Ein Beitrag zur Potenzialanalyse von reifenfülldruckbasierten Fahrerassistenzsystemen

Bei der Wahl des optimalen Reifenfülldrucks besteht ein sehr großes Spannungsfeld zwischen sich gegenüberstehenden Komfort-, Sicherheits- und Umweltanforderungen. Eine intelligent geregelte Reifenfülldruckregelanlage (RDRA), die den Reifeninnendruck hochdynamisch und radselektiv in Abhängigkeit des Fahrzeug- und Fahrbahnzustands adaptiert, verspricht ein großes Potenzial zur Minimierung der Zielkonflikte. Im Rahmen dieser Forschungsarbeit wird eine Methodik zur Realisierung und Bewertung der Leistungsfähigkeit eines reifenfülldruckbasierten Fahrerassistenzsystems erarbeitet. Die Entwicklung eines Reifenmessanhängers sowie eines Corner-Modul-Prüfstands als mobile bzw. stationäre Prüfeinrichtung zur Charakterisierung von Reifeneigenschaften unter Real- bzw. Laborbedingungen sowie die Erarbeitung einer Mess- und Auswertemethode erlauben die Untersuchung des Kraftschlussverhaltens von Reifen. Neben der Bewertung verschiedener Einflussgrößen quantifizieren die analysierten Messergebnisse erstmals den Einfluss großer Reifenfülldruckvariationen auf das Umfangskraftverhalten von Pkw-Reifen. Da die Reifencharakteristiken, die im Labor auf Prüfstandstrommeln sowie auf realer Asphaltfahrbahn erfasst wurden, teilweise voneinander abweichen, wird eine Umrechnungsmethode erarbeitet, die den Fahrbahnkrümmungseinfluss berücksichtigt. Das Verfahren erlaubt es, Umfangskraftbeiwert-Schlupf-Kennlinien anhand von Reifenlatschmessungen zu skalieren. Schließlich wird die allgemeingültige Anwendbarkeit des Umrechnungsverfahrens sowie der Einfluss der Fahrbahnbeschaffenheit auf das bestimmte Kraftschlussverhalten diskutiert. Der Reifen ist das einzige Bindeglied zwischen dem Kraftfahrzeug und der Fahrbahn. Für numerische Analysen ist die Wahl geeigneter Reifenmodelle sowie die Gewährleistung geringer Approximationsfehler daher unabdingbar. Zur Abbildung des Reifenverhaltens werden die für Fahrdynamiksimulationen besonders relevanten Magic Formula-, HSRI- und Deur-Reifenmodelle für große Reifenfülldruckvariationen erweitert. Eine entwickelte Parametrisierungsmethode erlaubt es, die Koeffizienten der Modelle anhand der Messdaten zu identifizieren. Mit den im Rahmen der hier vorliegenden Forschungsarbeit eingeführten Modellerweiterungen wird erstmals die Möglichkeit geschaffen, mit den genannten Reifensimulationsmodellen große Reifenfülldruckvariationen zu berücksichtigen. Ein entwickeltes Gesamtfahrzeug-Co-Simulationsmodell zur numerischen Berechnung des Fahrdynamikverhaltens von Kraftfahrzeugen erlaubt, neben der Implementierung der erweiterten Reifenmodellgleichungen, die Integration eines parametrisierten Radschlupfregelsystems sowie einer erarbeiteten Reifenfülldruckregelanlage als MIL-Modelle. Der interdisziplinäre und ganzheitliche Simulationsansatz bietet erstmals die Möglichkeit, den Einfluss einer radselektiven, hochdynamischen Reifenfülldruckadaption auf die Fahrdynamik von Kraftfahrzeugen zu bewerten. Der Einfluss verschiedener Parametervariationen sowie die Analyse unterschiedlicher Regelphilosophien auf das im Fokus der Forschung stehende Bremswegverkürzungspotenzial wird dargestellt. Die Resultate erlauben die Schlussfolgerung, dass mithilfe einer gezielten Reifenfülldruckadaption der Bremsweg signifikant verringert werden kann. Schließlich werden die Komponenten einer Reifenfülldruckverstellanlage ausgelegt und, zusammen mit einer entwickelten Regelstrategie, in einem Demonstratorfahrzeug implementiert. Damit wird erstmals eine hochdynamische Reifenfülldruckregelanlage in einem Versuchsfahrzeug realisiert und die Möglichkeit geschaffen, das Potenzial einer intelligent geregelten, hochdynamischen Reifenfülldruckregelanlage als Fahrerassistenzsystem experimentell zu bewerten. Durch umfangreiche Fahrversuche auf einem Testgelände wird das Gesamtfahrzeug-Co-Simulationsmodell validiert. Ein Vergleich numerisch berechneter und experimentell analysierter Bremsweguntersuchungen erlaubt es, die Leistungsfähigkeit der erweiterten Reifenmodelle zur Simulation des Bremswegverkürzungspotenzials durch eine Reifeninnendruckadaption zu bewerten. Nicht zuletzt durch die Analyse des Kraftübertragungsverhaltens im Reifen-Fahrbahn-Kontakt mithilfe eines Radkraftsensors wird das Wirkprinzip eines reifenfülldruckbasierten Fahrerassistenzsystems nachgewiesen. Mit der vorliegenden Forschungsarbeit wird ein Beitrag zur simulativen und experimentellen Bewertung des Potenzials, insbesondere zur Bremswegverkürzung, eines reifenfülldruckbasierten Fahrerassistenzsystems geleistet.

Since the tyre inflation pressure has a significant influence on comfort, safety and environmental behaviour, the choice of the optimal inflation pressure is always a conflict of aims. An intelligent controlled Tire Pressure Control System (TPCS), that adapts the inflation pressure highly dynamic and wheel-selective according to the vehicle and road conditions, promises a high potential to minimize this conflict of aims. With this work a methodology to realise and to evaluate the performance of a tyre inflation pressure based driver-assistance system was developed. The development of a Tyre Test Trailer and a Corner Module Test Rig as a mobile, respectively stationary, testing device to acquire tyre characteristics under real, respectively laboratory, conditions as well as the development of a measurement and evaluation method allow to investigate the traction characteristics of tyres. In addition to the evaluation of different influencing parameters, the analysed measurement results quantify the influence of large inflation pressure variations on tangential force behaviour of passenger car tyres for the first time. Since the tyre characteristics, acquired in the laboratory on the drums as well as on a real asphalt road, deviate occasionally, a conversion method to consider the track surface curvature was developed. The procedure allows to scale tangential force-slip-characteristics according to tyre footprint measurements. Eventually, the universal application of the conversion method and the influence of the track surface texture on the traction behaviour were discussed. The tyre is the single connection between the vehicle and the road. Consequently, the choice of appropriate tyre simulation models as well as the guarantee of small approximation errors are essential for numerical analyses. To describe the tyre behaviour, the for vehicle dynamics simulations especially relevant Magic Formula, HSRI and Deur tyre models were extended for large inflation pressure changes. A developed parametrisation method allows to identify the model coefficients by the measured data. With the introduced model extensions a possibility to consider large tyre inflation pressure changes is presented for the first time. A created complete vehicle co-simulation model to calculate the driving dynamics of vehicles allows, in addition to the implementation of the extended tyre model equations, the integration of a parametrised anti-lock braking system and a developed Tire Pressure Control System as MIL models. The interdisciplinary and integrated simulation approach offers initially the possibility to evaluate the influence of a wheelselective, highly dynamic inflation pressure adaptation on vehicle dynamics. The influence of different parameter variations as well as the analysis of different control strategies on the potential of increasing braking performance, which is a focus of this research work, were described. The results lead to the conclusion, that a specific adaptation of the tyre inflation pressure can reduce the stopping distance significantly. Subsequently, the components of a Tire Pressure Control System were designed and, together with a developed control strategy, implemented to a demonstrator vehicle. For the first time a test vehicle with a highly dynamic Tire Pressure Control System was realised. Thereby a facility was created to evaluate experimentally the potential of an intelligent controlled, highly dynamic Tire Pressure Control System. On the basis of comprehensive driving tests on a proving ground the complete vehicle co-simulation model was validated. A comparison of numerically calculated and experimentally determined braking manoeuvres allowed to evaluate the performance of the enhanced tyre models to simulate the potential to reduce the stopping distance by adapting the inflation pressure. Not least because of the analysis of the grip performance in the tyre-road-contact with a wheel force transducer, the operating principle of a tyre inflation pressure based driver-assistance system was proved. The presented work provides a substantial contribution to evaluate the potential of a tyre inflation pressure based driver-assistance system, especially for reducing the stopping distance.

Bei der Wahl des optimalen Reifenfülldrucks besteht ein großes Spannungsfeld zwischen sich gegenüberstehenden Komfort-, Sicherheits- und Umweltanforderungen. Eine intelligent geregelte Reifenfülldruckregelanlage, die den Reifeninnendruck hochdynamisch und radselektiv in Abhängigkeit des Fahrzeug- und Fahrbahnzustands adaptiert, verspricht ein großes Potenzial zur Minimierung der Zielkonflikte. In dieser Forschungsarbeit wird eine Methodik zur Realisierung und Bewertung der Leistungsfähigkeit eines reifenfülldruckbasierten Fahrerassistenzsystems vorgestellt. Die Entwicklung von Prüfeinrichtungen sowie einer Mess- und Auswertemethode erlauben die Charakterisierung großer Reifenfülldruckvariationen auf das Umfangskraftverhalten von Pkw-Reifen. Zur Abbildung werden die Magic Formula-, HSRI - und Deur-Reifenmodelle erweitert und in ein entwickeltes Gesamtfahrzeug-Co-Simulationsmodell implementiert. Damit wird erstmals die Möglichkeit geschaffen, große Fülldruckvariationen zu berücksichtigen und deren Einfluss auf die Fahrdynamik von Kraftfahrzeugen zu bewerten. Die Integration einer hochdynamischen Reifenfülldruckregelanlage in einem Versuchsfahrzeug ermöglicht erstmalig eine experimentelle Analyse des Potenzials.

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