Es sollte die Frage untersucht werden, welche Interaktion zwischen dem Schmerzerleben und der verbalen Begleitung dieses Erlebens besteht. Zur Untersuchung des Primingeffektes von semantischen Reizen auf die Schmerzverarbeitung wurden gesunden Versuchspersonen verbale Reize präsentiert. Die auf die jeweiligen Präsentationen folgenden schmerzhaften elektrischen Stimulationen wurden auf einer Schmerzskala bewertet. Zur Untersuchung der entgegengesetzten Wirkrichtung (Priming der Valenz semantischer Reize durch Schmerzreize) wurde die Reihenfolge von Prime- und Targetstimulus umgestellt. Anschließend sollten die Wörter bezüglich ihrer Valenz bewertet werden. Außerdem wurden die elektrophysiologischen Korrelate dieses Primingeffekts mittels EEG untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass die Betrachtung schmerzassoziierter Wörter die Wahrnehmung nachfolgender Schmerzreize verstärkt. Außerdem beeinflusst die Applikation von Schmerzreizen die Bewertung nachfolgender schmerzassoziierter Wörter in Richtung negativerer Valenz. Dieser Effekt ist für schmerzassoziierte Wörter im Vergleich zu den anderen Wortkategorien am stärksten ausgeprägt. In den ereigniskorrelierten Potentialen ergaben sich frontal größere Amplituden für negative und schmerzassoziierte Wörter im Gegensatz zu neutralen Wörtern in späten Komponenten (N400, LPC1, LPC2). Frühe Komponenten (N1, P2, P3) scheinen dagegen weniger durch die Wortkategorie und mehr durch Schmerzreize beeinflusst zu werden. Die Implikationen für die klinische Praxis sind vielseitig (z. B. sollten Prozeduren, die wahrscheinlich mit einer akuten Schmerzwahrnehmung verbunden sein werden, möglichst wenig mit schmerzbeschreibenden Wörtern begleitet werden). Außerdem liefern die gefundenen Effekte Erklärungsansätze für die Entstehung von chronischen Schmerzen (im Sinne eines Teufelskreismodells, in dem sich die Intensität wahrgenommener Schmerzen und die negative Valenz der verbalen Beschreibungen gegenseitig verstärken).