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Ute Winter
Kampf gegen die Informationsüberflutung
Neue Wege zur Herausbildung von Informationskompetenz bei Mitarbeitern und Bibliotheksnutzern
Erfurt 2000
Literaturverzeichnis Zusammenfassung/Abstracts
Inhaltsverzeichnis: 
 
  1. Einleitung
  2. Grundlegende Überlegungen
  3. Lehrinhalte
  4. Anforderungen an das Lehren und an das Lernen
  5. Zusammenfassung der Lernziele
  6. Wege (praktische Beispiele)
  7. Schlußfolgerung
Inhalt  

Einleitung

Informationen gibt es zur Genüge, sogar mehr als genug. Überall sind wir von Informationen umgeben, sie drängen sich regelrecht in unser Bewußtsein. Sogar in den Fahrstühlen sollen wir in Zukunft vor Informationen aus dem Internet nicht sicher sein. In jeder Wartepause, jede Minute werden wir mit Informationen bombardiert. Wir brauchen Informationen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen, im Berufsleben, im Alltag und im politischen Leben. Wir haben nicht nur ein Recht auf Information, sondern sogar die Verpflichtung, uns zu informieren. Durch die sich rasch verändernden, technisierten Arbeitswelten steigt der Bedarf an innerbetrieblicher Fortbildung. Wir sind gezwungen, um im Berufsleben fit zu bleiben, unser Leben lang zu lernen und uns fortzubilden. Lehren und Lernen gehören somit zu den Kernbereichen menschlichen Lebens.

Schon in der Schule saugen wir Informationen auf wie ein Schwamm das Wasser. Aber irgendwann drohen wir in Informationen zu ertrinken, wir werden regelrecht überflutet mit Informationen, die nicht für uns relevant sind. Wir müssen lernen, mit den über uns hereinbrechenden Informationsfluten sinnvoll umzugehen bzw. aus der Menge der Informationen das für uns Wesentliche herauszufiltern. So wie wir ein Recht auf Information haben, so haben wir auch ein Recht, uns bestimmten Information zu verweigern. Wie können wir nun aber lernen, das Wichtige von dem Unnützen zu unterscheiden und wie können wir lernen diesen Entscheidungsprozeß zu optimieren? Dies und die Lehrmöglichkeiten sollen das Thema dieses Vortrages sein.

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Grundlegende Überlegungen

"Wie oft wird das Ernsthafte und Wichtige mit einer leichtsinnigen Art und das Nichtbedeutende mit lächerlichem Ernst behandelt." (Wieland: Geschichte des Agathon). Dieses Wielandzitat illustriert sehr gut, was passiert, wenn wir nicht gelernt haben, kompetent mit Informationen umzugehen. Was verstehen wir nun aber unter Informationskompetenz?

Die Gesellschaft für Informatik beschreibt die allgemein bildende, kognitive Informationskompetenz folgendermaßen: Sie setzt sich aus den "Fähigkeiten des Sichtens, Strukturierens, Auswählens, Bewertens von Informationen" zusammen. Wir sollen also lernen, wie wir aus der Fülle der Informationen rasch und sicher die für uns relevanten Informationen herausziehen können. Wir lernen die Informationen in Wissen und in eine praktische Umsetzung in unserem Alltag und Beruf zu verwandeln. Wir lernen "effektive Suchstrategien zu entwickeln und Wesentliches von Unwesentlichem, Glaubwürdiges von Unglaubwürdigem zu unterscheiden, Prioritäten zu setzen, Alltagsstrategien zur Informationssuche, - verdichtung, - speicherung und zum Wiederauffinden zu entwickeln und Informationen in nutzbares Wissen zu veredeln."
(Gesellschaft für Informatik: Projekt "Schulen an das Netz", Bonn, 1995).

"In unserer Zeit - dem Informationszeitalter oder der Informationsgesellschaft - ist das Wissen, wie Informationen zu finden sind, genau so wichtig wie das Wissen, wie Informationen zu interpretieren sind."
(Barbara Orbach, 1991).

Also muß jemand, der Informationskompetenz vermitteln will, zwei Ziele verfolgen: er muß einerseits Wege zur Information aufzeigen (Suchstrategien, Suchmaschinen), muß also technische bzw. handwerkliche Fertigkeiten vermitteln, sogenannte "How-to-Informationen", andererseits muß er Hilfestellung geben beim Erkennen und Einordnen der Informationen hinsichtlich Relevanz und Nützlichkeit. Einerseits tritt der Lehrende als Wissensvermittler auf, andererseits findet er sich in der Rolle eines Trainers oder Coach wieder. Mit dem Siegeszug der Neuen Medien, mit dem Einzug des Internet verwandeln sich auch die Anforderungen sowohl an die Lehrenden als auch an die Lernenden. Cate T. Corcoran schreibt in seinem Aufsatz: Are we ready for the library of the future: "Librarians have promised to put the world of information at the public's fingertips. Now they're stuck fixing bugs and teaching people how to use a mouse", d.h. das Angebot der Bibliotheken an Informationsmöglichkeiten hat nicht mit den technischen Fertigkeiten ihrer Kunden Schritt gehalten. Demnach müssen auch alle Fortbildungsangebote so konzipiert sein, daß sie beidem Rechnung tragen - dem Ausschöpfen aller Informationsmöglichkeiten (Medienkompetenz) und dem Vermitteln von Technikkompetenz im Umgang mit den Neuen Medien.

Von den neuen, so spielerisch einfach erscheinenden neuen Möglichkeiten des Netzes verführt, ist der Nutzer fasziniert und vergißt leicht, daß es manchmal sinnvoller ist, aufzustehen und einen Schritt ans Regal zu gehen und dort im Wörterbuch das gesuchte Wort nachzuschlagen, als sich auf eine zeitverschlingende Suche mit ungewissen Erfolgschancen im Internet zu machen. Das Ziel, all dieses in einem Fortbildungsangebot zu vermitteln, stellt hohe Anforderungen an die pädagogische Kompetenz des Lehrenden, denn auch dieser mag durchaus der Faszination der neuen Medien erliegen. Die technische Entwicklung, die Entwicklung neuer Lehrmöglichkeiten, schreitet wesentlich rascher voran als die Kompetenz, mit diesen neuen Methoden und Lehrmitteln sinnvoll umzugehen.

Auch Enzensberger mahnt in seinem Essay: Das digitale Evangelium, 1999: "Ebenso problematisch ist die schiere Menge an Material, die im Netz greifbar ist ­ einmal vorausgesetzt, daß es sich um brauchbare Informationen handelt (angesichts des unvorstellbar großen elektronischen Schrotthaufens eine kühne Unterstellung). Natürlich ist auch die viel beklagte Informationsflut nichts Neues. Den meisten von uns steht schon längst nicht mehr zu wenig, sondern zu viel Input zur Verfügung. Als einzig mögliche Gegenwehr bietet sich eine Ökologie der Vermeidung an, die schon in der Grundschule trainiert werden sollte." Enzensberger nennt es eine Ökologie der Vermeidung, bei Oskar Negt ist es die Verarbeitungsfähigkeit.
So schreibt Oskar Negt in "Lernen in einer Welt gesellschaftlicher Umbrüche": "Gegenüber der erdrückenden Macht der Einzelinformationen, die technisch beliebig kombiniert werden können, ist die Verarbeitungsfähigkeit, das Vermögen der qualifizierten Gewichtung, der Aufdeckung ihrer Kulturbedeutung, ihres konkreten Zusammenhangs zum eigenen Leben auf einen ausgesprochen archaischen Zustand zurückgeworfen."
Lernen ist heute also nicht nur Aneignen und Addition von einzelnen Informationen, sondern das Einsortieren dieser Informationen in Beziehungen, das Herausbilden von Zusammenhängen. Damit verbunden ist aber auch wie Negt es nennt, eine Entwicklung innerer Reserven und geistiger Lagerhaltungen, denn oft erhalten wir Informationen nicht zu dem Zeitpunkt, an dem wir sie benötigen. Wenn wir die Informationen früher erhalten, dann ist es gut, wenn wir den aktuellen Zusammenhang herzustellen vermögen und uns dann gezielt auf die Suche nach dieser früheren Information begeben. 

Damit sind wir dann bei den Lehrinhalten, die vermittelt werden müssen, wenn es um Informationskompetenz geht: einerseits ein Herausfiltern der relevanten Informationen und andererseits ein Einordnen der relevanten Informationen in vorhandene Strukturen, um aus Informationen Wissen zu erzeugen.
Es geht darum, den Umgang mit Informationen zu erlernen. Information wird erst durch den Prozeß der Bewußtwerdung, den Prozeß des Einsortierens in einen größeren Zusammenhang zu Wissen. Und relevant wird dieses Wissen erst, wenn wir gelernt haben, das Wissen, das wir erworben haben, in unseren Problemlösungen anzuwenden.

 
Abbildung 1: aus Probst: Bausteine des Wissensmanagements
 
Das Kontinuum von Daten und Informationen zum Wissen
 

Wir müssen uns aber von dem Irrglauben verabschieden, daß dieses einmal erlangte Wissen auf immer und ewig Gültigkeit hat. Nicht nur die schnell wachsende Menge an Informationen bereitet Probleme, sondern auch die geringe Haltbarkeitsdauer, das rasche Veralten der Informationen und des Wissens. Ein bloßes Aneignen von Daten, Informationen, Wissen würde uns rasch an die Grenze unserer Aufnahmefähigkeit bringen. Drum ist das Wissen über Informationen, über das Wesen der Informationen und über die Wege, diese Informationen rasch und just-in-time aufzufinden, wichtiger.
Schon in der Schule, erst recht im Studium sollten wir diese Fähigkeiten, nämlich Medien- und Informationskompetenz, ausreichend trainieren, um den Anforderungen einer sich ständig wandelnden Berufs- und Arbeitswelt gerecht werden zu können.

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Lehrinhalte

Wie lassen sich nun die Lehrinhalte vermitteln und welche sind es im Einzelnen?
Allgemeine Suchstrategien und der technische Umgang mit den Suchmaschinen und deren Abfragesyntax lassen sich relativ leicht vermitteln. Das ist reine Weitergabe von How-to-Informationen mit dem Tenor: "Die Information ist da, sie muß nur gefunden werden".

"Fast alles Wissenswerte - vom Maultaschenrezept bis zum Bauplan fürs Kernkraftwerk - dürfte inzwischen irgendwo im WWW verfügbar sein. Doch das allein hilft weder dem Industriespion noch dem Koch, solange beides nicht zu finden ist. Tatsächlich wimmelt das Netz von Informationen, die man meist nicht wissen will. Zielgerichtete Navigation bedeutet daher in erster Linie, irrelevante Infoberge erfolgreich zu umschiffen. Angesichts der wachsenden Informationsflut wird es immer mehr zur Schlüsselqualifikation des Einzelnen, sich zu helfen zu wissen: Wer heutzutage weise ist, weiß nicht nur, was er nicht weiß, sondern weiß vor allem, wo er das, was er nicht weiß, finden kann.

Mit zunehmendem Wachstum des Angebots lautet die grundlegende Frage nicht mehr ob, sondern wie und wo sich eine gesuchte Information findet. Die Kosten einer Suche, die sich in Zeit, Mausklicks, Telefoneinheiten oder Blutdruckwerten beziffern lassen, hängen dabei vom Angebot, der zu beantwortenden Frage, der Strategie des Suchenden und dem eingesetzten Suchwerkzeug ab. Da Angebot und Suchziel zum Zeitpunkt der Nachschlageversuchs feststehen, zeichnet sich der mündige Infonaut vor allem durch die Wahl der richtigen Anfrage und der richtigen Suchquelle aus." Aus: Hansjörg Neth : WWWissen , Nachschlagen im Netz, CT 1/2000 Im Web: http://www.heise.de/ct/00/01/084/

Schwieriger wird es dann schon, zu vermitteln, wie man die Qualität der gefundenen Informationen bewerten kann und aus der großen Menge rasch die relevantesten Treffer heraussortieren kann. Das sind Fähigkeiten, die trainiert werden müssen und vor dem Training steht das Bewußtmachen der Mechanismen, die bei der Informationsbewertung ablaufen.

Unbewußt setzen wir Filtermechanismen ein: z.B. beim Radiohören: Musik und Nachrichten laufen als Geräuschkulisse, dann filtern wir aus diesen Geräuschen ein uns interessierendes Stichwort heraus und wir verfolgen dann aufmerksam und interessiert diesen Teil der Nachricht. Oder wir hören den Verkehrsfunk, während wir auf der Autobahn fahren, alle Informationen, die nicht unsere Fahrtstrecke betreffen, filtern wir heraus, aber sobald für uns relevante Information auftauchen, merken wir auf und speichern sie ab, verarbeiten sie, indem wir z.B. bei Stau auf eine Alternativstrecke ausweichen.

Diese Filtermechanismen bewußt zu machen, zu verfeinern, und zu trainieren, das ist das Lernziel beim Vermitteln von Informationskompetenz.

Sinnvoll ist es also Informationskompetenz als sogenannte Soft Skill in Verbindung mit dem handwerklichen Wissen zu vermitteln, z.B. in Kursen wie "Suchen und Finden im Internet" oder "Effektive Recherchestrategien in Datenbanken". Hier ist sicher der eine oder andere Hinweis gut untergebracht, wie wir aus den Suchergebnissen die für uns relevanten, vielversprechendsten Informationen herausfiltern können und zugleich auch die Qualität der gefundenen Informationen bewerten können. Denn nicht alles, was im Web steht, ist auch wahr und richtig.

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Anforderungen an das Lehren und an das Lernen

Marc Eisenstadt prägt den Begriff Wissensmedien (knowledge media) für die Produkte der Verschmelzung von Telekommunikation, Computerwissenschaft und kognitiven Wissenschaften. In seiner Beschreibung des Projektes Open University schreibt er folgendermaßen: "Ist nun Wissen die Antwort darauf, was auf CD-ROMs "paßt", was sich auf einem File-server "befindet" oder was sich auf der Datenautobahn "bewegt"? Auf gar keinen Fall. Wissen ist ein auftauchender Reichtum, der die festgelegten Maße und Raumkonzepte von Medien und Informationen überschreitet, genau wie es die Vorstellung überschreitet, daß man es den Studierenden vermittelt, indem man sie aus einem "Gefäß" des Lehrers füllt."

Lernen soll mehr sein als das bloße Abrufen von Fakten, Prinzipien oder korrekten Abläufen. Lernen muß sich auf das Gebiet der Kreativität, der Problemlösung, Analyse und Beurteilung hineinbegeben (die Schlüsselqualifikationen, die in einer wissensbasierten Wirtschaft gefordert sind). Dazu benötigen die Lernenden zwischenmenschliche Kommunikation, die Möglichkeit zu fragen, zu hinterfragen und zu diskutieren. Der Lehrende vermittelt nicht nur Faktenwissen und technische Fertigkeiten (Informationsvermittlung), sondern er ist aufgefordert zu lenken und zu steuern und zu kommentieren (Informationskompetenz). Es gibt eine Vielzahl von Wegen, um zu lehren, aber erforderlich dürfte ein paralleles Verfolgen mehrerer Wege sein, da Lernen sowohl individuelles Aneignen des Lernstoffes als auch Zweiweg-Kommunikation mit anderen Lernenden oder Lehrern notwendig macht. Eine Vermischung der alten Techniken mit den neuen Technologien ist hier wohl der gangbarste Weg. Man hole das Beste aus den neuen Methoden und Möglichkeiten, ohne das Althergebrachte, Erprobte zu vernachlässigen. Solange man das Internet und die Neuen Medien als nützliche Hilfsmittel sieht und nicht als allein-seligmachende Lehrmethode, ist der Lehrende auf dem richtigen Weg.

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Zusammenfassung der Lernziele:

Nach Mertens sind wesentliche Dimensionen der Schlüsselqualifikation Informationskompetenz:

  • Wissen über das Wesen von Informationen
  • Gewinnung von Informationen
  • Verstehen von Informationen
  • Verarbeiten von Informationen

Grundlegende Techniken (Schnell-lesen, Ausdrucksfähigkeit, allgemeine Informationskunde) sollten schon in der Grundschule vermittelt worden sein. Dies kann nicht Aufgabe der Bibliothek sein. Die Adressatengruppe der Bibliotheksbenutzerschulung sind vor allem die Studenten. Diese haben ganz spezielle Anforderungen an das, was sie lernen bzw. wissen wollen: ihnen geht es v.a. um das schnelle Gewinnen von Daten bzw. Literaturinformation. Das wollen sie schnell und umfassend erlernen. Aus diesem Grund bieten die Bibliotheken auch Kurse an wie: Recherchestrategien in Datenbanken, Wie finde ich was im Internet, Internetsuchmaschinen richtig bedienen. Nur im Rahmen solcher Kurse ist es möglich neben technischen Fertigkeiten dem Studenten auch eine gewisse Portion an "Informiertheit über Information" mitzugeben. Dazu müssen die Informationsfiltermechanismen bewußt gemacht werden und das Einsetzen der Filter trainiert werden, indem man Suchaufgaben stellt und anschließend sowohl die Suchwege als auch die gefundenen Informationen an sich kommentiert.

Wieder Enzensberger, 1999: "Natürlich haben auch die Netzbetreiber das Problem erkannt und immer differenziertere Suchmaschinen entwickelt. Davon gibt es inzwischen so viele, daß man Meta-Suchmaschinen braucht, um den richtigen Filter zu finden. Das alles ändert nichts an der Tatsache, daß die Evolution uns mit einem Apparat ausgestattet hat, der schwer zu übertreffen ist: Die beste Suchmaschine ist nach wie vor das Gehirn."

Und genau diese "beste Suchmaschine" gilt es zu optimieren und zu verfeinern.

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Wege (praktische Beispiele):

Und nun zwei Beispiele, wie man das Internet im Schulungsbereich einsetzen kann, welche Vorteile das bringt und welche Nachteile.

1. Das virtuelle Seminar:

Dieses virtuelle Seminar ist gedacht als elektronisches Begleitmaterial zu den Fortbildungskursen der UFB Erfurt/Gotha "Datenbanken - gezielt suchen" und "Fundgrube Internet" und/oder als durchaus eigenständiges Selbstlernprogramm sowohl für Bibliotheksnutzer als auch Bibliotheksmitarbeiter. Das virtuelle Seminar soll dem privaten Lernen und Erarbeiten, dem Nachschlagen und dem Einüben dienen.

Verwendet wurde hierzu ein vom Lehrstuhl für Erziehungswissenschaften der TU Chemnitz zur Verfügung gestelltes, kostenloses Programm, das nur noch mit Inhalten gefüllt werden muß, da Navigation und Design schon weitgehend vorgegeben sind.

 

Abbildung 2: Startseite des virtuellen Seminars zum Internet (Entwurfsstadium 1999)

In Abbildung 2 sehen Sie die Startseite des Seminars mit den Navigationselementen Intro, Lerneinheiten, Material, Kommunikation. Diese Navigationselemente sind von jedem Teil des Seminars aus immer ansteuerbar. Das Seminar ist in unterschiedliche Bereich eingeteilt: in der Einleitung werden kurz die Bedienung und der Aufbau des Programms erklärt, anhand des Inhaltsverzeichnisses kann man entweder Lektion für Lektion durcharbeiten oder aber gezielt einzelne Punkte anwählen. Der Aufbau der Lektionen ist gekennzeichnet durch den abwechselnden Einsatz von Sachinformation und Übungsaufgaben. Vom Inhalt her ist das Ganze so konzipiert, daß einerseits Sachinformationen (Was ist WWW?) gegeben werden, andererseits aber auch How-To-Informationen (Wie recherechiere ich? Wie setze ich Trunkierungen ein?).
Informationen wechseln sich immer mit Übungsaufgaben und/oder Tipps ab. Hinzu kommen zwei Lektionen, die sich vorrangig mit Informationskompetenz beschäftigen. Sie sollen den Umgang mit den Informationen einüben. Deshalb sind hier vor allem Übungsaufgaben wichtig. Da der Dozent als Trainer nicht körperlich anwesend ist, müssen die Übungsaufgaben so gestaltet sein, daß die Suchergebnisse bewertet und kommentiert werden können und die verschiedenen Lösungswege nebeneinander gleichberechtigt akzeptiert werden.
So kann man z.B. eine Liste mit Suchergebnissen (Links) mit der Aufgabe präsentieren, aus dieser Liste den relevantesten Link herauszufinden. Hinter den Links der Ergebnisse versteckt sich aber nicht der ursprüngliche Link, sondern es wird eine Zwischenseite eingeschaltet. Auf dieser Zwischenseite stehen die Kommentare, z.B. daß aufgrund der Interpretation der URL und der Schlagworte dieser Link wohl nicht zu den relevantesten gehört.

Oder man beschreibt anhand einer konkreten Suchaufgabe die unterschiedlichen Lösungswege. Auf der Lösungseite wird besprochen, wie die verschiedenen Suchwege zum Erfolg führen und ob die gefundene Information verläßlich und relevant ist. So bleibt es dem Studierenden überlassen, ob er die Lösung im Internet sucht oder daheim im Bücherregal. Wichtig sind jedoch immer die Kommentare und/oder Tips, wie man schneller und leichter an die gesuchte Information kommt.

 

Abbildung 3: Inhaltsverzeichnis

Gerne verwende ich für die Übungen sowohl in der Präsenzveranstaltung als auch für das virtuelle Seminar die Seite mit den ungelösten Suchanfragen auf www.metaportal.at. Hier haben Internetnutzer die Möglichkeit, ihre Frage an Experten zu stellen. Sollten die Experten keine Antwort auf die gestellte Frage finden, wandert die Anfrage auf eine Internetseite und diese bildet eine nette, kleine Materialsammlung mit teilweise recht kniffligen Übungsaufgaben.

Ergänzt wird das ganze Konzept durch eine Materialsammlung von Texten, Bildern, Folien und einer kleinen Linksammlung. Wichtig ist der Bereich der Kommunikation. Es besteht jederzeit die Möglichkeit, den Dozenten bzw. Betreuer des Programms via Email direkt anzusprechen oder aber man nutzt die Möglichkeiten des "Schwarzen Bretts", um mit dem Dozenten oder aber anderen Selbststudierenden zu kommunizieren.

Generell kann man sagen, die Vorteile des virtuellen Seminars liegen in dem selbstbestimmten Lerntempo. Die Lernenden sind sowohl zeit- als auch ortsunabhängig. Nachteilig ist sicher, daß die direkte Kommunikation sowohl zwischen dem Lehrenden und den Lernenden als auch zwischen den Lernenden untereinander fehlt und daß es keine feste Lerngruppe gibt - obwohl man dieses in den Griff kriegen könnte, indem man feste Zeiträume für Kurse benennt und Einschreiblisten erstellt und veröffentlicht, so daß die Studenten untereinander in Kontakt treten können.

Bei einem virtuellen Internetkurs, der sowohl Mitarbeiter als auch Benutzer ansprechen soll, muß man auch den unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung tragen. So wird ein Mitarbeiter den Kurs eher benutzen, um etwas mal eben kurz nachzulesen (Just-in-Time-Weiterbildung am Arbeitsplatz), während Studenten eher Schritt für Schritt bzw. kapitelweise lernen. Man sollte also unbedingt eine Suchmaschine und/oder ein Glossar oder Register in die Struktur eines virtuellen Internetseminars einplanen. Außerdem sollte man beachten, daß der Computer als technisches Lernspielzeug am Anfang einen sehr hohen Reiz hat, der aber bald verfliegt, wenn man die Kurse nicht so gestaltet, daß dem Spieltrieb Rechnung getragen wird. Wir haben die Chance, mit dem Einsatz der neuen Techniken einen Anreiz zum Selberlernen zu bieten. Solange die Eigenmotivation gefördert wird, kann ein höherer Lernerfolg erzielt werden.

2. E-Mail-Kurs:

Ein weiterer gangbarer Weg wäre ein Internetkurs über E-Mail. Nach Art einer Mailing-Liste können sich Studenten oder Mitarbeiter einschreiben und erhalten jede Woche eine Mail zu verschiedenen Themen, die das Internet betreffen (E-Mail, WWW, Suchmaschinen, FTP usw.). Sie erhalten darin Hintergrundinformationen und zugleich eine Reihe von Arbeitsaufgaben, die sie innerhalb einer Woche erledigen müssen. Um die Lernsituation zu verbessern, können innerhalb der Studenten Arbeitsgruppen gebildet werden, die sich gegenseitig helfen, bzw. die gemeinsam beraten, wie die Aufgaben am besten zu lösen seien.
Die Studenten haben aber darüber hinaus auch die Möglichkeit, den Kursleiter direkt anzusprechen. Diese Art des Online-Lernens ist vom Verwaltungs- und Betreuungsaufwand wesentlich intensiver als beim Virtuellen Seminar. Voraussetzung ist zudem noch, daß jeder Teilnehmer eine funktionierende Email-Adresse hat und mit Mail umgehen kann. Vorteil ist aber, daß man diesen Kurs sehr zielgruppenorientiert gestalten kann, z.B. für Bibliotheksmitarbeiter mit bibliotheksrelevanten Themen und Suchaufgaben oder zugeschneidert auf Studierende einer bestimmten Fachrichtung. Die Lernportionen sind vorgegeben, und bei einem einwöchigen Rhythmus zieht sich der Kurs ziemlich lange hin. Größe und Häufigkeit der Lektionen machen aber diese Art des Lernens zu einem idealen Instrument im Einsatz bei der Mitarbeiterschulung.

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Schlußfolgerung

Schulungen via Distance Learning sind immer nur Ergänzung. Der Computer kann nicht den Dozenten, den Lehrenden und die persönliche Kommunikation zwischen Lehrendem und Lernendem ersetzen. Der Lehrende ist gehalten, nicht zu dozieren, sondern zu kommentieren und Tips zu geben - Hilfe zur Selbsthilfe sozusagen oder wie Detlev Dannenberg es ausdrückt: "lernen lassen statt lehren".

Es sind also nicht so sehr neue Wege, die die Bibliotheken einschlagen müssen, sondern es ist vielmehr die Hinwendung zu neuen Inhalten: nicht mehr nur Vermitteln von reinen technischen und handwerklichen Fähigkeiten und Suchstrategien, sondern eben auch das Vermitteln von Wissen über das Wesen der Information. Dies um so mehr, nachdem sich erwiesen hat, daß sowohl Schule als auch Studium nur unzulänglich auf die Informationsflut vorbereiten.

Literarurverzeichnis

Kuhlen, Rainer: Informationsmarkt. Chancen und Risiken der Kommerzialisierung von Wissen. Konstanz: HVK, 1995
 
Krüger, Frank: Nicht-lineares Information Retrieval in der juristischen Informationssuche http://www.fask.uni-mainz.de/user/krueger/dissweb/diss.html
 
Probst, Gilbert / Romhardt, Kai: Bausteine des Wissensmanagements - ein praxisorientierter Ansatz http://enterprise.cck.uni-kl.de/wmk/papers/public/Bausteine/
 
Dieckmann, Heinrich (Hrsg.): Lernkonzepte im Wandel: die Zukunft der Bildung / Stuttgart: Klett-Cotta, 1998
 
Hedtke, Reinhold (Hrsg.): Vom Buch zum Internet und zurück : Medien- und Informationskompetenz im Unterricht. Darmstadt: Winkler, 1997
 
Enzensberger, Hans M.: Das digitale Evangelium: Festvortrag im Rahmen der Wieland-Vorlesungen, Erfurt 1999 in "Spiegel Online"
 
Mertens, Dieter: Schlüsselqualifikationen. Thesen zur Schulung für eine moderne Gesellschaft. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 7.1974, 1, S. 36-43
 
Corcoran, Cate T.: Are we ready for the library of the Future http://www.salon.com/21st /feature/1997/12/02feature.html
 
Gesellschaft für Informatik e.V.: Projekt "Schulen ans Netz", Bonn, 1995.
 
Koechlin, Carol / Zwaan, Sandi: Informationen beschaffen, bewerten, benutzen: Basistraining Informationskompetenz. Mühlheim: Verl. An der Ruhr, 1998.

Zusammenfassung

Lehren und Lernen gehört zu den Kernbereichen menschlichen Lebens. Mit dem Siegeszug der Neuen Medien und mit dem Einzug des Internet verwandeln sich auch die Anforderungen sowohl an die Lehrenden als auch an die Lernenden. Die technische Entwicklung, die Entwicklung neuer Lehrmöglichkeiten, schreitet wesentlich rascher voran als die Kompetenz, mit diesen neuen Methoden und Lehrmitteln sinnvoll umzugehen. Durch die sich rasch verändernden, technisierten Arbeitswelten steigt der Bedarf an innerbetrieblicher Fortbildung. Informationen gibt es zur Genüge, sogar mehr als genug. Über das Internet, über digitale Nachschlagewerke, über Mailinglisten lassen sich mehr Informationen erhalten, als ein Mensch verarbeiten kann. Wie kann man nun lernen, aus dieser Fülle von Informationen die jeweils sinnvollen möglichst rasch und effektiv herauszufiltern? Wie kann man lernen, mit welchen Mitteln gesuchte Informationen am schnellsten aufgefunden werden können? Die technischen Möglichkeiten verführen leicht, die herkömmlichen Medien und Lehrmethoden geringzuschätzen oder gar zu vergessen.
An der Universitätsbibliothek Erfurt sollen in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Kommunikation und Infrastruktur (ZKI) Wege gefunden werden, um diese Gratwanderung zwischen technischer Spiellust und sinnvollem Einsatz, zwischen reiner Technikschulung und wirklicher Informationskompetenz ohne Abstürze zu bewältigen. Es gibt innerhalb der Bibliothek ein Team von Schulungsbibliothekaren, welches nur für das Entwickeln von Spezial-Schulungen, z. B. zu Recherchestrategien in Datenbanken zuständig ist.
Hierbei steht nicht die Bedienung einzelner Datenbanken im Vordergrund, sondern es soll die Fähigkeit vermittelt werden, ohne Vorkenntnisse eine unbekannte Datenbank verstehen und bedienen zu können. Hierzu sollen virtuelle Seminare entwickelt werden und Kursmaterialien im Internet zum Selbststudium angeboten werden. Ziel ist es, die intuitive Nutzung von Kommunikations- und Informationstechnologien zu schulen und heranzubilden und damit gleichzeitig auch Selektionskompetenz hinsichtlich der für die Problemlösung relevanten Informationen zu erreichen.
Bei den Bibliotheksmitarbeitern wird der Schwerpunkt vorrangig im Vermitteln technischer Fertigkeiten liegen. Die Fähigkeit, Informationen zu bewerten und Suchstrategien sinnvoll umzusetzen, haben die Mitarbeiter zumeist schon in der Ausbildung gelernt. Für die Inhouse-Schulungen sollen virtuelle Lehrprogramme erarbeitet werden, die es den Mitarbeitern ermöglichen, von ihrem Arbeitsplatz aus sich selber zu schulen (web-based-training).
Es soll ein kritischer Umgang im Einsatz mit den neuen Medien erreicht werden: das, was im angloamerikanischen Bereich als "information literacy" bezeichnet wird: "a new liberal art, that extends from knowing how to use computers and access information to critical reflection on the nature of information itself,, is technical infrastructure, and is social, cultural and even philosophical context and impact." Die Bibliothekare in ihrer Eigenschaft als Informationsspezialisten, die Bibliotheken, die sich seit jeher als Vermittlungs-, als Sammel- und Verteilstelle für Informationen jedweder Art betrachten, sind hier gefordert, diese "neue Kunst" an ihre Nutzer weiterzugeben.

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Stand: 16.08.2006