Zum Verhältnis von Esoterik und Antisemitismus : eine Analyse am Beispiel der Anthroposophie

Am Beispiel der Anthroposophie untersucht die Studie das Verhältnis von Esoterik und Antisemitismus. Als empirischer Hintergrund dienen anthroposophische Schriften aus drei Phasen: von Rudolf Steiner selbst, aus der anthroposophischen Tradition mit einem Fokus auf die völkische Bewegung und den Nationalsozialismus sowie anthroposophische Zeitschriften aus dem Jahr 2021. Dabei wird deutlich, dass zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen beiden Ideologien in struktureller, funktionaler und inhaltlicher Hinsicht bestehen. Ohnehin lässt sich die Reproduktion antisemitischer Mythen und Stereotype in allen untersuchten Zeiträumen in anthroposophischen Veröffentlichungen nachweisen. Dies legt die These nahe, dass Antisemitismus in der anthroposophischen Lehre bereits latent angelegt ist. Im Besonderen gilt dies für drei grundlegende Elemente der anthroposophischen Lehre: Steiners Evolutionslehre, den Antimaterialismus sowie den Karmaglauben. Deshalb wird argumentiert, dass die Anthroposophie nicht nur Verschwörungsmythen im Allgemeinen nahesteht, wie die einschlägige Forschung (etwa zu „conspirituality“) nahelegt, sondern im Speziellen dem Antisemitismus. Anschließend werden die Spezifika des anthroposophischen Antisemitismus herausgearbeitet. Charakteristisch sind seine ausgeprägte Aversion gegen den Materialismus und seine Begründung. Außerdem fügt er dem klassischen modernen Antisemitismus eine weitere spirituelle (Hierarchie-)Ebene jenseits der materiellen Wirklichkeit hinzu. Mit der karmischen Deutung der Shoah existiert zudem ein antisemitisches Motiv, das direkt auf esoterische Grundannahmen zurückgeht.

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