Bioökonomie als Einsatz polarisierter sozialer Konflikte? : Zur Verteilung sozial-ökologischer Mentalitäten in der deutschen Bevölkerung 2018 und möglichen Unterstützungs- und Widerstandspotentialen gegenüber bio-basierten Transformationen

Dieses Papier entwickelt mit den Daten der Befragung „Umweltbewusstsein in Deutschland 2018“ von Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt eine Typologie von elf unterschiedlichen Mustern sozial-ökologischer Einstellungen oder Mentalitäten in der deutschen Bevölkerung und fragt danach, inwiefern die Transformationen von Wirtschaft und Gesellschaft hin zu einem post-fossilen Modell, die derzeit unter dem Schlagwort der Bioökonomie diskutiert werden, Gegenstand von zunehmenden Spannungen oder Konflikten zwischen sozialen Gruppen mit unterschiedlichen Mentalitäten werden. In einem ersten Schritt werden mit Hilfe einer Faktorenanalyse sechs verschiedene Dimensionen sozial-ökologischer Einstellungen identifiziert, bevor dann im Abgleich der Ergebnisse von drei unterschiedlichen auf diesen Faktoren basierenden Clusteranalysen elf verschiedene Typen von Einstellungsmustern voneinander abgegrenzt und in ihren verschiedenen Varianten beschrieben werden. Mittels Indizes für die kulturelle und ökonomische Kapitalausstattung der Befragten werden diese Einstellungsmuster dann in ihren jeweiligen idealtypischen Verortungen im sozialen Raum nach Bourdieu zueinander ins Verhältnis gesetzt und in ihren wechselseitigen Beziehungen untersucht. Dabei ergibt sich das Gesamtbild einer groben Dreiteilung der Bevölkerung in ein ökosoziales Lager, das ca. ein Drittel der Bevölkerung umfasst und weitreichende Vorstellungen einer postfossilen Transformation nicht nur der Wirtschaft, sondern auch der vorherrschenden Lebensweisen aktiv befürwortet, ein liberal-steigerungsorientiertes Lager von rund 40 Prozent, das an Vorstellungen von ökonomischem Wachstum und steigendem Wohlstand festhält und solche Transformationen bislang nicht zu akzeptieren bereit ist, wenn sie diese Ziele in Frage zu stellen drohen, sowie ein autoritär-fossilistisches Lager, das faktisch eine Rückkehr zu überholten Wirtschafts- und Gesellschaftsmodellen des 20. Jahrhunderts anstrebt, die auf bio-basierter Grundlage unmöglich sein wird. Die (noch) eher latente Konfliktkonstellation zwischen diesen drei Lagern am „Vorabend“ der Fridays-for-Future-Proteste wird skizziert, bevor abschließend gefragt wird, welche Vorstellungen einer bioökonomischen Transformation aus Sicht der verschiedenen Mentalitäten und Lager Unterstützung finden, aber auch zu welchen zunehmenden Polarisierungen sie führen könnten.

Using the dataset of the survey “Environmental Consciousness in Germany 2018” by the
Federal Ministry for the Environment, Nature Conservation and Nuclear Safety (BMU) and
the Federal Environmental Agency (UBA), this paper develops a typology of eleven different patterns of socio-ecological attitudes or mentalities in the German population. This is done to investigate to what extent the transformations of economy and society towards a post-fossil model that are currently being discussed under the heading of ‘bioeconomy’ may become the subject of increasing tensions or conflicts within society. In a first step, a factor analysis is deployed to identify six different dimensions of socio-ecological attitudes. These are used as input for three different cluster analyses, comparison between which yields a distinction between eleven different types of attitudinal patterns or mentalities. Using indices for respondents’ endowment in cultural and economic capital, these attitudinal patterns are then related to each other in their respective ideal-typical locations in the social space according to Bourdieu, and their mutual relationships are examined. This results in the diagnosis of a roughly tripartite division of the population into (a) an eco-social camp, which comprises around a third of the population and actively supports far-reaching ideas of a post-fossil transformation not only of the economy, but also of the prevailing mode of living, (b) a liberal-escalatory camp of around 40 percent, which clings to ideals of continuous growth and increasing prosperity and is so far not prepared to accept such transformations if they threaten to call these goals into question, and (c) an authoritarian-fossilist camp that seems to favour a return to outdated economic and social models of the 20th century, which will be impossible to achieve on a bio-based basis. The constellation of the (still) rather latent conflict between these three camps on the eve of the Fridays for Future protests is outlined. Finally, the question is raised which concepts of a bioeconomic transformation may find support from the various mentalities and camps, but also what increasing polarizations they may lead to.

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