Wir müssen uns aber von dem Irrglauben verabschieden, daß dieses einmal erlangte Wissen auf immer und ewig Gültigkeit hat. Nicht nur die schnell wachsende Menge an Informationen bereitet Probleme, sondern auch die geringe Haltbarkeitsdauer, das rasche Veralten der Informationen und des Wissens. Ein bloßes Aneignen von Daten, Informationen, Wissen würde uns rasch an die Grenze unserer Aufnahmefähigkeit bringen. Drum ist das Wissen über Informationen, über das Wesen der Informationen und über die Wege, diese Informationen rasch und just-in-time aufzufinden, wichtiger.
Schon in der Schule, erst recht im Studium sollten wir diese Fähigkeiten, nämlich Medien- und Informationskompetenz, ausreichend trainieren, um den Anforderungen einer sich ständig wandelnden Berufs- und Arbeitswelt gerecht werden zu können.
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Lehrinhalte
Wie lassen sich nun die Lehrinhalte vermitteln und welche sind es im Einzelnen?
Allgemeine Suchstrategien und der technische Umgang mit den Suchmaschinen und deren Abfragesyntax lassen sich relativ leicht vermitteln. Das ist reine Weitergabe von How-to-Informationen mit dem Tenor: "Die Information ist da, sie muß nur gefunden werden".
"Fast alles Wissenswerte - vom Maultaschenrezept bis zum Bauplan fürs Kernkraftwerk - dürfte inzwischen irgendwo im WWW verfügbar sein. Doch das allein hilft weder dem Industriespion noch dem Koch, solange beides nicht zu finden ist. Tatsächlich wimmelt das Netz von Informationen, die man meist nicht wissen will. Zielgerichtete Navigation bedeutet daher in erster Linie, irrelevante Infoberge erfolgreich zu umschiffen. Angesichts der wachsenden Informationsflut wird es immer mehr zur Schlüsselqualifikation des Einzelnen, sich zu helfen zu wissen: Wer heutzutage weise ist, weiß nicht nur, was er nicht weiß, sondern weiß vor allem, wo er das, was er nicht weiß, finden kann.
Mit zunehmendem Wachstum des Angebots lautet die grundlegende Frage nicht mehr ob, sondern wie und wo sich eine gesuchte Information findet. Die Kosten einer Suche, die sich in Zeit, Mausklicks, Telefoneinheiten oder Blutdruckwerten beziffern lassen, hängen dabei vom Angebot, der zu beantwortenden Frage, der Strategie des Suchenden und dem eingesetzten Suchwerkzeug ab. Da Angebot und Suchziel zum Zeitpunkt der Nachschlageversuchs feststehen, zeichnet sich der mündige Infonaut vor allem durch die Wahl der richtigen Anfrage und der richtigen Suchquelle aus." Aus: Hansjörg Neth : WWWissen , Nachschlagen im Netz, CT 1/2000 Im Web: http://www.heise.de/ct/00/01/084/
Schwieriger wird es dann schon, zu vermitteln, wie man die Qualität der gefundenen Informationen bewerten kann und aus der großen Menge rasch die relevantesten Treffer heraussortieren kann. Das sind Fähigkeiten, die trainiert werden müssen und vor dem Training steht das Bewußtmachen der Mechanismen, die bei der Informationsbewertung ablaufen.
Unbewußt setzen wir Filtermechanismen ein: z.B. beim Radiohören: Musik und Nachrichten laufen als Geräuschkulisse, dann filtern wir aus diesen Geräuschen ein uns interessierendes Stichwort heraus und wir verfolgen dann aufmerksam und interessiert diesen Teil der Nachricht. Oder wir hören den Verkehrsfunk, während wir auf der Autobahn fahren, alle Informationen, die nicht unsere Fahrtstrecke betreffen, filtern wir heraus, aber sobald für uns relevante Information auftauchen, merken wir auf und speichern sie ab, verarbeiten sie, indem wir z.B. bei Stau auf eine Alternativstrecke ausweichen.
Diese Filtermechanismen bewußt zu machen, zu verfeinern, und zu trainieren, das ist das Lernziel beim Vermitteln von Informationskompetenz.
Sinnvoll ist es also Informationskompetenz als sogenannte Soft Skill in Verbindung mit dem
handwerklichen Wissen zu vermitteln, z.B. in Kursen wie "Suchen und Finden im Internet" oder "Effektive Recherchestrategien in Datenbanken". Hier ist sicher der eine oder andere Hinweis gut untergebracht, wie wir aus den Suchergebnissen die für uns relevanten, vielversprechendsten Informationen herausfiltern können und zugleich auch die Qualität der gefundenen Informationen bewerten können. Denn nicht alles, was im Web steht, ist auch wahr und richtig.
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Anforderungen an das Lehren und an das Lernen
Marc Eisenstadt prägt den Begriff Wissensmedien (knowledge media) für die Produkte der
Verschmelzung von Telekommunikation, Computerwissenschaft und kognitiven Wissenschaften. In seiner Beschreibung des Projektes Open University schreibt er folgendermaßen: "Ist nun Wissen die Antwort darauf, was auf CD-ROMs "paßt", was sich auf einem File-server "befindet" oder was sich auf der Datenautobahn "bewegt"? Auf gar keinen Fall. Wissen ist ein auftauchender Reichtum, der die festgelegten Maße und Raumkonzepte von Medien und Informationen überschreitet, genau wie es die Vorstellung überschreitet, daß man es den Studierenden vermittelt, indem man sie aus einem "Gefäß" des Lehrers füllt."
Lernen soll mehr sein als das bloße Abrufen von Fakten, Prinzipien oder korrekten Abläufen. Lernen muß sich auf das Gebiet der Kreativität, der Problemlösung, Analyse und Beurteilung hineinbegeben (die Schlüsselqualifikationen, die in einer wissensbasierten Wirtschaft gefordert sind). Dazu benötigen die Lernenden zwischenmenschliche Kommunikation, die Möglichkeit zu fragen, zu hinterfragen und zu diskutieren. Der Lehrende vermittelt nicht nur Faktenwissen und technische Fertigkeiten (Informationsvermittlung), sondern er ist aufgefordert zu lenken und zu steuern und zu kommentieren (Informationskompetenz). Es gibt eine Vielzahl von Wegen, um zu lehren, aber erforderlich dürfte ein paralleles Verfolgen mehrerer Wege sein, da Lernen sowohl individuelles Aneignen des Lernstoffes als auch Zweiweg-Kommunikation mit anderen Lernenden oder Lehrern notwendig macht. Eine Vermischung der alten Techniken mit den neuen Technologien ist hier wohl der gangbarste Weg. Man hole das Beste aus den neuen Methoden und Möglichkeiten, ohne das Althergebrachte, Erprobte zu vernachlässigen. Solange man das Internet und die Neuen Medien als nützliche Hilfsmittel sieht und nicht als allein-seligmachende Lehrmethode, ist der Lehrende auf dem richtigen Weg.
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Zusammenfassung der Lernziele:
Nach Mertens sind wesentliche Dimensionen der Schlüsselqualifikation Informationskompetenz:
- Wissen über das Wesen von Informationen
- Gewinnung von Informationen
- Verstehen von Informationen
- Verarbeiten von Informationen
Grundlegende Techniken (Schnell-lesen, Ausdrucksfähigkeit, allgemeine Informationskunde) sollten schon in der Grundschule vermittelt worden sein. Dies kann nicht Aufgabe der Bibliothek sein. Die Adressatengruppe der Bibliotheksbenutzerschulung sind vor allem die Studenten. Diese haben ganz spezielle Anforderungen an das, was sie lernen bzw. wissen wollen: ihnen geht es v.a. um das schnelle Gewinnen von Daten bzw. Literaturinformation. Das wollen sie schnell und umfassend erlernen. Aus diesem Grund bieten die Bibliotheken
auch Kurse an wie: Recherchestrategien in Datenbanken, Wie finde ich was im Internet, Internetsuchmaschinen richtig bedienen. Nur im Rahmen solcher Kurse ist es möglich neben technischen Fertigkeiten dem Studenten auch eine gewisse Portion an "Informiertheit über Information" mitzugeben. Dazu müssen die Informationsfiltermechanismen bewußt gemacht werden und das Einsetzen der Filter trainiert werden, indem man Suchaufgaben stellt und anschließend sowohl die Suchwege als auch die gefundenen Informationen an sich kommentiert.
Wieder Enzensberger, 1999: "Natürlich haben auch die Netzbetreiber das Problem erkannt und immer differenziertere Suchmaschinen entwickelt. Davon gibt es inzwischen so viele, daß man Meta-Suchmaschinen braucht, um den richtigen Filter zu finden. Das alles ändert nichts an der Tatsache, daß die Evolution uns mit einem Apparat ausgestattet hat, der schwer zu übertreffen ist: Die beste Suchmaschine ist nach wie vor das Gehirn."
Und genau diese "beste Suchmaschine" gilt es zu optimieren und zu verfeinern.
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Wege (praktische Beispiele):
Und nun zwei Beispiele, wie man das Internet im Schulungsbereich einsetzen kann, welche Vorteile das bringt und welche Nachteile.
1. Das virtuelle Seminar:
Dieses virtuelle Seminar ist gedacht als elektronisches Begleitmaterial zu den Fortbildungskursen der UFB Erfurt/Gotha "Datenbanken - gezielt suchen" und "Fundgrube Internet" und/oder als durchaus eigenständiges Selbstlernprogramm sowohl für Bibliotheksnutzer als auch Bibliotheksmitarbeiter. Das virtuelle Seminar soll
dem privaten Lernen und Erarbeiten, dem Nachschlagen und dem Einüben dienen.
Verwendet wurde hierzu ein vom Lehrstuhl für Erziehungswissenschaften der TU Chemnitz
zur Verfügung gestelltes, kostenloses Programm, das nur noch mit Inhalten gefüllt werden muß, da Navigation und Design schon weitgehend vorgegeben sind.
Abbildung 2: Startseite des virtuellen Seminars zum Internet (Entwurfsstadium 1999)
In Abbildung 2 sehen Sie die Startseite des Seminars mit den Navigationselementen Intro, Lerneinheiten, Material, Kommunikation. Diese Navigationselemente sind von jedem Teil des Seminars aus immer ansteuerbar. Das Seminar ist in unterschiedliche Bereich eingeteilt: in der Einleitung werden kurz die Bedienung und der Aufbau des Programms erklärt, anhand des Inhaltsverzeichnisses kann man entweder
Lektion für Lektion durcharbeiten oder aber gezielt einzelne Punkte anwählen. Der Aufbau der Lektionen ist gekennzeichnet durch den abwechselnden Einsatz von Sachinformation und Übungsaufgaben. Vom Inhalt her ist das Ganze so konzipiert, daß einerseits Sachinformationen (Was ist WWW?) gegeben werden, andererseits aber auch How-To-Informationen (Wie recherechiere ich? Wie setze ich Trunkierungen ein?).
Informationen wechseln sich immer mit Übungsaufgaben und/oder Tipps ab. Hinzu kommen zwei Lektionen, die sich vorrangig mit Informationskompetenz beschäftigen. Sie sollen den Umgang mit den Informationen einüben. Deshalb sind hier vor allem Übungsaufgaben wichtig. Da der Dozent als Trainer nicht körperlich anwesend ist, müssen die Übungsaufgaben so gestaltet sein, daß die Suchergebnisse bewertet und kommentiert werden können und die verschiedenen Lösungswege nebeneinander gleichberechtigt akzeptiert werden.
So kann man z.B. eine Liste mit Suchergebnissen (Links) mit der Aufgabe präsentieren, aus dieser Liste den relevantesten Link herauszufinden. Hinter den Links der Ergebnisse versteckt sich aber nicht der ursprüngliche Link, sondern es wird eine Zwischenseite eingeschaltet. Auf dieser Zwischenseite stehen die Kommentare, z.B. daß aufgrund der Interpretation der URL und der Schlagworte dieser Link wohl nicht zu den relevantesten gehört.
Oder man beschreibt anhand einer konkreten Suchaufgabe die unterschiedlichen Lösungswege.
Auf der Lösungseite wird besprochen, wie die verschiedenen Suchwege zum Erfolg führen und ob die gefundene Information verläßlich und relevant ist. So bleibt es dem Studierenden überlassen, ob er die Lösung im Internet sucht oder daheim im Bücherregal. Wichtig sind jedoch immer die Kommentare und/oder Tips, wie man schneller und leichter an die gesuchte Information kommt.
Abbildung 3: Inhaltsverzeichnis
Gerne verwende ich für die Übungen sowohl in der Präsenzveranstaltung als auch für das
virtuelle Seminar die Seite mit den ungelösten Suchanfragen auf www.metaportal.at. Hier haben Internetnutzer die Möglichkeit, ihre Frage an Experten zu stellen. Sollten die Experten keine Antwort auf die gestellte Frage finden, wandert die Anfrage auf eine Internetseite und diese bildet eine nette, kleine Materialsammlung mit teilweise recht kniffligen Übungsaufgaben.
Ergänzt wird das ganze Konzept durch eine Materialsammlung von Texten, Bildern, Folien und einer kleinen Linksammlung. Wichtig ist der Bereich der Kommunikation. Es besteht jederzeit die Möglichkeit, den Dozenten bzw. Betreuer des Programms via Email direkt anzusprechen oder aber man nutzt die Möglichkeiten des "Schwarzen Bretts", um mit dem Dozenten oder aber anderen Selbststudierenden zu kommunizieren.
Generell kann man sagen, die Vorteile des virtuellen Seminars liegen in dem selbstbestimmten Lerntempo. Die Lernenden sind sowohl zeit- als auch ortsunabhängig. Nachteilig ist sicher, daß die direkte Kommunikation sowohl zwischen dem Lehrenden und den Lernenden als auch zwischen den Lernenden untereinander fehlt und daß es keine feste Lerngruppe gibt - obwohl man dieses in den Griff kriegen könnte, indem man feste Zeiträume für Kurse benennt und Einschreiblisten erstellt und veröffentlicht, so daß die Studenten untereinander in Kontakt treten können.
Bei einem virtuellen Internetkurs, der sowohl Mitarbeiter als auch Benutzer ansprechen soll, muß man auch den unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung tragen. So wird ein Mitarbeiter den Kurs eher benutzen, um etwas mal eben kurz nachzulesen (Just-in-Time-Weiterbildung am Arbeitsplatz), während Studenten eher Schritt für Schritt bzw. kapitelweise lernen. Man sollte also unbedingt eine Suchmaschine und/oder ein Glossar oder Register in die Struktur eines virtuellen Internetseminars einplanen. Außerdem sollte man beachten, daß der Computer als technisches Lernspielzeug am Anfang einen sehr hohen Reiz hat, der aber bald verfliegt, wenn man die Kurse nicht so gestaltet, daß dem Spieltrieb Rechnung getragen wird. Wir haben die Chance, mit dem Einsatz der neuen Techniken einen Anreiz zum Selberlernen zu bieten. Solange die Eigenmotivation gefördert wird, kann ein höherer Lernerfolg erzielt werden.
2. E-Mail-Kurs:
Ein weiterer gangbarer Weg wäre ein Internetkurs über E-Mail. Nach Art einer Mailing-Liste
können sich Studenten oder Mitarbeiter einschreiben und erhalten jede Woche eine Mail zu verschiedenen Themen, die das Internet betreffen (E-Mail, WWW, Suchmaschinen, FTP usw.). Sie erhalten darin Hintergrundinformationen und zugleich eine Reihe von Arbeitsaufgaben, die sie innerhalb einer Woche erledigen müssen. Um die Lernsituation zu verbessern, können innerhalb der Studenten Arbeitsgruppen gebildet werden, die sich gegenseitig helfen, bzw. die gemeinsam beraten, wie die Aufgaben am besten zu lösen seien.
Die Studenten haben aber darüber hinaus auch die Möglichkeit, den Kursleiter direkt anzusprechen. Diese Art des Online-Lernens ist vom Verwaltungs- und Betreuungsaufwand wesentlich intensiver als beim Virtuellen Seminar. Voraussetzung ist zudem noch, daß jeder Teilnehmer eine funktionierende Email-Adresse hat und mit Mail umgehen kann. Vorteil ist aber, daß man diesen Kurs sehr zielgruppenorientiert gestalten kann, z.B. für Bibliotheksmitarbeiter mit bibliotheksrelevanten Themen und Suchaufgaben oder zugeschneidert auf Studierende einer bestimmten Fachrichtung. Die Lernportionen sind vorgegeben, und bei einem einwöchigen Rhythmus zieht sich der Kurs ziemlich lange hin. Größe und Häufigkeit der Lektionen machen aber diese Art des Lernens zu einem idealen Instrument im Einsatz bei der Mitarbeiterschulung.
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Schlußfolgerung
Schulungen via Distance Learning sind immer nur Ergänzung. Der Computer kann nicht den Dozenten, den Lehrenden und die persönliche Kommunikation zwischen Lehrendem und Lernendem ersetzen. Der Lehrende ist gehalten, nicht zu dozieren, sondern zu kommentieren und Tips zu geben - Hilfe zur Selbsthilfe sozusagen oder wie Detlev Dannenberg es ausdrückt: "lernen lassen statt lehren".
Es sind also nicht so sehr neue Wege, die die Bibliotheken einschlagen müssen, sondern es
ist vielmehr die Hinwendung zu neuen Inhalten: nicht mehr nur Vermitteln von reinen technischen und handwerklichen Fähigkeiten und Suchstrategien, sondern eben auch das Vermitteln von Wissen über das Wesen der Information. Dies um so mehr, nachdem sich erwiesen hat, daß sowohl Schule als auch Studium nur unzulänglich auf die Informationsflut vorbereiten.
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