). 3.2.2 Die klinische Untersuchung der Muskelfunktion Die Muskelfunktionsdiagnostik erfolgte nach JANDA (1994, 2000). Grundsätzlich kann dabei zwischen verkürzter und abgeschwächter Muskulatur unterschieden werden. Eine Verkürzung des sich in Ruhe befindlichen Muskels erfolgt durch eine Änderung des Kräfteverhältnisses von antagonistischen Muskelgruppen. Dabei neigen speziell jene Muskeln zur Verkürzung, die eine vorwiegende Haltungsfunktion haben (Janda 1994 und 2000). Beim Prüfen auf Verkürzung eines Muskels wird das passive Bewegungsausmass im Gelenk gemessen, und zwar möglichst so, dass genau die zu prüfende Muskelgruppe isoliert erfasst wird (Janda 1994 und 2000). Weil es schwierig ist, den Verkürzungsgrad quantitativ genau zu bestimmen, erfolgte die Erfassung lediglich in drei Stufen (s.u.). Bei der Muskelfunktionstestung auf abgeschwächte Muskulatur erfolgte die Kraftbestimmung einzelner Muskelgruppen ebenfalls nach JANDA (1994, 2000). Die Einordnung erfolgt dabei in sechs Stufen, da eine zahlenmässig genaue Bewertung unmöglich ist (Janda 1994, 2000): Stufe 5 entspricht einem normal kräftigen Muskel, Stufe 4 etwa 75% der normalen Muskelleistung, Stufe 3 etwa 50% der normalen Muskelkraft, Stufe 2 entspricht 25% und Stufe 1 etwa 10% des normal kräftigen Muskels. Stufe 0 drückt aus, dass beim Bewegungsversuch nicht die geringste Muskelkotraktion zu erkennen ist, also praktisch eine Muskelparese vorliegt. Die angegebenen Prozentwerte sind ausdrücklich Näherungswerte zum besseren Verständnis der Gruppeneinteilung. Sie geben keinesfalls die exakte Muskelkraft wieder! Die Untersuchung, die von einem ausgebildeten und erfahrenen Physiotherapeuten durchgeführt wurde, beinhaltet drei Schritte. Zuerst wurden der M. pectoralis major, der M. pectoralis minor, der M. trapezius pars descendens, der M. levator scapulae, die M. scaleni, die tiefen Halsstrecker (M. splenius capitis, M. rectus capitis, M. semispinalis), der M. sternocleidomastoideus jeweils rechts und links sowie der M. erector spinae lumbalis auf Verkürzung untersucht. Auf einer Skala von „0“ = nicht verkürzt bis „2“ = stark verkürzt wurden die Muskeln nacheinander beurteilt (s.o.). Anschliessend wurden der M. rhomboideus, der M. serratus anterior, der M. trapezius pars ascendens, der M. erector spinae pars thorakalis und der M. iliocostalis jeweils rechts und links sowie die tiefen Halsbeuger und der M. rectus abdominis auf Abschwächung untersucht. Dazu diente eine Skaleneinteilung von „0“ bis „5“, wobei Abb. 4: Befundbogen zur Muskelfunktionstestung. der Wert „5“ einer normal kräftigen Muskulatur und der Wert „0“ einer gelähmten Muskulatur entsprach (s.o.). Abschliessend wurde der M. temporalis und der M. masseter beidseitig palpiert und auf Unterschiede (z.B. Verhärtungen) untersucht. Diese wurden mit 0 = „unauffälliger Befund“ bis 2 = „deutlich pathologischer Befund“ bewertet. Alle Werte wurden auf einem vorher festgelegten, standardisierten Befundbogen dokumentiert. Der Fragebogen für die Muskelfunktion ist in Abbildung 4 dargestellt. 3.2.3 Ultraschalltopometrie (Zebris) Die Ultraschalltopometrie mit dem Zebris-Messsystem erlaubt eine präzise Beurteilung der Bewegungsfunktion der Wirbelsäule. Entwickelt von der Zebris Medizintechnik GmbH basiert das computergestütze Messprinzip auf der Laufzeitmessung von Ultraschallimpulsen. Somit können Bewegungen der Halswirbelsäule im dreidimensionalen Raum aufgezeichnet werden und die genauen Winkelgrade der Einzelbewegungen (z.B. der Ante- oder Retroflexion des Kopfes) bestimmt werden (Smolenski et al. 2003). In unserem Fall wurden die Ante- und Retroflexion sowie die axiale Rotation, die laterale Flexion, die Rotation in maximaler Anteflexion und in maximaler Retroflexion, jeweils nach rechts und links, vermessen. Aus der Addition der Einzelwerte gegensätzlicher Bewegungen (z.B. der axialen Rotation nach rechts und nach links) ergaben sich die „range of motion“ (ROM) – Werte, die Werte für die maximale Beweglichkeit. Jeder Patient führte eine gegensätzliche Bewegung vier mal ohne Pause hintereinander durch, ehe zur Messung der nächsten Bewegung übergegangen wurde. So vollzog der Patient z.B. bei der axialen Rotation fünf mal hintereinander und ohne Unterbrechung eine maximale Rotation nach rechts zur maximalen Rotation nach links. Diese wurde vom Zebris-Messsystem aufgezeichnet und vom Computer automatisch ausgewertet. Aus den vier Wiederholungen errechnete der Computer den Mittelwert der zwei Einzelbewegungen sowie den „range of motion“ – Wert, das gesamte Ausmass der HWS-Beweglichkeit in einer Ebene. Alle Patienten wurden aufgefordert, eine für sie maximal mögliche Bewegung zu vollziehen. Die Messungen wurden von einem speziell am Zebris-Messsystem geschulten Assistenten durchgeführt. 3.2.4 Die patientenzentrierte Beurteilung Bei unserer Studie kamen die Visuelle Analogskala (VAS), der Fragebogen „Helkimo“ und der Fragebogen „Haese“, welcher sich an den von der Arbeitsgruppe Fink und Haese entwickelten Fragebogen anlehnt (Fink et al. 1999), zum Einsatz. Mit der Visuellen Analogskala von Huskisson (Huskisson 1974) besteht ein international eingesetztes und reproduzierbares Messinstrument zur quantitativen Schmerzmessung. Die Skala umfasst 100 Millimeter und ist durch die Antipoden „kein Schmerz“ bzw. „Wohlbefinden“ und „schlimmster vorstellbarer Schmerz“ definiert. Mit einem Stift markiert der Patient auf dieser Skala selbstständig seinen subjektiv empfundenen Schmerz. Gemessen wird der Intensitätsgrad des Schmerzes in Millimeter vom Anfangspunkt der Skala aus (Seymore et al. 1978; Magnusson et al. 1995). Analog dazu sollte der Patient zusätzlich die subjektiv empfundene Lautstärke der Krepitation beurteilen, wobei hier die Antipoden „kein Geräusch“ und „lautestes im Kiefergelenk vorstellbares Geräusch“ waren. Für craniomandibuläre bzw. temporomandibuläre Erkrankungen gilt der Helkimo Fragebogen als anerkanntes, wenn auch nicht validiertes, Messinstrument zur Objektivierung von Einschränkungen im Alltag (Helkimo 1974). Auf einer nummerisch skalierten Skala („numerical rating scale“) von 1 bis 10 entsprach die 1 = „ohne Beschwerden problemlos möglich“ und die 10 = „völlig unmöglich wegen der Beschwerden“. Bei Frage 12 reichte die Skala von 1 = “überhaupt nicht“ bis 10 = “extrem“. Aus den Werten aller zwölf Fragen wurde ein Summenscore gebildet, der mit Ergebnissen anderer Untersuchungen verglichen wurde. Die Fragen des FB „Helkimo“ sind in Abbildung 5 dargestellt. Wenn ich Schmerz oder Unbehagen verspüre... 1. ...bin ich gewöhnlich mit meiner Familie oder guten Freunden zusammen 2. ...verrichte ich meine tägliche Arbeit 3. ...erledige ich Dinge im Haushalt (Kinder, Kochen, Waschen etc.) 4. ...unternehme ich gern etwas in Gesellschaft (Theater, Party etc.) 5. ...treibe ich Sport wie gewohnt (Radfahren, Spazierengehen etc.) 6. ...gehe ich meinen Hobbies nach 7. ...schlafe ich nachts 8. ...kann ich mich konzentrieren 9. ...esse ich wie gewohnt 10. ...lache ich wie gewohnt 11. ...kann ich meinen Mund wie gewohnt öffnen 12. ...Wie sehr beeinträchtigen Ihre Beschwerden Ihren Alltag? Abb. 5: Die einzelnen Fragen des FB „Helkimo“. Spezieller auf die Beschwerden bei schmerzhaften Funktionsstörungen des Kauorgans abgestimmt ist der Fragebogen, welcher von der Arbeitsgruppe FINK entwickelt wurde und der funktionelle Beeinträchtigungen durch orale Funktionserkrankungen reliabel und valide erfasst (Fink et al. 1999). Unser Fragebogen, im Folgenden „Haese“ genannt, umfasst die 13 Fragen des Fragebogens der Arbeitsgruppe FINK sowie weitere vier Fragen (Fragen 13, 14, 16 und 17). Die Skala entspricht der beim Fragebogen „Helkimo“ beschriebenen Skala. Auch hier wurde aus den Einzelwerten ein Summenscore gebildet. Die Einzelfragen sind in Abbildung 1 aufgeführt. Die Fragebögen wurden zusammen mit der VAS dem Patienten ausgehändigt und von ihm nacheinander ausgefüllt. Wegen meiner Beschwerden im Kiefergelenk... 1. ...habe ich Schwierigkeiten den Unterkiefer zu bewegen 2. ...kann ich feste Nahrung zu mir nehmen 3. ...habe ich Schwierigkeiten zuzubeissen 4. ...habe ich Schwierigkeiten etwas abzubeissen 5. ...kann ich das Essen in gewohnt grossen Bissen zu mir nehmen 6. ...kann ich meine Zähne wie gewohnt richtig putzen 7. ...kann ich mir den Mund wie gewohnt richtig ausspülen 8. ...fällt es mir schwer zu sprechen 9. ...ist das Lachen schwierig 10. ...vermeide ich es den Mund weit zu öffnen 11. ...kann ich wie gewohnt gähnen 12. ...habe ich Schwierigkeiten mir über die Lippen zu lecken 13. ...habe ich Schwierigkeiten beim Zahnarzt den Mund geöffnet zu lassen 14. ...kann ich mich nicht mehr vom Zahnarzt an meinen Zähnen behandeln lassen 15. ...schlafe ich wie gewohnt 16. ...kann ich wie gewohnt durchschlafen 17. ...nehme ich beim Schlafen meine gewohnte Schlafposition ein Abb. 6: Die einzelnen Fragen des FB „Haese“. 3.2.5 Statistische Verfahren Die Erfassung und Auswertung der erhobenen Daten erfolgte computergestützt mit der für statistische Analysen entwickelten Software „SPSS für Windows“. Des Weiteren wurde das Programm „Excel für Windows“ verwendet. Die Eingabe der erhobenen Daten erfolgte in einer für diese Untersuchung von uns entwickelten Datenmaske in „SPSS für Windows“. Zum Einsatz kamen die beschreibende Statistik, Signifikanztests sowie Zusammenhangsanalysen. Die Auswertung der Daten erfolgte mit Unterstützung des Instituts für Biomathematik und Statistik der FSU Jena. Zur Beurteilung des Zusammenhangs zweier Grössen berechnet man Korrelationskoeffizienten, welche Werte zwischen +1 und –1 annehmen können. Ein positives Vorzeichen bedeutet, dass bei der Zunahme des einen Wertes der andere Wert steigt; ein negatives Vorzeichen bedeutet, dass bei einem Anstieg des einen Wertes der andere fällt. Der errechnete Betrag des Korrelationskoeffizienten gibt an, wie eng die Beziehung zwischen zwei Werten ist. Der Wert 1 stellt dabei den grösstmöglichen Zusammenhang dar. Beim Wert 0 besteht dagegen kein Zusammenhang zwischen den verschiedenen Werten. Bei den vorliegenden Korrelationsberechnungen verwendeten wir den Spearmanschen Rangkorrelationskoeffizienten, der im Vergleich zum Produktkorrelationskoeffizienten nach Pearson auch bei nicht intervallskalierten Daten verwendet werden kann. Er bietet deutliche Vorteile hinsichtlich nichtlinearer monotoner Zusammenhänge und ist gegen eventuelle Ausreisser weniger störanfällig. Um herauszufinden, ob die Reihenfolge der Messwerte zufallsbedingt ist, ein Trend anzunehmen ist oder ob eine Abhängigkeit zwischen Merkmalen einer Kontingenztafel besteht, kann man parametrische und nichtparametrische Tests verwenden. So genannte parametrische Tests setzen dabei ein bestimmtes Verteilungsmuster (z.B. eine Normalverteilung) voraus; nichtparametrische Tests hingegen kann man auch bei verteilungsfreien Stichproben einsetzen. Die von uns eingesetzten Kruskal-Wallis und Wilcoxon Tests sind nichtparametrische Tests, welche prüfen, ob bei den vorliegenden Messwerten von einem Trend auszugehen ist. Die Testergebnisse werden als „statistisch signifikant“ bezeichnet, wenn das gefundene Ergebnis nicht als zufallsbedingt abgetan werden kann. Üblicherweise wird als Signifikanzlevel die Variable p angegeben. Ist das Signifikanzlevel klein genug, d.h. kleiner p=0,05 bzw. 0,01, spricht man von einem signifikanten Ergebnis. 4. Ergebnisse 4.1 Klinische Beurteilung 4.1.1 Befunde der Muskelfunktionsuntersuchung Durch einen manualmedizinisch ausgebildeten Physiotherapeuten wurden die in Abbildung 7 und 8 angegebenen Muskeln auf Abschwächung bzw. auf Verkürzung untersucht. Bei der Muskulatur, die auf Abschwächung untersucht wurde, reichte die Bewertungsskala von 5 = „nicht abgeschwächt“ bis 0 = „gelähmt“, bei der Untersuchung auf verkürzte Muskulatur reichte die Skala von 0 = „nicht verkürzt“ bis 2 = „stark verkürzt“. In den Abbildungen sind die Muskeln absteigend ihres Beeinträchtigungsgrades geordnet. Weiterhin sind diejenigen Muskeln graphisch abgesetzt, die in über 50% der Fälle beeinträchtigt waren. MFT: Abgeschwächte Muskulatur 0 50 100 Trap ascli Rec abd Rhomb li Trapascre Rhomb re Serrantli Serrantre Erecspin re Erec spinli Iliocosre Iliocosli Halsbeuger n 0 1 2 3 4 5 Abb. 7: Darstellung der Befunde zur abgeschwächten Muskulatur (einzelne Muskeln s. Kapitel 3.2.2) von 0 = „gelähmt“ bis 5 = „nicht abgeschwächt“; n = 100. Bei der abgeschwächten Muskulatur erkennt man, dass unabhängig von einer Körperseite der M. rectus abdominis, M. trapezius, M. rhomboideus und M. serratus (anterior) deutlich häufiger abgeschwächt sind als der M. erector spinae, der M. iliocostalis und die tiefen Halsbeuger. Die Ausprägung der Abschwächung ist dabei beim M. rectus abdominis am stärksten. Ein etwas anderes Bild bietet sich bei der Untersuchung zur verkürzten Muskulatur, deren Ergebnisse in Abbildung 8 dargestellt sind. Hier ist mit dem M. erector spinae nur ein Muskel in über der Hälfte der Fälle beeinträchtigt. Gleichzeitig ist dieser Muskel auch am stärksten betroffen. Die übrige Muskulatur zeigt sich deutlich geringer eingeschränkt, v.a. der M. sternocleidomastoideus ist nur in wenigen Fällen verkürzt. MFT: Verkürzte Muskulatur 0 50 100 Erectorspin Trap des Scalenili Lev scapli Scalenire Pec minorre Trapdesre Pec majorre Pecminorli Halsstrecker re Halsstrecker li Lev scapre Pec majorre Sternoli Sternore n 2 1 0 Abb. 8: Darstellung der Befunde zur verkürzten Muskulatur (einzelne Muskeln s. Kapitel 3.2.2) von 0 = „nicht verkürzt“ bis 2 = „stark verkürzt“; n = 100. Es ist festzuhalten, dass sich bei den von uns untersuchten Patienten gehäuft Muskelbefunde im Sinne eines oberen und unteren gekreuzten Syndroms finden. So sind einerseits in über 70% der Fälle ein abgeschwächter M. rectus abdominis und ein verkürzter M. erector spinae (unteres gekreuztes Syndrom) nachweisbar, anderseits waren in 30% - 44% der Fälle ein verkürzter M. pec toralis, M. trapezius descendens und M. levator scapulae sowie in mehr als 70% ein abgeschwächter M. trapezius ascendens nachweisbar (oberes gekreuztes Syndrom). Schliesslich erfolgte bei der Muskelfunktionsuntersuchung die Palpation der Masseter- und Temporalismuskulatur (siehe Abb. 9). Der dabei festgestellte Befund, das so genannte „endfeel“, wurde von 0 = „unauffälliger Befund“ bis 2 = „deutlich pathologischer Befund“ bewertet. Auffällig ist hier die Seitendifferenz der Befunde. Vor allem der M. masseter der rechten Seite scheint häufiger und stärker beeinträchtigt zu sein als der linke Masseter und die Temporalismuskulatur. Für die Gesamtbewertung beider Muskeln musste entweder auf beiden Seiten ein unauffälliger Befund erhoben werden oder mindestens eine Seite mit „pathologischer Befund“ bzw. „deutlich pathologischer Befund“ bewertet werden. MFT: Palpation/Messung 0 50 100 Masseterges Masseterre Masseterli Temporalis ges Temporalis re Temporalis li n 2 1 0 Abb. 9: Darstellung der Befunde der Palpation und Messung von 0 = „unauffälliger Befund“ bis 2 = „deutlich pathologischer Befund“ des M. masseter und M. temporalis rechts, links und gesamt; n = 100. Man erkennt, dass zwei Drittel der Patienten einen pathologischen Palpationsbefund aufweisen, wobei der M. masseter wohl häufiger und auch schwerer gestört zu sein scheint als der M. temporalis. 4.1.2 Befunde der Bewegungsfunktionsuntersuchung Die klinische Untersuchung zur Bewegungsfunktion wurde in Supervision eines manualmedizinisch ausgebildeten Facharztes für Physikalische und Rehabilitative Medizin durchgeführt. Dabei wurden Asymmetrien, Stellungsfehler der Wirbelsäule, ISG-Vorlauf- phänomen, Wirbelsäulenschmerz, Unterkieferabweichung und Krepitation im Kiefergelenk untersucht und das Ergebnis dokumentiert. Ausschlaggebend war dabei nur, ob das jeweilige Symptom vorlag, die Qualität des Symptoms wurde nicht dokumentiert. Die Ergebnisse der Befunde sind in Abbildung 10 und 11 zusammengefasst. Hier fällt vor allem auf, dass bei den Betroffenen fast ein Drittel einen Stellungsfehler der Brustwirbelsäule und knapp 20% einen Stellungsfehler der LWS aufweisen. Unterkieferabweichung und Krepitation im Kiefergelenk als definierende Symptome der CMD sind mit einer Prävalenz von knapp 36% bzw. 40% erwartungsgemäss häufig vertreten. Ein ISG- Vorlaufphänomen liess sich bei einem Fünftel der Patienten nachweisen. Die in Abbildung 10 zu n=100 fehlenden Fälle („drop outs“) konnten wegen fehlender oder fehlerhafter Angaben nicht berücksichtigt werden. Weiterhin erfolgte die segmental orientierende und gezielte Untersuchung der oberen und der unteren Halswirbelsäule. Zur Untersuchung der oberen HWS erfolgte die Prüfung der Kopfgelenke in Ante- und Retroflexion, der Rotation in maximaler Anteflexion und die Lateralflexion der oberen HWS. Bei der unteren Halswirbelsäule erfolgte die Prüfung der Rotation in maximaler Retroflexion, der Lateralflexion der unteren HWS und die Prüfung des cervicothorakalen Übergangs (CTÜ). Es wurde untersucht, ob das jeweilige Segment gestört war oder nicht. Die Ergebnisse sind in Abbildung 12 zusammengefasst, wobei die Fallzahlen in den Stapelsäulen angegeben sind. Bezüglich der absoluten Zahl der Störungen fällt auf, dass die obere und untere HWS nahezu gleich häufig betroffen sind. Die untere HWS scheint dabei schwerer, d.h. in mehreren Segmenten gleichzeitig, betroffen zu sein. Anzumerken wäre in diesem Zusammenhang weiterhin, dass in den 30 Fällen, bei denen die Störung der oberen HWS in nur einem Segment vorlag, 25 mal die Kopfgelenke betroffen waren. Stellungsfehler der Wirbelsäule Steilstellung oder Hyperlordose; n=100 HWS 4 BWS 30 LWS 19 ISG-Vorlaufphänomen Rechts Links Gesamt n ISG- Vorlaufphänomen 7 13 20 100 Wirbelsäulenschmerz Druckschmerz, Bewegungsschmerz, Klopfschmerz Gesamt = Anzahl der Patienten mit Schmerzangabe DS BS KS Gesamt n 11,1 11,1 3 19,2 99 Unterkieferabweichung Rechts Links Gesamt n 9,5 26,3 35,8 95 Krepitation Einseitig Beidseitig Gesamt n 19,8 19,8 39,6 96 Abb. 10: Befunde der Bewegungsfunktionsuntersuchung (Angaben in Prozent). ie 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Beckenhochstand rechts links Schulterhochstand rechts links Skoliose rechts links n Asymetrtrifft zu trifft nicht zu Abb. 11: Darstellung der Häufigkeiten von Beckenhochstand, Schulterhochstand und Skoliose gesamt, rechts und links; n = 100. Funktionsstörungen der HWS n 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Abb. 12: Anzahl der gestörten Segmente der unteren und oberen HWS; n = 100. 62 30 8 61 13 12 14 3 Segmente gestört 2 Segmente gestört 1 Segment gestört 0 Segmente gestört S S W W e H e H e r e r Ob Un t 4.2 Apparative Beurteilung: Befunde der Ultraschalltopometrie Bei allen Patienten wurde die Beweglichkeit der Halswirbelsäule mit Hilfe der Ultraschalltopometrie untersucht. Aufgezeichnet wurden dabei zehn Einzelbewegungen (Ante- und Retroflexion sowie axiale Rotation, laterale Flexion, Rotation in maximaler Anteflexion und in maximaler Retroflexion jeweils nach rechts und links), die jeweils mehrfach durchgeführt werden mussten, und aus denen automatisch der jeweilige Mittelwert der Einzelbewegung errechnet wurde. Angegeben wird jede Bewegung in Winkelgraden, welche die für den Patienten maximal mögliche Bewegung in die jeweilige Richtung entspricht. Aus den Einzelbewegungen der 100 Patienten errechneten wir den Median der Mittelwerte je Bewegungsrichtung (siehe Abb. 13 und 14). Seitneigelinks Seitneigerechts Rotationlinks Rotation rechts Extension Flexion [grd] 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Abb. 13: Median der Mittelwerte der verschiedenen Bewegungsrichtungen der gesamten Halswirbelsäule in Winkelgrad; n = 100. RotRetroflexionli Rot. Retroflexionre Rot. Anteflexionli Rot. Anteflexionre [grd] 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Abb. 14: Median der Mittelwerte der verschiedenen Bewegungsrichtungen der oberen Halswirbelsäule und des CTÜ in Winkelgrad; n = 100. Bei der Betrachtung der Ergebnisse fällt auf, dass es ausser bei der Rotation in Anteflexion keine Unterschiede bei der Beweglichkeit nach rechts oder links gibt. Insgesamt ist die Beweglichkeit der Halswirbelsäule bei der Rotation am grössten. Der geringste Bewegungsausschlag wird bei der Seitneigung erreicht, was anatomisch auch zu erklären ist. Aus der Addition der Einzelwerte zweier gegensätzlicher Bewegungen ergibt sich der „Range of Motion“-Wert (ROM). Dieser ist für die jeweils gegensätzlichen Bewegungen in den Abbildungen 15 und 16 in einer Boxplot-Zeichnung dargestellt. Der bei allen Bewegungen relativ mittig im Boxplot angeordnete Median lässt auf eine regelmässige Verteilung der Werte schliessen. Die Streuung der Werte fällt bei der Flexion/Extension und der Rotation am geringsten aus; bei der Rotation in Retroflexion ist sie dagegen am stärksten ausgeprägt. ROMSeitneigung ROMRotation ROM Flex./Ext. [grd] 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 n = 100. Abb. 15: Boxplot der ROM-Werte in Winkelgrad der Flexion/Extension, Rotation und Seitneigung; Rot. inRetroflexion Rot. inAnteflexion [grd] 160 140 120 100 80 60 40 20 0 Abb. 16: Boxplot der ROM-Werte in Winkelgrad der Rotation in Anteflexion und Retroflexion; n = 100. 4.3 Schmerzbeurteilung: Befunde der visuellen Analogskala (VAS) Die visuelle Analogskala als subjektives Messinstrument der Schmerzintensität eines Reizes wurde allen Patienten mit der Aufforderung vorgelegt, auf einer Skala (100 mm) die Intensität des empfunden Schmerzes im Kiefergelenk in Ruhe, bei Bewegung und bei Belastung sowie den Gesamteindruck des Schmerzes auf der Skala mit einem Kreuz zu benennen. Als Eckpunkte wurde der Anfang der Skala als „kein Schmerz“ bzw. „beschwerdefrei“ bezeichnet, der Endpunkt dagegen als „schlimmster vorstellbarer Schmerz“. Gemessen wurde der Abstand vom Anfang der Skala bis zum Kreuz als Mass für die Schmerzintensität. Die Mittelwerte der genannten Schmerzkategorien aller 100 Patienten sind in Abbildung 17 aufgezeigt. Erwartungsgemäss ist die Schmerzintensität in Ruhe am geringsten und bei Belastung am grössten. Es fällt weiterhin auf, dass der Gesamteindruck des Schmerzes im Kiefergelenk nahezu identisch mit der Schmerzintensität bei Belastung ist. V0 5 10 15 20 25 30 35 40 Ruhe Bewegung Belastung Gesamt mm AS - Mittelwerte der Schmerzangaben Abb. 17: Mittelwerte der Schmerzangabe auf der Visuellen Analogskala in Ruhe, Bewegung, bei Belastung sowie Gesamteindruck des Schmerzes; n = 100. 4.4 Patientenzentrierte Beurteilung Den Patienten wurden zwei Fragebögen mit der Bitte zum Ausfüllen vorgelegt. Dabei handelt es sich um den etablierten Fragebogen „Helkimo“und um den Fragebogen „Haese“, welcher an den in jüngerer Zeit entwickelten (und im Gegensatz zum „Helkimo“ validierten) Fragebogen der Arbeitsgruppe um FINK in Hannover angelehnt ist. Während der Erstgenannte aus 12 Einzelfragen besteht, setzt sich der Zweite aus 17 Fragen zusammen. Aus den Ergebnissen jedes Fragebogens wurde ein Summenscore gebildet, welcher später bei den Korrelationsuntersuchungen zum Einsatz kam. In Abbildung 18 und 19 sind die Mittelwerte der Einzelfragen sowie der Mittelwert des Summenscores beider Fragebögen dargestellt. Die dazugehörigen Fragen sind in Abbildung 18a bzw. 19a zu sehen. Man erkennt, dass die Mittelwerte der Einzelfragen und des Summenscores beim Fragebogen „Helkimo“ höher liegen als beim Fragebogen „Haese“. Der durchgeführte Wilcoxon-Test zeigte den Unterschied der Summenscores beider Fragebögen als signifikant an (p=0,01). Aufgrund meiner Erkrankung….. 1. ...bin ich gewöhnlich mit meiner Familie oder guten Freunden zusammen. 2. ...verrichte ich meine tägliche Arbeit. 3. ...erledige ich Dinge im Haushalt (Kinder, Kochen, Waschen etc.). 4. ...unternehme ich gern etwas in Gesellschaft (Theater, Party etc.). 5. ...treibe ich wie gewohnt Sport (Rad fahren, Spazierengehen etc.). 6. ...gehe ich meinen Hobbies nach. 7. ...schlafe ich nachts. 8. ...kann ich mich konzentrieren. 9. ...esse ich wie gewohnt. 10. ...lache ich wie gewohnt. 11. ...kann ich meinen Mund wie gewohnt öffnen. 12. Wie sehr beeinträchtigen Ihre Beschwerden Ihren Alltag? Abb. 18a: Die einzelnen Fragen He1 bis He12 des FB „Helkimo“. 0 1 2 3 4 5 He1 He2 He3 He4 He5 He6 He7 He8 He9 He10 He11 He12 SummenscoreHelkimo MW FB "Helkimo": Mittelwerte der Einzelfragen und des Summenscores 0,5 1,5 2,5 3,5 4,5 Abb. 18: Die Mittelwerte der Einzelfragen der „numerical rating scale“ von 1 bis 10 und der Mittelwert des Summenscores des FB „Helkimo“; n = 100. Aufgrund meiner Beschwerden im Kiefergelenk…. 1. ...habe ich Schwierigkeiten, den Unterkiefer zu bewegen. 2. ...kann ich feste Nahrung zu mir nehmen. 3. ...habe ich Schwierigkeiten zuzubeissen. 4. ...habe ich Schwierigkeiten, etwas abzubeissen. 5. ...kann ich das Essen in gewohnt grossen Bissen zu mir nehmen. 6. ...kann ich meine Zähne wie gewohnt richtig putzen. 7. ...kann ich mir den Mund wie gewohnt richtig ausspülen. 8. ...fällt es mir schwer zu sprechen. 9. ...ist das Lachen schwierig. 10. ...vermeide ich es, den Mund weit zu öffnen. 11. ...kann ich wie gewohnt gähnen. 12. ...habe ich Schwierigkeiten, mir über die Lippen zu lecken. 13. ...habe ich Schwierigkeiten beim Zahnarzt den Mund geöffnet zu halten. 14. ...kann ich mich nicht mehr vom Zahnarzt an meinen Zähnen behandeln lassen. 15. ...schlafe ich wie gewohnt. 16. ...kann ich wie gewohnt durchschlafen. 17. ...nehme ich beim Schlafen meine gewohnte Schlafposition ein. Abb. 19a: Die einzelnen Fragen Hae1 bis Hae17 des FB „Haese“. ii0 1 2 3 4 5 Hae1 Hae2 Hae3 Hae4 Hae5 Hae6 Hae7 Hae8 Hae9 Hae10 Hae11 Hae12 Hae13 Hae14 Hae15 Hae16 Hae17 SummenscoreHaese MW FB "Haese": Mttelwerte der Enzelfragen und des Summenscores 0,5 1,5 2,5 3,5 4,5 Abb. 19: Die Mittelwerte der Einzelfragen der „numerical rating scale“ von 1 bis 10 und der Mittelwert des Summenscores des FB „Haese“; n = 100. Während beim Fragebogen „Helkimo“ der Mittelwert der jeweiligen Einzelfragen noch relativ ausgeglichen erscheint, zeigt die Verteilung beim „Haese“-Fragebogen grössere Unterschiede. Besonders fällt die Diskrepanz bei den Fragen 6 bis 9 sowie bei den Fragen 12 und 14 auf, wobei sich diese Fragen auch auf Handlungen beziehen, die mit einer minder schweren Belastung im Kiefergelenk einhergehen („...kann ich mir den Mund wie gewohnt ausspülen“). Den höchsten Wert beider Fragebögen erzielt die Frage 12 des „Helkimo“-Fragebogens („Wie sehr beeinträchtigen Ihre Beschwerden Ihren Alltag?“). Sie entspricht am ehesten einer Gesamteinschätzung der durch die craniomandibuläre Erkrankung verursachten Beschwerden. 4.5 Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen den Parametern 4.5.1 Vergleich der Ultraschalltopometrie mit der klinischen Untersuchung der Muskelfunktion Nachdem bei der klinischen Untersuchung der Muskelfunktion die bereits oben aufgeführten Muskeln auf Verkürzung bzw. auf Abschwächung untersucht wurden, bildeten wir aus den erhaltenen Werten jeweils einen Summenscore für Muskelabschwächung und Muskelverkürzung für den jeweiligen Patienten. Diesen korrelierten wir zu den gemessenen Werten der Ultraschalltopometrie. Bei der Ultraschalltopometrie beschränkten wir uns auf die ROM - Werte in den Hauptbewegungsrichtungen Flexion/Extension, Rotation nach rechts und links sowie Seitneigung nach rechts und links. Tab.1: Korrelation der ROM - Werte der Ultraschalltopometrie mit den Summenscores der Muskelfunktionsuntersuchungen; n = 100. ROM Flex/Ex ROM Rot ROM Seit Score 0,279 0,252 0,362 abgeschw. p= 0,01 p=0,05 p= 0,01 Muskulatur Score verk. 0,493 0,483 0,549 Muskulatur p= 0,01 p= 0,01 p= 0,01 In Tabelle 1 sind die Ergebnisse dieser Korrelationsanalyse aufgeführt. Alle Untersuchungen zeigen ein signifikantes Ergebnis. Der Score der verkürzten Muskulatur korreliert dabei deutlich besser mit den Ergebnissen der Ultraschalltopometrieuntersuchungen als der Score der abgeschwächten Muskulatur. Man erkennt, dass die Befunde sowohl der abgeschwächten als auch der verkürzten Muskulatur relativ gut mit den Untersuchungsergebnissen der Ultraschalltopometrie der Seitneigung korrelieren. 4.5.2 Vergleich der Ultraschalltopometrie mit der klinischen Untersuchung der Bewegungsfunktion Bei dem Vergleich der Befunde der Ultraschalltopometrie mit denen der Bewegungsfunktionsuntersuchung sollte herausgefunden werden, ob ein Zusammenhang zwischen einer klinisch festgestellten Störung der HWS und deren Beweglichkeit besteht. Dabei erfolgte die Unterteilung der Halswirbelsäule in einen oberen und in einen unteren Abschnitt. Zu den Segmentprüfungen der oberen HWS zählten wir die Ante- und Retroflexion der Kopfgelenke, die Rotation in maximaler Anteflexion und die Lateralflexion der oberen HWS. Bei der unteren HWS wurde der cervico-thorakale Übergang (CTÜ), die Rotation in maximaler Retroflexion sowie die Lateralflexion der unteren HWS untersucht. Daraufhin unterteilten wir, je nach Anzahl der gestörten Segmente der oberen bzw. der unteren HWS, die Patienten in Gruppen. Für jede Gruppe wurde dann der Mittelwert des durch die Ultraschalltopometrie ermittelten ROM Wertes berechnet. Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 und 3 dargestellt. Tab. 2: ROM - Werte der Ultraschalltopometrie in Abhängigkeit von der Anzahl der gestörten Segmente der oberen HWS; n = 100. Anzahl der gestörten Segmente der oberen HWS ROM Flex/Ex [grd] ROM Rot [grd] ROM Seit [grd] 0 127 140 81 1 126 137 81 2 111 129 70 asymptotische Signifikanz 0,240 0,371 0,582 Hier zeigt sich besonders bei der oberen HWS, dass der Anstieg der Anzahl der gestörten Segmente zu einer Reduktion der ROM führt. Weiterhin ist ersichtlich, dass die Störung in nur einem Segment der oberen HWS wahrscheinlich keinen grossen Einfluss auf die Beweglichkeit hat, währenddessen die Störung mehrerer Segmente zu einer deutlichen Reduktion der ROM führt. Leider liess sich diese Ergebnisbeobachtung durch den Kruskal-Wallis-Test statistisch nicht sichern, so dass zwar von einem gewissen Trend ausgegangen werden kann, sich dieser jedoch mit der von uns verwendeten Stichprobenanzahl statistisch nicht beweisen lässt. Etwas anders stellen sich die Ergebnisse bei der Untersuchung der unteren Halswirbelsäule dar. Ein Trend analog den Untersuchungen der oberen HWS ist hier nicht erkennbar. Speziell bei der Rotation scheint die Anzahl der gestörten Segmente der unteren HWS keinen Einfluss auf die Beweglichkeit der Halswirbelsäule zu haben. Tab.3 : ROM - Werte der Ultraschalltopometrie in Abhängigkeit von der Anzahl der gestörten Segmente der unteren HWS, n = 100. Anzahl der gestörten Segmente der unteren HWS ROM Flex/Ex [grd] ROM Rot [grd] ROM Seit [grd] 0 126,0 139,0 83,0 1 136,0 137,0 85,0 2 118,5 136,5 67,0 3 119,5 139,0 74,0 asymptotische Signifikanz 0,282 0,436 0,115 4.5.3 Vergleich der klinischen Untersuchung der Bewegungs- funktion mit der klinischen Untersuchung der Muskel- funktion Die Ergebnisse des Vergleiches der beiden klinischen Untersuchungen der Muskelfunktion und der Bewegungsfunktion sind in Tabelle 4 aufgeführt. Einen gewissen Trend erkennt man hier nur beim Summenscore der verkürzten Muskulatur in Abhängigkeit von der Anzahl der gestörten Segmente der unteren HWS. Dieser Trend liess sich mit dem Kruskal-Wallis-Test statistisch sichern. Bei den anderen Vergleichen wird kein Zusammenhang erkennbar. Tab. 4: Der Summenscore der abgeschwächten/verkürzten Muskulatur in Bezug auf die Anzahl der gestörten Segmente der oberen/unteren HWS. Anzahl der gestörten Segmente der oberen HWS Summenscore abgeschw. Muskulatur Summenscore verkürzte Muskulatur n 0 27,5 5,0 62 1 27,0 5,0 29 2 28,0 4,0 9 asymptotische Signifikanz 0,991 0,811 100 Anzahl der gestörten Segmente der unteren HWS Summenscore abgeschw. Muskulatur Summenscore verkürzte Muskulatur n 0 28,0 4,0 61 1 24,0 3,0 13 2 30,5 9,5 12 3 26,5 8,0 14 asymptotische Signifikanz 0,167 0,041 100 4.5.4 Vergleich der Ultraschalltopometrie mit der patientenzentrierten Beurteilung In Tabelle 5 sind die Ergebnisse der Korrelationsuntersuchungen zwischen den ROM – Werten und den Summenscores der zwei von uns bei dieser Studie verwendeten Fragebögen aufgeführt. Intention dieser Untersuchung war es, herauszufinden, ob ein Zusammenhang zwischen der objektiven Beweglichkeit der Halswirbelsäule und der Selbsteinschätzung der Einschränkungen durch die Erkrankung bei den Patienten besteht. Der Fragebogen „Helkimo“ erbrachte in Korrelation zur ROM der Flexion/Extension das einzige signifikante Ergebnis. Allerdings zeigten auch hier die Ergebnisse mit einem Wert von 0,266 nur eine mässige Korrelation. Alle anderen Ergebnisse waren nicht signifikant. Beim Fragebogen „Haese“ war zudem keine Korrelation erkennbar. Tab. 5: : Korrelation der ROM-Werte der Ultraschalltopometrie mit den Summenscores der Fragebögen „Helkimo“ und „Haese“; n = 100. ROM Flex/Ex ROM Rot ROM Seit Score Helkimo 0,266 0,181 0,132 p= 0,05 n.s. n.s. Score Haese 0,125 0,086 0,055 n.s. n.s. n.s. 4.5.5 Vergleich der Ultraschalltopometrie mit den Ergebnissen der visuellen Analogskala (VAS) Um den möglichen Zusammenhang zwischen der durch die craniomandibuläre Erkrankung verursachten Schmerzintensität und der Beweglichkeit der Halswirbelsäule zu untersuchen, verglichen wir die Ergebnisse der Ultraschalltopometrie mit denen der Visuellen Analogskala. Wie in Tabelle 6 dargestellt, zeigte sich dabei jedoch keine Korrelation und alle errechneten Werte waren nicht signifikant. Es war somit bei unseren Untersuchungen keine Korrelation zwischen der Visuellen Analogskala und den Befunden der Ultraschalltopometrie nachweisbar. Tab. 6: Korrelation der verschiedenen Schmerzcharakteristika der Visuelle Analogskala mit den ROM-Werten der Ultraschalltopometrie; n = 100. ROM Flex/Ex ROM Rot ROM Seit ROM Rot. in Ante ROM Rot. in Retro Gesamtschmerz 0,044 n.s. 0,025 n.s. 0,089 n.s. -0,002 n.s. 0,086 n.s. Belastungsschmerz 0,048 n.s. 0,074 n.s. -0,049 n.s. 0,041 n.s. 0,056 n.s. Bewegungsschmerz -0,015 n.s. 0,029 n.s. 0,00 n.s. 0,097 n.s. -0,027 n.s. Ruheschmerz -0,200 n.s. 0,162 n.s. 0,150 n.s. 0,027 n.s. -0,037 n.s. 4.5.6 Vergleich der klinischen Untersuchung der Muskelfunktion mit der patientenzentrierten Beurteilung Um einen möglichen Zusammenhang zwischen den Ergebnissen der Muskelfunktionsuntersuchungen und der patientenzentrierten Beurteilung untersuchen zu können, verglichen wir den Summenscore für abgeschwächte bzw. für verkürzte Muskulatur mit den Summenscores der Fragebögen „Haese“ und „Helkimo“ (siehe Tabelle 7) . Eine Korrelation auf signifikantem Niveau (p=0,05) zeigte sich auch hier wieder nur beim FB „Helkimo“, wobei die Korrelation jedoch nur mässig ausgeprägt war (siehe Tabelle 7). Wir konnten somit nur für den Fragebogen „Helkimo“ eine (mässige) Korrelation mit den Befunden der Muskelfunktionsuntersuchungen nachweisen. Es zeigten sich also auch hier Vorteile des Fragebogen „Helkimo“ gegenüber dem Fragebogen „Haese“. Tab. 7: Korrelation der Summenscores der abgeschwächten und verkürzten Muskulatur mit den Summenscores der Fragebögen „Helkimo“ und „Haese“; n = 100. Summenscore Haese Summenscore Helkimo Summenscore -0,158 -0,203 abgeschw. Muskulatur n.s. p= 0,05 Summenscore 0,184 0,246 verk. Muskulatur n.s. p=0,05 4.5.7 Vergleich der klinischen Untersuchung der Muskelfunktion mit der Visuellen Analogskala (VAS) Beim Vergleich der Ergebnisse der Visuellen Analogskala mit den Befunden der Muskelfunktionsuntersuchung korrelierten wir den Summenscore der abgeschwächten bzw. verkürzten Muskulatur mit den einzelnen Schmerzangaben. Die Ergebnisse sind in Tabelle 8 aufgeführt. Eine signifikante Korrelation auf niedrigem Niveau ergab sich nur für den Summenscore der verkürzten Muskulatur mit der angegebenen Intensität für Bewegungs- und Ruheschmerz. Alle anderen Vergleiche waren nicht signifikant. Tab. 8: Korrelation der Summenscores der abgeschwächten und verkürzten Muskulatur mit den verschiedenen Schmerzcharakteristika der Visuelle Analogskala; n = 100. Summenscore abgeschw. Muskulatur Summenscore verkürzte Muskulatur Gesamtschmerz 0,10 n.s. 0,08 n.s. Belastungsschmerz -0,045 n.s. 0,153 n.s. Bewegungsschmerz -0,120 n.s. 0,231 p=0,05 Ruheschmerz -0,145 n.s. 0,327 p=0,01 4.5.8 Vergleich der klinischen Untersuchung der Bewegungs- funktion mit der patientenzentrierten Beurteilung Analog zum Vorgehen bei der Muskelfunktion verglichen wir die Ergebnisse der patientenzentrierten Beurteilung mit den Ergebnissen der klinischen Untersuchung der Bewegungsfunktion. Hierzu bildeten wir anhand der Anzahl der gestörten Segmente der oberen bzw. der unteren Halswirbelsäule Gruppen von Patienten und stellten diese dem jeweiligen Mittelwert des Summenscores des „Haese“ und des „Helkimo“ Fragebogens gegenüber. Die Ergebnisse sind in Tabelle 9 aufgeführt. Wie zu erkennen ist, konnte damit kein Zusammenhang zwischen der Anzahl der gestörten Segmente und dem jeweiligen Score hergestellt werden. Der Kruskal-Wallis-Test gab keinen Trend an. Aufgrund fehlender oder fehlerhafter Angaben gab es sechs „drop outs“. Tab. 9: Der Summenscore der Fragebögen „Haese“ und „Helkimo“ in Bezug auf die Anzahl der gestörten Segmente der oberen/unteren HWS. Anzahl der gestörten Segmente der oberen HWS Score Haese Score Helkimo n 0 2,8 3,4 58 1 2,0 3,0 28 2 3,6 3,1 8 asymptotische Signifikanz 0,053 0,382 94 Anzahl der gestörten Segmente der unteren HWS Score Haese Score Helkimo n 0 2,5 3,3 59 1 2,6 2,8 12 2 3,1 3,2 11 3 2,8 3,4 12 asymptotische Signifikanz 0,670 0,750 94 4.5.9 Vergleich der klinischen Untersuchung der Bewegungs- funktion mit der Visuellen Analogskala (VAS) Wir setzten weiterhin die auf der Visuellen Analogskala erfolgte Schmerzangabe durch die Patienten in Relation zu der Anzahl der gestörten Segmente der oberen bzw. der unteren HWS. Tabelle 10 verdeutlicht das Ergebnis. Man erkennt, dass zwei gestörte Segmente der oberen HWS zu einer deutlichen Zunahme der angegebenen Schmerzintensität führen, während ein ähnliches Ergebnis bei der unteren HWS nicht zu beobachten ist. Statistisch erwies sich mit dem Kruskal-Wallis- Test nur der Trend Belatungsschmerz / obere HWS als signifikant. Aufgrund fehlender oder fehlerhafter Angaben gab es 15 bzw. 16 „drop outs“. Tab. 10: Die Befunde der VAS in Bezug auf die Anzahl der gestörten Segmente der oberen/unteren HWS. Anzahl der gestörten Segmente der oberen HWS Gesamtschmerz Belastungsschmerz Bewegungsschmerz Ruheschmerz n 0 36,27 39,58 26,12 16,13 52 1 33,27 21,80 17,40 16,48 25 2 50,88 62,75 36,75 34,88 8 asymptotische Signifikanz 0,452 0,017 0,150 0,332 85 Anzahl der gestörten Segmente der unteren HWS Gesamtschmerz Belastungsschmerz Bewegungsschmerz Ruheschmerz n 0 33,10 33,81 21,87 13,85 54 1 49,10 43,90 23,00 21,40 10 2 46,20 42,30 38,40 32,00 10 3 40,20 37,60 28,90 24,00 10 asymptotische Signifikanz 0,513 0,786 0,520 0,164 84 4.5.10 Vergleich der patientenzentrierten Beurteilung mit den Ergebnissen der Visuellen Analogskala (VAS) Zuletzt verglichen wir die Ergebnisse der patientenzentrierten Beurteilung mit denen der visuellen Analogskala (siehe Tabelle 11). Hier zeigten sich signifikante Ergebnisse bei beiden von uns verwendeten Fragebögen, wobei die Korrelation beim Fragebogen „Haese“ deutlich stärker ausgeprägt war als beim Fragebogen „Helkimo“ (siehe Tabelle 11). Vor allem bei den Kriterien Belastungsschmerz und Bewegungsschmerz ergab sich beim „Haese“ Fragebogen eine gute Korrelation. Exemplarisch sei hier die Punktwolke des Zusammenhangs zwischen Belastungsschmerz und dem Summenscore des FB „Haese“ in Abbildung 20 aufgezeigt. Tab. 11: Korrelation der verschiedenen Schmerzcharakteristika der Visuelle Analogskala mit den Summenscores der Fragebögen „Haese“ und „Helkimo“; n = 100. Gesamtschmerz Belastungsschmerz Bewegungsschmerz Ruheschmerz Score 0,410 0,457 0,487 0,469 Helkimo p= 0,01 p= 0,01 p= 0,01 p= 0,01 Score 0,575 0,777 0,632 0,438 Haese p= 0,01 p= 0,01 p= 0,01 p= 0,01 Summenscore Haese 76543210 Belastungsschmerz 120 100 80 60 40 20 0 -20 Abb. 20: Graphische Darstellung der Korrelation der Belastungsschmerzangabe in der Visuellen Analogskala (in mm) mit dem Summenscore des Fragebogens „Haese“; r = 0,777, p = 0,01; n = 100. 5. Diskussion 5.1 Fehlerdiskussion und Testgütekriterien Jede durchgeführte Messung oder Beobachtung ist Fehlermöglichkeiten ausgesetzt, die systematischer oder zufälliger Art sein können. Ein systematischer Fehler kann durch unsachgemässe Handhabung oder falsche Eichung eines Messinstrumentes ebenso entstehen wie durch die Verwendung falscher Messmethoden. In unserem Fall wäre zum Beispiel das Auftreten eines systematischen Fehlers bei der Ultraschalltopometrie denkbar, wenn die messende Person bei jeder Messung, zum Beispiel aufgrund einer ungenügenden Instruktion, die Messung des Probanden kontinuierlich in einer falschen Position durchführt oder die Elektroden am Kopf des Probanden falsch platziert. Der systematische Fehler verfälscht somit alle Werte in dieselbe Richtung und kann mit statistischen Methoden weder erfasst noch korrigiert werden. Durch genaue Instruktionen und gezielte Schulung der untersuchenden Personen an den von ihnen durchgeführten Mess- und Untersuchungsverfahren wurde versucht, den systematischen Fehler so klein wie möglich zu halten. Speziell die bei der Ultraschalltopometrie eingesetzten Assistenten mussten an entsprechenden Fortbildungskursen teilnehmen. Bei den Untersuchungen zur Muskel- und Bewegungsfunktion wurde nur auf ausgebildete und erfahrene Physiotherapeuten bzw. Ärzte mit manualmedizinischer Ausbildung zurückgegriffen. Zufällige Fehler beruhen auf Ungenauigkeit in der Handhabung oder Ablesung des Messinstruments, aber auch z.B. in der natürlichen Variabilität biologischer Objekte oder Vorgänge. Insbesondere der zufällige Fehler durch die biologische Variabilität sollte bei Patienten mit einer craniomandibulären Dysfunktion nicht unterschätzt werden. So konnten nicht alle Probanden exakt zur gleichen Tageszeit und im gleichen Entspannungszustand untersucht werden, was sicherlich erheblichen Einfluss auf die muskuläre und artikuläre Funktion hatte. Es wurde aber versucht, die Patienten unter ähnlichen Rahmenbedingungen zu untersuchen. Ein zufälliger Fehler kann sowohl zu einer Vergrösserung als auch zu einer Verminderung des jeweiligen Messergebnisses führen und ist eine Ursache dafür, dass eine wiederholte Messung/Beobachtung oft zu abweichenden Ergebnissen führt. Durch Bildung eines Mittelwertes nach einmaliger oder mehrfacher Wiederholung der Messung lässt sich der zufällige Fehler vermindern. Bei der Ultraschalltopometriemessung wurde jede gegensätzliche Bewegung vier mal ohne Unterbrechung durchgeführt. Der Computer errechnete daraus automatisch den entsprechenden Mittelwert für jede Bewegung, wodurch eine Verminderung des zufälligen Fehlers erreicht werden konnte. Die Qualität eines Messverfahrens oder Tests wird im Wesentlichen durch die drei Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität gekennzeichnet. Die Objektivität beschreibt dabei die Unabhängigkeit der Test- /Messmethode vom jeweiligen Untersucher. Im optimalen Fall kämen also unterschiedliche Untersucher bei einer Testperson mit dem gleichen Testverfahren zu identischen Ergebnissen. Die Reliabilität (=Zuverlässigkeit) bezeichnet das Ausmass der Reproduzierbarkeit eines Befundes bei wiederholter Erhebung. Unterschieden wird dabei zwischen Test-Retest-Reliabilität (Übereinstimmung bei wiederholter Messung), Intrarater-Reliabilität (Übereinstimmung bei Messung durch die gleiche untersuchende Person) und Interrater-Reliabilität (Übereinstimmung bei Messung durch verschiedene Personen). Schliesslich beschreibt die Validität (=Gültigkeit) die Übereinstimmung der Messung mit dem zu messenden Zielparameter. Sie gibt an, ob das verwendete Test-bzw. Messverfahren den Parameter misst, den es messen soll. Bei der Entwicklung von klinischen Assessements sollte die Testgüte bei der Auswahl der verwendeten Messverfahren eine wesentliche Rolle spielen, da nur zuverlässige Daten eine verlässliche Grundlage für den klinischen Entscheidungsprozess darstellen (Schreiber et al. 1999). Bei der Durchsicht der Literatur zur Testgüte der von uns verwendeten Mess- und Testverfahren ergibt sich folgendes Bild: Die Visuelle Analogskala zeichnet mit einem Test-Retest Wert von 0,81-0,99 eine recht hohe Reliabilität aus (Intrarater- und Interrater- Reliabilität sind in der Eigenschaft der VAS als Selbstauskunftsmessinstrument nicht anwendbar). Auch die Validität wird als hoch angesehen (Schreiber et a. 1999, Wilkie et al. 1990, Carlson 1986, McGuire 1984, Downie et al. 1978). Die Muskelfunktionsuntersuchung im Sinne einer manuellen Muskelprüfung erreicht bei einer gegebenen Validität eine mässige Intrarater–Reliabilität bzw. einen mässigen Test-Retest-Wert. Eine Interrater-Reliabilität wird nicht berichtet (Wadsworth et al. 1987). Die 3D-Beweglichkeitsanalyse, wie sie auch unser verwendetes Zebris-Messsystem darstellt, zeigt eine hohe Reliabilität und eine hohe Validität (Gracovetsky et al. 1998, Bulgheroni et al. 1998, Kelemen et al. 1998, Smolenski et al. 1998, Schreiber et al. 1997). Eine Aussage zur Testgüte der Bewegungsfunktionsuntersuchung konnte in der durchgesehenen Literatur nicht gefunden werden. Dennoch ist die Testgüte, wie bei fast allen Methoden der „clinical signs“, eher kritisch anzusehen (Boline et al. 1993, Richter und Lawall 1993). Bei den „outcome measures“, den patientenzentrierten Massen, verwendeten wir den schon in den 70er Jahren entwickelten Fragebogen „Helkimo“ (Helkimo 1974) und einen Fragebogen, der an den von der Arbeitsgruppe FINK erarbeiteten Fragebogen angelehnt war (Fink et al. 1999). Während Ersterer ein weithin anerkanntes und seit Jahrzehnten angewendetes, jedoch nicht validiertes, Messverfahren für schmerzhafte Erkrankungen der Temperomandibularregion darstellt, wurde der Fragebogen der Arbeitsgruppe Fink erst in jüngerer Zeit entwickelt. Die Testgütekriterien Validität und Reliabilität sind gut bis sehr gut (Fink et al. 1999). 5.2 Ergebnisdiskussion Wir führten unsere Untersuchungen an 100 Patienten mit einer craniomandibulären Dysfunktion (Definition und Kriterien einer CMD s. Einleitung) durch. Es hat sich weithin die Annahme durchgesetzt, dass es sich bei dieser Erkrankung um ein multiätiologisches und multisymptomatisches Krankheitsbild handelt (De Boever und Steenks 1991, Winkelmann et al. 1999). Des Weiteren wurde beschrieben, dass erkrankte Patienten, neben den die CMD definierenden Symptomen, multiple Beschwerden von Kopfschmerz bis hin zu verkürzter Nacken- und Schultermuskulatur hatten (Lobbezzo-Scholte et al. 1995, Wannman 1995). In anderen Arbeiten wurde nachgewiesen, dass bei pathologischen Befunden der cervicothorakalen Region ein bis zu fünffach höheres Risiko für das Vorhandensein einer CMD besteht (Olschowsky 2000). Dabei wird von der Theorie ausgegangen, dass es durch die engen nachbarschaftlichen Verhältnisse in der craniocervicalen Region und durch starke Wechselwirkung der neurogenen, muskulären und anatomisch-artikulären Komponenten in diesem Bereich zu einer gegenseitigen Beeinflussung voneinander entfernter Strukturen kommen kann (Janda 1986, Friedmann 1988, Olschowsky 2000). So wurde in der Literatur unter anderem der Einfluss der Körperhaltung auf die Mundschlussbewegung, auf die Aktivität des M. masseter bzw. des M. temporalis und auf die Ruheposition der Mandibula mehrfach beschrieben (Goldstein et al. 1984, Boyd et al. 1987, Makofsky et al. 1991). Auf der anderen Seite fanden sich in Patientengruppen die von einer CMD betroffen waren gehäuft Haltungs- und Muskelfunktionsstörungen (Nicolakis et al. 2000). Die Intention dieser Arbeit kann man in zwei Aspekte untergliedern: auf der einen Seite wurde versucht, eine Strukturierung des von uns untersuchten Patientenguts durchzuführen, um dabei mit Hilfe der beschreibenden Statistik herauszufinden, ob Patienten mit einer craniomandibulären Dysfunktion gehäuft Pathologien und Funktionseinschränkungen auch ausserhalb der orofacialen Region aufweisen, die sich mit Hilfe apparativer Methoden und standardisierten klinischen Untersuchungsverfahren objektivieren lassen. Im zweiten Teil wurde versucht, einen möglichen Zusammenhang zwischen den untersuchten Parametern herzustellen sowie eine mögliche Korrelation zwischen der Fremdbeurteilung durch den Untersucher und der Selbstbeurteilung durch den Patienten herauszufinden. Schaut man sich die von uns verwendeten Messmethoden an, kann man die erhaltenen Daten in jene unterteilen die aus einer „subjektiven“ Perspektive, also durch Selbstbeurteilung durch den Patienten, erhoben wurden und solche Daten, die aus einer „objektiven“ Perspektive durch Fremdbeurteilung einer untersuchenden Person gewonnen wurden. Da die Unterscheidung zwischen objektiv und subjektiv in der Praxis jedoch problematisch ist (Duckworth 1999), bevorzugen wir die Unterteilung in Eigenbeurteilung und Fremdbeurteilung. In Abbildung 21 sind die von uns verwendeten Untersuchungsmethoden in diesem Sinne geordnet. Testverfahren mit Testverfahren mit Fremdbeurteilung Eigenbeurteilung Ultraschalltopometrie Outcome (FB „Helkimo“ und FB „Haese“) Muskelfunktionstest (MFT) Visuelle Analogskala (VAS) Bewegungsfunktionstest Abb. 21: Darstellung der verwendeten Testverfahren nach Eigen- und Fremdbeurteilung unterteilt. Die Vergleichsmöglichkeiten der von uns erhobenen fremd- und eigenbeurteilten Befunde kann man, wie in Abbildung 22 dargestellt, in drei Gruppen unterteilen. In den Abschnitten 5.2.1 werden zunächst mit Hilfe der beschreibenden Statistik die Befunde einzelner Untersuchungen diskutiert. Ab dem Abschnitt 5.2.2 erfolgt die Diskussion möglicher Zusammenhänge. Vergleich fremdbeurteilter Befunde Vergleich fremd- vs. eigenbeurteilter Befunde Vergleich eigenbeurteilter Befunde Ultraschalltopometrie vs. Muskelfunktion Ultraschalltopometrie vs. Bewegungsfunktion Bewegungsfunktion vs. Muskelfunktion Ultraschalltopometrie vs. Outcome Ultraschalltopometrie vs. Visuelle Analogskala (VAS) Muskelfunktion vs. Outcome vs. Visuelle Analogskala (VAS) Outcome Muskelfunktion vs. Visuelle Analogskala (VAS) Bewegungsfunktion vs. Outcome Bewegungsfunktion vs. Visuelle Analogskala (VAS) Abb. 22: Die Vergleichsmöglichkeiten der von uns erhobenen Befunde hinsichtlich der Eigen- und Fremdbeurteilung. 69 5.2.1 Diskussion einzelner Befunde 5.2.1.1 Muskelfunktionsuntersuchung Bei der Muskelfunktionsuntersuchung wurde hinsichtlich abgeschwächter und verkürzter Muskulaturen des cervico-thorakal- abdominellen Systems untersucht. Weiterhin wurde ein Palpationsbefund der Mm. masseter und Mm. temporalis erhoben. Die Mm. masseter und Mm. temporalis zeigen in zwei Drittel der Fälle einen pathologischen Befund. Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass einerseits die genannten Muskeln in unmittelbarer Nachbarschaft des Kiefergelenkes diesem als Widerlager dienen, andererseits das Kiefergelenk das Erfolgsorgan jener Muskulatur darstellt. Kiefergelenk und zugehörige Muskulatur stellen als Arthron eine Art Einheit dar, wobei die Artikulation einen hohen funktionalen Zusammenhang zwischen arthrogener und muskulärer Komponente darstellt (von Linden und Reich 2001). Zur besseren Darstellung der Muskelfunktionsbefunde für abgeschwächte und verkürzte Muskulatur sind in Abbildung 7 und 8 diejenigen Muskeln, die in über 50% der Fälle auffällig waren, graphisch abgesetzt. Dabei wird aus Abbildung 7 deutlich, dass häufig die Schultermuskulatur und der Rectus abdominis bei den untersuchten CMD-Patienten abgeschwächt erscheint, während die Halsbeuger und die Ilicostal-Muskulatur deutlich seltener betroffen zu sein scheint. Ein etwas anderes Bild ergibt sich für die verkürzte Muskulatur. Hier zeigt sich der M. erector spinae in mehr als zwei Drittel der Fälle verkürzt bzw. stark verkürzt. Die anderen untersuchten Muskeln, und hierbei insbesondere der M. sternocleidomastoideus und die Halsstrecker, sind in weniger als der Hälfte der Fälle verkürzt. Untersucht man die erhaltenen Befunde hinsichtlich typischer Muster, dann fällt die Prävalenz der unteren und oberen gekreuzten Syndrome auf. Ein abgeschwächter M. rectus abdominis und ein verkürzter M. erector spinae im Sinne eines unteren gekreuzten Syndroms (UGS) war in über 70% der Fälle nachweisbar. Ein verkürzter M. pectoralis , M. trapezius descendens und M. levator scapulae (30-44%) und ein abgeschwächter M. trapezius ascendens (70%) als Zeichen des oberen gekreuzten Syndroms (OGS) liessen sich ebenfalls nachweisen. Somit scheinen bei CMD-Patienten häufig Muskelfunktionsstörungen im Rahmen typischer Symptommuster des oberen und unteren gekreuzten Syndroms vorzuliegen. In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf die Pathogenese muskulärer Dysbalancen mit einer möglichen Verkettung von Symptomen (Beyer 2003, Sachse und Schildt-Rudloff 1997) und der Entstehung myofaszialer Triggerpunkte hingewiesen, was bereits in der Einführung beschrieben wurde. In weiterführenden Studien wäre deshalb auch die Berücksichtung eventueller typischer Triggerpunkte (und deren Behandlung) bei CMD-Patienten interessant. In der Arbeit von OLSCHOWSKY (2000) wurde ein ca. fünffach erhöhtes Risiko für eine CMD-Erkrankung bei pathologischen Muskelbefunden in der cervicothoracalen Region gefunden. Allerdings wurde mit einer Zahl n = 26 nur eine kleine Patientengruppe untersucht, was die Aussagekraft deutlich einschränkt . WÄNMAN (1995) fand eine grössere Ausprägung von „signs and symptoms“ einer CMD bei Patienten, die Muskelfunktionsstörungen in der Nacken/Schulter–Region aufwiesen. Die von uns untersuchten CMD-Patienten zeigten Funktionsstörungen vor allem in der Schulter-, Rücken- und Bauchregion, während im Verhältnis dazu die cervicale Muskulatur auffallend wenig betroffen war. Weitere Untersuchungen wären hierzu hilfreich, da zum einen in der durchgesehenen Literatur keine weiteren zum Vergleich tauglichen Muskelbefunde von CMD-Patienten zu finden waren, zum anderen fehlte bei uns der Vergleich von entsprechenden Muskelbefunden einer gesunden (nicht von einer CMD betroffenen) Population. 5.2.1.2 Bewegungsfunktionsuntersuchung Die Bewegungsfunktionsuntersuchung bestand in der orientierenden Untersuchung der Wirbelsäulenabschnitte, wobei auf Stellungsfehler, Asymmetrien und Schmerz hin untersucht wurde. Weiterhin wurde die Bewegungsfunktion des Kiefergelenks untersucht und die HWS segmental geprüft. Die Ergebnisse sind in den Abbildungen 10 - 12 dargestellt. Wie erwartet stellen die Krepitation und die Unterkieferabweichung mit fast 40% bzw. fast 36% als definierende Symptome einer craniomandibulären Dysfunktion einen häufig erhobenen Befund dar. Dass eine craniomandibuläre Dysfunktion durch negativ-funktionelle Beeinflussung Fernwirkung zeigen kann, wurde bereits in der Arbeit von PLATO nachgewiesen (Plato und Kopp 1999). So fanden wir in der orientierenden Untersuchung der Wirbelsäulenabschnitte relativ häufig Spannungsphänomene in Form von Stellungsfehlern im Bereich der BWS (30%) und LWS (19%), während die HWS mit 4% deutlich weniger betroffen war. Auch ein ISG-Vorlaufphänomen war noch bei insgesamt 20% der untersuchten Patienten nachweisbar. Asymmetrien als Ausdruck von Spannungsphänomenen zeigten sich bei ca. einem Drittel der Patienten in Bezug auf Becken- und Schulterhochstand. Eine Skoliose war bei ca. 25% der untersuchten Patienten feststellbar (s. Abbildung 11). Wie in der Arbeit von CHESSA gezeigt wurde, wirkt sich eine Erkrankung des craniomandibulären Systems auch auf die Körperhaltung aus (Chessa et al. 2002). Etwas überraschend deutet sich bei unseren Untersuchungen der Bewegungsfunktion analog zur Muskelfunktionsuntersuchung an, dass das thorakal-abdominelle System häufiger Pathologien aufweist als das cervicale System - trotz dessen unmittelbarer Nachbarschaft zum cranialen System. Weitere Untersuchungen erscheinen notwendig, da auch hier ein Vergleich zu einer nicht von einer craniomandibulären Erkrankung betroffenen Population fehlt. In Arbeiten, die Patienten mit einer CMD mit einer gesunden Kontrollgruppe verglichen, fand sich eine erhöhte Prävalenz muskuloskeletaler Dysfunktionen (Hagberg 1991), wobei das thorako-abdominelle System nicht stärker als das cervicale System betroffen war. Im Anschluss an die orientierende Untersuchung wurde die obere und die untere HWS gezielt segmental untersucht. Eine funktionelle Verbindung zwischen temporomandibulärer und craniocervicaler Region wurde in der Literatur bereits beschrieben (Zafar et al. 2000, Chinappi und Getzoff 1996). In unseren Untersuchungen zeigten sich, wie in Abbildung 12 ersichtlich, beide HWS-Abschnitte in ca. 40% mit gestörten Segmenten. Die untere HWS mit dem cervicothorakalen Übergang war dabei jedoch deutlich schwerer gestört als die obere HWS, wo zum überwiegenden Teil die Kopfgelenke betroffen waren. Möglicherweise ist dies im Rahmen der Funktion der unteren HWS als „Bindungsglied“ zwischen cervicalem und thorakalem System zu interpretieren. 5.2.1.3 Ultraschalltopometrie (Zebris) Der Zusammenhang zwischen Nackenschmerz und einer craniomandibulären Dysfunktion wurde in früheren Untersuchungen wie der von CIANCAGLINI nachgewiesen (Ciancaglini et al. 1999), ebenso eine Verbindung des temporomandibulären mit dem cervicothorakalen System (Zafar et al. 2000). Mit dem Zebris- Messsystem stand uns eine zuverlässige Methode zur Verfügung, mit der wir auch den Einfluss einer CMD auf die Beweglichkeit der HWS untersuchen konnten (Endres 2003). Gemessen wurde die Bewegung des Kopfes, wobei die HWS-Beweglichkeit und die Beweglichkeit der oberen BWS bis Th5 als funktionelle Einheit mit eingeschlossen sind (Olschowsky 2000, Janda 1986). Da in unserer Arbeit nur von einer craniomandibulären Dysfunktion betroffene Patienten untersucht wurden, verglichen wir die erhaltenen Daten mit der zu diesem Thema vorhandenen Literatur. In der Arbeit von ENDRES (2003) wurden neben CMD-Patienten auch gesunde Probanden mit dem Zebris-Messsystem in den drei Hauptbewegungsrichtungen der Halswirbelsäule Flexion/Extension, Rotation und Seitneige nach rechts und links untersucht. Auch in der Arbeit von KITTEL et al. (2002) wurden sowohl Probanden als auch Patienten hinsichtlich der Quantifizierung zervikaler Bewegungsmuster beurteilt. Die dabei erhaltenen Ergebnisse sind den unseren in Abbildung 23 entgegengestellt, wobei die Ergebnisse der Studie von KITTEL et al. in Klammern aufgeführt sind. Während ENDRES (2003) den Mittelwert aus den Daten der Probanden bzw. der Patienten bildete, setzten wir den Median-Wert ein, da dieser v.a. bei kleineren Stichprobenumfängen weniger anfällig gegen Ausreisser ist. Auch wenn in der Arbeit von ENDRES nur eine relativ kleine Stichprobe von gesunden Probanden untersucht wurde, erkennt man, dass Patienten mit einer craniomandibulären Dysfunktion eine deutlich eingeschränkte Beweglichkeit der HWS aufweisen. Allerdings ist das Festlegen von Normwerten für die HWS- Beweglichkeit nicht unproblematisch. Einerseits wurden in Studien signifikante Unterschiede zwischen den ermittelten Beweglichkeitsausmassen bei gleichen Probanden ermittelt, wenn verschiedene Analysesysteme benutzt wurden (Mannion et al. 2000), andererseits wurden mit dem Zebris-Messsystem noch keine ausreichend grossen Probandengruppen untersucht, um allgemeingültige Normwerte für eine gesunde Gesamtpopulation zu postulieren. Für die Entwicklung entsprechender Normwerte müsste dann auch die altersabhängige Abnahme der HWS-Beweglichkeit berücksichtigt werden (Sachse et al. 2002, Castro et al. 2000, Trott et al. 1996, Walmsley et al. 1996). Gesunde Probanden n=30 Endres 2003 (Kittel et al. 2002) CMD-Patienten n=20 Endres 2003 (Kittel et al. 2002) CMD-Patienten n=100 Flexion 69,1 64,4 60,0 Extension 79,1 67,0 65,5 Rotation links 78,7 (80,1) 74,0 (67,8) 70,5 Rotation rechts 80,6 (77,6) 68,6 (62,6) 70,5 Seitneige links 45,8 40,0 40 Seitneige rechts 53,0 40,9 40 Abb. 23: Durch Ultraschalltopometrie mit dem Zebris-Messsystem ermittelte HWS-Beweglichkeit von Probanden und Patienten bei Unteruchungen von ENDRES, KITTEL et al. und bei unseren Untersuchungen. 5.2.1.4 Visuelle Analogskala (VAS) Erwartungsgemäss ist die (subjektive) Schmerzbeurteilung anhand der Visuellen Analogskala analog zur Intensität der Kiefergelenkbelastung geordnet (siehe Abbildung 17). Der Hauptschmerz ist der Schmerz unter Belastung des Kiefergelenks, der nahezu identisch mit dem Gesamteindruck des Kiefergelenkschmerzes ist. Allerdings muss angemerkt werden, dass die VAS von HUSKISSON (1974) keine Aussage darüber macht, in welcher Weise der Patient durch den Schmerz behindert wird. Schmerzerleben und funktionelle Einschränkung müssen nicht immer konform gehen. So wird z.B. in der Literatur auf den Einfluss psychosozialer Faktoren auf die Schmerzverarbeitung hingewiesen (Suvinen et al. 1997). Die Visuelle Analogskala kann daher nur einen Teil des klinischen Assessements der CMD darstellen. Da die Schmerzsymptomatik bei einer craniomandibulären Dysfunktion meist einem chronischen Schmerzerleben entspricht, ist für weitere Untersuchungen auch die Verwendung alternativer Selbstauskunftsinstrumente zur Schmerzquantifizierung in Erwägung zu ziehen. So wurde in der Arbeit von MAGNUSSON eine höhere Sensitivität und Genauigkeit sowie eine bessere Verständlichkeit der „Behaviour rating scale (BRS)“ gegenüber der VAS beschrieben (Magnusson et al. 1995). Allerdings stehen diese Ergebnisse zum Teil im Widerspruch zu Arbeiten anderer Autoren (Price et al. 1994, Seymour et al. 1985), so dass hier weitere Untersuchungen benötigt werden. 5.2.1.5 Outcome Fragebögen Die patientenzentrierte Beurteilung, das so genannte „Outcome“, wurde von uns mit zwei unterschiedlichen Fragebögen, dem Fragebogen „Helkimo“ (Helkimo 1974) und dem Fragebogen „Haese“ (Fink 1999), eruiert. Bei der Durchsicht der Fragen fällt auf, dass der FB „Helkimo“ stärker die allgemeine Beeinträchtigung im täglichen Leben widerspiegelt (Frage 1-8) und wahrscheinlich deshalb die Frage 12 im „Helkimo“ („ Wie sehr beeinträchtigen ihre Beschwerden Ihren Alltag?“) als eine Art „Gesamteinschätzung“ den höchsten Wert bildet. Hingegen untersucht der Fragebogen „Haese“ deutlich symptombezogener die Kiefergelenksfunktion (Fragen 1-14). Hierbei fällt auf, dass diejenigen Fragen, die sich auf die Mundöffnung (Fragen 5,10,11 und 13) und auf die Belastung (Fragen 3 und 4) des Kiefergelenks beziehen, den grössten Wert erhalten. Der aus den jeweiligen Einzelfragen berechnete Summenscore war beim FB „Helkimo“ signifikant grösser (p=0,01) als beim FB „Haese“. Es muss jedoch angemerkt werden, dass die Einzelscores beim „Helkimo“ wesentlich ausgeglichener erscheinen als beim „Haese“. Insbesondere zeigen sich beim FB „Haese“ die Fragen 6 bis 9 sowie die Fragen 12 und 14 deutlich niedriger bewertet als der Rest (siehe Abbildung 19). Dabei handelt es sich um Tätigkeiten, die mit einer minder schweren Belastung des Kiefergelenks einhergehen (Fink 1999). Für weitergehende Untersuchungen wäre zu überlegen, ob beim Assessment craniomandibulärer Dysfunktionen der FB „Haese“ in Hinsicht auf eine noch grössere Spezifität hin überarbeitet werden sollte, so dass zur Outcome-Bewertung ein Fragebogen zur Bewertung der allgemeinen Lebensqualität und ein Fragebogen zur Bewertung der Kiefergelenksfunktion bzw. -einschränkung zur Verfügung steht. Auch die Arbeitsgruppe FINK (Fink et al. 1999) konnte letztendlich im Fragebogen „Haese“ zwei Faktoren extrahieren, „Beeinträchtigung der Kaufunktion“ und „Beeinträchtigung durch mimische Funktionen“. Es muss daher diskutiert werden, ob dieser Fragebogen nicht hinsichtlich einer spezifischen Kiefergelenks-funktion überarbeitet werden sollte. Auch könnte die Veränderung des Outcome vor und nach der Behandlung einer CMD Gegenstand weiterer Untersuchungen sein. 5.2.2 Diskussion zusammenhängender Befunde 5.2.2.1 Zusammenhang fremdbeurteilter Befunde Bei den fremdbeurteilten Befunden handelt es sich um die Ergebnisse aus der Ultraschalltopometrie, welche als Untersuchungsmethode eine hohe Reliabilität und Objektivität auszeichnet (Bulgheroni 1998, Kelemen 1998), sowie um die Ergebnisse der Muskel- und Bewegungsfunktionsuntersuchungen. Letztere weisen schon auf Grund unterschiedlicher Untersucher eine geringere Reliabilität und auch Objektivität auf (Schreiber 1999). Schaut man sich unsere Ergebnisse an, fällt zunächst auf, dass die Befunde der Ultraschalltopometrie auf signifikantem (p=0,05) bzw. hochsignifikantem (p=0,01) Niveau mit den Befunden der Muskelfunktion korrelieren (siehe Tab. 1). Absolut gesehen wurden pathologische Befunde für die abgeschwächte Muskulatur deutlich häufiger erhoben als für die verkürzte Muskulatur (siehe Abb. 7 und 8). Trotzdem korreliert der Summenscore der verkürzten Muskulatur deutlich besser mit der (mit Hilfe der Ultraschalltopometrie gemessenen) Beweglichkeit der Halswirbelsäule in den Hauptbewegungsrichtungen Flexion/Extension, Rotation li/re und Seitneige li/re als der Summenscore der abgeschwächten Muskulatur (siehe Tab. 1). Der Grund dafür dürfte sein, dass bei der verkürzten Muskulatur deutlich mehr Muskeln untersucht wurden, die in enger funktioneller und anatomischer Relation zur Halswirbelsäule stehen (M. sternocleidomastoideus, Halsstrecker, M.scaleni etc.), als dies für die abgeschwächte Muskulatur zutrifft. Auf den Zusammenhang zwischen craniomandibulärer Dysfunktion und Störungen der Halswirbelsäule wurde schon in früheren Untersuchungen hingewiesen (Olschowsky 2000, Ciancaglini 1999). Ein Zusammenhang zwischen der Muskelfunktion und der Beweglichkeit der Halswirbelsäule bei CMD-Patienten konnte somit statistisch signifikant nachgewiesen werden, auch wenn sich nur eine mässige Korrelation ergab. Ein Grund dafür liegt sicherlich in der Verwendung des ROM-Wertes. Dieser Wert gibt zwar zuverlässig die Gesamtbeweglichkeiten einer Bewegungsebene an, eventuelle Asymmetrien können dadurch jedoch nicht detektiert werden, da der ROM-Wert keine Aussage über die Ausgangsstellung gibt. So kann Hypomobilität in eine Richtung durch Hypermobilität in die gegenläufige Richtung ausgeglichen werden und so ein normaler ROM-Wert resultieren, obwohl eine ausgeprägte Störung vorliegt. In der Literatur wird eine Seitenasymmetrie >10° als auffällige Funktionsasymmetrie gewertet (Koch et al. 2003). Wir haben zu unseren Korrelationsanalysen trotzdem den ROM-Wert verwendet. Zum einen erfolgte in unserem Studienansatz das Screening von 100 CMD-Patienten ohne vorherige Unterteilung in entsprechende „subgroups“ (in diesem Fall also Patienten mit einer Funktionsasymmetrie), was notwendig war, um die grossen Datenmengen der zahlreichen Untersuchungsergebnisse zu strukturieren. Zum anderen wurde auf die Problematik der Gültigkeit von Normwerten bzw. der Altersabhängigkeit der Ultraschalltopometrie mit dem Zebris-System in Kapitel 5.2.1.3 bereits hingewiesen. Die aufgeführten Aussagen betreffen alle Ergebnisse, in denen der ROM-Wert der Zebris-Messung verwendet wurde. Interessant wäre es in dieser Hinsicht, weitere Studien bezüglich Co- Inzidenz von Funktionsasymmetrien und (oberen) gekreuzten Syndromen bzw. die Abnahme der HWS-Beweglichkeit bei Patienten mit einem OGS durchzuführen. Vergleicht man nun die Zebris-Befunde mit den Ergebnissen der Bewegungsfunktionsuntersuchungen, lässt sich zumindest für die Hauptbewegungsrichtungen Flexion/Extension und Rotation ein Trend im Verhältnis zum Ausmass der Störung der oberen HWS ablesen (siehe Tab. 2). Statistisch sichern liess sich dieser Trend mit dem Wilcoxon-Test jedoch nicht, was neben den oben aufgeführten Gründen zum einen an der relativ kleinen Stichprobenanzahl, zum anderen aber auch an der geringen Befundprävalenz mehrerer gestörter Segmente liegen kann. Einen vergleichbaren Trend für die untere HWS stellt sich nicht dar (siehe Tab. 3). Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule scheint nicht wesentlich von der segmentalen Störung im unteren HWS-Bereich abhängig zu sein. Allerdings muss auch hier die eingeschränkte statistische Aussagekraft aufgrund kleiner Stichprobenumfänge und zum Teil geringer Befundprävalenz in Betracht gezogen werden. Ein vorwiegender Zusammenhang der HWS-Beweglichkeit mit der Bewegungsfunktion der oberen Halswirbelsäule erscheint jedoch naheliegend, da der Hauptbewegungsausschlag bei der Flexion/Extension und Rotation vorwiegend über die Segmente der oberen HWS erfolgt und da vor allem über die Kopfgelenke. Diese sind auch in 25 von insgesamt 38 pathologischen Befunden der oberen HWS betroffen. Beim Vergleich der Befunde der Bewegungsfunktionsuntersuchungen mit denen der Muskelfunktionsuntersuchungen ergibt sich eine statistisch signifikante Korrelation nur zwischen dem Summenscore der verkürzten Muskulatur und den Befunden der unteren HWS (siehe Tab. 4). Die Befunde der obere HWS lassen keinen Zusammenhang mit den Muskelfunktionsbefunden erkennen. Gleiches gilt für den Summenscore der abgeschwächten Muskulatur mit den Befunden der unteren HWS. Auch wenn, wie bereits erwähnt, die statistische Aussagekraft eingeschränkt ist (geringe Befundprävalenz, relativ kleine Stichprobe), erscheint uns aufgrund der engen funktionellen und anatomischen Beziehungen der untersuchten Muskeln im Muskelfunktionstest für verkürzte Muskulatur der Zusammenhang mit der (unteren) HWS auch am plausibelsten. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass CMD-Patienten mit verkürzter Muskulatur im Muskelfunktionstest eine signifikant eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule in den Hauptbewegungsrichtungen aufweisen und auch signifikant häufiger segmentale Störungen der unteren HWS zeigen. Die Beweglichkeit selbst kommuniziert aber eher mit der Bewegungsfunktion der oberen HWS, auch wenn sich dieser Trend statistisch nicht sichern lässt. Etwas weniger deutlich, aber noch signifikant, ist ein Zusammenhang zwischen abgeschwächter Muskulatur und Beweglichkeit der Halswirbelsäule erkennbar. 5.2.2.2 Zusammenhang eigen- und fremdbeurteilter Befunde Untersucht wurde der Zusammenhang zwischen den fremdbeurteilten Befunden der Ultraschalltopometrie, der Muskelfunktions- und der Bewegungsfunktionsuntersuchung und den eigenbeurteilten Befunden der zwei Outcome-Fragebögen „Helkimo“ und „Haese“ sowie der Visuellen Analogskala. Nur zu den ROM-Werten der Flexion/Extension der Ultraschalltopometrie zeigte der Summenscore des FB „Helkimo“ eine statistisch signifikante (p=0,05) Korrelation, wenn auch nur auf sehr niedrigem Niveau (r=0,266; siehe Tab. 5). Zur Rotation und Seitneigung dagegen liess der FB „Helkimo“ keinen Zusammenhang erkennen. Ebenso wenig liess sich eine Korrelation zwischen dem FB „Haese“ und den Zebris-Befunden herstellen. Auch die Befunde der Visuellen Analogskala ergaben keinen Zusammenhang mit den Befunden der Zebris-Messungen. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule korreliert demnach kaum bzw. gar nicht mit dem alltagsbezogenen (FB „Helkimo“) und krankheitsbezogenen (FB „Haese“) Outcome, ebenso wenig mit der Schmerzintensität (VAS). Anders ausgedrückt: von der Beweglichkeit der Halswirbelsäule aus kann man keinen Rückschluss auf die subjektiv empfundene Beeinträchtigung durch die Erkrankung ziehen bzw. beeinträchtigt die Schmerzintensität im Kiefergelenk nicht wesentlich die Beweglichkeit der HWS. Diese Ergebnisse unterstützen jene von WOLF et al., die zwar durch manipulative Behandlung der Halswirbelsäule die Beschwerden und Beweglichkeit der HWS verbessern konnten, dies jedoch keine signifikante Veränderung der craniomandibulären Symptomatik erbrachte (Wolf et al. 2000). Die Befunde der Muskelfunktionstests für verkürzte und abgeschwächte Muskulatur korrelierten auf signifikantem Niveau (p=0,05) nur mit den Summenscore des Outcome-Fragebogens „Helkimo“ – und auch dort nur mässig (siehe Tab. 7). Ein Zusammenhang zwischen dem FB „Haese“ und den Muskelfunktionsuntersuchungen liess sich nicht herstellen. Hier korreliert die Muskelfunktion also eher mit dem „Alltags-Outcome“ als mit dem krankheitsbezogenen Outcome. In den Untersuchungen von AUERBACH et al. wurde auch auf die Bedeutung psychologischer Faktoren gerade bei gestörter Muskelfunktion hingewiesen (Auerbach 2001). Das kann man dahingehend interpretieren, dass eine gestörte Muskelfunktion natürlich die allgemeine Lebensqualität mindert, andererseits, dass die im Muskelfunktionstest erfassten Muskeln nicht zwangsläufig Einfluss auf die Kiefergelenksfunktion haben. Wahrscheinlich spielen bei gestörter Muskelfunktion und häufigen unspezifischen Schmerzsensationen (Yap et al. 2002) psychosoziale Faktoren eine grosse Rolle. Unsere Ergebnisse zeigen die hohe Prävalenz muskulärer Dysfunktionen im abdominell-thorakalen System bei CMD Patienten. Ob aber die aufgezeigten Muskelfunktionsstörungen in einer nicht von einer CMD betroffenen Population ebenso häufig auftreten, lässt sich retrospektiv nicht beurteilen. Hier wäre ein Vergleich zwischen einer CMD-Gruppe und einer Population mit ungestörter Kiefergelenksfunktion unter dieser Fragestellung hilfreich. Andererseits korreliert der Summenscore für verkürzte Muskulatur mässig signifikant (p=0,01 bzw. p=0,05) mit den Angaben zum Ruhe- und Bewegungsschmerz (siehe Tab. 8). Hier kann man vermuten, dass das subjektive Schmerzerleben eben nicht nur unmittelbar von der Kiefergelenksdysfunktion abhängt, sondern zum Teil auch auf periphere Muskeln zurückzuführen ist, die im Sinne der angesprochenen funktionellen Verkettung bei einer craniomandibulären Dysfunktion „mitreagieren“. Etwas anders stellen sich die Ergebnisse des Vergleiches zwischen der Bewegunsfunktionsuntersuchung und den Outcome-Fragebögen bzw. der Visuellen Analogskala dar. Für den eher alltagsbezogenen FB „Helkimo“ ergibt sich augenscheinlich kein Zusammenhang zur Bewegungsfunktion (siehe Tab. 9). Für den „symptombezogenen“ FB „Haese“ zeigt sich zumindest ein Trend zu den Ergebnissen der oberen HWS wenn diese in zwei Segmenten gestört erscheint (siehe Tab. 9) - auch wenn sich, allein in Hinblick auf die geringe Befundprävalenz, dieses Ergebnis nicht statistisch beweisen lässt. Analog dazu ist ein Trend zwischen Schmerzempfindung und gestörten Segmenten der oberen HWS erkennbar (siehe Tab. 10), auch wenn hier wieder die statistische Aussagekraft kritisch zu interpretieren ist. Offensichtlich hat die segmentale Störung der oberen HWS einen grösseren Einfluss auf die Kiefergelenksfunktion (oder umgekehrt!) als die untere HWS, was sich auch im Vergleich zu den Outcome- Ergebnissen niederschlägt. Interessant wäre hier ein Vergleich der Bewegungsfunktionsuntersuchung der oberen HWS mit den Ergebnissen einer orofacialen (ultraschalltopometrischen) Funktionsanalyse. 5.2.2.3 Zusammenhang eigenbeurteilter Befunde Als eigenbeurteilte Untersuchungsergebnisse standen die Befunde der zwei Outcome-Fragebögen „Helkimo“ und „Haese“ sowie die Befunde der Visuellen Analogskala zur Verfügung. Wie in Tabelle 11 ersichtlich wird, korreliert der Summenscore beider Fragebögen auf hochsignifikantem (p=0,01) Niveau mit den Ergebnissen der VAS. Deutliche Vorteile, also eine bessere Korrelation, zeigen sich jedoch beim Fragebogen „Haese“, was hier vor allem für den Belastungsschmerz zutrifft (siehe Abb. 20). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Arbeitsgruppe um FINK, die einen leicht modifizierten, inhaltlich aber nahezu identischen Fragebogen verwendete (Fink et al 1999). Wie schon in der Diskussion der Einzelbefunde besprochen, stellt der FB „Haese“ ein deutlich krankheits- und symptombezogeneres Outcome (des Kiefergelenks) dar, während der FB „Helkimo“ stärker die Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten beschreibt. Wahrscheinlich resultieren daraus die besseren Korrelationsergebnisse für den FB „Haese“ in Relation zu den Befunden der VAS (siehe Tab. 11), da diese die Schmerzsymptomatik im Kiefergelenk abfragte. Deutlich wird auch hier wieder, dass bei der craniomandibulären Dysfunktion der Belastungsschmerz im Kiefergelenk den Hauptschmerz und somit auch die erheblichste Beeinträchtigung darstellt, was die beste Korrelation zum Outcome (FB „Haese“) unterstreicht. Nicht ganz so deutlich, aber noch immer auf hochsignifikantem Niveau, korreliert der mehr alltagsbezogene FB „Helkimo“ mit den Befunden der VAS (siehe Tab. 11). Dies verdeutlicht den Einfluss der Schmerzsymptomatik im Kiefergelenk auf die allgemeine Lebensqualität. Zusammenfassend kann festgestellt werde, dass die eigenbeurteilten Befunde gut und statistisch signifikant miteinander korrelieren, die Befunde der Visuellen Analogskala dabei erwartungsgemäss mehr mit dem FB „Haese“. In Abbildung 24 sind zur besseren Anschaulichkeit nochmals alle Ergebnisse der Vergleichsuntersuchungen zusammengefasst. Vergleich Ergebnis Ultraschalltopometrie HWS - geringe bis mittlere Korrelation, - Muskelfunktion hohes bis sehr hohes Signifikanzniveau Ultraschalltopometrie HWS - Trend nur für die Segmentprüfung - Bewegungsfunktion der oberen HWS erkennbar, keine Signifikanz Bewegungsfunktion - Trend nur für Vergleich verkürzte - Muskelfunktion Muskulatur mit Segmentprüfung der unteren HWS erkennbar, gute Signifikanz Ultraschalltopometrie HWS - Outcome - (geringe) Korrelation zwischen FB Helkimo und ROM Flexion/ Extension bei guter Signifikanz; sonst keine Korrelation, keine Signifikanz Ultraschalltopometrie HWS - keine Korrelation, keine Signifikanz - Visuelle Analogskala Muskelfunktion - geringe Korrelation MFT und FB - Outcome Helkimo bei guter Signifikanz; keine Korrelation, keine Signifikanz MFT und FB Haese Bewegungsfunktion - keine Korrelation, keine Signifikanz - Outcome Bewegungsfunktion - Visuelle Analogskala - Trend für Vergleich obere HWS und VAS erkennbar, signifikant allerdings nur beim Belastungsschmerz; kein Trend, keine Signifikanz für Vergleich untere HWS und VAS Visuelle Analogskala - mittlere bis hohe Korrelation, sehr - Outcome hohe Signifikanz; Vorteile für FB Haese Abb. 24: Zusammenfassung der Ergebnisse der Vergleichsuntersuchungen. 5.3 Schlussfolgerungen Wenn bei Patienten eine craniomandibuläre Dysfunktion diagnostiziert wurde, steht das klinische Assessment bzw. die Kontrolle des Krankheitsverlaufes und des Therapieerfolges auf zwei Säulen: zum einen stützt sich das Assessment auf Befunde, die durch klinische und apparative Untersuchungen erhoben wurden. Auf der anderen Seite steht die Selbsteinschätzung des Patienten mit Hilfe von Fragebögen und der Visuellen Analogskala. Beide Assessmentformen sind notwendig, da, wie unsere Untersuchungen zeigten, fremdbeurteilte (objektivierbare) Befunde und eigenbeurteilte Schwere der Erkrankung selten miteinander korrelieren. Andererseits fanden sich Hinweise, dass bestimmte Muskelgruppen im Sinne von gekreuzten Syndromen und muskulären Dysbalancen „mitreagieren“ bzw. in ihrer Funktion eingeschränkt sind. So zeigte sich in unseren Untersuchungen eine hohe Prävalenz eines oberen und unteren gekreuzten Syndroms. Ebenso zeigten sich häufig Stellungsfehler, vor allem der BWS und LWS. Dies verdeutlicht, dass bei CMD-Patienten eine klinische Untersuchung unter manualmedizinischen Aspekten mit muskulärem Befund erforderlich ist, da die Ergebnisse nahelegen, dass im Sinne von anatomischen und funktionellen Verkettungen auch entferntere Körperregionen bei den Patienten pathologisch verändert sein können (Plato und Kopp 1999). In dieser Hinsicht wäre es für weitere Untersuchungen interessant, eine mögliche Änderung des Outcomes bei CMD- Patienten, die physiotherapeutisch bzw. manualmedizinisch auch im thorako-abdominellen Abschnitt mitbehandelt wurden, zu erfassen. Allerdings ist bei weiteren Untersuchungen in Erwägung zu ziehen, die CMD Patienten u.a. gemäss der TMD-Klassifikation nach Dworkin und Le Reche (Gruppe I: Muskeldysfunktionen; Gruppe II: Diskusverlagerung; Gruppe III: Osteoarthrose/Osteoarthritis) in Untergruppen zu gliedern. Hierbei könnte untersucht werden, welche Patientengruppen am meisten von einer physiotherapeutischen/ manualmedizinischen Mitbehandlung profitieren. Darüber hinaus legen unsere Ergebnisse nahe, dass bei dem heterogenen Krankheitsbild einer CMD eine Unterteilung in verschiedene „subgroups“ notwendig wird, die über die TMD-Klassifikation hinausgehen. Wie in der Diskussion aufgeführt ist es problematisch das Patientengut der craniomandibulären Dysfunktionen als homogene Einheit zu betrachten. So ist zum Beispiel zu überlegen, Patienten, die im Outcome eine deutliche Einschränkung aufweisen, aber wenig objektivierbare Befunde bieten, eher einer psychologischen Mitbehandlung zuzuführen. Der bedeutende Einfluss psychosozialer Faktoren auf den Behandlungsverlauf einer craniomandibulären Dysfunktion wurde in mehreren Untersuchungen gezeigt (Yap et al. 2002, Zafar et al. 2000, Turk et al. 1996). Zum anderen darf die Erkrankungsdauer nicht vernachlässigt werden, da das Chronifizierungsstadium entscheidenden Einfluss auf die CMDassoziierten Symptome und das Outcome zu haben scheint (Levitt und McKinney 1994). Patienten mit einer ausgeprägten muskulären Dysbalance oder einer pathologischen Bewegungsfunktion könnten andererseits vor allem von einer physiotherapeutischen bzw. manualmedizinischen Therapie profitieren. So zeigen unsere Ergebnisse, dass bei CMD-Patienten Funktionsstörungen und pathologische Veränderungen, die in den Wirkungsbereich der Physiotherapie bzw. der Manualmedizin fallen, sehr häufig anzutreffen sind. Auch legen die Ergebnisse nahe, dass eben diese Störungen (auch in Körperregionen die nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kiefergelenk stehen) zumindest einen Teil des Beschwerdebildes ausmachen. Die Erarbeitung entsprechender „subgroups“ könnte somit Gegenstand weiterer Untersuchungen sein, wobei das klinische Assessement unserer Meinung nach ausserdem um eine orale Bewegungsfunktionsanalyse mit dem Zebris-System erweiterungsbedürftig ist. In jedem Fall kommt dem Outcome (Visuele Analogskala und Fragebögen) als initiales Diagnostikmittel, aber auch als Kontrollparameter im Krankheitsverlauf, eine zentrale Rolle zu (Fu et al. 2002, Suvinen et al. 1997, Wexler und McKinney 1995). In der Praxis hat das Outcome als Verlaufsparameter, dem gegebenenfalls eine Therapieanpassung folgt, einen hohen Stellenwert. So ist das Krankheitsbild der craniomandibulären Dysfunktion nicht statisch, sondern im ständigen Fluss befindlich zu sehen, jeder Untersuchungsvorgang stellt eine Momentanbeschreibung dar. Wie gezeigt wurde, stellen die von uns verwendeten Fragebögen „Helkimo“ und „Haese“ zwei differenzierte Outcome dar: der FB „Haese“ fokussiert auf das kiefergelenksbezogene Outcome, der „Helkimo“ stellt mehr das alltagsbezogene Outcome dar. Dementsprechend korreliert der „Haese“ besser mit den Befunden der VAS, welche die Schmerzen im Kiefergelenk abfragt, der FB „Helkimo“ korreliert dagegen besser mit den Muskelbefunden und zum Teil mit der Beweglichkeit der Halswirbelsäule. Das unterstützt die Aussage von AUERBACH et al., deren Untersuchungen einen Zusammenhang zwischen psychologischen und muskulären Faktoren und dem Outcome bei CMD-Patienten fanden (Auerbach et al. 2001). Prinzipiell halten wir daher die Verwendung eines alltags- und eines kiefergelenksbezogenen Outcome-Fragebogen für sinnvoll, da sich zeigte, dass subjektive Beeinträchtigung durch die Krankheit und objektivierbare Befunde schlecht miteinander korrelieren. Andererseits wird in der Literatur disuktiert, dass gerade Patienten mit einer hohen psychosozialen Komponente von einer klassischen Physiotherapie profitieren (Suvinen et al. 1997). Gegenstand weiterer Untersuchungen und Diskussionen sollte jedoch die Frage sein, ob anstatt des „Helkimo“ nicht ein neuerer alltagsbezogener Fragebogen wie der SF 36 verwendet werden sollte. Auch die Einbeziehung der „TMJ dysfunction index“ (Fu et al. 2002, Levitt und McKinney 1994, Levitt 1990) in das klinische Assessment der craniomandibulären Dysfunktion ist zu erwägen. Während der FB „Haese“ und der „TMJ dysfunction index“ krankheitsspezifische Fragebögen bzw. Messinstrumente darstellen, ist der SF36 ein Fragebogen zur Selbsteinschätzung von körperlichen, psychischen und sozialen Aspekten der allgemeinen Lebensqualität. International ist er einer der am weitesten verbreiteten Messinstrumente. Die Reliabilität und die Validität wird in der Literatur als gut angegeben (Ware et al. 2001, Bullinger et al. 1995, McHorney und Ware 1995). Krankheitsspezifische Aspekte fragt der SF36 allerdings nicht ab, so dass wir die oben aufgeführten CMD-spezifischen Messinstrumente zusätzlich für essentiell erachten. 6. Literaturverzeichnis Anders Ch, Kankaanpäa M, Airaksinen O, Scholle HCH, Häninnen O. 1998. Koordination der lumbalen Rückenmuskeln bei dynamischer Belastung. Manuelle Medizin, 2: 61-65. Auerbach SM, Laskin DM, Frantsve LM, Orr T. 2001. Depression, pain, exposure to stressful life events and long-term outcomes in temporomandibular disorder patients; Journal of oral and maxillofacial surgery: official journal of the American Association of Oral and Maxillofacial Surgeons, Vol.59 (6): 628-633; discussion 634. Berghs T. 2000. Muskulär bedingte Dysfunktionsmodelle: Teil 3 Bauchmuskel-Modell, Modell des oberen gekreuzten Syndroms, Übersicht an der Wirbelsäule. 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Anhang Ehrenwörtliche Erklärung Hiermit erkläre ich, dass mir die Promotionsordnung der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität bekannt ist, ich die Dissertation selbst angefertigt habe und alle von mir benutzten Hilfsmittel, persönlichen Mitteilungen und Quellen in meiner Arbeit angegeben sind mich folgende Personen bei der Auswahl und Auswertung des Materials sowie bei der Herstellung des Manuskripts unterstütz haben: Prof. Dr. med. U. Smolenski, die Hilfe eines Promotionsberaters nicht in Anspruch genommen wurde und das Dritte weder unmittelbar noch mittelbar geldwerte Leistungen von mir für Arbeiten erhalten haben, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten Dissertation stehen, dass ich die Dissertation noch nicht als Prüfungsarbeit für eine staatliche oder andere wissenschaftliche Prüfung eingereicht habe und dass ich die gleiche, eine in wesentlichen Teilen ähnliche oder eine andere Abhandlung nicht bei einer anderen Hochschule als Dissertation eingereicht habe. Jena, 15.01.2004 Unterschrift des Verfassers Lebenslauf Name: Carsten Stibenz Anschrift: Talstrasse 93, 07743 Jena Geburtsdatum: 04.04.1975 Geburtsort: Greiz Familienstand: ledig, 1 Kind Nationalität: deutsch 09/1981-07/1990 Oberschule (POS) in Hartmannsdorf (Sachsen) 09/1990-07/1993 Erweiterte Oberschule/Gymnasium in Burgstädt (Sachsen) 06/1993 Abitur 10/1993-10/2000 Studium der Humanmedizin an der FSU Jena 17.10.2000 Hochschulabschluss (Staatsexamen) Humanmedizin an der FSU Jena seit 05/2001 AiP, ab 11/2002 Assistenzarzt in der Inneren Abteilung des „Rudolf-Elle- Krankenhaus“ in Eisenberg/Thür. Wissenschaftliche Veröffentlichung: Smolenski UC, Stibenz C, Bocker B, Winkelmann C, Rothe S, Loth D. 2001. Klinisches Assessment der craniomandibulären Dysfunktionen. Phys Med Rehab Kuror, 11: 152. Danksagung An erster Stelle möchte ich meinem Doktorvater, Prof. Dr. med. U. Smolenski, für die freundliche Überlassung des Themas und die stets kompetente Hilfe bei der Bearbeitung des Promotionsthemas danken. Weiterhin danke ich allen Mitarbeitern des Institutes für Physiotherapie der Friedrich-Schiller-Universität Jena, hier insbesondere Fr. Loth und Fr. Unbehaun, Herrn Dr. med. Bak sowie Herrn N. Jüngling, für die vielen hilfreichen Ratschläge und die Hilfe beim Heraussuchen der Befunddaten. Ebenfalls dankbar bin ich den Mitarbeitern des Instituts für Biomathematik und Statistik, dem Institut für Psychologie sowie dem Zentrum für Mund- und Kieferheilkunde der FSU Jena für die gute Zusammenarbeit. Nicht zuletzt gebührt der Dank meiner Familie für die nötige Geduld und den liebevollen Zuspruch. Jena im Januar 2004