Exzentrische Zeichen : Narben in literarischen Texten des 20. und 21. Jahrhunderts

Die Narbe ist ein theoretisches wie tatsächlich körperliches Randphänomen. Von dieser doppelt exzentrischen Position reflektiert die Arbeit zunächst die Narbe am Anfang ihres literarischen Auftauchens in der Odyssee, die schon wesentliche Fragenkomplexe verhandelt, die für die Primärtexte des 20. und 21. Jahrhunderts wichtig werden. Eine anschließende Untersuchung des Forschungsstands zur Narbe zeigt, dass sie in der umfangreichen Literatur zum Körperdiskurs ein literaturwissenschaftliches Desiderat geblieben ist. Die vorliegende Arbeit versucht deshalb die Narbe mit anderen Hautzeichen (Falte und Wunde) zu vergleichen, um deren jeweilige Spezifik herauszuarbeiten. In den zentralen Analysekapiteln geht es schließlich am Beispiel konkreter körperlicher Narben zum einen um das Verhältnis von Körper und Sprache bzw. Schrift unter dem Schlagwort des Insistierens, und damit um Fragen der Lesbarkeit des Körpers; zum anderen steht das Verhältnis von Körper und Wirklichkeit zur Diskussion, und wie und ob überhaupt ein Körperzeichen wie die Narbe eine Körpergeschichte beglaubigen können. Die komparatistisch ausgerichtete Studie legt dabei keine Definition der Narbe vor, die sich bloß anwenden ließe; sie will auch explizit keine traumatheoretischen oder psychoanalytischen Lektüren vorlegen oder etwaige metaphorische Verwendungen der Narbe untersuchen. Die detaillierten Analysen literarischer Texte des 20. und 21. Jahrhunderts (von Jorge Luis Borges, Thomas Hettche, Andrej Gelassimow und Nicolas Born) zeigen vielmehr, dass das Potential der Narbe eng mit dem Text, in dem sie steht, zusammenhängt. Die Analysen praktizieren daher ein close reading, in dessen Verlauf sich erst zeigt, was die Narbe in den jeweiligen Texten ist, was die Texte mit ihr machen und was sie in und mit den Texten macht. Zwei Exkurse beleuchten zudem das Verhältnis der Narbe zu Fotografie und Film und erweitern somit den Blick auf intermediale Fragestellungen.

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