Meine Herren Minister,
Frau Fraktionsvorsitzende,
sehr geehrter Herr Präsident Dr. Bergsdorf,
meine Damen und Herren Abgeordnete,
Herr Dr. Schaab,
verehrte Gäste,
ich begrüße Sie sehr herzlich zur ersten Ausstellung im Thüringer Landtag im neuen Jahr.
Die Abgeordneten und ihre Gäste sowie die Mitarbeiter des Landtags erwartet wie in den letzten Jahren
wieder ein äußerst vielfältiges und spannungsreiches Ausstellungsprogramm.
Den Auftakt und zugleich den ersten Höhepunkt stellt die Exposition
"AllerLandKarten - die Sammlung Perthes Gotha" dar, die wir heute eröffnen wollen.
Kartografische Darstellungen sind so alt wie der Wunsch der Menschen nach verlässlichen Informationen,
die Orientierung ermöglichen. Archäologen vermuten, dass die Anfänge der Kartografie bis in die
Steinzeit zurück reichen. Die grundlegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse wurden im Altertum
gewonnen. Die Babylonier entwickelten den Maßstab, die Festlegung der Himmelsrichtungen und das
Konzept der Weltkarte.
Den Griechen verdanken wir die Einführung der Längen- und Breitengrade, ein System, das bis heute die
Basis der modernen Kartografie bildet.
Mittelalterliche Karten stellen gegenüber den Karten der Griechen und Römer einen großen Rückschritt
dar. Sie sind zwar häufig wunderschön illustriert, zeugen aber von erschreckender geografischer
Unkenntnis. Alte Seefahrerkarten der Portugiesen, Spanier und Engländer verzeichnen Orte wie die
Insel Atlantis und den Garten Eden, die Insel der Seligen oder das Schlaraffenland und weisen auf
allerlei bizarre Gefahren hin, die Reisenden begegnen konnten.
In den nachfolgenden Jahrhunderten machten exaktere Messgeräte realistische geografische
Darstellungen möglich, so dass das 19. Jahrhundert zur großen Zeit der Kartografie wurde. Daran haben
die Arbeiten aus dem Verlag Justus Perthes Gotha einen großen Anteil. Der thüringische Verlag
spezialisierte sich im frühen 19. Jahrhundert auf kartografische Produkte und erreichte mit seinen
Landkarten, Atlanten und Schulwandkarten zahlreiche Welterfolge.
Für diese Produkte waren aufwendige Recherchen und Vorarbeiten nötig. Expeditionen durchquerten die
Kontinente Meter für Meter und häufig genug zu Fuß, eine spannende und einmalig reizvolle Aufgabe,
die Faszination der unbekannten Welt.
Expeditionstagebücher, Routenaufnahmen und Peilungen der Wissenschaftler wurden nach deren Rückkehr
zur Arbeitsgrundlage für die Kartengestalter des Verlags. Sie können sich sicher vorstellen, dass
jene Expeditionsmitglieder allerhand Strapazen und Risiken auf sich nahmen, übrigens ohne - wie es
heute üblich wäre - an tariflich fixierte Arbeitszeiten oder eine Reisekostenordnung gebunden zu sein.
Die Blätter, die so zustande kamen, sind möglicherweise unterschiedlich in der Qualität, aber das,
was im Justus Perthes Verlag Gotha erschien, gehört zur Spitze der kartographischen Kunst. Wenn wir
heute diese Karten betrachten, so fällt uns nicht nur ihre Schönheit auf.
Verblüffend ist auch, dass die topographischen Darstellungen gegenüber den heute möglichen Feinheiten
nur geringfügige Abweichungen zeigen. Bei manchen Karten fühlt man sich sogar an ein Satellitenbild
erinnert, so scharf und klar sind die Abbildungen. Angesichts solcher wissenschaftlicher Exaktheit
und technischer Fertigkeiten, aber auch vollkommener Schönheit, können wir heutzutage nur staunen.
Es ist ein Glücksfall für das Land Thüringen, das Archiv des Justus Perthes Verlags Gotha im Jahr
2003 erworben zu haben. Aus privatem Besitz haben wir [für 6,4 Millionen Euro] rund 185.000 Blatt
der Kartensammlung, die Verlagsbibliothek mit 120.000 Bänden und das Verlagsarchiv angekauft.
Aus ihnen erschließt sich deutsche, europäische und Weltgeschichte auf einen Blick: Wir erkennen in
ihnen nicht nur, wie sich das Wissen der Menschen über unseren Planeten präzisierte, wie ehemals weiße
Flecken farbige Gestalt annehmen. Diese Karten spiegeln auch politische Realitäten wider wie
territoriale Zersplitterung oder koloniale Expansion. Wir können sehr stolz darauf sein, eine solch
außergewöhnliche Sammlung in unserem Land zu wissen, wie es in ihrer Dichte und Qualität keine zweite
auf der Welt gibt.
Ich freue mich sehr, hier im Thüringer Landtag einen kleinen Ausschnitt dieser Sammlung, nämlich
rund einhundert Exponate, präsentieren zu können.
Es ist das erste Mal, dass diese Karten der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Ich danke der
Universität Erfurt für die Zusammenstellung und wissenschaftliche Begleitung dieser Ausstellung. Ich
hoffe sehr, dass Ihre Arbeit auch in vielen weiteren deutschen Städten gezeigt werden kann.
Die Perthes-Sammlung zu erhalten, zu restaurieren und wissenschaftlich zu erschließen - das ist eine
große Aufgabe, die einer allein nicht zu bewältigen vermag. Dies können das Land Thüringen und die
Universität Erfurt nur gemeinsam meistern, zumal der konservatorische Zustand der Blätter große
Aufwendungen nötig macht.
Unsere Anstrengungen werden sich auf jeden Fall lohnen. Denn das Land hat durch den Ankauf nicht nur
einen großen kulturellen Schatz erworben. Auch der wissenschaftliche Wert dieser Sammlung kann nicht
hoch genug eingeschätzt werden. Die Kartensammlung könnte zu einem einzigartigen Pfund für die
Universität im globalen Wettbewerb der Wissenschaften werden.
Schon heute übersteigt das Interesse von ausländischen Wissenschaftlern bei weitem die Aufmerksamkeit,
die das Archiv im Inland erfährt. Auch aus diesem Grund bin ich sicher, dass aus dem Perthes-Archiv
eine Erfolgsgeschichte für die Universität Erfurt und Schloss Friedenstein werden wird. Lassen Sie
uns gemeinsam diese einmalige Chance zum Wohle der Thüringer Wissenschafts- und Kulturlandschaft
nutzen.
Meine Damen und Herren,
die schreckliche Naturkatastrophe in Südostasien hat uns allen den Wert kartografischer Darstellungen
und die Präsenz der Geografie in unserem Alltag ins Bewusstsein gerufen. Wer hätte ohne Atlas zu
sagen gewusst, wo die Nikobaren und die Andamanen zu finden sind.
Was wir von der Geografie und der Geophysik in diesen Tagen lernen können, erinnert in seiner
Schrecklichkeit an die Hölle in Dantes "Göttlicher Komödie". Experten sagen, etwa ein Drittel der
Menschheit, also rund zwei Milliarden Menschen, leben in Gebieten, wo zwei Schollen der Erdkruste
aufeinander prallen und riesige Gebirge auftürmen. Viele Menschen leben damit gefährlich; das
Seebeben in Südostasien hat uns dies in grausamer Deutlichkeit vor Augen geführt.
Eine Karte aus dem südostasiatischen Katastrophengebiet werden Sie, verehrte Gäste, heute Abend
nicht finden. Dafür aber bietet Ihnen diese Ausstellung Karten und Material aus anderen
(geophysikalischen) Krisenregionen dieser Erde. Vor dem Hintergrund des Seebebens in Südostasien
können wir diese Ausstellung auch als ein Zeichen der ökologischen Fragilität unserer Erde verstehen.
Auch in diesem Sinne wünsche ich der Exposition "AllerLandKarten" viel Erfolg und vor allem ein
aufgeschlossenes, zahlreiches Publikum, das sich mit Interesse diese Schätze ansieht.
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